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Pulsnitzer Tageblatt : 20.05.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840937203-193205209
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840937203-19320520
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840937203-19320520
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Pulsnitzer Tageblatt
-
Jahr
1932
-
Monat
1932-05
- Tag 1932-05-20
-
Monat
1932-05
-
Jahr
1932
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Nr. II6. Pulsnitzer Tageblatt — Freitag, 19. Mai 192 Seit« S den Atlantik fliegt. Sie führt Schreiben des New-Yorker Oberbürgermeisters Jimmy Walker mit, die an Hindenburg und Sahm gerichtet sind. Der Abflug des „vo X" vollzog sich ganz unbe- merkt. Reporter, die sich eigens nach Sand Point, nahe bei dem Startplatz Port Washington, begeben und dort die Macht verbracht hatten, versäumten den Start und mußten unverrichtetersache zurückkehren. Sie hörten erst durch einen Funkspruch von Bord des „vo X" von dem Abflug, als das Flugschiff schon in der Luft ivar. Später funkte der Kommandant des „Oo X", Kapitän Christiansen: „An Bord alles wohl". Das Flugboot „Do. T." wasserte am 13. Mai um 10,45 Ähr MEZ. in Dildo in der Trinity Bay. Das Wetter heiterte sich auf. Die Sicht beträgt drei Seemeilen. Ein Besuch im Himmel. Acht Insassen eines Alterheims machen einen Flug. Das war ein rechter Freudentag im Berliner Flug hafen. Die Luft Hansa hatte 32 Männer und Frauen des Tempelhofer Altersheims, Männer und Frauen zwischen 70 und 80 und darüber, die wenig vom Glück begünstigt sind, in den Tempelhofer Flughafen zu Kaffee und Kuchen ein geladen. In den Hallen und auf dem Rollfeld liefen sie umher. Zwischen Hoch- und Tiefdeckern, fragten, schauten, bewunderten, glückselig wie Kinder. Gab es Gicht, kranke Füße, schwache Herzen? Gestern nicht! Gestern war für sie das Märchen der Jugend lebendig! Sie, von denen viele noch die Postkutsche kannten, die sich der Anfänge des Autos erinnern und deren Ausflüge in Kremsern vor sich gingen, erlebten den Flug, die höchste und schönste Errungenschaft der Neuzeit. Ein „Besuch im Himmel" wurde es für acht Auserwählte. Das Los mußte entscheiden. Rührend, zu sehen, wie Frauen für ihre Männer verzichten wollten, wie bettelnd die alten Augen einen glücklichen Gewinner, der zu zögern schien, ansahen, ob er nicht etwa zurücktreten würde. Bewundernswürdig jung und glücklich stiegen die acht ein, kehrten zurück um ein Erlebnis reicher, das sie zu den schönsten ihres Lebens zählen. Man tänzle, während das Schiff brannte. Paris. Während noch immer keine endgültigen Meldun gen über die Ausmaße der Bran d k a ta str op he auf dem französischen Passagierdampfer „Georges Philippar" vorliegen, werden jetzt neue Einzelheiten über die Feuersbrunst bekannt. Danach ist der Brand ausgebrochen, während im Festsaal des Dampfers ein großerBall statt- fand. Durch die Musik und den Trubel abgelenkt, hatten die Fahrgäste die Alarmsirene zu spät vernommen. Ferner heißt es, daß die Insassen des ersten Rettungsbootes erst fünf Stunden später von dem Dampfer „Mahsud" ausgenommen worden seien. Andere Meldungen besagen, daß das Herablassen der Rettungsboote durch Flammen, Rauch und Hitze sehr behindert gewesen sei. Aus diesem Grunde seien viele Fahrgäste über Bord gesprungen. Wieder andere Nachrichten stellen die Dinge so dar, als ob der Brand schon viele Stunden lang durch die Besatzung bekämpft wurde, während die Fahrgäste noch keine Ahnung von der drohen den Gefahr hatten. Von der Brandkatastrophe scheinen auchzwei deut sche Staatsangehörige betroffen zu sein. Wie aus Nürnberg gemeldet wird, befanden sich auf dem französischen Passagierdampfer zwei Angestellte der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg. Es handelt sich um zwei Monteure des Werkes Gustavsburg bei Mainz. Bis jetzt fehlen noch Nach richten Uber das Schicksal der beiden deutschen Monteure. Erfindungsschau vom Patentbüro O. Krueger L Co., Dresden-A. 1. — Aus künfte an die Leser; Abschriften. — 2m weiteren Bezirk wurde vorläufiger Patentschutz er teilt (Einspruch innerhalb zweier Monate zulässig) für Gust. Schlick-Langebrück: Verfahren zur Herstellung reiner heil kräftiger Luft. — Max Günzel-Loschwitz: Hahneinschleifmaschine. Ferner wurde Gebrauchsmusterschutz eingetragen für Oskar Zimmermann-Langebrück: Dauerkohlenanzünder. — Erich Groß mann-Radeberg: Vorrichtung zum selbsttätigen Absperren der Gaszufuhr beim Verlöschen der Flamme. — Erich Thieme- Sacka, Post Königsbrück: Fahrradpedal mit einem in der Mitte angeordneten Rollenlager. — Schwepnitzer Maschinen fabrik Johann Schröder-Schwepnitz: Topfpresse. — Max All- mann-Hauswalde, Post Radeberg-Land- Löscher. — Näheres aus Wunsch durch Patentbüro Krueger, Dresden-A. 1, Schloh- straße 2. Hausfrau von der See- Naturschönhesten. Rundfunk Rundfunk-Vortragssolge Leipzig <259.3» Zwischensender: Dresden (319). Eleichbleibende Werttags-Aortragsfolne. 6: Turnstunde. - Frühkonzert. » 10: Wirtschaftsnachrichten. » 10.05: Wetter, Wayei- ftand, Verkehr, Tagesprogramm. » 10.15: Was die Zeitung bringt. » 11: Werbenachrichten. » 12: Konzert. « 13: Preße, Börse, Wetter, Zeit. — anschi.: Konzert. » 15.35, 17TO: Wirtschafts nachrichten <So. nur 10 u. 15.45!- » 17.30: Wetter, Zeit. O ca. 22—22.30: Nachrichten. Sonnabend, 21. Mal. 14ZO: Kinderstunde: Spielen und Basteln . 15D0: P. Daehne u. I. Krahs: Lauchstadt und sein Theater. 15.15: Funkschach. 16.00: Funkberatung. 16.10: Funknachrichten. 16PO: Berlin: Nachmittagskonzert des Deutschen Sinfonieorchesters. 18.00: Landschaftsphotographie. Gespräch mit H. Eeihler. 18Z0: Dr. Schirokauer: Fernsprechdeutsch. 18T0: Eegenwartslerilon. . 18 00- Dr Recker- Atlantis als Sage und als Problem. 18'30: Konzert für zwei Klaviere Paul und Else Lehmann-Osten. Anschl. Tanzmusik des Emdö-Tanzsportorchesters. Deutsche Welle: Sonntag. IS. Mai. 6.00: Funkgymnastlk. Anschi. Hamburger Hasenkonzert. 8VO: Kassel: Gottesdienst. 2. Deutscher Eichenkreuztag aus Anlab des 50iährigen Bestehens des Neichsoerbandes der evangelischen Jungmännerbünde Deutschlands. 10.05: Wettervorhersage. Deutsche Welle: Sonnabend. 21 Mal. 9Z0: Stunde der Unterhaltung 14.45: R. Dieter: Rund um den Rennwagen. 15.00: Kinderbastelstunde: Ein Auslegerboot. 15.45: Margarete Preul: Was mutz die " sischverwertung wissen? 16 .00: Dr. Landau: Die Entdeckung der I6V0: Hamburg: Nachmittagskonzert. f7A: San.-Rat Dr. Peuker: Der Lärm als Krankheitsursache. Irof. Dr- kühner: Die Rennticriäger der Eiszeit. 18 .05: Dr. Günther: Deutsch für Deutsche. IZZO: Pros. Dr. Fischer: Moderne Rasscntheorien. 19 .00: Englisch für Anfänger. 19L0: Vortrag von Dr. Wrede. Anschi. Wetter für die Landwirtschaft. 20 .00: .Leipzig: Heitere Stunde. 21 .00: Bremen: Phantasien im Bremer Ratskeller. Heitere Varia- ttonen über eln Thema von Hauff. M.15: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. Anichl. Tammusik der Kapelle Otto Kermbach. 2S OKIororiont -in deutsches Kullurcrzeugnis.das Weltruhm erlangte. Die Tatsache, daß die t In allen Ländern der Erde voizugswels« -Verwendung findet und uun 6 Millionen Menschen — allein in Demschland — täglich im Gebrauch ijl, beweist ani besten ihren hohen Wert sür eine oernünstige Zahnpflege zur Erlangung schöner weißer Zähne. — Versuch überzeug! — Tube 50 Vi. und 80 Pf. Das KrümperWem in der sächsischen Znduffne. Die Möglichkeiten, durch Maßnahmen im Betrieb die Erwerbslosigkeit zu verringern, finden, so wird uns von wirtschaftspolitischer Seite geschrieben, ihre Grenzen an der Rentabilität und dem Bestand des Betriebes. Inner halb dieses Rahmens kann der Betrieb auf Lager arbeiten lassen, er kann auch mit Feierschichten oder Kurzarbeit die Arbeitsgelegenheit strecken und er kann eine besondere Form der Feierschichten, das sogenannte Krümpersystem einführen. Unter Krümpersystem versteht man die zeit weilige Werksbeurlaubung eines Teiles der Belegschaft und ihren Ersatz durch bisher Beurlaubte. Beschäftigung und Arbeitslosigkeit lösen sich also in einem bestimmten Turnus ab. Man geht beim Krümpersystem, anders als beim elastischeren System der Feierschichten, von einer für längere Zeit ermittelten festen Leistungsmenge aus, berech net die dafür erforderliche Arbeiterzahl, erhöht aber diese, indem man die Arbeiter umschichtig für einen bestimmten Zeitraum die Arbeit aussetzen läßt, also werksbeurlaubt, und dafür Ersatzkräfte eingliedert. Dieses Arbeitkrümpersystem hat man z.B. imnieder- schlesischen Bergbau eingeführt. Die Erfahrungen mit ihm haben befriedigt. Die Arbeiter werden umschichtig für einen Monat werksbeurlaubt. Die zunächst teilweise er warteten Leistungsrückgänge sind nicht eingetreten. Auch der R u h r b e r g b a u hat sich mehrfach eingehend mit der Frage besaßt, ob das Krümpersystem auch bei der Ruhr kohle durchführbar sei. Er hat es abgelehnt und die Feier schichten beibehalten, weil das Krümpersystem eine Starr heit der Förderungsmenge voraussetze und der ständig wechselnden Absatzlage in den einzelnen Sorten nicht ge recht werde. Jni Braunkohlenbergbau hat das Krümper system nur in wenigen Ausnahmefällen Eingang geftlnden. JndersächsischenTextilindustrie haben Firmen das Krümpersystem angewandt, um die Arbeiter nicht völ lig zu verlieren, also nicht zur Neueinstellung von Kräften. In wenigen Fällen haben auch Firmen, die bereits früher Betriebsangehörige entlassen hatten, einen Austausch durchgeführt, um die Entlassenen wieder mit dem Betrieb in Berührung zu bringen. Auch in der Papierindu- strie wenden einige Betriebe das Krümpersystem an, um die Stammbelegschaft zu erhalten. Ein turnusmäßiger Austausch mit betriebsfremden Arbeitslosen wird aber für undurchführbar gehalten. Mau sieht, wie insbesondere das Krümpersystem vielfach in den Dienst des Betriebsgemein schaftsgedankens tritt. Die Verbundenheit der Belegschaft mit dein Werk soll erhalten werden. Praktisch führt es also seltener zu einer zusätzlichen Beschäftigung^ sondern dient zur Vermeidung von Entlassungen?' " Kirchen - Nachrichten Lichtenberg Sonntag, 22. Mai. Trinitatisfest: 9 Llhr Lesegottesdienst. 14 Ahr Kindergottesdienst. Großnaundorf Sonntag, 22. Mai, Trinitatisfest: 10 Ahr Predigtgottes dienst. — Teilnahme des Jungmädchenbundes am Jugendtag in Dresden. j Oberlichtenau Sonntag, 22. Mai, Trinitatisfest: 8,30 Ahr Predigt gottesdienst. Reichenbach Sonntag, 22. Mai, Trinitattsfest: 8,30 Ähr Predigt- gottesdicnst; anschließend Kindergottesdienst. will heiraten Oopxrigdt 1931 t>5 Karl Köhler L Co., Berlin-Zehiendorj. 6- Machdruck verboten.) In der Art, die man leicht auf Autoreifen annimmt, trat er näher zu ihr, deutete auf ihr Pferd und sagte, ohne daran zu denken, seine Mütze zu ziehen oder nur eben „Guten Tag" zu wünschen, wie es vielleicht nicht ganz unpassend gewesen wäre: „Eine Pferdekraft — und mein Wagen dort fünfundzwan zig—achtzig ?8." „Dazu ein Mann ohne Erziehung, der Spatzen unter der Mütze hat", war die prompte Antwort. Und schon saß Friede auf dem Bock, kitzelte den Gaul nur leicht mit der Peitsche. In fa mosem Tempo lief der Wagen aus dem Hof, dicht an dem ver dutzten Herrn mit den Spatzen unter der Mütze vorbei. „Donnerwetter! Die ist gut! Die gefällt mir! Junge, Junge, die hat Haare auf den Zähnen. Und dabei ein verdammt hübscher Racker." Er sah sich nach jemand um, der ihm Aus kunft geben konnte, wer die Dame gewesen war, und winkte den Fahrlehrer herbei, schmierte dessen Stimmbänder mit einem Fünf markschein ein und fragte ihn nach dem Namen der energischen Dame. „Det war Fräulein von Wolf. Die lernt hier Autofahren." Mit dem Daumen zeigte er nach der Box hinten. „Dort steht ihr neuer Wagen." „Kann ich ihn mal sehen?" „Aber gewiß doch! Ist ein ganz hübsches Ding, hat seine geschlagenen vierzehn gekostet." „Hm, hübscher Wagen! Wieviel ?8?" „Fünfzehn—Sechziger." „Und kann die Dame schon fahren?" „Die lernt et fixe, die ist Helle. Aber bannig keß ist die, det lassen Sie sich man gesagt jin." „Wohnt die Dame hier in der Stadt?" „Nee, det ist die Besitzerin von det Gut Wolfsdingen, det ist so dreißig bis fünfunddreißig Kilometer von hier." „Aha, wie weit ist es denn noch bis Wiesengrund?" „Det is noch een bisken weiter, mehr nach rechts rüber. Ist een hübschet Gut, allens neu gemacht. War neulich dort." „Freut mich, daß es Ihren Beifall gefunden hat, ich werde es meinem Bruder sagen." „Ach, Verzeihung, der Herr ist aus der Gegend hier?" „So — gewissermaßen. Na, Hermann, fertig?" „Jawohl, Herr Bürger, wir können weiterfahren", ant wortete der Chauffeur, der sich eben noch die Hände an einem alten Lappen, wie ihn jeder Chauffeur in feinem Kasten hat, ab- trocknete. „Dann los!" Leicht legte er den Finger an die Mütze, den Fahrlehrer grüßend, und stieg wieder in seinen Wagen ein. „Der Wagen kostet mindestens feine zwanzigtausend Mark oder ick verstehe nischt vom Gurkenhandel", brummte der Fahr lehrer hinter dem lautlos in Gang gekommenen Wagen her. Friede Wolf war noch etwas weißglühend, während sie durch die Felder fuhr. Sie war ein lieber Menfch, aber wenn ihr jemand nicht so entgegenkam, wie sie es verlangen konnte, dann kochte das alte Blut der Wolfs in ihr, und sie wurde zornig. „Flegel, konnte wohl nicht seine Mütze ziehen? — Ein wun dervoller Wagen. Muß viel Geld haben, der junge Mann. War demzufolge nicht aus der Gegend. Aber wozu ärgern? Felix, der arme Kerl, wird das schon besorgen, wenn er den Brief von Bergmann liest. Hopp, Liese, lauf, ich habe Hunger! Himmel, da kommt ein Wagen mit Weibern! Schnell durch den Hohlweg! Alte Weiber hat der liebe Gott im Zorn erschaffen, die aus der hiesigen Gegend ganz besonders!" Und kühn schwenkte der leichte Wagen in den Hohlweg ein, und die Schoorener Klatschbasen, die den leichten Wolfsdingener Wagen schon gesehen hatten, waren wieder einmal bitter ent täuscht. Friede fuhr in gutem Tempo nach Wolfsdingen, wo ihr einer der Knechte sofort die Zügel abnahm und den Wagen nach dem Wirtschaftshof fuhr. An der weit geöffneten Haustür stand der alte Diener Franz und nahm ihr Hut und Mantel ab. „Wo ist Herr Felix?" „Herr Felix ist hinten im Arbeitszimmer, gnädiges Fräulein. Soll ich Herrn Felix rufen?" „Laß man, Franz. Ist sonst was los?" „Der Pferdelöwy wartet unten." „Sag ihm, er soll noch eine halbe Stunde warten. Gib ihm ein anständiges Frühstück, damit ihm die Zeit nicht lang wird." Friede Wolf fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch die dichten, braunen Locken, die uin das reizende, frische Gesicht standen. Friede hatte sich nie den sogenannten „Bubikopf" schneiden lassen, sie hatte nie lange Haare gehabt. Schon als Kind hatten sich die dichten Haare genau so wild um das Gesicht gelegt, wie heute, und später würde Friede als alte Frau einen weißen Lockenkops haben. Was ihr aber vorläufig noch keine Kopfschmerzen bereitete. Es war Friede im allgemeinen sehr gleichgültig, wie sie aussah. Ein gewisses natürliches Feinge fühl hinderte sie nur daran, daß sie sich unpassend oder geschmack los kleidete. Sie war mittelgroß, hatte seine Gelenke und rassige Bewe gungen wie eine Frau, die viel Sport treibt. Aber dazu Halt- Friede gar keine Zeit, denn ihr Tag war bis auf die letzte Mimi» ausgefüllt. Helle, blaue Augen sahen aus dem leicht gebräunten G. sicht; der schön gezeichnete Mund ließ prachtvolle Zähne sehen. Ein gesundes, frisches, energisches Geschöpf, das dachte man. wenn man Friede Wolf sah. Und das war sie auch. Die sonst so weichen Lippen konnten streng und energisch zusammenliegen und die klare Stirn in tiefen Falten, wenn Friede etwas sah, was ihr nicht gefiel oder wenn sie etwas ertragen oder tun mußte, was gegen ihre klar entwickelte Natur ging. Ein wenig grob war sie ins Kraut geschossen, da sie von jungen Jahren an auf sich selbst oder den alten, merkwürdigen Großvater angewiesen war. Den Mund hatte sie auf dem rech ten Fleck, was man allgemein nicht zur Tugend des Weibes zählt, und fürchtete sich vor keinein Tod und Teufel. Tin fanatisches Rechtlichkeitsgefühl brachte sie ost mit sich und den Einrichtun- gen der Welt in Mißklang, und es war eine Riesenarbeit für sie, Konzessionen machen zu müssen. Wo Friede Wolf liebte, liebte sie mit vollem Herzen; wo sie haßte, tat sie es bis aufs Blut. Wer jemals gut und hilfreich zu ihr gewesen war, für den ging sie durchs Feuer; wer sie kalt und rücksichtslos behandelte, konnte neben ihr sterben. Nur kalt und heiß, nur schwarz und weiß, nur für und gegen gab es bei Friede Wolf. Aber wer sie kannte, wußte, daß er einen wertvollen Menschen vor sich hatte, und sah dann auch über die kleinen Eigenheiten und Uneben heiten ihres Wesens verstehend weg. Alles auf Wolfsdingen liebte die junge Herrin schwärmerisch. Es gab keine Unzufriedenen aus dem Gut, es gab kein Revol tieren gegen die Herrschaft. Wie die drei prachtvollen, tradi- tionellen Wolfshunde immer und überall hinter der jungen Her- rin herliefen, so tat jeder, der kleinste Stalljunge und der alte Inspektor, alles, was er der Herrin nur eben zu Gefallen tun konnte. Wenn es einmal ein Donnerwetter setzte, was sich nir gends vermeiden läßt, wo es Herr und Diener gibt, dann ver söhnte hinterher ein Scherzwort oder ein Handschlag, und der Ge scholtene beschloß in seinem Herzen, die Sache das nächste Mal besser zu machen. Die Leute wurden auf Wolfsdingen gut gehalten, nicht ver wöhnt oder gar hofiert, sie hatten ihr gutes Gehalt, ihr anstän diges Wohnen und reichliche, nahrhafte Kost. Aber Friede holte in Erkenntnis dessen auch an Arbeitskraft aus den Leuten her aus, was sie fordern konnte. Lustig war es, daß man das junge Mädchen, welches da so ganz allein die Zügel des großen Gutes in der Hand hatte, all gemein „unsere Olsch" nannte. Keiner dachte daran, daß ihn d ein ganz junges Ding zur Arbeit anhielt oder den Kopf zure: setzte, sie war eben die „Olsch", und da hieß es parieren. «Fortsetzung folgt)
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