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Ni. 290. Pulsnitzer Tageblatt. — Sarmabend, de^ 14. Dezember 1^28 Seite 10 Sonntassgedanken Am letzten Donnerstag waren 180 Jahre verflossen, daß der ehrwürdige Valenun Ernst Löscher, seit 1709 lang jähriger Superintendent von Dresden die Augen zum letzten Schlummer schloß. Als Superintendentensohn wurde er 1673 in Sondershausen geboren und starb am 12. Dezember 1749, nachdem er 40 Jahre lang das Supe.intendentenamt in Dres den innegchabt hatte und zugleich Mitglied des Obeckonsisto- riums dort gewesen war. Wer ist Valentin Ernst Löscher? Woher kennen wir ihn? Nimm dein Gesangbuch zur Hand, und du wirst diesen Mann als Liederdichter kennen lernen. Vielleicht sind dir einige bekannt Ob du das Lied Nr. 13 kennst, das Lied über den Ruhetag, den Sonntag. „Er will in stiller Furcht und Lieb geehret sein" und „die Sonne seiner Gnade will nur den Tag zum „rechten Sonntag" machen." Das Lied 187 singen wir wenig oder nicht nur um der wenig bekannten Melodie willen, desgleichen Nr. 255 das Abendmahlslied: „Nehmet Jesu Ladung an". Aber 260, das kennt ihr gewiß, lieber Leser. Der Abendmahlsort ist dem Dichter ein heiliger Ort und es ist ihm so, wie einst dem Jakob, der auf der Flucht vor seinem Bruder erschöpft träumte von der Himmelsleiter. Und als er erwachte, da suhlte er sich seinem Gotte so nahe, daß er bekannte: „Gewiß lich ist der Herr an diesem Orte und ich wußte es nicht! j Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, hier ist die Pforte des Himmels." (1. Mos. 28. 16 und 17) Wo der Herr seinen Leib und sein Blut gibt, da ist auch heilige Stätte, heilig das Lebensbrot, heilig der Trank. Jesus will kommen nnd uns heilen, und wir dürfen uns femer himmlischen Erquickung freuen. Das Lied schließt mit den Worten: „Laß mich, mein Heiland, allezeit von nun an bis in Ewigkeit mit dir vereinigt bleiben!" Und noch eins laßt mich nennen, Nr. 424. Wer hätte es noch nicht gesungen, dieses Liedlein, diese einzelne Strophe, die — gewöhnlich als letztes Lied des Gottesdienstes — alle gleichsam noch einmal zusammenschließt und zu einem Ganzen, einer eiuzigen großen Gemeinschaft machen will. Wieder erinnert es an ein Herrenwort (Matth. 23, 37). Wie oft habe ich deine Lieder, (Jerusalem) versammeln wollen, wie eine Henne versammelt die Küchlein unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Geborgen in seinem Schutze, bestrahlt von seinem Lichte dürfen wir in unserer Arbeit steheu, die Er segnet mit milder Hand. So hält er fern von uns, was ihn betrüben wüßte und wir können zrr neuen Menschen werden. Dann erst find wir völlig sein. Fragen wir unS alle, ob wir uns rühmen dürfen, so fein Eigentum zu sein! k vr. Dresdner Brief Was soll^a wir scheake« ? Die Antwort auf solche ganz und gar aktuelle Frage scheint nicht sckwer zu sein. Lacht uns nicht von jedem Schaustr ster der wechnaaplich geschmückten Stadt ein quter Ratschlag entgegen? Schenkt Wäsche! Schenkt Schuhe! Schenkt ein Ballkleid, ein Gram mophon, einen Radioapparat! Schenkt Marzipan, Cognak! saure Heringe! Schenkt einen Koffer, eine Steppdecke, ein Fahrrad! Oder gar ein Auto? Und den lieben Kinderlein allerlei Püppchen, schielend» und lachende, Bücher, Pferdchen, Bastel- und Säckkasten, einen Moller, Süßigkeiten zum Magenverdrrben und was der schönen und gefährlichen Dinge mehr sind. Gut gesagt, meine werten Geschäftsinhaber Drrsdens, auch ganz verständlich von eurem Standpunkt. Wir Käufer haben die Wahl Mb somit au« die Qual, und man sagt nicht umsonst, daß Schenken einer Kunst gletchkäme. Zuerst ist alles Schenkt» vom Geldbeutel abhängig, wenn auch, die schönsten und wertvollsten Geschenke nicht immer die teuersten As seln brauchen. Und eS ist mit dem Schenken wie mit der Kunst überhaupt. Wer wahrhafter Künstler ist, übt seine Kunst von Herzen» aus, gibt soviel Gemüt in seine Werke, daß es jedem selbst ans Herz packt. Also, wer die Kunst des Schenkens cmpfindungsvoll übt, wird damit auch Freude erwecken, und der Geldbeutel bleibt Nebensache. Aber wahre Kunst ist dünn gesät auf dieser Erde, drum ist auch der Schenkekünstler eine Seltenheit, und der Geldbeutel triumphiert. Unser diesjähriges Weihnachtsfest aber fällt tu trübe ZK mit meist recht schlappen Geldbeuteln! Wie gerne wollte ich jedem- von euch eine Freude machen, sagt der Abgebaute mit traurigem Blick. Oft sagt er es nicht einmal, son dern geht nur schweigend und innerlich betrübt an all den Herrlichkeiten mit dem katbegoris«en Imperativ: Schenke dies oder das k vorüber. Er kann eben nicht dem Zuge seinrS Herzens folgen, dos gerade in der Zeit gebender Liebe ihm Entsagung auserlegt. Und das kleine Fabrik- mädel, da? so gerne für sich selbst das oder jenes angeschafft, der Mutter und dem Herzallerliebsten ein» Gabe nespendct hätte, sagt schmollend: „Ich gehe lieber garnicht in dir Stad'. Mr arbeiten verkürzt, da langt das Geld kaum zum Leben." Darm die vielen Arbeitslosen, die aus das karge Stcmpeloeld angewiesen sind? Was sollen sie schenken? Sie können oft gar nichts tun, denn auch zu Ar beiten der eigenen Hand, zu Basteleien, die wirklich manches Mal recht nette Erfolge zeitigen, fehlt das Geld-, denn auch die einfachsten Zutaten kosten etwas. So sieht eS also dieses Jahr in Dresden recht t. übe aus. Frei lich nicht überall. Unzählich sinn dir Gaben aus Wolle und Kunstseide, die von zarter Frauenhand gestickt, gestrickt, gehakelt worden sind und nun als Wethnachtsgaben die Familienmitglieder erfreuen sollen. An unzähligen Kränzchennachmittagen aus dem Burgberg, im Löuisenhof, im Mockritzer oder Döltzschener Kaffee haben sie plaudernd zufammen- gesrssen und mit den Mäulchen auch die Hände in Bewegung gesetzt. Und diese Arbeiten sind das praktische Resultat ihrer Papelfahrten mit Kuchen, Kaffee und Bergen von Schlagsahne. Vielleicht werden nach Jahrzehnten unsere Enkel über die bunten Kiffen lachen, auf die kein Mersch den Kopf legen durste, dieweil sie nur zur Zierde auf dem Sofa liegen dursten. Gerade wie wir über die weißen Häkeldeckchen lächeln, Sie beim Mittagsschlaf ihr erhabenes Muster auf die diversen Wangen abdrückcn. Wer weiß! Aber besonders den Kindern schenk man so gern! Sie find die danAarsten Nehme.. Sic üben noch keine Kritik und freuen sich über alles, nur zeigt sich das gute oder schlechte Geschenk am sichersten nach einiger Zeit, ob die K,einen etwas damit anzusangen wissen oder nicht. Und da lassen sich die seltsamsten Beobachtungen anstellen, die beweisen, daß wiederum der Geldbeutel durchaus nicht das Maßgebendste ist! Der aber feiert das schönste Weihnachten, welcher von dem, was ihm daS Schicksal in reichem Maße gegeben hat, seinen Mitmenschen einen Teil spendet. Und der Ruf möge an alle Dresdner und Dresl nerinnen in diesen Tagen ergehen: „Schenkt denen, die ärmer sind, als ihr! Schenke nicht nur euren Angrhö.,gen, die nstmals zu reichlich bc dacht werden, sondern schaut um euch! Ueberail gibt es Gelegenheit, Not zu lindern, Arme zu erfreuen! keiibolu Schwere Ltnsälle im Bergbau. Auf dvr Gewerkschaft Gottessegen in der Nähe von Neu- Olsnitz im Erzgebirge, und zwar in der Betriebsabteilung Kaiscrin-Augusta-Schacht, wurden zwei Bergarbeiter von hereinbrechenden Gesteinsmassen verschütte:. Beide waren l mit Sprengungen beschäftigt, als der Ort zusammcnbrach. Während der Bergarbeiter Reuter mir erheblichen Beinver letzungen davonkam, wurde der Bergarbeiter Seide: von den Massen vollständig begraben und konnte erst am Nachmittage als Leiche geborgen werden. — Auch auf dem in der ? Nähe von Zwickau befindlichen Wilhelmsschacht wurde der Bergarbeiter Otto Richter, als er aus dem Förderkorb steigen wollte, von diesem erfaßt und zu Tode gequetscht. Sonne und Monk». 15. Dezember: S.: A. 8.07, Ul 18.44; M.: A. 14.34, ll. 6.S4. u. Haun«" lru Puppenkeiten u. 8oks lcksen ckss pick, ru 2,— IVI) lcklWlllE Mgf, Börse uns Handes Amtliche sächsische Votierungen vom 1Z. Dezember Dresden.. Die Börse verkehrte in wenig veränderter Hal tung. Stärker gedrückt waren Kraftwerk Thüringen um 10. Lr'SpeLsor-gstts Or-epv Latin so kVlstsv k/lsek reine Leicks, in gvollem psvb- sonÄment Sonntag vvn 11-18 Okn gsüNnot! reine Leilts, ckss klüftige Ssllklsick reine Leiäs, in vielen PZrben, gute kwickev-OuglitZt »usunsorsm^gilingeiils-Vsi'kaul! lVkeior leerst ^so Düster- fi/Isr-k Krawatten / Osekener / Zeksls / 8actiet8 / Kissen unü Oselcen vsr neue rrOILKN von ROUMD / Gut?" „Man gewöhnt sich daran. Sprach eine Dame sie an, so verlief das Gespräch 'fast mit jeder gleich: „Wie gefällt es Ihnen in Berlin?" / „Oh — sehr gut!" L „Nicht wahr, Berlin, ist eine herrliche Stadt?" > „Ja — herrlich!" o „Bleiben Sie lange hier?" „Vier bis fünf Wochen." „Sie stammen vom Lande, höre ich?" „Jawohl — aus Pommern." „Es lebt sich wohl recht eintönig auf so, einem „Im Sommer stelle ich mir's ja ganz nett vor; aber im Winter — brrrl Waren Sie schon, im Theater?" „Ja, schon zweimal." „Gehen Sie zu Reinhardt! Entzückend.. Dann saßen sie noch ein Weilchen stumm nebenein ander, bis die Berlinerin gelangweilt der „dummen Pute" entfloh. Und die Damen flüsterten einander zu, daß die Nichte der guten Frau Professor ein re<W langweiliges kleines Landgänschen sei. Lisbeth fühlte selbst, daß sie hier keine große Figur machte. Aber alles, worüber die anderen Damen sprachen, interessierte sie so wenig oder war ihr so fremd, daß sie die erste Gelegenheit benutzte — die Tante gab ihr einen Küchenaustrag —, um draußen zu bleiben. War sie nun wirklich so dumm? Sie tröstete sich mit dem Gedanken, daß sie mit Fritz stundenlang schwatzen tonnte, und dieser sie für sehr klug und amüsant hielt. Auch in den wenigen Gesellschaften, die sie mitgemacht, hatte sie ganz gut reden können. Aber was würde die Tante von ihr denken, die sie natürlich beobachtet hatte! Sie machte sich's in dem kleinen Vorzimmer bequem. Es war dort so kühl, Halbdunkel und ruhig. Im Wohn zimmer dagegen, dessen Lärm nur gedämpft hereindrang, war es heiß und hell, und die Damen schnatterten in den höchsten Tönen durcheinander. In dem großen Lehnstuhl .... s7 Lisbeth sah diesem Abend mit recht gemischten Ge fühlen entgegen. Aus den paar Gartenfesten der Guts nachbarn und aus dem Klützower Kasinoball, den sie zwei mal mitgemacht — der Papa mutzte aus geschäftlichen Gründen hin —, da kannte sie so fast alle Leute und hatte sich daher ziemlich sicher gefühlt. Hier aber ging es doch Wohl ganz anders zu. Was, um Gottes willen, sollte sie mit diesen fremden, großstädtischen Leuten sprechen, die ihre Interessen nicht teilten?! , Und richtig, sie fürchtete sich entsetzlich und kam sich zum ersten Male riesig kleinstädtisch vor. Beim Abendbrot, wo sie neben Doktor Menk saß, ging es noch ganz leidlich. Er war selbst verlegen, was ihr ihre Sicherheit wie? ergab, und als er schließlich auftaute, erzählte er ihr Studenten anekdoten. Aber nach schlechter Berliner Sitte zogen sich die Herren nach Tisch zum Rauchen und Skatspielen zurück. Jetzt wurde sie befangen und langweilte sich auch bald. ließ es sich so gut träumen, und es würde sie auch wohl niemand vermissen. Da war es wahrhaftig in Klützow doch amüsanter; da gab es wenigstens junge Herren, mit denen man lachen und schwatzen konnte. Der Jüngste der hier Anwesenden, der Doktor Menk, war doch mindestens schon ein hoher Dreißiger. Oder machte das Grotzstadtleben die Herren so früh altern? „Ist die Geschichte schon aus, Kleine?" hörte sie plötz lich eine lustige Stimme im Flur fragen, woraus die kichernde Antwort der Küchenfee erfolgte, daß die Herr schaften schon gespeist hätten. „Donnerwetter, da habe ich mich aber stark verspätet!' sagte die Stimme wieder. Dann ging die Tür auf und ein junger, eleganter Herr trat schnellen Schrittes ins Zimmer, sah die einsame junge Dame höchst erstaunt an und verbeugte sich höflich, wah rend er sie mit großen, neugierigen Augen eingehend musterte. „Sind gnädiges Fräulein die ganze Gesellschaft?" fragte er lächelnd, nachdem diese Musterung ihm ein aller- liebstes, blutrot gewordenes, goldblondes Mädchenköpfchen gezeigt hatte. „O nein, ich bin nur ein unbedeutender Teil davon!" „Wer wird so bescheiden sein? Ich hw anderer An- . sicht!" sagte der junge Mann keck; aber er lächelte so liebenswürdig dabei, daß Lisbeth ihm nichts übelnehmen konnte, wozu sie auch viel zu verlegen war. „Gestatten gnädiges Fräulein übrigens, daß ich mich vorstelle — Richard Platen, schlichtweg Platen, nicht mal Doktor »der Assessor." „Elisabeth Roloff." „Ist die Gesellschaft wirklich so interessant md be- § deutend, daß Sie so bescheiden tun? Eine Gesellsckast habe ich nämlich hier noch nicht mitgemacht." „Bedeutend mögen sie schon sein", sie fühlt sich plötz lich redelustig und zum Lachen aufgelegt, „aberl«»»weiv- auch!" — Sie hatten alle so etwas Unnahbares und Feierliches, diese Professors-, Doktors- und Geheimratsfrauen. Und dann kannte und konnte Lisbeth absolut nichts, womit sie ihnen hätte imponieren können. Sie hatte nicht künstlerisch singen gelernt, konnte kaum Klavier spielen; sie konnte auch nicht gewandt plaudern, da sie zu Hause diese Kunst nur an dem guten Pfarrer zu üben Gelegenheit fand, der aber die Pfeife und die Karten ihrer Unterhaltung vor zuziehen pflegte. So saß sie denn verlegen und schweigsam im Kreise der Damen, besann sich vergeblich auf etwas Geistreiches und wurde schließlich ganz fassungslos über ihre stupide Blödigkeit und die neugierigen, etwas spöttischen Augen, mit denen die Damen sie musterten, trotzdem ihre Toilette . dank der Tante tadellos war.