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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.03.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190403139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19040313
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19040313
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-03
- Tag 1904-03-13
-
Monat
1904-03
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 13.03.1904
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HchkOiu-CiWM TMM. Amtsblatt. Rr. 60. Sonntag, de» 13. März 1904. 1. Beilage. Politische Wochenschau. Unverhofft kommt ost! Scit langen Jahren hat da- Zentrum und mit ihm die Mehrheit des Reicht- tag» die Aufhebung des 8 2 de- Jesuiten» gesetzt- gefordert, ohne daß die Verbündeten Re gierungen Miene gemacht hätten, diesem verlangen nachzukommeo, und jetzt ist dieses Geschenk dem Zen trum plötzlich ohne sichtbare äußere Veranlassung in den Schoß gefallen. Die praktische Bedeutung de» Fortfall» diese» Paragraphen ist ja nicht sonderlich groß, aber es liegt in der Natur der Sache, daß man in weiten Volts kreisen nicht ohne Sorge über die Gründe zu diesem plötzlichen Entgegenkommen gegen da» Zentrum ist Ist der BundrSrat hier den Wünschen ve» Zentrums und der Mehrheit de» Reichstag» enigegeng! kommen, so hat der Reichstag in anderen Dingen Ursache, sich darüber zu beklagen daß die Regierungen nicht allen seinen Wünschen mit gleicher Bereitwilligkeit entsprechen wie denjenigen, die speziell da« Zentrum angehen. Die Dichte« hat der Reichstag noch öfter gefordert, wie die Aufhebung de» tz 2 deS Jesu tengeletzeS, aber er wartet noch immer vergeblich aus die Erfüllung diese» Wunsche». Im übr^en hat e» in dieser Woche bei der Be- ratung de» Militäretats mehrfach ganz interessant' Debatten und zugleich heftige Zusammenstöße zwischen dem Krieg-Minister und der Linken gegeben. Bei aller Redegewandheit. über welche Herr v. Einem verfügt, hat er doch in der Erörterung einiger militärischen Fragen manche» zu wünschen übrig gelassen. So ließen insbesondere seine Darlegungen über den höchst bedenklichen Fall de» Prinzen Arenberg manche Frage ungeklärt. Ueberhavpt macht sich in der öffent lichen Meinung über den Ausgang, welchen diese Affaire nach jahrelangem Hin und Her genommen hat, eine durchaus begreifliche Mißstimmung bemerkbar. Wenn auch nach dem Gutachten der Sachverständigen die Freisprechung de» erst zu zehn Monaten Gefängnis und dann zum Tode verurteilten, dann zu fünfzehn Jahren Zuchthaus und endlich zu fünfzehn Jahren Gefängnis begnadigten prinzlichen Mörder» wohl zu erwarten war, so mutz e» doch die öffentliche Meinung beunruhigen, daß durch die Ueberjührung de» Prinzen in eine private Heilanstalt die Garantieen für eim dauernde Unschädlichmachung de» doch jedenfalls gc, »einfährliche» GeisteSkravken fortgefollen find. Ueber die Vorgänge in Südwestafrika sind in dieser Woche nur wenig Nachrichten von Belang eingelausen, doch ist alles in allem ein Fortschritt der militärischen Operationen gegen die HereroS zu ver zeichnen. Die englischen HiobSposten über angeblich- weitere Ausstandsbewegungen in den Kolonieen haben sich bisher nicht bewahrheitet. Aufrichtige» B-ileid hat überall in Deutschland und noch über die schwarz, weiß.roten Grenzpfähle hinaus die Hiobrpost erwecki, die am letzten Tage der vorigen Woche ouS Hannover kam und der Welt den Tod deS großen Feldmarschalls und hervorragenden Militär» und Strängen, der Grafen Waldeisee kundgab. Sehr betrübend und allarmirend klingen auch Meldungen auS Prag, wo da» rauflustige und un botmäßige Tschechentum einen förmlichen Feldzug gegen die deutschen Studenten organisiert hat, oie in dem alten Prag eine der letzten Säulen de- Deutschtums bilden. Der Feldzug in Ostaste» hat in dieser Woche einige neue Operationen zu Lande und zu Wasser ge bracht, bei denen die Japaner Erfolge erzielten, ohne daß diesen jedoch eine entscheidende Bedeutung beizu- »effen ist. Doch scheint es, daß man bald mit ern steren Zusammenstößen aus dem Lande wird rechnen können. Ei« LurMfcher-ProM * In Tilsit wird zur Zeit ein Prozeß gegen einen Kurpfuscher, Namens Schröter, verhandel-, der abermals einen tiefen und für die menschliche Intelligenz recht beschämenden Einblick in die geheimen Werkstätten de» Kurpfuscherunwesens eröffnet, in denen die schwülen Dünste eines blöden, unsäglich dummen und verdummenden Aberglaubens die klare Vernunft umnebeln und iw Vereine mit ihnen rasfinie.te Be- trug-- und LäuschungSküvste gewissenloser ,Heil kundiger" das Werk der Betäubung an den gesunden Sinnen der bedauernswerten hilfsbedürftigen Patienten vollenden. Noch ist nicht lange über den letzten Prozeß dieser Art, in dem der Name Nardenköt-er eine Rolle spielte, GroS gewachsen, und schon tritt ein neuer „Wunkermanu" in der Person deS in Tilsit an- geklagten Schröter aus den Plan, der seinen Bor- gäriger an Kniffen und Praktiken in der Kurpfuscherei womöglich noch übertrumpft. Ist auch der Tilfiter Prozeß einstweilen noch nicht bis zum Abschlusse ge. diehen, so haben doch die Verhandlungen schon jetzt eine solche Fülle von Material ergeben, daß sich daraus bereits in dem gegenwärtigen Stadium des Verfahren» ein zuverlässiger Schluß aus die Persön- lichkeit de» Angeklagten und auf die Art der von ihm auSgeübten „Heilkunst" ziehen läßt. Der „Magnetiseur" und „Naturheilkundige" Schröter ist, wie da» bei Leuten seine» Schlagt» ä la Echäser Ast, Gössel re. üblich zu sein pflegt, ein Manu ohne jede wissenschaftliche Vorbildung, der eine» Tages in sich den Drang und die Fähigkeit verspürte, die sonst so sauere Arbeit de- Geldverdienenk durch die Befolgung deS Grundsatzes zu erleichtern: „bckuaäus vult äccipi, er^o ckocipiutur!" Die Wilt will betrogen sein, folglich werde sie betrogen! FlugS schlug er sich nun selbst zum Ritter der „Naturheil kunde" und deS „Magnetismus" und erwarb sich, wie er vor Gericht renommistisch hervorhob, eine „Riesen- Praxis", bis schließlich der Schwindel zu arg und die Seufzer der Geschädigten zu laut und zahlreich wurden und der Staatsanwalt in das lichtscheue Treiben hineinleuchtete. Nach allem, was in den gerichtlichen Verhandlungen bisher bekannt geworden ist, muß jeder Freund der geistigen Aufklärung sowohl wie jeder, der ein Herz sür die Leiden der unglücklichen, durch die Kurpfuscherei de» Angeklagten schwer mißhandelten Kranken hat, ein lebhafte» Gefühl der Erleichterung und Genugtuung darüber empfinden, daß einem solchen gemeingefährlichen Menschen von Rechtswegen da- Handwerk gelegt wird. Für den moralischen Charakter und die Art de» persönlichen Auftreten» de» Schröter ist es bezeichnend, daß selbst außerordentlich objektive Beurteiler sich nicht dazu verstehen wollten, dem An geklagten auch nur den guten Glauben an seine be- h'Upteten „magnetischen Kräfte" zuzubilligen, und daß ein Sachverständiger erklärte, Schröt r trage eine „an maßende und dreiste Haltung" zur Schau. Die Be- wcisau nähme hat ferner höchst bedenkliche Dinge über den Verkehr des Angeklagten mit seinen weiblichen Patienten ergeben, es ist weiter sistgestellt worden, daß er nach echter Kurpfuschermanier wertlose Arzneien zu hohem Preise verkaufte, sowie deß er die Unglück- lichen, die ihm in die Hände fielen, zum Teil mit ge- radezu verbrecherischem Leichtsinn aufs Geratewohl hin durch alle Arten von Falichbehandlung drangsaliert, gequält und an Gesundheit und Leben geschädigt hat. Half alles nichts und glaubte er einen „Dummen" vor sich zu haben, so verschmähte er nicht den Ausweg, sich al» „Zauberer" hinzustellen, der mit Geistern in Verbin dung steh-. Die medizinische Unwissenheit Schröters ist in den Verhandlungen mehrtach in der allcrgrellsten Weite b-l-uchtet worden- So wurde er einmal aufge fordert, einen ihm Vorgefühlen Patienten zu unter suchen, der an einem schweren, von jedem wissenschaft lichen Arzte leicht und i viehlbar zu erkennenden Lungen übel litt. Schröter erklärte deu Mann für kernge sund, insbesondere an der Lunge! Außerdem hatte Lieser selbe Patient noch ew Knochengekchwür, und als nun die Sachverständigen Schröter fragten, ob er denn sicht sevigsten» diese« im Auge de« Kranken erkeoue — Schröter tut sich viel auf eine angeblich von ihm beherrschte „Augendiaguose" zu gute —, erklärte er, er lehr allerdings in dem rechten Luge de» Patienten einen „charakteristischen Punkt". Nunmehr fragte der Sachverständige malitiö» : „Demnach hat der Kranke da» Geschwür auf welchem Bein?", worauf Schröter der vielleicht instinktiv eine Falle witterte, antwortete r „Auf dem linken " Al» Entgegnung kam e» trocken von den Lwprn de- Arzte»: „Er Hais »der auf dem rechten." Die Heiterkeit, die darob im Zaschauerraum au-brach, ist wirklich zu verzeihen, auch der Gerichtshof hatte Mühe, sich da» Lachen zu verbeißen Geradezu zerschmetternd sü den Angeklagten w»r-n seine sogenannten „magnetischen Experimente", die er pomphaft al- etwa- „ganz U-b naschendes" an gekündigt hatte. Da- eiue dieser Experimente bestand darin, daß er einen L leistift angeblich „Magnetisierte", -hn dann in Schnee steckte und chn mit etwa» Schnee behaftet wieder herau-zog. Die Erscheinung wurde von den Sachv rständigen übereinstimmend aus den ganz einfachen physikalischen Vorgang zurück,esuh t, laß der Angeklagte den Bleistift m t seinen Himber e-wäimt hatte und daß in'olzedesseu einige Schnee, vartikelchcn daran hängen blieben ; mit „Magveti-muS" habe da» nicht das Geringste zu schaffe» Irgend welchen auch mir Halbwegs überzeugenden Bewei» vo sei em „Magnetismus" vermochte der Angeklagte, ob wohl er wiederholt von verschiedenen Seiten dringlich dazu ansgesordert wurde, nicht zu geben, Wede' vor versammeltem Gerichtshöfe, noch im stillen Kämmerlein unter den Augen der Sschoirftäudigcn. Auch mit de; „Ao erdiognosc" ging e» ebenso. Schröter behauptet, er könv mit Hilfe eine» eigen» von ihm erfundenen Augenspiegel» alle überstandene» und geg nwärt'geo Krankheiten au» dem Auge durch gewiss- Punkte und Zeichen aus der Regenbogenhaut herausleseu. Er be wies seine Kenntnis auf diesem Gebiete aber lediglich durch den bereits oben -.rwähnteu su.chtbarco Herein- »all und als dann später der StaatSaawaft noch ein mal a»s die Sache zmückkam und Schröter in geradezu beweglichen Tönen bat, doch nur ein einzige- Beispiel feinet Könnens an einem der anwesenden Herren, sei cS de» Gerichtshöfe» oder der Ank azebthörde oder der Sachverständigen, zu liefe;», Hütte der Angeklagte nickt» weiter als die triviale Reden»« t zur Hand: „Ist nicht zu machen Herr GtaalSanwalt!" Ja. warum den» nicht? Endlich wurde Schröter auch vom Gerichts. Vorsitzenden aus eine faustdicke Lüge festgenagelt, die er sich zur Glaubhaftmachung seiner angeblichen wissen- christlichen Vorbildung ersonnen hatte. Durch geschickte Fragen in die Enge getrieben, wußte er Mißlich unter Träne» eiogesteheu, daß die ganze Geschichte, eine gcheimuirvolle Asfistenteniätigkrit bei einem nicht ausfiadbaren Arzte, eitel Humbug war. So find sie alle! DaS darf man mit Fug und Recht von den Schröter, Rardcakötter und wie sie sonst noch heißen mögen, sagen. Es ist im wesentlichen immer derselbe Typus von Luße»-r Aufgeblasenheit und innerer Hohlheit, von absolute« WiffenSmangel und dreistem Psuschertum, von Gewissenlosigkeit und Gefühllosigkeit, gepaart mit der heißen Sucht, aus leichte Weise Geld zu verdienen und gleichzeitig dir eigene Persönlichkeit mit dem Nimbus „geheimer Kräfte" zu umgeben, um so desto leichter diejenigen ins Garn zu locken, die nun einmal nach einem ewigen unabänderlichen Naturgesetze nicht alle werden. Der geistig aufgeklärte Mensch wird von einer gelinden Verzweiflung erfaßt, wenn er mit ansehen muß, wie selbst im 20 Jahrhundert derartige „Wunderdoktoren" noch solchen immensen Zuspruch finden. In erster Linie arbeitet diesen Elementen zweifellos die Dummheit in die Hände, die sich mit der Unbildung verbinde! und gegen vje nach einem treffenden Dichterwort ' lbst Götte» oer- geben« kämpfen. Al» zweiter wirkender Fak.or kommt der Hang zum Mystischen, zum „lleberfinnlichen" in Betracht, oer selbst in den höchsten Gesellschaftskreisen seine Herr schaft behauptet und an denselben Stätten, wo man de» Unfuge de» „Gesundbeten-" Tor und Tär geöffnet hat, auch die „Wundertätigkeit" eine» Schröter und Genossen zur Geltung zu bringe» weiß. Weiter muß man sich er- innern, daß die „Heilkünstler" vom Schlage eine« Schröter mit jeder wirtlich oder vermeintlich „geglückten" Kur eine kolossale Anreißerei zu treibe» pflegen, «ährend die Tau. »ende und Abertausende von Fällen, in denen die „Kunst" »er „Wunderdoktoren" da» natürliche Ergebni» de» völli gen Versagens zeitigt, fall« nicht schwerere Folgen ei>- treten, fein säuberlich verschwiege» werden. Im Jntcresse sowohl de« ärztliche» Stande« wie aller auf wirlüch sachverständige Hilfe «n»ew esenen Pa tienten darf irdkffen auch ein anderer Umstand nicht ver schwiegen werden, der bei den Prozeßverhandlungen in einer ziemlich lebhaften Au»einandersetzung zwischen den 'Anhängern der sogenannten naturheilkundigen Richtung unter den Aerztcn und den Vertretern der modernen wissen schaftlichen Schule gestreift wi.rde. Die naturheilkundigen Sachverständigen — eS handelt sich hier wohlverstanden nicht um Kurpfuscher, sondern um wissenschaftlich gebildete Aerzte — ließen nämlich ein gewisses Bedauern darüber durchblicken, daß die Schulmedizin sich gar so schwer zu entschließen pflege, an neue wissenschaftliche Problem heranzutreten; so werde beispielsweise auch die „Augen- diagnose" von vornherein schlechtweg ablehnend behandelt, obwohl ver,chiedene Erfahrungen ergeben hätten, daß doch „irgend etwa» daran sei". Nun ist e» ja ganz unzweifel- hast richtig, daß die w-ff-nschaftliche Arrztewelt eine ne- türliche, wohl begreifliche Abneigung dagegen haben muß, sich mit Dingen zu beschäftige», dis vom Kurpfuschertum aller Grade in liebevolle Pflege genommen werden. Allein e» ist doch auch nicht zu verkennen, wie wohltuend und lustreinigend es nach allen Richtungen hin wirken müßte, wenn die Schulmedizin sich zu einer unparteiischen Prü- fung der modernen Erscheinungen de» Magnetismus, der Augendiagnose u. a. entschlösse und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen über derartige und ähnliche Dinge von Zeit zu Zeit zur allge gemeinen Kenntnis brächte. Die Möglichkeit, daß es noch verborgene, für die Wissenschaft- liche Heiltütigkeit nutzbar zu machende Kräfte in der Na tur gibt, ist ja doch nicht ausgeschlossen, wie u. a. die Entdeckung der Röntgen- und der Radiumstrahlen be- weist. Je eher und gründlicher sich aber die Schulmedi zi« mit allm neu austauchende» Problemen beschäftigt, desto sicherer wird auch dem Mißbrauche solcher Er- scheinungen durch frivole Unwiffenheit, die auf den Geld- beutel der Dummheit und des Mystizismus spekuliert, rorgebeugt. Modeubericht über Frühjahrsüberkleider. Bearbeitet und mit Abbildungen versehen von der Internationale« Schnittmannsaktnr, Dres-en-N. Reichhaltiges Modenalbum und Schnittmusterbuch ä 50 Pf. daselbst erhältlich. Wie ein Buch mit sieben Siegels erscheint vor jeder ueuen Saison dem Uneingeweihten die Mode. Ist es da verwunderlich, daß von einem großen -Teil der Frauenwelt der Inhalt der »iaz-lnen Kapitel mit mehr oder minder großer Spannung erwartet wird- Man sucht nach Sensationen, erwartet Ueberraschungen und ist dann auch oft enttäuscht, statt deren alte Be- kannte wiederzufinden. Inhaltsreich, fesselnd und bunt an Er.cheinungen ist diesmal das Kapitel „Ueber- kleidung'" geworden. Ob dies ein Verdienst erfinde- crscher Konseklionäre, oder eine Notwendigkeit gegenüber einem immer anspruchsvoller werdenden Publikum ist, mag dahin gestellt bleiben, jedensalls können wir mit der Tatsache zufrieden fein, daß erlaubt ist, was ge- fällt und der individuelle Geschmack m puncto Uebe!, kleidung mehr als sonst zu seinem Rechte gelangt. Die im vergangenen Herbst laut gewordene Prophezeiung, daß sich die knapp anliegende Jacke zur herrschenden Form aufzwinges werde, hat sich nicht erfüllt. Wir sehen sie wohl ab und zu an besonders aut gewachsenen Erscheinungen austauchen, an denen sie ganz im tuilor mscke-Genre gehalten mit glattem Herrenärmel zu voller Wirkung gelangt, im allgemeines aber wendet sich die Sympathie deS deu-ichen Publikums mehr den weniger knappen Formen zu, ohne dabei die ganz losen FaxonS zu vernachlässigen, wie sie nun einmal die Mode der stoffreichen Aermel und Berthen- garnituren für eine zweckmäßige Ueberkleidung al- notwendig erachtet. Die Sacksormen werden deShrlb noch lange nicht an Beliebtheit verlieren, tauchen sie doch in immer neuen und reizvollen Variationen, ja selbst in starken Anklängen an die einst beliebte Dolmansorm auf, die recht deutlich da- Bedürfnis nach einer weiten Hülle, welche das Kleid nicht drückt, erkennen lassen. Bei einer der modernsten Sacksormen, die sich sowohl als Mantel, wie als Jackett verarbeiten läßt, sind die Vorderteile und der Rücken einer runden oder spitzen Passe gereiht untergesetz^ während der seh. weite, oben ebenfalls mehrfach eingekräuste Aermel unten mit breitem Spitzenvolaut endet. Diese weißen oder crLme Spitzengarnitaren der Aermel bilden über haupt eis so charakteristische-Merkmal verkommenden Saison, daß eine elegante Hülle, gleichviel ob losen oder anliegenden Charakters, ohne diese Zier wie ein »i« ohne Tüpfelchen erscheint. Anspruchsloser, aber dabei doch recht gefällig und kleidsau: find die halb- lo.en Jackett, und Mantelformen, wie erstere darch Modell Nr. 872 vertreten sind. Diese praktische, im Rücken und an den Seiten anliegende Frühjahrsjacke zeigt in Uebereinstimmung mit den Aermelausschlägen den aus farbigem Tuch bestehenden Stehkragen mit Modell Nr. 878. Modell Rr. 87S. abstechender Litzeugarnitur auSgestattet, während die geschlitzte Halbpelerine, die in die englische Naht des Border- und Rückenteile» tritt, Goldknöpfchen bereichern. Derartige Jackett» können auch sehr gut mit zurück geschlagenen Vorderteilen getragen werden; zu diesem Zwecke sind die Ränder der in geschloffenem Zustande breit übereinander tretenden Vorderteile innen garniert, o daß sie nur zurückgeschlagen zu werden brauchen, um der Jacke ein völlig veränderte» Aussehen zu geben. Die Pelerine hat sich trotz ihrer fast bi» zum Ueberdruß gesehenen Anwendung im vergangenen Früh jahre doch langlebiger erwiesen, al» man bei ihrer überaus schnellen Verallgemeinerung annehmen durste, und auch jetzt hat sie sich in allerlei Modifikationen, wie z. B. al» Halbpelerine und in mancherlei Varia tionen in die neue Saison hinüber gerettet. Wir sehen sie an den halblosen Jacken in Mandarinenform, an den langes Mantels al» 2- oder 3-fachen Schulter- kragen, an weiten faltigen Hüllen al» breiten, mit Franfe abschließenden Kragen, kurz, die Pelerine weiß sich überall ein Plätzchen zu erobern, unbekümmert darum ob ihr die Nachbarschaft eine» Steh- oder Umsallkragen» oder sonstigen Hal»abschluffe» immer ei» harmonische» Relies verleiht. Für die verwöhnte Modedame sind allerding» derartige Reminiseenze» letzter Saison», und seien sie auch noch so ansprechend und kleidsam, von wenig Interesse, für diese hat sich die Mode denn auch den Trumpf aufgespart, indem sie mit den Westenjacken eine Form in» Treffen führt, die berufen zu sein scheint, der Held de» Tage» zu werden. Diese im Rücken und seitlich anliegenden turzen offenen Jacken find mit verbreiterter Schulter und einer abstechenden Weste auSgestattet, zwei Fak toren, die uns so ziemlich an allen aus Eleganz und Neuheit Anspruch erhebenden Hüllen enAzLü tretet«? Wie Modell Nr. 87g zeigt, werden diese Weiß odrx farbig gehaltenen Westen auS Tuch, Sammet oder Leder meist von Rever» begrenzt, die durch Borten, Stickerei oder Applikation bereichert, den Effekt farben freudiger Eleganz erhöhen. Die verbreiterte Achsel, an die sich das Auge schon dermaßen gewöhnt hat, daß wir sie auch an der Ueberkleidung nicht misse» mögerft tritt un- in der Konfektion entweder als der Schulterpartie gleich angeschnitten, oder in Form einer Passe, oder auch al» ein dem Rücken und Vorder teilen aufgesetztes Besatzteil entgegen, dessen Abschluß meist Borten oder Stepperei begrenzen. Durch ver- fchiedenartige Westen und Rever-garnituren kaffen sich diese Jacketts recht mannigfach variieren, so nehmen sich z. B. zu sand- oder champagnerfarbenem Tuch weiße mit Gold gestickte Lederwesten befonderS elegant auk, die für praktische Zwecke natürlich auch au» an- Modell Nr. 873. derem Material bestehen können. Charakteristisch sind auch die Aermel dieser Jackett», so erscheint an unsere« Modell die in Fältchen geordnete Lllevbogenpuffe durch Knöpfchen am Oöerärmel sestgehalten. Bei ein-
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