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Pulsnitzer Tageblatt — Dienstag, IO. Mai 1932 Seite 8 Sächsisch- Dirtfchastsnachrichien. Betnebseinschränkungen und -stillegungen. Im April sino beim sächsischen Arbeits- und Wohl fahrtsministerium 342 Anzeigen über beabsichtigte Betriebs einschräntungen und -stillegungen eingegangen gegen 35> im Vormonat und 187 im April 1931. Tie Entwicklun in den einzelnen Jndustriegruppen ist nicht einheitlich während aus einzelnen Zweigen der Textilindustrie (ins besondere Wirkerei und Strickerei) und aus dem Papier und Vervielfältigungsgewerbe weniger Anzeigen einge laufen sind als im März, ist in der Eisen- und Metall Warenindustrie, in der Elektrotechnik und Feinmechani lind vor allem im Bekleidungsgewerbe ein Ansteigen zi verzeichnen. immer mehr entlastet wird, mährend die Städte mit ihrem Fürsorge-Etat immer stärker herangezogcn werden, zeigt d.r hier bekannt gewordene Entwurf des Haushaltsplans der S t a d t M a n n h e i m für das Rechnungsjahr 1932, der nach der Durchführung aller überhaupt möglichen Spar maßnahmen einen Fehlbetrag von 10,3 Mil lio- n e n R Ai aufweist. Dabei ist von der Voraussetzung aus gegangen worden, daß die verschiedenen Gemeindesteuern (Realsteuern, Bürgersteuer usw.) in der bisherigen Höhe er hoben werden. Neue Crdruischgefahr in Lyon. Artillerie mutz eingreifen. Die Bergungsarbeiten an der llnglücksstätte mußten infolge strömenden Regens und neuer Erdrutschgefahr unterbrochen werden. Durch das Feuer von drei Schnell feuergeschützen wurden mehrere tausend Kubikmeter über hängender Erdmassen zum Absturz gebracht. Bei der Be schießung traf ein Geschoß die Häuiertrümmer und fehle diese in Brand. Die Feuerwehr mußte darauf erueul ein greifen. Zurzeit liegen noch 32 Menschen unter den Trüm mern. Eine zum Glück nicht schwerverletzte Frau wurde geborgen. Einige Stunden später konnte die furchtbar verstümmelte Leiche eines jungen Mannes freigelegt werden und kurz daraus die Leiche eines Arztes. Insge samt sind dreizehn Gebäude geräumt worden. Krau Gorgulow wird verhört. Die Frau des Attentäters Gorgulow konnte vor dem Untersuchungsrichter nichts über die politische Tätigkeit ihres Mannes anssagen. In seine Pläne und Absichten habe er sie niemals eingeweiht. Gorgulow sei ein auf brausender Charakter. Sie kenne ihren Mann seit Dezem ber 1930. Während der Ehe habe sie kein Anzeichen einer Geistesgestörtheit bei Gorgulow bemerkt. Vor der Abreise von Monte Carlo nach Paris habe er erwähnt, daß er seinen letzten Willen niederschreiben wolle, da eine Reise stets mit Gefahren verbunden sei und man nicht wisse, ob einem nicht ein Unglück zustoßen könne. Das am 3. Mai abgesaßte Testa ment ist übrigens von Gorgulow nach Berlin geschickt worden und befindet sich durch Vermittlung des Berliner Polizeipräsidenten bereits in den .Händen der Pariser Untersuchungsbehörde. Frau Gorgulow wurde auf freien Fuß gelassen. Aus aller Well. Frankfurt a. Main. Pionier des deutschen Automobilbaus gestorben. Der Gründer der Adlerwerke in Frankfurt, Kommerzienrat vr. Heinrich Kleger, ist im 79. Lebensjahre an einer Grippeerkrankung gestorben. Heinrich Kleyer stand als Generaldirektor den Adlerwerken bis 1917 vor und hatte bis zu seinem Tode den Vorsitz im Aufsichtsrat inne. Weipert (Böhmen). Bankra » b. Einbrecher drangen in die Räume der Deutschen Volksbank und raubten aus einer Panzerkasse 15 000 Kronen Bargeld und drei goldene Uhren. Aus Sachsens Gerichissälen. tÄruhcnh^iner Laodfriedensbrnch-Prozetz. Grossenhain. Die Verhandlung in dem Prozeß vor dem Dresdner Schnellgericht in Großenhain wegen der blutigen Vorgänge am 28. April wurde fortgesetzt. Die Angeklagten äußerlen sich zu den Vorgängen, die sich vei dem Reichsbanner umzug zugetragen haben, und erklärten, daß sie sich an keinerlei Gewalttätigkeiten beteiligt, auch keine Wassen bei sich geführt hätten. Lediglich Rössiger räumte ein, aus zwei sich Balgend- auf der Schloßstraße eingeschlagen zu haben. Der Angriff müsse von den Nationalsozialisten ausgegangen sein. Der Vorsitzende wies demgegenüber aus die blutbefleckten Jacken der Angeklag len Rössiger und Georg Persing hin. Beide können über diese Bluiflecken keine Aufklärung geben. Tann begann die Verneh mung von Tr. med Globig über die Stichwunden der drei Ranoualsozialisleu. Das Reichsbanner Halle bei dem Zusam- meusloß leine Verwunbelen. Die erstell elf Zeugen (es sind bis jetzl ungefähr 4U benannt) sagten teilweise belastend für das "Reichsbanner aus. Die Verhandlung wurde dann vertagt. ll-ü>rs 5UPPSN f/s/5c/»b^ü/ie s/s /rs//sn w/>t§c/roftsn Reichenberg i. B. Kinder i ni brennenden H a u s e. In einem Haus in Naspenan brach Feuer aus. Während von den im oberen Raum schlafenden beiden Kindern der Fabrikarbeiterin Mieth ein fünfjähriges Kind noch im letzten Augenblick gerettet werden konnte, wurde der dreijährige Knabe nur noch als verkohlte Leiche ge borgen. Brüx. Im Scherz erschossen. In Prohn richtete der Friseurlehrling Gürtler auf einen fünfjährigen, zu Besuch weilenden Knaben, der eine Speise zu essen sich weigerte, eine alte Pistole in dem Glauben, daß die Waffe nicht geladen sei. Mit den Worten: „Wenn du nicht ißt, werde ich schießen!" drückte der Lehrling ab. Beim erstell Male versagte die Waffe, dann aber löste sich ein Schuß, und die Kugel traf den Knaben in den Kopf. Im Krankenhaus starb das Kind. Wien. Haydn-Gedenktafel in der Klosterkirche enthüllt. In der Klosterkirche wurde in Anwesenheit des österreichischen Unterrichtsministers eine Haydn-Gedenktafel feierlich enthüllt. Haydn hat im Chor der Klosterkirche von 1755 bis 1758 als Primgeiger, Organist und Chorsänger gewirkt. Budapest. Unglaubliches Wettglück hatte eine Frau, die l>eim Turf einen geradezu sensationellen Gewinn erzielte. Die Frau eines Polizisten setzte auf zwei Außen seiter 5 Pengö und erhielt die Summe von 13 628 Pengö heraus. Zlin (Mähren). Schuhfirma Bata entläßt 12 000 Arbeiter. Der vollständige Stillstand der Schuh ausfuhr aus der Tschechoslowakei hat die Schuhfirma Bata in Zlin schwer getroffen. Sämtliche Neubauten sind einge- stellt worden. 5000 Bauarbeiter wurden bereits entlassen. Voraussichtlich werben weitere 7000 Arbeiter entlassen wer den. Die gesamte Belegschaft bei Bata beträgt 24 000 Ar- beiter. Schnee und Eis im Mai. Görlitz. Eine unerfreuliche Ueberraschung erlebte das Riescngebirge; infolge des Wettersturzes ist starker Schnee gefallen, so daß er stellenweise bis zu 8 Zenti - meterhoch liegt. Das Thermometer sank auf dem Kamm bis zu 8 Grad Kälte und in den Vorbergen bis auf minus 2 Grad. Die Tatsache, daß es im Mai im Riesen- gebirge bis in die TäIer noch schneit, gehört zu den größten Seltenheiten. * Wien. In Graz und in der Steiermark ist nach einem wolkenbruchartigen Regen starker Schneefall eingetreten. Die Berge sind bis tief ins Tal auch heute noch mit Neuschnee bedeckt. In Graz richtete ein orkan artiger Sturm in den städtischen Anlagen großen Schaden an. Budapest. Der östliche Teil Oberungarns, dar unter das Tokayer-Weingebiet, ferner einzelne Städte der ungarischen Tiefebene, wurden in der letzten Zeit durch E i s- stürme heimgesucht. Der Frost richtete in den Obst- und Weingärten großen Schaden an. Umfangreiche Geireideschiebungen ausgedeckt. Selbstmord eines Königsberger Getreidegroßhandlers. Königsberg. In Königsberg ist der Geschäftsführer der alten angesehenen Getreidehandels- und Exportfirma Holdeck L Thran von Beamten der Zollfahndungsstelle unter dem dringenden Verdacht verhaftet worden, sehr umfangreiche G e t r e i d e s ch i e b u n g e n zwischen Ostpreußen und dem benachbarten Ausland unternommen zu haben. Diese Schie- bungen sind in der Weise erfolgt, daß man ganze Wagenladungen von Getreide auf Ausfuhr scheinen in das Ausland überführte und sie dann als Senf deklariert wieder einführte. Die dabei entstehenden Zollgewinne im Betrage von etwa 20 RM je Doppelzentner flossen dem Verhafteten und seinen Komplicen zu, deren man noch habhaft zu werden versucht. Zur gleichen Zeit etwa und, wie man annimmt, in einem gewissen Zusammenhang mit dieser Verhaftung hat sich ein Königsberger Getreidegroßhändler das Leben genommen. Der Getreidegroßhändler Eugen Ensch hat durch Erhängen seinem Leben ein Ende bereitet. Ensch war in Königsberg Vertreter der Getreideverwertungs A. G. Berlin. Er betrieb in Königsberg das größte Getreideexport, geschäft innerhalb des Königsberger Getreidehandels. Man führt seinen Entschluß, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, darauf zurück, daß seine Vermögensverhält- nissevöllig zerrüttet waren, und daß er außer dem Verlust seines etwa 300 000 RM betragenden Vermögens auch noch eine Unterbilanz von 100- bis 150000 RM hatte. Zwei reiche Männer wandern aus... Der durch sein Buch „Im Westen nichts Neues" bekannt gewordene Schriftsteller Erich Maria Remarque und der vielumstrittene Biograph Emil Ludwig, die beide durch den Mengenabsatz ihrer Bücher in ihrem Vater- land sich große Vermögenswer^ erwerben konnten, haben jetzt beide Einbürgerungsgesuche im Kanton Tessin in der Schweiz eingereicht. Die Schweiz wird die beiden Herren und vor allen Dingen ihr Vermögen mit offenen Armen aufnehmen. In Deutschland aber dürfte man vermutlich auch weiter die Bücher der beiden „deutschen" Schriftsteller lesen, und die Steuerbehörden werden vielleicht Steuerstcckbriefe erlassen . . . lO-Millionen-Fehlbetrag der Stadt Mannheim. Mannheim. Wohin die Tatsache führt, daß die eigent- liche Arbeitslosenversicherung, je länger Vie Krise vauert, Mtzermei st6pslk6f686 (39. Fortsetzung.) Herrgott im Himmel, dachte ich, der König sucht Frieden und Erholung, und du bereitest ihm Aergernis. Er schwieg lange, und das Schweigen tat mir weh. Plötzlich sagte er: „Was hat Er noch zu sagen?" Weißt du, Mutter, wenn er zu mir iagt: Er . . . Da habe ich mir ein Herz gefaßt und gesagt: „Majestät werden zu Gnaden halten, wenn ich nicht anders reden kann, wie ich denke, und so muß ich sagen, daß Majestät Thereses ganzes Sinnen und Denken ausfüllen, und bitte, diese Vermessenheit nicht mit kostbaren Geschenken zu unter stützen " ..Mutter, da blieb unser allergnädigster Herr stehen und Hai mich traurig angesehen: „Das lieb«, gute Kind! Wenn der Rechte kommt, wird der alternde König vergessen lein der dem Kinde väterlich zugetan ist. Das war ein Sonnen blick im Spätherbst" „Majestät," sag' ich. — „Laß gut sein, Fritze, wir verstehen deine Sorge " Mutter, da hätte ich gerne meine Red« zurückgenommen Der Herr ist stumm bis an die Teiche gegangen Mir ist no-t kein Weg so lang geworden Dort ist er stehengeblieben unk hat n die schöne Landschaft hinausgesehen „Fritze," hat e: plötzlich gesagt, „das ist, glaub« ich, m«in letzter Winter' Und ich, froh, daß er endlich sprach — es paßte ja nich: drauf — sagte: „Majestät, ich wehre dem Kinde seine Liebe nicht, nur hoffärtig soll es nicht werden." „Fritze — deine Tochter!" Und von da war er di« Güte selbst." „Vat«r, du hast wie ein weiser Staatsmann gehandelt" „Laß sie nur morgen nach den Futterplätzen gehen-, ei wird, denke ich. auch einmal dort sein. Ich schlug es vor." - Therese war ganz verwundert, daß ihr die Mutter einen Gang in den Wald anbot. Ja, da wollte sie sehen, ob Plötz mitging, da könnte sie gleich einen Christbaum aussuchen, nicht groß, aber schlank und ebenmäßig gewachsen Plötz war auch einverstanden, er mußte sowieso die Iagd- gehilfen kontrollieren Der Baum wurde gezeichnet Dann brächte sie Plötz nach der Futterstelle und wies ihr einen Platz an Im Gehen sagte er: „Therese, ich hörte munkeln, der König käme hierher." „Ist das wahr, oder munkelt ihr bloß davon?" „Gewiß ist's wahr Dir wäre wohl Traugott lieber?" Theres« wurde rot und schoß ihm einen Schneeball nach Den Wurf erwiderte der Alte trotz seiner angeblichen Eile, und im Nu hatten die beiden ein richtiges Bombardement eröffnet. Plötzlich ließ der Alt« die Hand sinken und nahm Stellung. Therese schaute sich um und sah lachend den König stehen. Hinter ihm stand mit mißbilligendem Kopfschütteln der Vater. „Wenn du mir nicht auch einen so festlichen Empfang be reitest, kannst du näher kommen." Therese knickste tief und strich sich das wirr« Haar aus dem Gesicht. Der König bot ihr die Hand Er fuhr ordentlich zusammen über Thereses krebsrote, schneefeuchte, kalte Finger „Du. Fritze, ich glaub«, so fühlt sich ein Frosch an" Der Vater war ärgerlich Wie eine Wild« sah das Mädel aus. Er kam zu keiner Entschuldigung. Die ersten Rehe kamen heran, und man mußte still sein. Niemals war es so schön an den Futterplätzen wie am Anfang des Winters wenn das Wild noch io scheu war, lange äugte und lauschte dann nach kurzem Raichen davonlief Die W-ldichweine mit ihren drollig gestreiften Frischlingen waren di« Beherztesten Der Wind stand günstig, da traute sich auch Hochwild heran Es war ein unvergleichlich schönes Bild, diese prächtigen Tiere so nahe zu sehen Der König stand lange, lang«, an einen Baum g«l«hnt; er konnte sich nicht trennen. „Es ist doch prachtvoll: so viel iah ich noch nie beisammen." agte er leise. „Nicht. Vater, so viel sind wohl auch selten da," sagte Therese. „Sie scheinen zu wissen, daß ihr Herr da ist, und wollen ihm ein frohes Fest wünschen" „Das hast du sehr hübsch gesagt Kleine. Fritz«, wir wollten nach der Fasanerie Geh doch allein; wir werden mit Therese den Heimweg antreten. Dies Stehen hat mich angegriffen." Es fiel dem Vater und auch Therese auf. wie alt und ver fallen der König mit einemmal aussah Therese bot ihm ohne Umstände den Arm und führt« ihn sorgsam auf den glatten Fahrweg Besorgt iah der Jägermeister seinem Herrn nach Der König stützte sich fest au! Therese und atmete schwer. Therese wagte nicht aufzusehen. Das Fränzchen siel ihr ein. „Lachen sollst du und seine Sorgen scheuchen." Das war schrecklich schwer. „Erzähle uns etwas, Therese, und mach' kein so betrübtes Gesicht!" Therese nahm sich zusammen und erzählte von ihrer Stadt fahrt und ihren Einkäufen und Eindrücken vom Weihnachts markt, erst zögernd, doch als sie merkte, daß sie einen dank baren Zuhörer hatte, mit ihrem gewohnten Humor. Der König wollte sich bestimmt den Christmarkt noch ansehen, er hatte nicht geahnt, daß es io schön da sei Ihr Geld ie! so rasch all« gewesen, nachdem sie für jedes im Haus eine Kleinigkeit gekauft hätte. Nicht einmal einen Neugroschen ssir ein Stück Marzipan hätte sie noch aufbringen können. Der König lachte Therese in Geldsorgen! „Hättest doch eine Anleihe bei uns machen können " Der Weg war dem König nicht lang geworden: er schien sich auch wohler zu fühlen, stützt« sich aber immer noch auf Therese. Kurz vorm Schloß kam der Kammerherr von T„ der noch nicht lange leinen Dienst beim König angetreten hatte. Er schien leinen Augen nicht zu trauen und fragte besorgt -"ch Majestäts Befinden. Statt einer kurzen Antwort, wie gewöhnlich, sagte der König: „Gut. daß Ihr kommt, lieber Baron: ich habe die Kräfte dieses Kindes stark in Anspruch genommen." „Der Herr Leibarzt wird untröstlich sein " „Man sage ihm, er soll mich verschonen ich habe einen nwergleichlichen Morgen genossen." Vor der Schloßeinfahrt verabschiedete der König Theres«. „Sieh mal an, der Samariterdienst hat dich warm ge macht!" Er schüttelte ihr die Hand. „Leb wohl, Kleine! So Gott will, sehen wir uns im Frühjahr Grüß di« lieben Eltern!" Therese wünschte ein gesegnetes Fest und iah den beiden nach. * - * (Forts, folgt.)