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Kam etwas, was ich nie gewußt hatte: Eine Hand faßte in meine müde abfallenden Hände — es war Jesus, der Menschenbruder. In seine nahen Augen kannte das Weh alter Wunden hineingesagt werden. Sein Mund redete Stille. Aber auch für das aufkochende Gewühl der Stunden, für den Sturm zur Höhe hatte er mit- kämpfende, befeuernde Worte." Aus diesem Erleben sieht Schüler ein neues Pfingsten entstehen: „Müßte sich nicht die irrende, und tiefunruhige Sehnsucht un serer Zeit in die Liebesmacht Jesu, dieses reinsten aller Menschen, hingeben und in ihm zum Atemholen kom men? . . . Jesus steht an den Wegen und sieht alle die Heimatlosen an mit dem Blick seiner tief verstehenden Liebe. Er ist immer da- und wartet, daß sie kommen. Und sie müssen doch wieder aus großer Rettungslosigkeit zu ihm sich wenden und weinend sich in seine Hände retten. Dann wird sein Morgenleuchten auf den Hagel besallenen Menschheitsfeldern liegen, und es wird sich eine getroste und fröhliche Ernte rüsten." Das wäre ein neues Pfingstfest, das wäre ein neuer Pfingstsegev, der heilige Geist, der eine Wirklichkeit nicht von dieser Welt, aber doch in dieser Welt ist, in unserem Dome neue Gewißheit, neue Klarheit schenken würde, was Gustav Schüler bezeugte und was Wul Vesper in pfingstlichem Bekenntnis ausdrückt: „Wenn m unserem Volke . . . das heilige Feuer sich, aus den Diesen geholt, wieder entzünden wird, so wird m diesem Volke auch Christus. wiedergeboren werden, - - - "er wahre Christus des Neuen Testamentes, der Sohn Gottes, der Heiland und Erlöser der Welt, dem wieder in lebendigem, glutvollen Glauben nachfolgen werden, nachdem wir sein „Wandelt euch" vernommen und die Wiedergeburt in ihm erfahren I gaben. Um solches Pfingsten geht das Bitten: Du heilger Geist, bereite I Ein Pfingstfest nah und fern. Mit deiner Kraft begleite ' Das Zeugnis von dem Herrn. Dr. G. Uebervaschung aus alten Briefen. Von Richard Zoozmann. Der kleine Villenvorort mit den roten und blauen Dächern und Türmchen prangte in vol lem Glanzedes Himmels. Ringsum at meten Friede und Freude. Nur Frau An tonie saß trau rig am Kaffee tisch auf der Veranda und las zum soundsovielten Male den gestern noch spät abends eingetroffenen Eilbrief: „Abreise heute leider unmöglich, liebe Tonifrau. Sitzung wird heute abend kaum zum Abschluß führen; dann morgen, am Pfingstsonntag, noch Vormittagsbesprechung! Kann also frühestens morgen abeNd eintreffen. Wollte nicht drahten, da Dich Telegramme immer erschrecken, doch erreicht dich dieser Brief noch zeitig genug, um Deine etwaigen Pfingst- disposttionen nicht zu stören. Alles andere mündlich. In zwischen herzlichen Gruß und Kuß von Deinem Achim." Wie nüchtern er schreibt, dachte Frau Antonie. Ein guter Kerl, ein tüchtiger Mensch, der Achim — gewiß! Aber seine Briefe find recht prosaisch. Nicht nur dieser hier — auch die sonstigen Briefe, die er mir manchmal zu schreiben pflegt. Nebrigens nett, daß er mich durch eine Depesche nicht erschrecken wollte — aber sonst ist es doch nur eine grausam nüchterne Mitteilung . . . Früher hatte sie andere Briefe bekommen, zum Bei spiel noch vor drei Jahren — da war ein besonders schwär merischer Verehrer, der Fredy Zoller. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, kramte in einigen Schubfächern und holte ein blaugebändertes Bviefbündelchen hervor. Mit einem Lächeln löste sie das Band und l'ieß die vier, fünf Dokumente seliger Erinnerung durch ihre Finger gleiten. Wie hübsch es Fredy versürnd, kleine Verschen einzustreuen, wie zum Beispiel hier: „Briefe leben, atmen warm und sagen Mutig, was das bange Herz gebeut; Was die Lippen kaum zu stammeln wagen, Das gestehn sie frei und ungescheut.' Die Persönlichkeit Fredys hatte sie seinerzeit zwar nicht so sehr bestrickt, aber solche Briefe entzücken eben ein junges Mädchen. Ja, sie hätte diesen Verehrer wohl längst vergessen, wenn nicht diese papierenen Zeugen an ihn er innerten. — Und während sie weiterlas, fiel ihr der letzte Brief in die Hand, zufällig auch ein Pfingstbrief. Er lautete: „O meine Göttin! Pfingsten, das lieblichste Fest, ist gekomnren! — Das Fest der Freude und jener Liebe, die uns von der Taube himmelher gebracht wurde! Eine schlaf lose Nacht liegt hinter mir — aber ich sah Dich ständig vor mir in den ruhelos durchwälzten Stunden — sah Dich in dem resedagrünen Kleid, mit der blonden Haarkrone über dem alabasternen Halse, mit den kornblumenblauen Augen — (eigentlich sind meine Augen mehr grau, dachte Frau Toni) — und den lilienweißen Armen! — Ja, so schwebst Du vor mir, meine Märchenprinzessin! Und oh, wie freue ich nnch auf den gemeinsamen Ausflug am Pfingstmontag — (der leider wegen unaufhörlichen Regens nicht stattfand, ergänzte Frau Toni in Gedanken) —, wo ich den Mut zu einem Wort finden werde! Ja, meine Mondscheinfee, was meine Lippen nicht zu gestehen wagen, das kann ich der Feder ohne Erröten anvertrauen — ich küsse Dir die Hände, die Stirn, die Veilchenaugen — (oben waren es Kornblumen, wunderte sich Frau Toni) — und ich liebe Dich, o meine Göttin, durch alle Ewigkeit. Dein Fredy Zoller." Ein bißchen überschwenglich mutet's eine« heute Huub an, sagte Frau Toni im stillen — aber es ist doch hübsch, solche Beweise der Verehrung zu bekommen. Da wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen durch ern heftiges Ausstößen der Tür. Achim stand in ihrem Rahmen, groß, breitschulterig, mit lachenden blauen Seemannsaugen. Und schon hatte er die junge Frau, die froh-erschreckt von ihrem Stuhl aufgesprungen, in seine Arme gerissen, soweit es der große Orchideenstvauß zuließ, den er in seiner Rech ten hielt. „Da bin ich, liebste Tonifrau", lachte er mit seinem ge mütlichen Baß. „Denke dir, wir haben's gestern mit den Düsseldorfer Direktoren doch noch geschafft! Die Sitzung dauerte freilich bis spät nach Mitternacht — und der Hotel portier verriet mir, daß im Flugzeug ein Platz frei geworden. Den hab ich natürlich sofort gechartert, bin heute morgen halb sechs losgegondelt und nun glücklich bei dir gelandet. Meinen Brief hast du doch erhalten?" „Freilich, Schatz — aber — aber es ist ja viel leicht dumm von mir — aber ich wünschte, du schriebest nicht immer so furchtbar prosaische Briefe —" „Ach, du kleines Dummerchen! Was liegt an Briefen? Zumal an einem langen Geschreibsel? Ein altes Sprichwort sagt: .Kurzer Brief — viel Glaubens; langer Brief — wenig Glaubens'." „Ich weiß, daß ich töricht bin, lieber Achim, aber ich bin darin etwas backfischartig und . . ." „Süß bist du", unterbrach er sie, „süß wie eine kleine liebe Frau sein soll! Meine Pfingstrose bist du, imine Pfingsttaube die mir einen ganzen großen Schatz voll Liebe vom Himmel herabbringt —" „Du wirft ja ordentlich poetisch, Achim." "Ja, da wunderst du dich, wie? Oh, ich kann auch ein Phantast sein und hab früher manchen schwärmerischen Brief (Waler -Summers"' beschrieben. Das kam mir gerade vorgestern in Erinnerung, als ich einen alten Bekannten flüchtig wiedersah. Zöllner — nein, Zoller hieß er! Das war ein ewig verliebter Stint! Aber er konnte keinen Liebesbrief zusammenkriegen — er war ja auch fünf, sechs Jahre iün.qer als ich rind hatte noch keine Erfahrung, haha! Du brauchst mich nicht so erschrocken anzusehen, die richtigen Erfahrungen hab' ich erst bei dir gemacht! Also schön! Wir wohnten damals zusammen in einer Pension. Er hatte alle naselang eine neue Liebschaft .— und da tat ich ihm den Gefallen, versetzte mich künstlich in poetische Stimmung und diktierte ihm die verrücktesten Briefe an seine Märchenprinzessinnen und Mondschein göttinnen — oder wie er seine Flammen gerade nannte! Gr ist jetzt übrigens auch verheiratet und wohnt als beleibter Nemner in Heidelberg . . . aber was hast du denn?" Die junge Frau hatte sich in den Stuhl fallen lassen und ein lautes, Helles, fröhliches Gelächter angestimmt. „Ach, du böser Mensch, du Heuchler! Ich war auch einmal eine von deinem Zoller angeschwärmte Prinzessin — hier, lies seine Briese, die er mir damals nach oernem Dtttat schrieb, du Humbug-Liebesbriefsteller!" „Du bist also auch eine von Zollers Flammen gewesen?" rief Achim. „Na, das zeugt wenigstens von seinem guten Geschmack!" UlH der große Mann küßte sein kleines Frau chen wieder und drückte es herzhaft an sich. Und unter diesem Küssen und Drücken war die Pfingstsreude auch in Tonis törichtes Herzchen eingekehrt. Der heilige Geist der Liebe machte sie hellsehend, und sie erkannte das Vorurteil der verwelkten Backfischzeit. Ernsthaft sprach sie: „Noch heute verbrenne ich diese dummen alten Briefe!" „Behalte sie in Gottes Namen", erwiderte Achim, „denn es sind ja doch schließlich meine und, wenn auch unwissent lich, an dich, du meine Prinzessin und Mondscheinfee, gerich teten Briefe. Und vergleiche sie mit den Briefen, die ich dir im Laufe der Zeit noch schreiben sollte. Du wirst aus dem Bemühen, meine Gefühle und Empfindungen kurz und schlicht auszudrücken, dann deutlicher den Herzschlag meiner Liebe heraushören als aus dem Phrasengestammel, das ich >einem einstigen Verehrer in die Feder diktierte. Maler Kummer lebte in der Heil- und Pflegeanstalt als Patient, halb in der Rolle eines Ehrengastes. Man kannte die kleine Weinwirsschaft in Straßburg, wohin er auszubrechen pflegte, und holte ihn von dort jedesmal ohne beleidigende Uebereilung ab. Kummer war immerhin der jenige, der die Kaiserburg ausgemalt hatte, nachdem sie unter dem Lärm zahlreicher Parteien restauriert worden war. Dieser Kummer erschien früh am Samstag vor Pfing sten bei dem Bauern Schroeter in Lömberten, einem Dorf in der Nähe der Anstalt, das übrigens sein und seiner Mutter Heimatort war. Schweter, der sich durch den Besuch des groß gewordenen Nachbarsohnes geehrt fühlte, wollte mit dem Weinkrug in den Keller gehn; aber Kummer hielt ihn zurück: „Nichts da, Schweter! Ihr müßt gleich anspannen! Nehmt den Leiterwagen, irrt eine Plane darauf! Wir müssen nach Straßburg fahren. Meine Mutter liegt im Sarg, heute früh habe ich den Brief bekommen, und wir müssen sie holen, denn sie hat immer gewünscht, in ihrer Heimat be graben zu sein!" — Der Bauer sagte ein paar Worte, die ihm von Herzen kamen; Kummer schüttelte ihm beide Hände und begann zu weinen. — Schweter wurde verlegen, und da er nichts weiter zu sagen wußte, ging er kurzerhand und spannte den Leiterwagen an. Kummer lind Schweter kamen am späten Nachmittag vor dem Trauerhause in Straßburg an, luden miteinander den Sarg, den sie im Wohnzimmer fanden, auf den Wagen und fuhren ab, nachdem Kummer das Beileid der Nachbarn auf der Straße entgegengenommen hatte. Das Pferd ging im Trauerschritt auf der Landstraße, die am Kochersberg entlangführt. Kummer und Schweter saßen nebeneinander auf einem Brett. Der Sarg hinter ihnen war von der Plane bedeckt; ein Kranz aus Glasperlen, den sie im Hause gefunden hatten, war am Fußende be festigt. Es war beiden feierlich zumute; die Luft war milde, durchschwingt von süßem, trocken klarem Abendlicht, und das Blau der Vogesen löste sich mit dem schwimmenden Tag in silberne Dünsä auf. Kummer begann von seiner Mutter zu sprechen, rasch und laut und immer begeisterter. Sie war die beste der Mütter gewesen; als eine Heilige hatte sie das Los ertragen, einen Künstler zum Sohn zu haben. Sie hatte verstanden, daß die wahren Künstler pfingstliche Menschen sind, feurige Zungen, lebende Flammen, denen das irdische Glück in Rauch zergehn muß. „Ich bin wahrhaftig ,ihr Kummer' ge wesen, sie hat das letzte für mich aufgeopfert, nicht an der Kranvheit ist sie gestorben, sondern an ihren Entbehrungen für mich! Aber sie hat gewußt, worum sie entbehrte! Ich habe das Vermögen vertrunken? Nun, solange ich trank, schuf ich Werke! Erst seitdem ich in der Anstalt bin und nicht mehr trinke, schaffe ich nicht mehr! Sie wußte, daß ich trinken mußte, und nie hat sie es mir vorgeworfen! Sie wußte, daß sie eine feurige Zunge in mir zur Welt gebracht hatte: daran verzehrten wir uns beide! Jetzt hat sie ihr Pfingsten gehalten, und ich werde ihr bald folgen!" Er schluchzte wieder. Der Bauer saß unbeweglich. In einem Fuhrmannswirtshaus hinter Brumath mach ten sie Rast. Sie tranken den Landwein aus großen Glä sern. Kummer lud vier Fuhrleute und den Wirt zu Gast und erzählte ihnen seine Sache. Während er aber draußen fast nur im Lob seiner Mutter geschwärmt hatte, begann er nun sich anzuklagen, seine Haltlosigkeit und Selbstsucht der heiligmäßigen Größe der Mutter gegenüberzustellen. Die Männer hörten ihm zu, ohne sich einzumischen, indem sie Glas um Glas mit ihm tranken. Er redete und redete. Schließlich sprach er nicht mehr, sondern sang. Er fühlte stcy groß und heilig in dem Priesteramt, sie zu preisen, die für ihn geopfert war. Die Männer schliefen, die Köpfe neben den beiseitegeschobenen Gläsern auf den Armen. Er redete, ohne den Ablauf der Stunden zu bemerken. Die Lampe, die trübe vor ihm schwelte, war in das pfingstlich brennende Haupt seiner Mutter verwandelt, das er anweinte im tunken innigen Rausche seiner Unwürdigkeit. In der Morgenfrühe fuhren sie weiter. Solange das graue Licht der ersten Dämmerung anhielt, war Kummer traurig und schweigsam, und häufiges Frösteln schüttelte ihn. Sobald aber die erste Röte über den Schwarzwald heraufkam, beruhigte sich alles in ihm auf wunderbare Weise Die Kühle des Morgens erquickte ihn, während er sich inner- lich von glühenden Strömen heilig schöner Gefühle durch flossen fühlte. „Sie lebt, sie ist gegenwärtig, sie verzeiht, sie leuchtet, sie wärmt wie immer!" Ueber der Flammenscheibc der Sonne, die jetzt den Rand der Berge verließ, sah er un geheuer groß den Lichtleib derer, von der sein ganzes Leben kam. Er stieß den Bauern an: „Halt, Schweter! Ich will hören, was die Pfinastvöqel pfeifen!" Der Feiertags-Ausflug Mit dem Osterausflug war das ja nichts Rechtes ge wesen. „Vom Eise befreit . . ." kaum eine Spur. Von Grünen und Blühen auch nicht gerade viel zu merken ge wesen. So hat man seine an den Osterspaziergang geknüpf ten Erwartungen und Hoffnungen und Wünsche auf den Pfingstausflug verschoben. Fest stand nur, daß man die beiden Feiertage nicht verschläft oder zu Hause verbringt, sondern unterwegs ist. Diese Entscheidung ist sehr wesent lich und für manchen Mitplanetenbewohner nicht so leicht ru