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hatte am Anfang ihrer Ehe gesagt, Rinderbraten fei sein Leibgericht. Wer auch Leibgerichte haben ihre Grenzen. Aber das sind ja Kleinigkeiten. Meine Damen, seien wir groß in der Gewährung von Kleinigkeiten, sie erhalten die Freundschaft, wie kleine Geschenke. Eine Frau, die nur den Haushalt zu versorgen hat, die hat es ja gar nicht so schwer, darüber nachzudenken, die hat ja doch hin und wieder mal ein wenig Zeit für die Annehmlichkeiten des Daseins, nicht nur für die ihren, sondern auch für die ihres Gatten. Schlimmer ist es schon für die Frau im Beruf. Für die Frau, die so gern eine gute Hausfrau sein möchte, eine gute Gattin und doch eine ganze vollwertige Arbeitskraft im Be- ruf. Von ihr wird das Menschenmögliche verlangt, und diese Frau versucht am meisten allen Anforderungen gerecht zu ein. Es gibt ganz große Schauspielerinnen und Schrift, tellerinnen, die weniger von. ihrer Kunst hielten, als von hrer Hausfrauentätigkeit, jedenfalls waren sie weit stolzer auf sie. Aber was hat das alles mit der Frau, nach der man sich sehnt, zu tun? Jede möchte es halt sein, das ist es — und darum will jede sich so viel Mühe geben. Lind hüie deine — Keder wohl! „Hütet eure Zungen!" ruft schon Walter von der Vogel weide seinen Zeitgenossen zu, und der Dichter Freilig- rath mahnt: „Und hüte deine Junge wohl! Bald ist ein böses Wort gesagt. ,O Gott, es war nicht bös gemeint!' Der andere aber geht und klagt!" Ohne Zweifel sind solche warnenden Stimmen immer wieder angebracht, denn durch unbedachte Reden wird in der Tat viel Unheil angerichtet. Roch viel notwendiger aber ist oft die Mahnung: „HütedeineFedcr!" Das geschrie bene Wort ist nämlich vielfach noch gefährlicher als das ge- sprochene, nicht allein für den, an den es gerichtet ist, sondern noch mehr für den Schreiber selbst. Es braucht sich dabei nicht immer um Beleidigendes zu handeln. Auseinander setzungen jeder Art kommen da in Frage. Spricht man sich mündlich mit einem Menschen aus, so kann man einen falsch gewählten Ausdruck schnell verbessern, ein' Mißverständnis richtigstellen. Außerdem tun Ton und Miene das Ihrige, um deutlich zu machen, wie die Worte ge meint sind. Nicht so im Briefe! Was steht, das steht und kann weitergezeigt werden. Wir haben z. B- irgendeinen Satz ganz harmlos, vielleicht sogar scherzhaft hingeschrieben und nehmen selbstverständlich an, daß der Empfänger ihn ebenso harmlos auffaßt. Bei Menschen, die uns genau kennen oder uns wohlwollen, mag das zutresfen, im allgemeinen hingegen ist es durchaus nicht der Fall. Wir erleben im Gegenteil oft, daß aus unserem Briefe etwas ganz anderes heraus- gelesen wird, als was wir hineingelegt haben, daß die Wir kung des von uns Geschriebenen eine völlig unerwartete ist. Derartige verfahrene Angelegenheiten sind meistens sehr schwer oder überhaupt nicht wieder ins Gleis zu bringen und bereiten dem Schreiber schwere Enttäuschungen und viel Aerger. Natürlich sind schriftliche Unterhaltungen und Er örterungen im Leben nicht auszuschalten. Sind sie durch mündliche zu ersetzen, so ziehe man diese vor. Wenn nicht, so denke man beim Schreiben stets an die verschiedenen Auf fassungsmöglichkeiten. Doppelt vorsichtig sei man, wenn man den Charakter des Empffängers nicht genau kennt. Eine Stunde spazierengehen — SV Zentner auf 10 Kuß Höhe Heven. Daß der Mensch „arbeitet"», wenn er stramm feines Weges geht, wird wohl nicht jeder sogleich recht begreifen. Nennt man doch das Spazierengehen, das Wandern: eine Ausspannung von der Arbeit, eine Erholung. Ver ständlicher wird die Sache schon, wenn man daran erinnert, daß es sich beim „Spazierengehen" um eine „Bewegung" handelt, und daß jedwede Bewegung Kraft verbraucht. Je mehr Arbeit geleistet wird, desto größer ist der Verbrauch an Kraft. Beim Stubenhocken leistet man mehr physische Arbeit, beim Gehen aber hat der Mensch seine Körperlast fortzubewegen, die Atemmuskeln werden angestrengt, die Tätigkeit des Herzens wird gesteigert, die Wärmeerzeugung erhöbt uiw. Die Gekehrten haben alle diese Tätigkeiten in Kalorien umgerechnet und sind zu dem erstaunlichen Ergebnis gekommen, daß man bei einem nur einstündigen Spaziermarsch soviel Kräfte verbraucht, wie nötig sind, um 90 Zentner auf 10 Fuß Höhe zu heben! Aus dieser Be- reckmuna kann man so recht erkennen, warum man eifrig tagtäglich wenigstens ein Stündchen marschieren soll! Nur eine geregelte Wechselwirkung der Bewegungen aller unserer inneren und äußeren Organe führt zu einer gesunden Funktion derselben. Der» ««re« Sko»a»ee«»«e1e« ungeduldig „Westermanns Movalshrftteser". Die ksmmen» den Heft« «»erden »och schöner und noch reichhaltiger und sind troydem weiter für, rN. erhältl. geistig Regsame liest VMmnanns UonaWMe die in «inrr vorzügliche» Dcscheakzusammensteüung von « M vier Heften seyt überall erhältlich sind W' L «SuUMern für eta V-owehettS W imwertevonr M.beiEmsdg.mit zopf.für portoanden W W Verlag von Westermanns Monatsheften, Braunschweig W M Na»« ».kikdM-S«- W o—o—» Praktische Winke o—u—n Bei bevorstehendem Frostwetter und gefrore nen Scheiben dürfen Blatt- und Blutenpflanzen nicht auf dem Fensterbrett verbleiben, sondern müssen weiter in das Zimmer zurückgesetzt werden. Der Unterschied zwischen Zim mer- und Außentemperatur ist hier so groß, daß die dem Fenster zugekehrten Pflanzenteile Schaden nehmen, da unter Umständen ihr Zellengewebe erfriert. Diese Gefahr läßt sich allerdings dadurch abwenden, daß man zwischen Pflanzen und Fenster Papptafeln oder einige Lagen Zeitungspapier einschiebt. Feuchte Luft ist zum Gedeihe« von Zimmer- pstanze« unbedingt nötig Man erzeugt sie, indem man ständig aus den Heizkörpern Schalen mit Wasser aufstellt, das verdunstet und von den Blättern, den Lungen der Pflanzen, gierig aufgesogen wird. Humoristisches ° Gut aufgepaßt. Hausfrau: „Aber, du dumme Gans, habe ich dir nicht gesagt, du sollst aufpassen, wenn die Milch überkocht?„— Neue Dienstmagd (weinend): „Ach, mein Gott, ich habe ja aufgepaßt, es war gerade 9 Uhr." Eiust uud jetzt Folgender Stoßseufzer, den „ein Junggeselle" in der Hausfrauenzeitung Münster i. W. ausstößt, soll auch unseren sächsischen Frauen nicht vorenthalten werden: Früher, wollt' der Jüngling freien, — Ging er sitt sam Hand in Hand — Mit der Liebsten, wenn's am maien, — Still am Tage über Land. Heute hebt er seine Liebste — Aus's Motorrad hinter sich, — Rast drauf los, was haste, gibste? — Es ist ein fach schauerlich! MHM Einen Kühler kennt solch Mädchen, — Weiß wie man Rekorde bricht, — Kennt am Motor jedes Rädchen, — Nur den Kochtopf kennt sie nicht! Hilft auch mit den Reifen flicken, — Weiß auch, wie Benzin man tankt, — Aber ein paar Strümpfe stricken — Ist 'ne Kunst, für die sie dankt! O, man spürt gelindes Grauen, — Wenn man prü fend dies bedenkt: — So was gibt mal Ehefrauen, — — Besten Dank auch! Nicht geschenkt!! Bleibe nicht am Boden haften! Frisch gewagt und frisch hinaus! Kopf und Arm mit heitren Kräften, Ueberall sind sie zu Haus; Wo wir uns der Sonne freuen, Sind wir jeder Sorge los; Daß wir uns in ihr zerstreuen, Darum ist die Welt so groß. Goethe. ar vorwärt«! Sehneu, fache«, strebe«! E« gM kein ander Gottgebot; Au« küaft'gea Ziele« sprüht dir Leben, Doch im Vergangne« woh«t der Tod. Die Znkuuft haucht mit Götterstärke Wie frischer Waldesduft dich a«, Uad Millionen guter Werke, Tie harren dein «och ungetan. Viktor Blüthgen. —.o—Die Rettung o—o—o— Skizze von Sophie Hoechst etter Ulla Rehmer schritt über den Flur des Obergeschosses, wartend, daß der Vater sie rufen ließe. Da hörte sie unten Türen gehen und den Klang einer sympathischen jungen Stimme, und dann war ein Geräusch am Kleiderständer, Klappen der Haustüre, das Ansurren eines Motorrades. Ulla eilte die Treppen hinab. „Wie, Papa, das ging so rasch?" Der Oberstleutnant Rehmer lachte trocken auf: „Ich hatte ja schon geschrieben, der Herr möge sich nicht be mühen. Ich verpachte das Vorwerk nicht für eine Fuchs- farm " Und er polterte aus dem Hause. Ulla stand versröstelt im Flur. Wieder nichts! Wie der die zerstörte Hoffnung, daß in den verarmten kleinen Gutsbetrieb ein Aufschwung käme und in die Einöde des Daseins ein Mensch. Sie seufzte, machte ein paar ziellose Schritte und sah dann eine Zeitschrift auf der Diele liegen. Vermutlich war sie dem Fremden aus der Tasche gefallen. Sie nahm das schmale Heft wie einen Gruß aus der Welt mit in ihr Zimmer. Ulla blätterte, blieb an einer Ueber- schrist hasten „Geduld bringt Rosen" und las weiter: „Le benslauf von 1900-. Sie pflegte ihre todgeweihte Mutter, sie erzog ihre jüngeren Geschwister, und nachdem diese das Haus verlassen hatten, betreute sie den vereinsamten Vater bis in sein hohes Alter, schlug infolge väterlichen Wider spruchs eine leidliche Heirat aus, und als der Vater alle Geschäfte abwärts führte, wollte sie endlich mit ihrem Rest von Energie eingreifen. Da lallte der Alte: „Du willst mir etwas sagen? Du bist doch nur meine Tochter und hast nichr einmal einen Mann." Ulla schleuderte das Heft fort, als kröche eine alte Spinne daran. Dann warf sie sich in einen Mantel und lief ins Freie. Am späten Herbsthimmel trieben Wolken. Die Krähen flatterten schreiend von verlassenen Fel dern auf, erfüllten die Luft wie dunkle Fetzen eines Brandes. Ulla starrte über die eintönige Landschaft hin. Fern stürzten Wälder zu Tal. Soweit der Blick reichte, war keine Ort schaft. Hier lebte sie nun schon viele Jahre. Sie stand im kalten Wind und wartete. Aber es kam nichts als die Dämmerung. Nach dem Abendbrot mußte sie mit dem Vater „Sechs undsechzig" spielen. Sie sah auf sein schönes, nur durch Mißmut entstelltes Gesicht und rätselte». Was hat ihn, den Fünfziger, so alt und böse gemacht? Tausende von Berufs offizieren trugen sein Schicksal. Auch dieses, daß Kinder sich dem Zeitgeist anpaßten. Sie spielte mechanisch Karten aus, sann nach: Gab es sonst noch etwas im Leben des Vaters? Manchmal schrieb er geheimnisvoll einen Brief. Vor ein paar Wochen wieder, denn er ging seitdem dem Briesträger täglich entgegen. Aber es kam wohl nie Antwort. „Papa," begann sie endlich mit schnellem Ent schluß, „ich müßte jetzt bald zur Universität. Du arbeitest hier mit Unterbilanz." Der Oberstleutnant fuhr wütend aus: „Ich will von dem Treiben dieser Zeit nichts wissen. Und was soll dir ein Examen? Alle Berufe sind überfüllt. Du hast deine Hühnerzucht, wir hüten die Scholle. Und einmal kommt mein Herr Sohn, der beim Film die Zeit totschlägt, als verlorener Sohn heim, und einmal wird der Herr Schwiegersohn den Pleitegeier bei seiner Partei hocken sehen und mit Familie hier Zuflucht suchen. Dann können sie hier alle lernen, daß der Mensch arbeiten muß." Antworten aus solche Reden waren schon oft erfolglos gegeben worden. So schwieg Ulla. Sie hörte noch lange dem Nachtlied der rauschenden Ulmen vor dem Hause zu. Und bedachte trostlos: Wer würde uns ein wenig Geld zur Freiheit leihen? Und wußte seufzend: Nur ein Mann konnte ihr die Freiheit bringen. — Am nächsten Morgen ging der Vater wieder dem I Briefträger entgegen und kam enttäuscht zurück. Und so noch Tage lang. Dann verreiste der Vater wie jeden No vemberanfang zum Geburtstag seiner einzigen Schwester, die einige Stunden weit soft in einem Damenstift lebte. Ulla hatte nun die Gutsaussicht. In einem feuchten Lodenmantel stand sie nachmittags auf dem Hof, als ein eleganter Tou renwagen die schlechtgepflegte Einfahrt nahm. Ehe Ulla dem Führer zurufen konnte, er sei falsch gefahren, entstieg dem Wagen eine sehr elegante, wohl konservierte Dame Ende der Vierziger. Ulla war es, als habe sie das Gesicht schon gesehen, einst, in der Kindheit. Da begrüßte die Fremde sie: „Nun, Ulla, kennst du Tante Gerda nicht mehr?" — Tante Gerda? Eine weitläufige Verwandte von Papa. Und der war nun gerade verreist. Das weltgewandte Wesen der Tante besiegte rasch Ullas Verlegenheit. Leben lief plötzlich durch das alte Haus. Holzscheite krachten im Gast- zimmerofeu Und aus dem Auto kam nicht nur Gepäck, sondern auch ein herrliches kaltes Abendbrot. „Nur, damit man Zeit für mich hat," lachte der Gast. Sonderbar rasch fühlte sich Ulla mit dieser Tante vertraut. Vielleicht tat auch der ungewohnte Sekt seine Wirkung. Und die Tante bot herrliche Zigaretten an, sie entlockte dem alten Klavier etwas moderne Musik. Kurz, es war ein ganz anderes Zimmer, ein ganz anderes Haus. Ulla, die erst Zurückhal tung üben wollte, wurde von dem lebhaften Wesen der so vornehmen und fast noch jugendlich wirkenden Frau fort- gerissen. Und sagte plötzlich in das alte Zimmer hinein alles, was sie lange hatte verschweigen müssen. Ihre Sehn sucht nach der Welt, nach Betätigung, nach dem Studium, nach Freiheit. „Wo möchtest du denn studieren, Ulla?" — 1