Volltext Seite (XML)
Pulsnitzer Tageblatt — Sonnabend, 14. Mai 1932 Seite 6 WSlG - MW «Sei» Well - NW Die NSDAP.-Abgeordne- ten vor dem Schnellgericht. Eine Aufnahme von der Ber liner Schnellgerichtsverhand lung gegen die NSDAP.-Ab- geordneten. Der Abg. Hei nes (stehend) bei der Aus sage. Die Abgeordneten stan den wegen der Vorfälle wäh rend der letzten Reichstags sitzung vor Gericht. Die Schlägerei im R e i ch s t a g s r e st a u r a u t war nm Freitag Gegenstand vor dem Berliner Schnellschöffen- xcricht. Die Anklage gegen die drei nationalsozialistischen Neichslagsabgeordneten Heines, Weitzel und Stcg- m a n n, die am Donnerstagnachmittag im Reichstag von der Kriminalpolizei festgenommen worden waren, lautet auf gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung. Hierauf sich: eine Strafe von 2 Monaten bis zu 3 Jahren Gefängnis. Auch der nationalsozialistische Reichstagsabgeordnete Gregor Straßer wurde dem Schnellgericht zugeführt. Gregor SKaßer, den die Kriminalbeamten am Donnerstagabend nicht fcstnehmen konnten, da sie ihn im Reichstag nicht er- taunt hatten, wurde am Freitag früh von Beamten der poli tischen Polizei verhaftet. Die Verhaftung erfolgte auf dem Anhalter Bahnhof im O-Zug BerlinMünchen. Straßer ioll sich an der Mißhandlung des Schriftstellers Klotz bei iligt haben. Er wurde nach dem Polizeipräsidium gebracht und dem Poüzeivizeprüsidentcn Weiß vorgeführt. Die Ver nehmung Straßers durch den Polizeivizeprüsidenten dauerte nur kurze Zeit. Straßer erklärte, daß sich die Zeugen, die ihn des Nnufhandels beschuldigten, in der Person irren müssten. Nach seiner Vernehmung wurde er dem Schnell- richtcr vorgeführt. Den Vorsitz des Gerichts führte Landgerichtsdirektor Or. Masur, der als Untersuchungsrichter aus den Schles wiger Bomdenprozesscn bekannt ist. Der Saal 120, in dem der Prozeß ursprünglich stattfinden sollte, war bei dem An drang, den dieser politische Sensationsprozeß verursachte, selbstverständlich viel zu klein. Deshalb wurde das Gericht in den kleinen Schwurgerichtssaal verlegt. Vier Angeklagte waren erschienen, als vierter war Strasser dazugekommen. Der ganze Zuhörerraum war mit Nationalsozialisten gefüllt, alle mit dem Parteiabzeichen. Auch auf der Straße vor dem Gericht stand eine große Anzahl von Nationalsozialisten, ebenfalls mit dem Parteiabzeichen, und wartete den Aus gang des Prozesses ab. Viel Schupo mar vor dem Gericht postiert. Nach Feststellung der Personalien der vier Angeklagten wurden die elf Zeugen aufgerufen. Dann begründete der Oberstaatsanwalt vr. Köhler feine mündliche Anklage: „Ich kiage die Mitglieder des Reichstages: den Leutnant a. D. Heines, den Schlosser Fritz Weitzel, den Diplom-Land wirt Wilhelm Steegmann und den Apotheker Gregor Stra ßer, an, zu Berlin-Mitte am 12. Mai 1932 fortgesetzt und gemeinschaftlich handelnd den Schriftsteller Kapitänleutnant a. D. Or. Henning Klotz beleidigt, vorsätzlich mißhandelt und an seiner Gesundheit körperlich geschädigt zu haben." In zwischen war auch der als Nebenkläger zugelassene Or. Klotz mit seinem Nechtsbeistand erschienen. Der Abgeordnete Heines gab dann in der Beweis aufnahme zu, dem Nebenkläger eine Backpfeife gegeben zu haben. Klotz habe provoziert. „Ich ging ahnungslos an ihm vorbei. Ich war zwar darüber verärgert, daß Herr Klotz, der früher Nationalsozialismus geheuchelt hatte, in das Reichs tagsrestaurant gekommen war. Aber ich wäre vorüber- gegangen. Da hörte ich von ihm zwei Worte. Das eine Wort war, soviel ich verstanden habe, .auch', das andere Wort war .Schweine'. Ich mußte das nach Lage der Dinge auf uns beziehen. Da habe ich ihm eben eine runtergehauen." Auch der Abgeordnete Stegmann erklärte: „Ich ging durch das Neichstagsrestaurant, kam an Klotz vorbei und hörte ganz deutlich, wie wir ,Schweine' geschimpft wurden. Ich sah dann, daß irgend jemand einen Stuhl gegen Heines warf. Ich ging hin und haute dem ersten besten, der in der Nähe stand, eine runter. Es war zufällig vr. Klotz!" (Lachen im Zuhörerraum.) Der Abgeordnete Weitzel bestätige diese Aussagen: „Auch ich hörte das Schimpfwort. Dann wurde mir plötzlich ein Stuhl gegen das rechte Bein geworfen, so daß ich noch dort jetzt eine Wunde habe. Ich mischte mich ein. Es gab ein Durcheinander. Ich trat vor Or. Klotz und versetzte ihm drei Ohrfeigen, es können auch vier gewesen sein." — Vor- sitzender: „Ja, warum eigentlich?" — Angeklagter: „Ich war der Auffassung, daß vr. Klotz mich mit dem Stuhl geworfen hätte. Ich kenne Or. Klotz nicht. Ich habe ihn erst nachträg- lich kennengelernt." — Richter: „Also haben Sie nur Or. Klotz geschlagen, weil Sie ihn für den Werfer des Stuhles hielten?" — Angeklagter: „Jawohl." Dir Vernehmung Straßers. Der Abg. Straßer, der bis dahin in einer Zeitung gelesen halte, schilderte nunmehr, wie die Erregung über das Erscheinen des Or. Klotz bei seinen Parteifreunden entstanden sei. Kiotz habe sich draußen im Wandelgang auf diejenige Seite des Raumes begeben, auf welcher sich nach alter Ge wohnheit die Parlamentarier der rechtsstehenden Parteien auszuhalten pflegen. Er sei dort in provozierender Weise auf und ab gegangen. „Als ich Klotz sah", so erklärte Straßer, „habe ich meinen Parteifreunden zugerusen: Seht, Vas ist Kiotz, dieser Kerl, der die Schmähschriften gegen uns geschrie ben hat, der wegen Unterschlagungen seinerzeit aus der Partei entfernt werden mußte und der auch ein paarmal im Irrenhaus eine Gastrolle gegeben hat." Die Erregung seiner Parteifreunde, fuhr Straßer fort, sc! gestiegen, und er hätte bemerkt, daß Weitzel mit Klotz einen Zusammenstoß gehabt habe. Reichstagsbeamte hätten Klotz durch eine Tür abschieben wollen. Er, Straßer, habe sich be- m stst, seine Parteifreunde zurückzuhalten. Er habe Klotz > i m-rhoupt nicht berührt. Straßer erklärte, daß er sich keines- r 'gs der Kriminalpolizei habe entziehen wollen. Er fühle sich nicht schuldig und habe keine Veranlassung gehabt, sitz zu verbergen. Er sei nach der Sitzung des Aeltestenrats i aller Ruhe die Treppe hinuntergegangen. Nachts habe er an einer Besprechung teilgenommen und sei bei Besteigen des Münchener Zuges in Berlin verhaftet worden. Wenn er sich hätte verbergen wollen, hätte er es bequem tun können. Dir Zeugenvernehmung. Als erster Zeuge wurde ein Beamter des Reichstags, der Oberverwaltungssekretür Skanowitz, vernommen. Er sagte u. a. aus: Er selbst habe von der Schlägerei im Restau rant nichts gesehen. Or. Klotz wurde von ihm und seinem Kollegen Stiller in die Mitte genommen. Als sie im sogenann ten Umgang waren, wurden sie von 50 bis 60 nationalsozia listischen Abgeordneten umringt, und es wurde im Chor ge- rufen: Klotz raus! Er wehrte die Abgeordneten ab und be kam dabei selbst einige Schläge und Stöße. Es wurde nur mit der flachen Hand geschlagen, wobei Klotz einige Ohrfeigen erhielt. Erkannt habe er unter den Angreifern nur den Ab geordneten Weitzel. Klotz sei weder auf den Boden geworfen noch getreten worden. Der Zeuge Reichstagsbeamter Stiller erklärte, daß er nur von dem Abgeordneten Weitzel gesehen habe, daß dieser Or. Klotz Schläge versetzt habe. Der Vorsitzende be merkte hier, Herr vr. Klotz behaupte, an der Tür der Moltke halle niedergeschlagen und mit Füßen getreten worden zu sein. Der Zeuge antwortete entschlossen: „Nein, das alles ist n i ch t wa h r. Nur mit der flachen Hand, und zwar von Herrn Weitzel, ist l)r. Klotz geschlagen." Es kam jetzt zu Zu- sammenstößcn zwischen der Verteidigung. Der Zeuge blieb bei seiner Aussage. Zu erregten Szenen kam es zwischen den Prozeßbeteiligten während der Ver nehmung des Redakteurs Glückauf vom Kommunistischen Neichstagspressedienst, der eine Darstellung des Vorganges gibt, die sich in vollen Gegensatz zu den Bekundungen der beiden bereits vernommenen Neichstagsbeamten stellt. Der Zeuge gibt an, von dem Anfang der Schlägerei nichts ge sehen zu haben. Als Klotz an ihm vorbeikam, hatte er einen roten Fleck auf der Wange. Einige Abgeordnete stürzten sich auf Klotz und schlugen auf ihn ein: „Da ist der Verräter, der Lump, der Schuft!" wurde geschrien. In dem Tumult hörte er auch die Stimme Gregor Straßers: „Laßt mich heran, ich schlag' ihn tot." Er will auch gesehen haben, daß Straßer zuschlug. Endlich gelang es den Reiä-stagsbeamten, den Mißhandelten in Sicherheit zu bringen. Abgeordneter Straßer: „Diese Aussage ist völlig un wahr." Sekretär Skanowitz: „Es ist unmöglich, daß Klotz auch nur einen Schlag bekommen haben kann. Ich habe Herrn Straßer auch erst später gesehen." Zeuge Stil ler: „Die Ecke ist so klein, daß es nicht erklärlich ist, daß Klotz doch noch dort geschlagen sein kann, da ich ja mit mei nem Kollegen Skanowitz davorstand." Nach einer Pause gab der Rechtsvertreter des Or. Klotz die Erklärung ab, daß der Beweis, daß Straßer geschlagen habe, nicht erbracht sei. Er verzichte also auf die betref fenden Zeugen. — — ' " Sodann kamen die Vorgänge zur Sprache, die sich gegen Mittag im E r fr i s ch u n g s r a u m des Neichstags- gebäudes abgespielt haben. Der dort als Kellner an gestellte Zeuge Stroh Hecker erkannte von den auf der Anklagebank sitzenden Angeklagten nur den Abgeordneten Heincsals Beteiligten wieder. Der Zeuge Kassierer Siegmund Krummener, der zu einer Besprechung in den Reichstag geladen war, befand sich mit einem sozialdemokratischen Parteigenossen im Nestau- rant. Er erklärte, der Abgeordnete Stegmann habe be stimmt geschlagen. Die übrigen Angeklagten erkannte er nicht wieder. Stegmann: „Haben Sie gesehen, daß Ihr Parteigenosse Westphal einen Stuhl nach uns warf?" Zeuge: „Nein, mit dem Stuhl wollten wir die Streitenden nur aus- cinanderbringen." Stegmann: „Diese Darstellung ist falsch." Der Zeuge Maitrank (Sozialdemokrat) schilderte den Vorgang als einen planmäßigen Ueberfall der Nazi- ir o -X von 3V/L c KU KI.-7 KlcK 6 cbt vkucscr-kLLvrirLuvrr. arme narren, wsiro/m <46. Fortsetzung.) „Plötz, gibt es denn eigentlich noch Blumen in Moritz burg und Eisenberg?" sagte die Gräfin. „Es ist ganz er staunlich, was Ihr zufammengebracht habt!" „Und diese Binderei," meinte eine andere, „das muß doch eine Heidenarbeit verursacht haben!" „Therese, daß du es weißt, da haben deine sämtlichen Ver ehrer mitgeholfen; es war keine Kleinigkeit, die Ranken zu ziehen, ohne mit Frau Jägermeisters Obst in Konflikt zu kommen!" Nun erschien Christel mn der dampfenden Riesenlanne und mahnte zum Sitzen. Sie sah stattlich aus in ihrem blauen Sonntagskleid mit schwarzer Seidenschürze und einem Häub chen, für das Plötz die schöne Bezeichnung „Karnutzsche" er funden hatte. Strahlend, als lei 'sie die Brautmutter selbst, ging sie um den Tisch herum Therese teilte die Brauttvrte, und die alten Herrschaften, zu denen sich auch der Oberstallmeister und der Leibarzt gesellt hatten, standen erwartungsvoll dabei Ehe die Mädchen noch zureichlen, kam fast atemlos Amalie von Reichenau „Ver zeih'. Therese, ich konnte nicht eher." „Herzlich willkommen! Du hättest mir gefehlt," und Therese schob einen Stuhl heran. Unter großem Jubel der Mädchen verkündete Ulrik«, daß sie die silberne Bohne erwischt habe und die nächste Braut fein müsse. Nun wurde herzhaft zugelangt, und es war erstaunlich, was für Mengen Kuchen die Mädchen verschwinden ließen. Plötz sah mit Genugtuung, wie alle von seinen Vorberei tungen überrascht waren, und daß die Gartenpforte in stän diger Bewegung war. Die Mädchen hatten die Köpfe zusammenzustecken und zu tuscheln und zu kichern und die Honorationsdamen zu kriti sieren, die, in Erwartung Damen der Hofgesellschaft anzu treffen, sehr zahlreich zu einem Täßchen Kaffee gekommen waren und sehr sorgfältig Toilette gemacht hatten. Sie kamen alle auf die Kosten, und als sogar die ganz exklusive Gräfin P., von einem Diener begleitet, erschien und leutselig nach allen Seiten grüßte, fühlte man sich eine Stufe gehoben. Und die Braut strahlte unter ihrem Rosenkranz, empfing die Gäste mit einer Grazie, die einer Prinzessin Ehre gemacht hätte, und fand für jedes das rechte Wort. „Bloß gut, daß du gekommen bist; beschreiben könnte ich dir gar nicht, wie reizend es ist," rief di« Komtess« ihrer Mama zu „Meinst du nicht auch, daß Plötz einen Orden bekommen müßte?" Die Gräfin nickte dem Jäger anerkennend zu und sagte zu ihrer Tochter: „Du wirst reichlich viel gesprochen haben; mir wäre lieb«r, du hättest gleich berichtet, wie fleißig du warst." Der Leibarzt, der sich durchaus zur Jugend setzen wollte und immer von den Mädchen weggedrängt wurde, sagte: „Das ist !o eine Sache, nicht wahr, Komteßchen? Der Mensch sieht, was vor Augen ist!" Sie warf «in Zuckerstück nach ihm und bekam keine Rüge von der Frau Mama. „Wißt ihr übrigens, wer herzlich gern gekommen wäre? Fräulein von Naunhofs. Sie läßt alle grüßen Sie hat noch einige Tage Dienst bei der Königin und kann sich nicht frei machen " „Wir könnten eigentlich eine Arbeit zur Hand nehmen," sagte die Pfarrerstochter, die genau wußte, daß eine An zahl Mädchen sich wohler fühlte, wenn sie die Hände regen konnten. Die alte Gräfin fand es sehr richtig, wenn die Zeit aus genützt würde. „Aber ein wenig dazu singen," bat die junge Gräfin. Bald war Nadel und Faden in Bewegung, und frische Mädchen stimmen schallten durch den Garten. * * * Zur gleichen Zeit unternahm die Königin ihren lang weiligen Rundgang um das Schloß Sie blieb stehen und fragte ihre Begleiter: »Wo kommt del Gesang her?" „Genau kann ich nicht Aufschluß geben," sagte der Kam merherr, „es werden Schulkinder sein." „Das sind keine Kinder, Majestät," berichtete die Hofdame. „Therese Böhme hat heute Brautkaffee, da werden die Mäd chen singen." —" „Also Hochzeit — die kleine Therese hat Hochzeit." „Nein, Majestät, das ist vor der Hochzeit. Alle Jugend freundinnen helfen Aussteuer nähen und werden dann am Schluß mit Kaffee und Kuchen bewirtet." „Ein sehr ansprechender Brauch," sagte die Königin und ging die Auffahrt hinunter, „und dieses Singen dazu ist eine schöne Sitte" „Es soll eine große Gesellschaft da sein. Alle, die in dem Kränzchen bei Fräulein von Krumbholz gearbeitet haben, sollen sich angesagt haben, und dazu die Dorsmädchen." wußte die Naunhofs zu melden. „Wie schade, jetzt sind sie still. Man könnt« ihnen sagen, sie sollen wieder singen; es klang so anheimelnd durch die Stille." Wie gerufen kam dem Kammerherrn dieser Wunsch, er hätte sonst keine Gelegenheit gehabt, einen Blick in den Jägermeister-Garten zu werfen Mit großem Hallo wurde er begrüßt. Er solle Platz neh men, hieß es und er brachte fast verlegen die Bitte vor. Die Mädchen guckten sich an und schienen den rechten Ton nicht linden zu können „Da müßt ihr schon singen," sagte der Jägermeister, „wenn Majestät Gefallen daran findet." „Freilich müßt ihr singen Florence, fang an!" entschied die Gräfin P.. und beherzt stimmte die Komtesse das neue schöne Lied vom Lindenbaum an. Der Kammerherr war ganz bezaubert; er, der von Frauenschönheit verwöhnte Ka valier, sah diesen Mädchenkranz an wie ein holdes Wunder und riß sich nur gewaltsam los. Die Königin blieb lauschend stehen. „Lieber Baron, ob es die Leute stört, wenn man sich dieses ländliche Fest einmal ansieht?" „Ländliches Fest ist schön gesagt," dachte die Naunhofs und wäre gern hingegangen, wagte jedoch nicht, der Königin zu- zureden.