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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 03.01.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190401031
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19040103
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19040103
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-01
- Tag 1904-01-03
-
Monat
1904-01
-
Jahr
1904
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 03.01.1904
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HchknAciii ErtiDslet TiMM. Amtsblatt. - Nr. 2. Sonntag, den 3. Januar 1904. Vellage. Politische Wochenschau. Die verfloss ne Woche hat uns das Ende deS alten und den Anfang des neuen Jahre; gebracht. Wenn eS soviel Glück auf der Welt gäbe, als am N-vjchrstage den Emen von den Anderen gewünscht worden ist, dann würde auf Erden nichts als eitel Zufried-nheit herrschen. Aber der Umstand, daß wir den Anderen Glück wünschen und uns von den Anderen solche- wünschen lassen, beweist am besten, daß dar Glück alles in allem ein ebenso rarer wie begehrter Art kel ist. Friede auf E.deu und den Menschen ein Wohl, gefallen l so ist am heiligen Weihnachtsfest wie seit 19 Jahrhunderten von den Kanzeln herab verkündet worden, aber diese holde Botschaft stand nur zu oft im Widerspruch zu denTarsauien, au« denen die Welt- geschichte sich zusammensetz». Und wir empfinden diesen Widerspruch auch jetzt, wo wir den kriegerischen Kon- flikt in Ostasien als unerfreuliche Erbschaft „ohne die RechtSwvhltat deS Inventars" aus dem alten Jahre in das neue übernommen haben. Friede auf Erden und de» Menschen ein Wohl- gefallen l Auch bei dem unheilvollen Streik in Crim mitschau haben wir bisher vergeblich aus die Erfüllung dieser Botschaft gewartet. Nachdem die privaten Ber- mittelung-versuche nicht zu dem erstrebenswerten Ziele gelangt waren, hat j tzt die sächsische Regierung selbst das Amt dek Vermittlet übernommen. Wir wollen hoffen, daß der Frieden wieder einziehen wird und daß die Wunden, welche dieser Streik den Arbeitnehmern wie den Arbeitgebern geschlagen hat, bald gehäli werden. Recht unfreundlich und unlriedlich klingen auch die Nachrichten aus unserem Südwestasrikanischen Schutzgebiet, aber diese Nachrichten sind nach wie vor mit der gebührenden Vorsicht aufzunehmen, denn sie stammen aus englischer Quelle. Und die Engländer sind nun einmal Gemütsmenschen, welche alles Unheil gern ertragen, wenn eS Andere trifft. Da sich die englische» SrnsatiorSmeldunge» über die Vorgänge ii Deutsch-Güdwestafrik» bisher durchweg als ungeheuer übertrieben heranSgestellt haben, so wird auch von den neuesten Hiobtposten n»r der kleinste Teil wahr sein. Wie die englische Pcrsse arbeitet, dar sehen wir auch bei dem ostasiatischen Konflikt. Wenn die eng- tischen Meldungen Recht behalten hätten, dann müßte der Krieg zwischen Rußland und Japan längst erklär« sein. Ader eS wird in ber Welt nicht- so heiß gegessen, wie eS gekocht wird, und auch die ostasiatische Suppe dürste sich noch erheblich abkühlen, bis die beiden Mächte daran gehen, sie auSznIöffeln. Immerhin ist eS nicht zu verkennen, daß von japanischer Seite in ber letzten Zeit eine entschiedenere Taaart angeschlagen worden ist. Jedenfalls wird sich d«S „Ostasimisch, Preußen" den fetten koreanischen Bissen nicht so ohne weiteres vor dem Munde wegschnappen lasten. Zur Zeit bewegt sich der Kaaflikt jedenfalls noch auf der Grundlage der Verhandlungen, und auf einen friedlichen AuSgang derselben wird schou deshalb ge rechnet, weil eS beiden Mächten am Notwendigsten zum Kriegführen, am Gelbe gebricht, und sowohl Ruß lands Verbündeter Frankreich, als auch Japans rech« unzuverlässiger BunoeSgenosse England gegründete Be denken gegen die kriegerische Zuspitzung deS ostasiatischen Konflikte- haben. Sind sich doch auch England und Frankreich, die hier notwendiger weise in einen scharfe, Gegensatz geraten würden, durch ihr freilich nicht all zu belangreiches SchiedSgerichtSabkowmen näher ge- treten. Diese SchirdkgerichtSabkommen beginnen übrigen- in Mabe zu geraten; eine Mobe, die uns im ver gleich zu manche» andere« recht sympathisch ist. Na Freitag der vorletzten Woche ist ein solches Abkommen auch zwisLen Frankreich und Italien abgeschlossen worden, uns ein rntspr«che»der Vertrag zwischen Italien und England ist bereits in Vorbereitung. Die An- küodigu»gdeSfranz.-ir»li,nischeuSchied-ger!chtSvertraget ist in der französischen Kammer mit allgemeiner Zu stimmung begrüßt worden, dagegen hat sich in die lebhafte Zustimmung, welche die Entscheidung der RevisionSkammisfion im Fall DreyfuS gefunden hat, eine scharfe Opposition der Nationalisten gemischt. Ja Italien hat der Tod deS früheren Minister- Präsidenten Zanardelli lebhafte Teilnahme erweckt, die sich auch über die Grenzen JtalievS hinaus erstreckte. Einen starken Widerhall in der gesamten Kulturwelt aber hat die Kunde von der furchtbaren Katastrophe erweck«, die am vorletzten Tage deS verflossenen Jahrei in Chicago Hunderte von Menschenleben vernichtete und über Tausende von Familien schweres Leid ge- bracht hat. So ist noch karz vor Toresschluß in die Bilaoz deS JahteS 1903 ein Posten gebucht worden, der sein Debet aus d«S schwerste belastet! Das Ausland im Jahre 1903. D«S politische Gesamtbild deS Jahre- 1903 ist olle- in allem ein recht unfciu dliches und unsried- lichkS. Zu B ginn des JahnS stank die internatio nale Politik im Zeich n d-s Venezuela- S reiteS, der Deutschland, England und Italien zwang, den U bcr- mut der Venezolaner ucd vor allem ch cS Präsidenten Castro mit Waff ngrwrlt zu dämpfen. Nah »u gleich zeitig begann die maz-bo,iich; Frage, die ja im L rufe der letzten Ich e üb-rhaupt nicht mehr völlig vor der Tage-ocduunj verschwinden ist, sitz zu einem ernst- hasten Ko flikt zwischen der Tick i uni Brlgirien zu verschärfen, sodaß eS dec stäcksien Anstrengung seitens Oesterreich - Ungarns und R ißlands bedurlte, um diesen gesährlichen Balkanbrand im Keime zu ersticken. Während die mazedonische Frage, deren endgilt ge Regelung noch immer auLstcht, die interuationale Diplomatie io Atem hielt, erwuchsen dieser gleichzeitig durch die in Marokko au-gebrochenen Wirren ernste Sorgen, doch hat sich die Furcht, daß der Kamps um die Erbschaft de- kranken ManneS in Marokko schor fitzt eiusctzen könnte, als unbegründet erwiesen. Zu> Zeit aber steht die internationale Politik völlig im Zeichen deS ostasiatischen Koi fl kteS, der sich zwar noch auf der Grundlage diplomarischer Verhandlungen bewegt, aber zweifellos Keime zu sehr ernsthaften und gefährlichen Verwickelungen enthält. Die Welt würde allen diesen Verwickelungen mit noch größerer Sorgc gegenübersteheo, wenn nicht gerade in diesem Jahre von Seiten der verschiedensten Staaten und Staat- oberhäupter wiederholt Versicherungen ihrer friedlicher Gesinnungen abgegeben worden wären, die auch in mehrfachen Fürstbesuchen und in einigen SchiedSgericht-- verträgen, so zwischen England und Fcankr ich und Italien und Frankreich, ihren äußeren Ausdruck ge- fanden haben. Betrachte» wir im einzelnen die Eatwicklung, welche den bedeutenderen StaatSgebilden beschiedev war, so zeigt eS sich, daß die Einzelbilder kaum freundlicher sind al- daS soeben geschilderte Gesamt, bild. Die Entwickelung D.utschland- im Jahre 1903 haben wir bereits in einem besonderen Artikel geschil dert. R-ich an Krisen ist da- Jahr für Oesterreich- Ungarn gewesen. Zwar ist eS nach langen Kämpsev gelungen, einen vorläufigen handelspolitischen Aus gleich zwischen den beiden ReichShälften zu Stande zu bringen, «ber daS politische Verhältnis hat sich im Lause deS Jahre- eher verschlechtert als verbessert Diese Verschlechterunb trat in den verschiedenen un garischen KabinettSkllsen zu Tage, die fast zu einer schiedlich - uvfriedlichen Auseinandersetzung zu führen drohten. Ueber diesen Konflikten stürzte sowohl das Kabinett Szell wie daS Kabinett Khuen - Hedervaiy. Und wenn dem Kabinett TiSza ein besseret Schicksal beschieden zu sein scheint, so ist das nur ein Erfolg der schärferen Tonart, die jetzt in Ungarn gegenüber Oesterreich avzeschlazen wird, und eine Folge de« magyarischen PirtikulariLmuS. Auch das dritte der Dreibuvdländer Italien hatte dies Jahr seine Mi- nisterkrisik. Nachdem da- Kabinett Zarnadelli schon vorher, insbesondere infolge der skandalösen Bor komm- nisse in der Marinrverwaltuuz, manche Krise durch gemacht hatte, trat Zanardelli im Anschluß au den gescheiterten Zarenbesuch zurück und machte dem auS- gepräg! dreibundfreundlichen Kabinett Giolitti Platz Daß im übrigen die von Zanardelli geltend gemachten Gesundheitsrücksichten nur allzu begründet waren, ha« iein vor einigen Tagen erfolgter Tod in tragischer Weise bewiesen. Zu den politisch bedeutsamsten Er eignissen deS JrhreS gehörte der am 20. Juli er- folgte Tod deS greisen Papste» LwS Xlll., an dessen Stelle am 4. Aagust der Patriarch von Venedig, Kardinal Sarto, als PuS X. zum Prpst gewählt wurde. In England war das Jahr au-gefüllt von hef- tigen Kämpfen für und wider die Schutzzoll - Politik, welche zum Auktritt Chamberlain» aus dem Kabinett Balfour führten. Chamberlain» politische Rolle ist jedoch damit nicht «uSgespielt; vielmehr hat er einen icharfen Feldzug gegen da- in sich gespaltene Kabinett Balfour tingeleitet, um die englische Politik zum extremen Schutzzoll zu bekehren. Balfour- Vorgänger und Onkel Lord S«liSbury schied am 22. August d. Je. aus dem Leben. I« Frankreich führte d«S Kab - nett Combe- den im Jahre 1902 begonnenen „Kultur- ämps" in radikaler Weise fort, sodaß der größte Teil der Orden sich genötigt sah, F""kceich zu ver- assen. Die Humbert-Tragikomödie fand mit der am 22. August er'olgten Verurteilung der genialen Schwindler-Famiüe noch nicht ihren Abschluß, sonderv sie erlebte rin parlamentarisches Nachspiel, da- noch nicht ganz erledigt ist. Ebenso «st die Dny'uS- Iffä.e soeben im Begriff, eine Nernuflrge zu erleben. Ja Rußland brachte da» Jahr neue Vergewaltigungen Finnland-, neue Judenverfolgungen, so besonders in Kischinew, uad etliche Attentate, welche die revolutio- aäre Stimmung im Lande kennzeichneten. Noch tröst loser aber gestaltet sich die Lage in Spanien, wo auch «n diesem Jahre eine endlose R ihe von Ausständen und Unruhen daS Land zerrüttete und wo in B:zug auf die chronischen Ministelkrisen da» Wort gilt, daß in Spanien nichts dauernd ist als der Wechsel. DaS eigentljcke Schmerzenskind Europa- ist aber auch in diesem Jahre, wie leid»r immer, der Balkan gc» wesen. Die Unruh:» in Mazedonien wuchsen zu einem blutigen Aufstande an, dessen Charakter durch dir Atter» wie auf die russischen Konsuln in Mjtrow tza und Mo nastir, durch verschiedene Anschläge aus die Oricntbah- und durch da- Christen-Mafiacce in Biyrut gek-nnzeichnci wurde. Indessen ist es der energischen Politik dc« „orientalischen ZweibundeS", Rußland und O-sterreich- Unparn, gelungen, nicht nur den Ausbruch deS kriegerischen Konfliktes zwischen der Türkei ond dem nach Mazedonien lüsternen Bulgarien zu unterdrücke», sondern auch die Pforte wenigstens im Prinzip zur Annahme des Reform Programms zu zwingen. Uebcr die Art und den Um- iang der Durchführung diese» Programm» sind freilich rie Akten noch immer nicht geschlossen. In Bulgarien >nd Griechenland dauern die inneren Krisen immer noch wet, aber den ersten Rang nahm u^d nimmt in dieser Beziehung Serbien ein- Die am 11. Juni erfolgte Er «ordern; veS serbischen KSttgspaare» bildet da» dunkelst- ölatt in der Geschichte de» verflsss-nen Jahre». Diese -urchtbare Bluttat brach!« zwar den Prinzen Peter Kara «corgiewitsch auf den seit langen Jahren erstrebten serbi ichen Königsthron, aber König Peter, der noch ganz unter »er Botmäßigkeit der Königsmöcder steh', ist in Serbien nicht auf Rosen gebettet- Der amerikanische Kontinent, der sich zu Beginn des Jahre» im Zeichen de» Venezuela-Konfliktes befand, stand am Schluß de» Jahrc» und steht noch im Zeichen der Panama-Kor-Mes. Da die Vereinigten Staaten von Amerika sich mit Kolumbien nicht über den Bau des Panama-Kanal» einigen konnten, spielten die smarten Aerkee« ein wenig „Vorsehung". Die Provinz Panama l-ß sich von Kolumbien los, und der neue Freistaat Pa nama machte mit den Amerikanern auf eigene Faust das stanalgeschäft. Sowohl diese Streitigkeiten wie die olutigen Wirren auf Sun Domingo dauern zur Zeil noch fort. In Afrika stand in diesem Jahre die marokkanische Frage im Vordergrund. Die übliche Revolution in Ma cvkko nahm diesmal einen solchen Umfang an, daß die k oalisierenden Mächte Frankreich, England und Spaniev schon die Zeit gekommen glaubten, den „Nachlaß" de« SubanS zu „regulieren". Indessen erwies sich doch zum Schluß gerade diese Eifersucht als das für den Sultan chrstige Moment, da» abermals die Vertagung der ma- rolkamschen Frage herbeiführte. Freilich ist nicht zu ver kennen, daß Frankreich in diesem Wettlauf seinem Haupt- aebenbuhler England um ein gute» Stück vorauSgekom- men ist. England bemühte sich in diesem Jahre, nach Möglichkeit die Wunden zu heilen, die de» blutige Baren, krieg den südafuksrischr» Ländern geschlagen hatte Aber der Ecfolg dieser Bemühungen ist bisher nur gering, nud die Lage i» Südalrika ist so trostlos, wi'' sie nur jemals »ar- Den Somali-Feldzug führte England mit w chsclndem Erfolge fort. Die englischen Meldungen über de» Auistand der BondelzwartS in Deutsch-Südwestafrik« haben sich erfreulicher Weise als stark übertrieben her«»Sgestellt. Ja Asien hat sich der scharfe Konflikt zw scheu Rußland und Japan, der schon zu Beging de- Jahre« einletzte in bedrohlicher Weise verschärft. Die Russen haben nicht nur ihre Zusage, die Mandschurei zu räumen, nicht wahr gemacht, sondern sie haben zuzleich hre Häade nach Korea aaSgestreckr, da- Japan al« seine Jatettss-asphire betrachtet. Während da« oho- »ächtige Chma außer Stande ist. den russi- scheu E.obernnßiplänen Widerstand entgeaenzusetzev, hat Japan sich aufgerafft, um sein Prestige alt ostafiatische vermacht nicht völlig vernichten zu lassen. Japans Hoffnung, hierbei eine Stütze an England zu finden, wurde freilich arg getäuscht, denn dieses hält e» für ratsamer, während dieser Zeit in Tibet iw Trüben zu fiichen. Noch ist c» ungewiß, ob der ost- asiatisch: Konflikt fchiedlich-friedlich ouSgehen oder ob er sich zu einem kriegerischen Zusammenstoß ver- schärfen wird, und wir nchmen diesen Konflikt als unerfreuliche Erbschaft aus dem Jahre 1903 in da- Jahr 1904 hinüber. Weiteres za dem Theotcr- Brand i» Chicogo. Je mehr Nachrichten über die entsetzliche Kata strophe im JcoqwiS-Theater zu Chicago eintreffen, desto düsterer wird da» schon so traurige B ld der schrecklichen Unglück«. Er stellt sich nun heraus, daß nicht nur daS Bühnenpersonal, sondern auch die im Theater stationierte freiwillige Feuerwehr beim Aus bruch deS Brandes hilflos vor Schrecken und nur aus Rettung de- eigenen Leben- bedacht war. Eine furcht, rare Schuld Haden ferner die Verwaltung deS Theater- und die Baupolizei »on Chicago aus sich geladen, dir vielen Hunderten von Personen den Zutritt zu einem Gebäude gestatteten, in dem zwar die Prunkräume vollendet, die nötigen Anlagen zum Schutze de» PablikamS aber teilweise unfertig waren. Aus den aeuesten Blättern stellen wir folgenden um- fastenden Bericht zvsammen: Ehle«g», 31. Dez. Nach der letzten Berechnung liegen in den verschiedenen Lüchenschauhäusern 564 bei dem Theaterbrande um» Leben gekommene Personen aufgebahrt; in den Krankenhäusern haben 157 Ver letzte Aufnahme gesundcn, von denen nur etwa die Hälfte zu retten sein wird. Bei Tagesanbruch waren vtr Leicheuhäuser von Scharen von Einwohnern um lagert, die gekommen waren, um Verwandte oder Freunde, die sie seit Eintritt der Katastrophe vermißten, enter den Toten zu suchen. DaS Jcoquoir-Theater war von etwa 2000 Personen besucht, darunter nur 100 Männer; der R-st waren Frauen und Kinder. Den hohen Prozentsatz d.r Verunglückten erklären drei Umstände. Elften» war der Asdestvorhang nicht schwer genug; er wurde ordnungsgemäß gesenkt und sunklionierte auch; die vurch daS Aufreißen der EingangSlüren de» Theaters entstehende Zugluft riß ihn aber auf halber Höhe au- der Bühne heraus und in den Zuschauerraum, wo er sich festhakir und festgehalten wurde. Darunter schlugen, wie schon gemeldet, die Flammen empor. Die Musikanten und alle 300 Parterrebefucher ent kamen, abgesehen von vereinzelten ohnmächtig ge wordenen Frauen. Die zweite Verlustursache liegt darin, daß die Gänge oben auf dem Balkon und den Galerien mit zu vielen Stehplatz-Inhabern gefüllt waren und diese sich gleichzeitig Plötzlich auf die AuS- jänge stürzten, die die Inhaber der Sitzplätze, als sie notgedrungen nacheinander aus den Sitzreihen kamen, bereits verstopft fanden. DaS Theater hatte 30 Aus gänge, allein 20 in den oberen Stockwerken. Die dritte Berlustarsache ergab sich nun daraus, daß die Tisenleitern, die von oben zur Straße führen sollten, i«n dem neuerbauten Hause noch nicht angelegt waren, weshalb die den Ausweg suchenden Leute verzweifel« m die Q talmhölle zurückcannten, während einige aus da» Pflaster sprangen und hierbei zu Tode kamen. DaS Feuer entstand an der rechten Bühnenseite durch die Funken eimS platzenden LeitungSdrahteS. Obwohl die Szenerie sofort ausflammte, entstand doch zunächst keine Panik. Der Komiker Foy stürzte halbbekleidet au» der Garderobe aus die Bühne und ermahnte daS Publikum zur Ruhe. Hieraus beauftragte er daS Orchester zu spielen. Dieses, daS die Gefahr dicht vor Augen sah, gehorchte nur teilweise. Foy befahl dann, den Asbestvorhang herunter zu lassen. Unter diesem schoß die Flamme, wie gesagt, aufwärts in den Zuschauerraum. Die Schauspieler flüchteten, daS Theaterpersonal verließ seinen Posten. Ein Schreckens schrei ertönte, gleichzeitig explodierte der Kalzium« Apparat auf der Bühne, zerstörte den elektrischen B.« leuchtungSapparat, und da- HauS lag dunkel da, nachdem jene große Flamme blitzschnell die Balkon- dekorativ» erfaßt und Frauen- und Kinderköpfe ver« sengt hatte. Als die Feuerwehr an der Brandstätte eintraf, genügten wenige Wasserstrahlen, um die letzten Flammen zu ersticken. In den oberen Gängen lagen die Leichen mannshoch an den Ausgängen zusammen- ^drängt, die oberen waren versengt, die umen liegen den einfach erstickt, ja einige noch wimmernd oder atmend. Mit Hilse von Freiwilligen wurden die Leichen hrrauSgeschafft. Bald schlichen sich auch Diebe ein, die G-ldbörsen stahlen und Ringe von den Fingern der Widerstandslosen rissen. Hunderte Aerzte eilten herbei und verbanden die Verstümmelten auf der Straße. Bald waren die Läden ringsum zu Leichenhallen umgewandelt, alle Gefährte wurden an gehalten, um Verletzte nach den Krankenhäusern zu transportieren. Gegenwärtig ist die Mehrzahl der Leichen bei den Leicheubestattern untergebracht, wo ein ungeheurer Zudrang von Leuten herrscht, die Ver wandte vermissen. Bielsach ist eine Identifikation un möglich, da die Gesichter der Toten zertreten und die Kleider verkohlt sind. — Die erste Beileidsdepesche lief vom Lord-Mayor von London ein, dann folgte eine D.pesche von Präsident Roosevelt an den Mayor von CH ergo. Die Stadt erscheint schreckgelähmt, die Läden sind geschlossen, die Börse vertagt; dem Stadt rat wurde unbegrenzter Kredit für die Leidenden gewährt. Chicago, 31. Dez. ES sind mehr als ein Dutzend Diebe und Taschendiebe unter der Beschul digung, die Toten und Verwundeten beraubt zu haben, verhaftet worden. Zwei von ihnen hatten Körve bei sich, um ihre Nute fortzuschaffe». Biele andere wurden gestellt, aber nach Verwarnung wieder frei- gelassen. Die Szenen, welche dem Ausbruch deS FmerS folgten, sind unbeschreiblich. Die Menschen wurden teilweise bereits erstickt, haufenweise in der auSge- brochenen Panik niedcrgetreten, da die Nachdrängenden n wilder Hast den AuSgängen zustürztev. Die Leichen liegen dutzendweise in den Schauhäuseln, bei den Leicheobestattern und aus den Polizeistationen. Sie sind fast ganz entkleidet und können infolgedessen nicht rekognosziert werden, da die Kleider zu Lumpen zer rissen oder zu Asche zerfallen sind. Die zertretenen Gesichter sind nicht zu erkennen. Als die Flammen sich zuerst zeigten, ries ein Mann im Hintergründe deS HauseS „Feuer", woraus die ganze Zuhörerschaft nach den Türen stürzte. Die meisten Todesfälle er eigneten sich im ersten und zweiten Rang. In den den Türen am nächsten liegenden Gängen spielten herzzerreißende Szenen ab. Die Leichen lagen in eder nur deckbaren Stellung da, meist halb nackt, Vie GesichlSzüze vom TodeSkamps verzerrt. An den ins Freie führenden NotauSgängen hat ten sich zahlreiche Frauen angesammelt, welche von >er in wahnsinniger Erregung nachdrängenden Menge immer weiter vorgeschoben und nach und nach über da» Geländer hinabgestoßen wurden, sodaß sie den Tod fanden. Aber auch die Nachdrängenden ihrerseiS stürzten, von neuen Mafien gestoßen, ihnen bald auf daS Straßevpflaster nach. Biele Zuschauer im Theater müssen den Tod durch plötzliches Ersticken gesunden haben, denn die Feuerwehr sand zahlreiche Tote auf den Plätzen sitzend und daS Antlitz unverrückt der Bühne zugewendet. Alle, die am R-ttungSweek teilnahmcn, erklären, daß der Anblick der Frauen- und Kinderleicheo, die sich meist in Stellungen befanden, die einen furchtbaren Kampf oder flehentliche Gebärden verrieten, unbe schreiblich erschütternd war. Biele Besucher siad halb verbrannt, die meisten kämm jedoch im Kampfe um Sie AuSgänze und durch Erstickung um. Die ringe- teilten Leichen im HauptauSgang reichten von fünf Fuß innerhalb der Tür bi- acht Fuß außerhalb und bis zwei Fuß unterhalb deS oberen Quer balken» der Tür. Grauenhafte Szenen müssen sich im ersten Rang abgespielt haben, wo manche Tote gesunden wurden, die sich, wahrscheinlich infolge de» Kampfe» um den AuSgang, fest umschlungen hielten. Biele Gesichter sind zerkratzt, die Kleidungen sind zerrissen. Die Feuerwehr mußte sich durch dichte Haufen brennender Opfer den Weg in daS Innere de- Thea- ter» bahnen. Die wenigen, die man zuerst herauS- holte, waren tot oder starben auf dem Transport. Herzzerreißende Szenen spielten sich dann ab. Eben gerettete, halb verbrannte Mütter wollten sich wieder in daS brennende Gebäude stürzen, um ihre Kinder zu retten. Eltern und Verwandte jammerten ver zweifelnd hinter dem unerbittlichen Wall der Polizei und kämpften geradezu um Zulaß zu der Brandstätte. Biele der Opfer sprangen auf die Straße und blieben wt oder furchtbar verletzt liegen. Die schneidende Kälte erhöhte die Leiden der Verletzten. Zahlreiche Choristinnen sind umgekommen, doch wurden die Haupt- sächlichsten Mitglieder der Schauspiel-Truppe gerettet. Ein« größere Anzahl ganz junger Mädchen, deren
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