Suche löschen...
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 04.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190409042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19040904
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19040904
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-09
- Tag 1904-09-04
-
Monat
1904-09
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 04.09.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
HlWein-ErllsitM TaseM. Amtsblatt. Nr. 206. Sonntag, den 4 September 1904. I. Beilage. Der Mch. Humoreske von Reinhold Nrtma««. (Nachdruck verboten.) „Ja, meine Herren," sagte der Forstmeister Ru- dow mit jener bitter-ernsten Miene, die er immer aussetzte, wenn er eine seiner lustigen Geschichten in Bereitschaft hatte, „Sie haben ganz recht mit Ihrem Bedauern, daß wir Jägersleute in Deutschland heut, zutage so viel schlechter daran sind als unsere Bor. fahren vor so und so viel hundert Jahren. Es gibt in unsern Wäldern weder Bären, noch Auerochsen oder Elchhirsche mehr. Und das harmlose Kleinzeug, mit dem wir vorlieb nehmen müssen, macht einem rechten Nimrod auf die Dauer nur mäßiges Ber- gnügen. Aber gar so lange, wie Sie meinen, ist es doch noch nicht her, daß man bei uns aus Wild von jener edleren Gattung gepürscht hat. Hätte doch von zwei Jahren hier in unserer unmittelbaren Nähe ein Berliner Rentier beinahe einen kapitalen Elch erlegt, wenn ihn nicht seine Kurzsichtigkeit uud einige andere unvorhergesehene Hindernisse im letzten Augenblick um die Beute gebracht hätten." „Wie sagen Sie, Herr Forstmeister ?" fragte einer von der Tafelrunde. „Hier in unserer unmittelbaren Nähe? Vielleicht gar in Ihrem Revier?" „Gott bewahre! Da gibt es längst keine Elche mehr. Es war aus Klein-Perkollen, der Besitzung unseres Freundes Herbert von Santen. Und wenn er hier wäre, könnte er es Ihnen bestätigen." Ein schallendes Gelächter erhob sich ringsum. „Aus Klein.Perkallen? Wo eS außer Hasen und Hühnern kaum ein Dutzend armselige Damhirsche gibt? Das mögen Sie anderen ausbinden, Herr Forstmeister!" „Ja, meine Herren, wenn sie mir nicht glauben, brauche ich Ihnen die Geschichte ja auch nicht erst zu erzählen." Dagegen wurde nun freilich von allen Seiten lebhaft protestiert. Denn die Geschichten des Forst meisters waren immer amüsant, auch wenn man an ihre Glaubwürdigkeit nicht gerade den strengsten Maßstab anlegen durste. Man wollte durchaus wissen, welche Bewandtnis es mit dem Elch von Klein.P.'rkallen ge habt habe, und der alte Herr, dem trotz seiner ernst- haften Miene die Schelmerei aus den Augen leuchtete, ließ sich denn auch erbitten. „War da in Berlin ein Rentier Wilhem Kollandt," begann er, „ein Herr, den ich allerdings nicht per. söolich gekannt habe, von dem mir aber unser Freund Santen glaubwürdig versichert hat, daß er ein feh- braver und ehrenwerter Mann gewesen f-i. Uebrigenk rede ich durchaus nicht von einem Gestorbenen, son dern von einem Herr», der sich meines Wissers nou. heute der besten Gesundheit erfreut. Ich möchte mir also auSbiiten, daß mich keiner von Ihnen an ihn verrät." Er sah sich im Kreise um, als lege er wirklich großes Gewicht au? die Verschwiegenheit seiner Zu. Hörer. Und erst als von allen Seiten die Versicherung unbedingter Diskretion erhalten hatte, fuhr er fort: „Besagter Kollandt nun hatte noch nie in seinem Leben ein Jagdgewehr in der Hand gehabt, schon mu Rücksicht auf seine ziemlich hochgradige Kurzsichtigkeit, die wahrscheinlich irgend ein Unglück herbeigeführt hätte. Eines TageS aber muß ihn der Teufel reiten, eine höchst unsinnige Wette einzugehen. An feinem Stammtisch war nämlich davon die Rede gewesen, daß Seine Majestät dem Minister Soundso Erlaub niS erteilt habe, in dem einzigen königlichen Forst, rcvier, wo noch eine kleine Anzahl von Elchen gehegt wird, einer dieser Tiere abzuschußen. Wilhelm Kollandt fand, daß man von diesem Gunstbewril des LandiSherrv viel zu virlAushebevs mache, indem mar in den Zeitungen darüber berichte. Und als ihm ent- gegengchattru wurde, daß es in der Tat keine Klernig. leit sei, heutzutage auf deutschem Boden einen Elch za schießen, erklärte er in einer plötzlichen Anwandlung von Großmannssucht, wahrscheinlich auch unter dem En si ch des zuvor genossenen RebrnsofteS, wenn ihm nur ernstlich daran gelegen sei, würde auch er einen Elch schießen können. Mit Energie und etwas G-ld sei eben alles zu machen. Die andern nahmen ihn beim Wort und der Disput endete wie gesagt mit einer Wette, wonach Wilhelm Kollandt sich verpflichtete, dem Stammtisch innerhalb sechs Monaten das Gew.ih einer von ihm aus deutschem Boden erlegten Elch- Hirsches zu präsentieren oder ei", solennes Champagner, frühstück für die ganze Tafclrundezu bezahlen. Wahr scheinlich kam dem guten Herrn gleich hinterher sie Reue, über seine voreilige Großsprecherei und er würde eS vermutlich vorgezogen haben, die Wette schließlich verloren zu geben, wenn nicht einige Witzbolde des Stammtisches alsbald angefangen hätten, die bevor- stehende Elchjagd ihre- Kneipgenossen zu einem Gegen stand lofer Spöttereien zu machen. Die Geschichte wurde auf diese Art für ihn nach und nach zu einer Art von Ehrenangelegenheit. U d er setzte Himmel und Erde in Bewegung, um wirklich zum Schuß auf einen Elch zu gelangen. Wie Sie sich denken können, meine Herren, blieben monatelang lie seine Bemühungen vergeblich, obwohl er in allen Jagdzeitungeu inserierte und auch sonst nichts unversucht ließ, um zu seinem Ziele zu gelangen. Wenn ich Ihnen nun erzählen soll, wie er schließlich nach Klein-Perkollen zu unserm Freunde von Santen geriet, so muß ich indiskreter Weise einer kleinen Liebesgeschichte Erwähnung tun, die sich uuu ein- mal nicht mit Stillschweigen übergehen läßt. Aber ich bin kein Romandichter und Sie dürfen deshalb von mir eitzH feurigen Schilderungen erwarten. Die Sache war im Grunde auch gar nicht sehr romantisch. Wilhelm Kollandt hatte ein Töchterchen namens Lissy, das eines TageSbei« TenniSspielev oder bei sonst einer passen- drn Gelegenheit sein achtzehnjähriges Herz an einen jungen Rechtsanwalt, er hieß, glaube ich, Doktor HarriuS, verlor. Es war ein reputierlicher junger Mann, gegen den sich als Brwerder kaum etwas Ernsthaftes einwenden ließ. Aber Wilhelm Kollant» hatte eine unüberwindl che Abneigung gegen die Ad- vokaten. Seitdem er einen Prozeß, an dessen Aus. gang ihm sehr viel gelegen war, in sämtlichen In- stanzen verloren hatte, teilte er nach seiner persönlichen Erfahrung die Rechtsanwälte nur noH in zwei Kate- gorieen ein. Sie waren entweder wie die, die die Sache geführt hatten, blöde Dummköpfe, oder, wie die Ber. treter seiner siegreichen Gegenpartei, Spitzbuben und Tauner. Mit keiner von beiden Gattungen wollte er jemals wieder in seinem Leben etwas zu schaffen haben. Und die Aussichten, für die beiden Liebes leute, die unter solchen Umständen gar nicht erst de» Mut hatten, sich ihm zu offenbaren, waren darum so trübselig als möglich. Als nun eines TageS der tückische Zufall wollte, daß Wilhelm Kollandt feine Tochter bei einem melan- cholischen Stelldichein mit dem Doktor Harrius über- raschte, verfielen die Liebesleutchen zur Nbwrndung der drohenden Ungewitters auf die ver-weifelte Ausrede, der Doktor habe nur wegen des fo eifrig von Wilhelm Kollandt gesuchten Elches eine Annäherung an seine Tochter gewagt. Er wisse nämlich, wo sich noch eines dieser seltenen Geschöpft leibhaftig und lebendig in einem wutschen Walde befinde, und der Umstand,aß er am nämlichen Vormittag krir-em zufällig besuchsweise in Berlin anwesenden Stuoiensreunoe Herbert von Santen begegnet war, verführte den erfindungsreichen Rechtsanwalt dazu, den ahnungslosen Gutsherrn von Klein-Pukalken als den glücklichen Besitzer besagten Elches namhaft zu machen. Natürlich rechnete er darauf, sich auf irgend eine Weift wieder aus der Affäre zu ziehen. Und nachdem er Herrn Kollandt versprochen hatte, sich b.'i seinem Freunde für die Bewilligung des Abschusses zu verwenden, veeilte er sich, Herrn von Santen aufzuiuchen, und ihm die von der Not erpr-ßte Lüge zu beichten. Da bei mochte er, während er die Geschichte seiuer hoff- nungSlosen Liebe zu Fräulein Lissy erzählte, ein so jämmerliches G-sicht, daß den guten Santen, den Sie ja all« als einen prächtigen Burichen kennen, ein menschliches Rühren anwandelte. Ec faßte den E. tschluß, den beiden betrübten Leutchen, w nn ir- k?nd möglich, zu ihrem Glücke zu verhelfen. Und statt, wie cs der Doktor von chm erbeten hatte, dem Rentier mitzuteilen, daß sein Elch inzwischen ebenso wie seine längst auSgestorbenen Vorjahren dos Zeit, l'che gtsegnet habe, ließ er ihn wissen, daß er auf die dringende Fürsprache seines lieben und hochg, schätzten Freundes Harrius hin nicht abgeneigt sei, wegen des Abschusses mit Herrn Kollandt in Verbindung zv treten. Von diesen Verhandlungen hatte der RechtSan- malt keine Ahnung und er war nicht wenig über- i-ascht, als er bald danach von seinem Freunde die dringende Einladung erhielt, sich am übernächsten Tage in Kleir.-P rkallen einzufinden, wo auch Herr Wü- h-lm Kollandt zum Abschuß des Elches eintreffcn würde. Scheinbar ganz beiläufig war noch die Be merkung hinzugekügt, daß F äulein Lssy und rhr jüngerer Bruder ebenfalls von der Parti« ftin wur den. Unter diesen Umständen gab -s für den Doktor natürlich kein Bedenken. Aber er z-rbrach sich ver gebens drrüber den Kopf, woher in oller Welt sei« Freund den Elch, der H rra Wilhelm Kollandt vor- gesetzt werden sollte, genommen haben könnte. Auch bei feiner Ankunft im Herrenhaus von Klein-Pcrkallen wurde ihm darüber keine Aufklärung zuteil. Herbert von Sauten begnügte sich mit der Bemerkung, daß er ja selbst sehen werde, und Fräu. Irin L ssy, die er zudem nur aus wenige Minuten unter vier Augen sprechen konnte, müß e ebensowenig wie er selbst. An der gemeinschaftlichen Mittagstafel im Hrrrevhaüse, der mit dem Eintritt der Dämmerung, wenn der Elch über eine kleine Waldblöße zur ge- wohnten Tränke hinüberwechsilte, daß große Ereignis deS Abschuss S folgen sollte, herrscht" eine eigentümlich schwüle Stimmung. Lissy und der Dokwr, die fo etwas wie eine Katastrophe ahnten, sahen mit Bangen den kommenden Dingen entgegen, und Herr Wilhelm Kollandt befand sich merkwürdigerweise durchaus nichi in der fröhlichen und hoffnungsvollen GemütSverfass ung eines Mannes, der sich der Erfüllung eines sehn- liches Herzenswunsches nahe sieht ... Ec aß und trank beinahe gar nichts, trocknete sich sehr ost die Stirn uud gab auf die liebenswürdigen Bemerkungen des Hausherrn meist uur einsilbige und zerstreute Antworten. Lisiy's vierzehnjähriger Bruder Gustav aber, der auch eine Rolle in meiser wahrhaftigen Geschichte spielt, nnd ber mit seiner jugendlichen Heiterkeit viel- leicht einiges Leben in die Tischnnterhaltung gebracht hätte, war schon nach dem ersten Gauge unter irgeuv einem Bsrgebeu, gegen das sich nicht gut etwas ein« wenden ließ, ver chwunden — uiemavd wußte, wohin. In Wahrheit stand er mit einem von SantenS Reit knechten hinter der entlegensten Scheune nod übte im Schweiße seines Angesichts aus einer mitgebrachteu Trompete die Kaoallrriesignale, die jener musikalisch veranlagte Bedienstete ihm auf Grund seiner Militär- ischen Erinnerungen beizubringen versprochen hatte. Der junge Kollandt war nämlich von einer unaus rottbaren Leidenschaft für die Verbreitung von Blas instrumenten blstssen, und wenn sein Baier nicht in ver glücklichen Lage gewesen wäre, im eigenen Hause zu wohnen, so würde er wegen der ohrenzrrreißenden Kunstübungea seines SprößlingS wahrscheinlich be ständig von Exmissionsklagen verfolgt worden sein. Jetzt hatte man ihn über der Spannung, die drinnen im Herrenhause alle Gemüter erfüllte, vollständig der- gkssen, und er konnte blafen, daß ihm die Backen zu springen drohten, ohne von irgend jemandem gestört zu werden. Bon dem Elch war bei Tische anfangs gar nicht die Rede gewesen, bis Santen unter dem gespannten Aufhorchen Lissy's und des Doktors in seiner verbind- lichen Weise sagte: „Ich hoffe, mein lieber Herr Kollandt, Sie haben inzwischen Ihre Zeit nicht verloren und sich ein wenig im Schießeu nach der beweglichen Scheibe geübt. Denn eS bleibt buchstäblich bei unserer Abrede: Sie haben einen einzigen Schuß aus den Elch — nicht mehr! — Gelingt cs Ihnen nicht, ihn damit zu er- legen, so haben Sie eben Ihr Champagnerfrühstück verloren." Der Rentier nickte elegisch. Dann platzte er plötzlich heraus: „Sagen Sie mir doch aufrichtig, Herr von Santen: Ist die Geschichte gefährlich?" Der Gefragte machte ein bedenkliches Gesicht. „Nicht so gesährlich wie eine Tigecjagd, aber immerhin etwas weniger harmlos wie die Pürsche aus einen Rehbock. Wenn Sie ihn, nicht einen Blatt- schuß beibringen, und wenn er dann m seiner Wut auf Sie loSgeh', so gibt eS kaum eine andere Rettung als schleunige Flucht. Denn er hat nicht nur die Größe sondern auch die Stärke eines Pferdes und sein Geweih kann unter Umständen zu einer furchtbaren Waffe werden." Wilhelm Kollandt trocknete sich wieder einmq! die Stirn. „Ein Blattschuß also müßte eS sein? Potz Wetter, w wa- ist -och keine Kleinigkeit. Noch dazu in der Dämmerung. Könnte die Sache denn nicht wenigstens am Hellen Tage vor sich gehen?" „Aber ich habe Ihnen doch auseinandergesetzt, lieber Freund, daß Sie den Elch nicht ander« vor den Lauf bringen können. Zu allen übrigen Zeiten hält er sich entweder im undurchdringlichen Dick cht oder im unzu- gänglich'-n Sumpfe aus" „Na, in L'-otteSn. men! Wenn er so groß ist wie -in Pferd, werde ich >hn ja vielleicht treffen- Aber muß -ch — muß ich da ganz allein auf dem Anstand stehen?" „Aus mich müssen Sie allerdings verzichten. Denn ich hänge zu sehr an dem Tür, um sein Ende mit an- zosehen. Aber wie ich meinen lieben Freund Harrius kenne, wird er Ihnen gewiß gerne Gesellschaft leisten." Mit geradezu flehentlichem GcfichtSauSdruck wandte sich W'lhttm Kollandt an den bisher ziemlich ungnädig behandelten Rechtsanwalt: „Wenn Sie das t-n wollten, Herr Doktor — ich würde Ihnen in der Tat herzlich dankbar sein ES ist Doch ein verdammt unbehuglicheS Gefühl, so einer wilden Bestie gewifftrmaßcn mutterseelenallein gegenüber zu stehen." „Ich bin natürlich za Ihrer Verfügung," ver sicherte Harrius. Und ein verstohlener Händedruck Lissy's belohnte seinen Heldenmut. Al« sich Vie Sonne dem Unterganz zu rigte, vanderten die drei He r«n im ernsten Schweigen der kleinen Waldlichtung zu, die etwa eine halbe Stunde oom Her-enhause entfernt war Es fing schon an zu dämmern, als sie sie erreichten. Hinter de» dcken Stämmen zweier dicht nchenemandcr stehender Bäume wies ihnen Santen ihre Plätze an. „Natürlich dürscn Lis kein Wort mit einander sprechen," flüsterte er, „und r üssen sich auch sonst ganz mäuschenstill verhalten Da drüben pflegt ec au« dem Walds herauszutreien, und sowie er mit halbem Leibe sichtbar geworden ist, müssen Sie schießen- Keine Viertel fskunde zu früh oder zu spät davon hängt alles ob Du aber, lieber Brnno, -orsst von Deinem Schießprügel nur im Falls höchster Lcbenszefahr Gebrauch machen Denn wenn der Eich etwa von Dir erlegt Wird, ha: Herr Kollandt seine Werre ja doch verloren. Ich lasse Euch jetzt allein, denn er kann jeden Augenblick kommen. — Wa-dmannSheil!" Man hörte da« schwache Geräusch seiner sich rach sntfernenden Schritte- Dann war alles still- Nur du sehr vernehmlichen Arcmzüge des Rentiers unterbrach n daS fiese, feierliche Schwe gen de« abendlichen WalvcS Die Dämmerung nahm unterdessen so rasch zu, -aß man die Stämme auf der gegenüberliegenden Seite de> Lichung, wo der Elch zum Vorschein kommen sollte, nu> noch mit Mühe unterscheiden konnte- Namentlich für dir kurzsichtigen Augen -iS Herrn Wilhelm Kollan-t »er- fchwamm da drüben bereits alles in einen unge- wissen Nebel. „O mein Gott," seufzte er nach einer Weile. — „Doktor, find Sie auch noch da?" „Jawohl, Herr Kollandt, aber wir dürfen doch nicht sprechen." „Ach was, ich halte eS nicht mehr au«. — Doktor, wenn Sie mich im Stich ließen " „Was -enken Sie von mir I — Auf mich können Sie sich verlassen." „Eie sind ein Ehrenmann. Ich habe Jh »en unrechr getan. Daß eS auch so anständige Leute unter den Rechtranwällen gibt, habe ich noch gar nicht gewußt!" „Ihre Erklärung macht mich glücklich. — Aber jetzt dürfen wir wirklich nicht mehr reden. Wir könnten ja Ken Elch damit verscheuchen." „Ach, der vermaledeite Elch! — Ich wollte, daß ich mich n'emals mit ihm eingelaffen hätte " „Pstl — Da kommt er l —" Und er kam wirklich. Selbst der kurzsichtige Rentier konnte deutlich n'ahrnehmen; wie sich der große, unförm liche Kopf mit dem mächtigen, weit ausladenden Geweih zwischen den Stämmen hervorschob, uud hastig, aber mit zitternden Händen brachte er sein Gewehr in Anschlag. Jetzt war -er ganze Vorderteil des gewaltigen Tieres als eine dunkle Silhouette sichtbar, und Doktor Harrius flüsterte: „Feuer!" Ein dröhnender, lang nachhallender Knall. Wilhelm Kollandt wurde zu seinem Erstaunen inne, -aß er wirk- lich geschossen hatte. Aber es flimmerte ihm dabei vor den Augen un- seine Knie bebten. „Allmächtiger Gott!" ächzte n. „Habe ich ihn getroffen? — Ist er tot?" Die Antwort de« Rechtsanwalt« aber ging unter in den schmetternde« Tönen eine« Trompeten- fignal«, d^S irgendwo hinter ihnen im Walde ge blasen wurde und da« Doktor Harriu« von seiner Dienstzeit her als das Signal „Zur Attacke!" kannte. Und nun geschah etwas Entsetzlicher. Der Elch, der bis dahin regungslos gestanden, kam in flottem Galopp und mit lautem Gewieher quer über die Lichtung gerade auf -ie beiden Jäger zu- „Herr im Himmel! Er nimmt uns an!" schrie Wilhelm Kollan-t- „Helfen Sie mir, Doktor," — Retten Sie mich! — Nm meine« armen Kinde« willen, lassen Sie mich n cht im Stich!" Dabei war er natürlich nicht stehen geblieben, son-ern in wilder Flucht davongestürmt, bi« eine tückische Baumwurzel diesem beschleunigten Rückzug ein jähe« Ende bereitete. „Gnade I — Gnade!" jammerte er. „Nun bin ich verloren!" Mit diesem letzten Stoßseufzer fiel -er Elchjäger der Länge nach zu Boden. Doktor Harriu« aber, der ihm auf dem Faße gefolgt war, wurde in feinen Sturz hineingezogen und lag n .n auf ihm wie auf einer riesigen Matratze. Hart neben ihnen aber krachte und raschelte e« im Unterholz, galoppierende Hufe stampften den Boden, und abermals klang ei» lautes, teuflisches Gewieher an ihr Ohr. Wohl zwei Minuten lang lagen sie beide ganz regungslos, -ann rappelte Doktor Harrius sich langsam in die Höhe „Er ist vorüber," sagte er. „Sie haben sich doch beim Fallen keinen Schaden getan, Herr Kollandt?" Aechzend richtete nun auch der Rentier seinen Oberkörper auf „Ist sie fort — die Bestie? — Haben Sie da« schreckliche Gebrüll gehört, Doktor I Ich werde eS bi« an das Ende meines Leben» nicht vergessen!" „Es klang fast wie ein Ge»jeher," meinte der Rechtsanwalt. Aber Wilhelm Kollandt wies ihn beinahe entrüstet zurecht. „WaS? Gewieher? — Ein Gebrüll war e», gräßlicher wie von zwanzig Löwen! — Aber Sie haben mir da» Leben gerettet, Doktor! Eie haben sich nicht bedacht, mich mit Ihrem eigenen Leibe zu decken. Da» -st mehr al» ich von Ihnen erwarten durfte Geben 8>c mir Ihre Han-l Wir sind Freunde und Sie können als Belohnung von mir verlangen, wa» Sie wollen." Doktor Harriu» war zwar über die Auffassung de» gemeinschaftlichen Sturze» erst ein wenig verblüfft, aber e» schien ihm doch zweckmäßig, Herrn Wilhelm Kollandt in dem Glauben an seine heldenmütige Aufopferung zu .assen. Er lirß sich Hänve-ruck und Umarmung gefallen, nnerlich jauchzend über -ie wunderbare Wendung der Dinge. Al» sie Arm in Arm aus dem Walde in die ge bahnten Wege des SchloßgartenS e nbogen. stießen sie aus Gustav, der eben im Begriff war, der Trompete deS Reitknechts abermals ein weithin schmetterndes Signal zu entlocken. Da er durch irgend eine Störung von der Scheune verscheucht wor-en war, hatte er sich dieses ab gelegene Plätzchen für seine Hebungen au-gewählt, ohne u ah en, welches Unheil er -amit angerichtet. Eine challende Ohrfeige seines Erzeugers erst verschiffte ihm vie rötine Aufklärung darüber, zumal sie von den 'rennolichen Worten begleitet war: „DaS hast Du dafür, daß Du uns mit Deinem verdammten Getute den Elch auf den Hal« ge hetzt Haft!" Ter junge Virtuose lief heulend davon, zwanzig Schritte weiter aber begegneten Herbert von Santen und L>ssy, die ihnen mit lebhafter Frage nach dem E.folge »er Jaad entgegeneilten. Wilhelm Kollandt übernahm <s, dtp Verlaut deS Abent-uerS zu erzählen, und -a« ürchterliche Gebrüll und Testamp» oe« vor Raserei ent flammten Eiche« spielte in seinem Bericht keine geringere Rolle als -er Opfermut des Dollars, der der wilden B sti« furchtlos seine» eigenen Leib dargeboten hatte, um Wilhelm Kollandt- teure« Leben zu retten. ES fiel niemandem auf, daß Herbert von Santen »ährend dieser Erzählung beharrlich zur Seite sah und daß seine Schullern auf eine recht sonderbare Weise zuckten- Nach einer aerauu-.cn Weile erst sagte er: „Ich wünsche Ihnen Glück zur Errettung Herr Kollan-t; aber ich beciage^Jhr Mißgeschick al- Weid mann. Denn mit der Autsicht auf den Elch ist c« nun vorbei. Der läßt sich nach solcher Erfahrung überhaupt n>r wieder auf diesem Wechsel blicken." „Und wenn er auch alle Tage wicderkäme," ver sicherte der Rentier, „Vor mir wäre er sicher. Ich will ja hun-ertmal lieber auf die Löwenjagd nach Afrika gehen, al« daß ich mich je wie-rr mit einem Elch ein- ließr An diesem emen Mal habe ich mehr al- genug. Sm oäml-chen Abend noch wurde im Herrenhaus- von «lein-Perkall-n Fräulein Lssy'« Verlobung m t dem RechUanwalt Doktor HarriuS gefeiert Und al« lange nach Mitternacht so»ohr die glückstrahlende Braat wie ihr Vater ihre Schlafgemächer ausgesucht hatten, als in
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)