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Nr. 116 Pulsnitzer Tageblatt — Freitag, 19. Mai 192 Seit« 3 Deutschlands Stellung unter den Mächten Berlin. Am Donnerstagabend sprach Graf We st a r p Im Rundfunk über „Deutschlands Stellung unter den Mäch ten". Der Redner führte u. a. aus: Auf der Abrüstungs konferenz muß Deutschland auf der Erfüllung des Vertrages bestehen, nach welchem die ihm aufgezwungene Entwaffnung des Versailler Diktates der erste Schritt zu einer allgemeinen Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen sein wllte. In dem Verhalten der anderen Mächte ist die Forderung der Gleichberechtigung Deutschlands noch wenig in den Vordergrund getreten. Ihr Interesse richtet sich auf die materielle Herabsetzung der allgemeinen Rüstungen. Hierbei finden deutsche Forderungen manche bedeutsame Un- terstützung. Besonders Amerika drängt auf einschneidende Maßnahmen, durch welche Europa finanziell entlastet, vor Kriegsgefahr gesichert und dadurch in seiner Kaufkraft und Zahlungsfähigkeit gestärkt werden soll. Ebenso unterstützt Italien sehr weitgehende deutsche Forderungen. Eng lands Interesse scheint sich auf die Flottenabrüstunq zu beschränken. Rußland spricht bei den Abrüstunqsver- Handlungen manches deutliche Wort. Die Haltung der ausländischen Regierungen zur Tributfrage bezeichnete Westarp als außerordentlich unklar^ Amerika veriage zur Zeit jede Stellungnahme. Auch Englands, Italiens und der anderen Mächte Haltung hierzu scheint noch ganz ungewiß zu sein. Es bleibt beim Rücktritt der Regierung Braun des Preußischen Landtags Berlin. In der Presse ist die Nachricht verbreitet, Laß die Regierung Braun entgegen ihrer bisherigen Absicht, auch nach dem Zusammentritt des neuen Preußischen Landtags weiter im Amte bleiben wolle. Bon zuständiger preußischer Seite hören wir, dah Liese Meldung den Tatsachen nicht entspricht. Es wird erklärt, daß sich an der bereits Ende April amtlich bekannt gegebenen Absicht der Preußischen Regierung, bei Zusammentritt des neuen Landtags zurück zutreten, nichts geändert habe. Der Braunschweigische Landtag gegen SA-Verbot Braunschweig. Im Braunschweigischen Landtag wurde am Donnerstag abend nach zum Teil stürmischer Aussprache folgender Dringlichkeitsantrag der Fraktion der NSDAP, angenommen: Der Landtag wolle beschließen, das Staats ministerium zu ersuchen, unverzüglich beim Reichspräsidenten und der Neichsregierung Einspruch gegen das einseitige Ver bot der Organisationen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zu erheben. Danzig-Polen vor dem Völkerbundsrai. Genf. Im Völkerbundsrat kam es am Donnerstag bei der Behandlung der polnischen Unterbindungsmaßnahmen gegen den Danziger Handel zu einer großen politischen Aus- sprach«, in der die heutige Notlage und die Bedrohung des Danziger Handels durch Polen aufs schwerste zutage trat. Der deutsche Vertreter, GrafWelczek, gab eine Er klärung ab, in der er betonte, daß das wirtschaftliche Interesse Deutschlands gegenwärtig zwar nicht zur Derhand- lung stehe, daß es sich hier jedoch ausschließlich um das Der- hältnis Danzigs zu Polen handele, das zu überwachen eine wichtige Aufgabe des Völkerbundes sei. Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Danzig und Polen erfülle die deutsche Regierung mit besonders ernster Sorge. Die deutsche Regierung gebe jedoch der bestimmten Hoffnung Ausdruck, daß die Regelung, wie sie jetzt vorgeschlagen sei, dazu führen werde, die gegenseitigen Spannungen zu beseitigen. Der polnische Außenminister Zaleski er- klärte, daß die polnische Regierung im Gesamtinteresse Danzigs und Polens eine befriedigende Lösung zu finden wünsche. — Der Danziger Völkerbundskommissar, Graf Grawina, wies darauf hin, es sei seine Pflicht, den Völkerbundsrat auf die ernsten Folgen aufmerksam zu machen, die die bedrohliche Spannung zwischen Polen und Danzig für das Danziger Wirtschaftsleben habe. Graf Grawina richtete einen dringenden Appell an die Danziger und polnische Regierung, eine Atmosphäre zu schaffen, die zu einer baldigen befriedigenden Regelung der außer- ordentlich schwerwiegenden Streitfragen beitrage. — Zum Schluß bat der Berichterstatter, der englische Staatssekretär Eden, beide Regierungen, die heikle Aufgabe des Dan- un"sprach ^^^bEommissars mit allen Mitteln zu erleichtern im Namen des Völkerbundsrats Graf Grawina hohe Anerkennung für seine bisherige und, wie er ausdrücklich betonte auch für feine kommende Tätigkeit aus. > uucy Auch der Völkerbund soll sparen! Aussprache im Völkerbundsrai über Einschränkungs- Möglichkeiten. Der Antrag der englischen Regierung auf grundlegende Ersparnismaßnahmen, Herabsetzung der Zahl und der Schalter der Beamten beim Völkerbund gelangte im Völ- -'erbundsrat zur Verhandlung. Von französischer Seue sind Versuche im Gange, den englischen Vorstoß unwirksam zu machen. Auch der Generalsekretär des Völkerbundes, Sir Eric Drummond, hat dem Völkerbundsrat eine Denkschrift üngereicht, die sich gegen die Einschränkung des Völker- bundshaushalts und die Herabsetzung der Gehälter der Völkerbundsbeamten ausspricht. Der englische Staatssekretär Eden wies daraufhin,daß in England Stimmen der Kritik an der Finanzgebarung des Völkerbundes laut geworden seien. Die englische Regie rung sei von der Notwendigkeit weitestgehender Ersparnis maßnahmen durchdrungen, die heute in allen Ländern zu einer zwingenden Notwendigkeit geworden seien. Der Völ kerbund müsse sich in der Einschränkung seiner Ausgaben den von sämtlichen Regierungen heute ergriffenen Spar maßnahmen anpassen. Der neue Memel-Gouverneur Kowno. Die Ernennung des Londoner litauischen Ge neralkonsuls Gylys zum Memel-Gouverneur wird jetzt amtlich bestätigt. Gylys ist in Memel eingetroffen und hat die Amtsgeschäste des Gouverneurs übernommen. Wie verlautet, ist dem neuen Gouverneur von der litauischen Regierung zur Pflicht gemacht worden, ein Direktorium zu bilden, das sich voll und ganz auf die Mehrheitsparteien stützt. Der Swndal um Meyer und Neckers. Die angeblichen Spionagefälle des Memeler Schulrats Meyer und des Reichsdeutschen Beckers scheinen sich zu einer großen Skandalaffäre auszuwachsen. Wie sich jetzt her ausstellt, ist das Schreiben des Schützenverbandes, auf das sich die Anklage gegen Meyer und Beckers in erster Linie richtet, in der Zeitschrift des Verbandes veröffentlicht wor den, ehe es in die Hände von Meyer und Beckers gelangte. Diese Zeitschrift hat eine Auflage von nicht weniger als 40 000. Natürlich kann davon keine Rede sein, daß das Schreiben, auf Grund dessen die Anklage wegen Spionage erhoben wurde, geheim gewesen sei. 'Auf Grund dieser neuen Tatsachen hat sich auch der Staatsanwalt des Kriegs gerichts veranlaßt gesehen, eine Verschiebung des Prozesses zu beantragen. Wie verlautet, wurde der Untersuchungsrichter beauftragt, die Entlastungs- doknmente für die beiden Beschuldigten nachzuprüfen, was bisher nicht geschehen war. Es soll so schnell wie möglich ein Bericht hierüber fertiggestellt werden. Es ist bezeichnend für die Anklageerhebung, daß von den drei sogenannten Be lastungszeugen zwei Kriminalbeamte sind. Beckers hat für den bevorstehenden Prozeß sieben, Schulrat Meyer sogar dreißig Entlastungszeugen bezeichnet, unter ihnen auch den Privatsekretär des englischen Ministerpräsidenten, sowie andere Persönlichkeiten, die dem Völkerbund nahestehen, die beweisen sollen, daß Meyer in Genf keine litauen- fe i n d l i che P o l i ti k betrieb, sondern lediglich die memel ländischen Interessen vertrat. In Kowno selbst hat diese neue Wendung in dem von litauischer Seite groß angeleg- tcn „Spionagefall Beckers—Meyer" um so peinlicher be- rührt, als beide Angeklagten trotz aller Anträge immer noch weiter in Haft behalten werden. Der Gesundheitszustand von Beckers ist übrigens recht bedenklich; er hat in den sechs Wochen seiner Haft allein an Gewicht 10 Ki logramm verloren. Erklärungen des neuen MemelgouverneurS. „Ungetrübte" Beziehungen zwischen Deutschland und Litauen. Der neuernannte Gouverneur des Memelgebiets, Gyls, gab vor seiner Abreise nach Memel Pressevertretern gegen über einige Erklärungen ab. Seine erste Aufgabe werde es jein, unter den Nationalitäten und den Religionsgemein- jchaften des Gebiets ein gutes Einvernehmen herzustellen, damit eine gedeihliche Zusammenarbeit möglich wäre. Es werde seine Aufgabe sein, im Einvernehmen mit der Zen- tralregierung an der Wiederherstellung ungetrübter Be ziehungen zwischen Litauen und Deutschland zu arbeiten. Das Memelgebiet müsse zwischen Deutschland und Litauen die verbindende Brücke sein. Die Richlinien seiner Arbeit werden die Wünsche der memelländischen Bevölkerung be stimmen, sofern sich diese im Rahmen der Memelautonomie bewegen. Oer Gmir von He-schas Gast der Neichsregierung. lleberreichuug eines Handschreibens des Königs Ibn Saud. Zur Stärkung der freundschaftlichen Beziehungen. Die Reichshauptstadt hat einen hohen Gast. Im Flug zeug traf vom Haag kommend auf dem Zentralflughafen der 25 Jahre alte Emir Feis al vonHcdschas ein. Der Emir, der zweite Sohn des Königs Ibn Saud, Herrschers der asiatischen Königreiche Hedschas und Nedjd, ist nn offiziellen Auftrage seines königlichen Paters und als dessen Außenminister in Berlin, um dem deutschen Staats- Oberhaupt ein Handschreiben des Königs Ibn Saud zu Uber- reichen und gleichzeitig zur Stärkung der freund schaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern beizutragen. Der Gast, begleitet von dem auswärtigen Staatssekretär seines Landes, Fuad Hamza, einem Adjutanten und Legationssekretär, hat als'Gast der Reichs- regierung im Hotel Adlon Wohnung genommen. Der Aufent- halt wird bis Montagabend währen, dann soll die Weiter reise nach Moskau erfolgen. In Vertretung des in Neudeck weilenden Reichspräsi. deuten hat Reichskanzler Or. Brüning den Gast zur Ent gegennahme des Handschreibens empfangen. Oie Regierungsneu-il-ungen in Oesterreich, Belgien un- Lapan. In Belgien, Oesterreich und Japan, den drei Ländern ohne Regierung, gehen die Bemühungen um die Neubildung der Regierungen weiter. Oesterreich. Nachdem der designierte Bundeskanzler vr. Dollfuß in den fväten Abendstunden des Mittwoch infolge der Ableh. nung der Großdeutschen k-in« Möglichkeit sah, eine Regie rung aus allen bürgerlichen Parteien zu bilden, und daher seine Mission in die Hände des Bundespräsidenten zurück gelegt hatte, wurde vr. Dollfuß noch spät nachts erneut vom Bundespräsidenten mit der Kabinettsbildung beauftragt. Bei den neuen Verhandlungen sind die Großdeutschen ausgeschal- tet. Nach langwierigen Besprechungen, die fast die ganze Nacht hindurch fortgesetzt wurden, gelang es, eine grundsätz- liche Einigung zu erzielen. Belgien. Der belgische König empfing am Donnerstag den zurück- getretenen Ministerpräsidenten Renkin. Nach einstündiger Unterredung verließ Renkin das Palais und erklärte, den Auftrag zur Neubildung des Kabinetts erhalten zu haben. Japan. Der älteste Staatsmann Japans, Prinz Saijoni, dessen Nat der Kaiser, wie üblich, eingeholt hatte, hat die Bildung eines Kabinetts der nationalen Sammlung unter ausschlag, gebendem Einfluß des Militärs angeraten. Das Minister präsidium wird voraussichtlich der bisherige Innenminister Suzuki übernehmen. Vermutlich wird das neue Kabi nett die Interessen Japans in der Mandschurei mit beson derem Nachdruck vertreten, was kriegerische Verwick- lu ngen mit Sowjetrußlandmitsich bringen könnte. Herriot hat noch nicht gesprochen. Die halbamtliche französische Nachrichtenagentur Havas veröffentlicht eine Erklärung Herriots, in der er gewisse Darlegungen ausländischer Blätter über die mutmaßliche Einstellung der neuen Regierung gegenüber den großen außenpolitischen Fragen wie Reparationen und Abrüstung aufs schärfste dementiert. Herriot warnt vor angeblichen Interviews, in denen er in keinem Fall seine wahren Ge dankengänge wieder erkenne. London ist pessimistisch. Londoner Citykreise beurteilen zum größten Teil die Aussichten für einen Erfolg der Lausanner Konferenz ziem lich pessimistisch. Es gebe wenig Leute, die noch daran glaubten, daß Englands Politik der Streichung der Repa rationen und Kriegsschulden sich durchsetzen werde. Frank reich habe bisher kein Zeichen einer Änderung feiner Re parationspolitik gegeben. Allerdings könne man bei Herriot noch mit einer Reihe von politischen Schwankungen vor der Zusammenkunft der Kammer im Juni rechnen. Oie neue Außenpolitik Japans. Wie verlautet, werden jetzt die Richtlinien der neuen japanischen Außenpolitik durch eine Aussprache zwischen dem kommenden Ministerpräsidenten Suzuki und den japa nischen Militärstellen durchgearbeitet. Sie sollen sich von der Politik des bisherigen Kabinetts scharf unterscheiden. In bezug auf die Mandschurei soll die Politik der Eisernen Hand durchgeführt werden, während gegenüber Schanghai keine Änderung eintreten soll. Was die Sowjetunion an gehe, so könnten Verwicklungen entstehen, wenn diese Ja pan in der Mandschurei Schwierigkeiten bereiten sollte. oluie 8Üii ein2U8eni änken, wälde 2;. 8ie isM so KioK wie eine diu ekseiuüdlieke 6 I^^.-^i^cli e und didieieekkuiueedo^ also äiiKei^t prei8vvei1ME