Volltext Seite (XML)
Nr. 244. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 18 Oktober 1929. Seite 3 „Graf Zeppelin" besucht Oberschlefien. Stürmische Begeisterung im Grenzgebiet. Breslau. Auf der Rückkehr von seiner Balkanfahrt wurde dem „Graf Zeppelin" in Breslau ein be geisterter Empfang bereitet. Annähernd 150 000 Men schen hatten sich auf dem Flugplatz Gandau und in der näheren Umgebung eingefunden, und die Stadt zeigte reichen Flaggenschmuck. In sämtlichen Schulen Breslaus fiel der Unterricht aus. Ueberraschenderweise hörte man bereits kurz nach 5 Uhr morgens das Motorengeräusch des Luft schiffes. Gleichzeitig begannen alle Glocken zu läuten. Auch ertönten die Sirenen der Werke. Die Einwohner eilten rasch auf die Straßen, um das nächtliche Schauspiel genießen zu können. Der Zeppelin flog jedoch nur an der Peripherie der Stadt entlang und erschien hier erst kurz nach 8 Uhr zum zweitenmal. vr. Eckener, dessen Luftschiff mit ungeheurem Beifallsjubel begrüßt wurde, winkte inmitten seiner Passagiere am Mittelfenster der Gondel. Da sich das Wetter inzwischen stark verschlechtert hatte, konnte diebeabsichtigteLandungnichtvor» genommen werden, und die offiziellen Begrüßungs ansprachen wurden durch Funk dem Luftschiff übermittelt. Nachdem der Breslauer Oberbürgermeister vr. Wagner das Luftschiff „Graf Zeppelin" willkommen geheißen hatte, sprach u. a. der Oberpräsident von Niederschlefien, Lüde mann. „ Im oberschlesischen Industrierevier versammelten sich im Beuthener Stadion und im Gleiwitzer Flughafen riesige Menschenmengen und tausende Autos, be sonders aus dem abgetretenen Oberschlesien. Nachdem das Luftschiff den Norden der Provinz und Oppeln überflogen hatte, traf es kurz nach 11 Uhr über Beuthen ein. Die Sirenen der Gruben heulten. Ungeheurer Jubel erhob sich, und auch die Grenze war schwarz von Menschen. Vom Beuthener Stadion begrüßte Oberbürgermeister vr. Knakrik den Zeppelin durch Radio. Von Beuthen aus flog das Luftschiff nach der großen Arbeiterstadt Hinden - bürg zu. Die Straßen wimmelten von Menschen. Wa immer es die Art der Arbeit gestattete, verließ alles die Hütten und Werkstätten, um den „Graf Zeppelin" zu be- grüßen. Gegen 11)4 Uhr wurde das Luftschiff dann im Gleiwitzer Flughafen sichtbar. „Graf Zeppelin" hat dann bei Natibor die deutsch-tschechische Grenze über, flogen und flog dann übet: Mien. „Graf Zeppelin" glatt gelandet MWM Friedrichshafen, 17. Oktober. „Graf Zeppelin" ist am Donnerstag abend um 21.04 Uhr glatt gelandet. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" traf bereits um 20.30 Uhr über dem Werftgelände ein, machte eine Schleife über der Halle und verschwand wieder in westlicher Richtung. Um 20.35 Uhr fragte Dr. Eckener durch Funkspruch, ob die Haltemannschaft bereit sei. Daraus antwortete die Werftlei tung, daß alle nötigen Vorbereitungen getroffen seien. Um 20 45 Uhr traf das Luftschiff abermals über dem Werftge lände ein und bereitete sich langsam zur Landung vor, die bald darauf glatt vor sich ging. Zeppelin-Z- und 5-Markstücke. Crinnerungsmünzen an den ersten Welt- flug des „Graf Zeppelin". Berlin. In der öffentlichen Vollsitzung des Reichs- rats vom Donnerstag nachmittag wurden eine Anzahl kleinerer Angelegenheiten erledigt. Außerdem stand auf der Tagesordnung eine Vorlage, worin der Reichsrat um seine Zustimmung dazu ersucht wurde, daß aus Anlaß des ersten Weltfluges des Luftschiffes „G r a f Z e p p e l i n" auf Reichs mark lautende Reichssilbermünzen im Betrage von drei Millionen Reichsmark Uber einen Nennwert von drei .Reichsmark und im Betrage von zwei Millionen Reichsmark über einen Nennwert von fünf Reichsmark als Erinne rungsmünzen geprägt werden. Die Münzen sollen von allen Münzstätten ausgeprägt werden. In der Begrün dung heißt es, daß der erste Weltflug des Luftschiffes „Graf Zeppelin" ein Ereignis von derart überragender Bedeutung ist, daß es gerechtfertigt erscheint, diese Tat durch die Aus gabe einer Erinnerungsmünze auch für die Nachwelt festzu halten. Der Reichsrat stimmte dieser Vorlage zu. vo X steigt heute mit 150 Fluggästen auf Friedrichshafen, 18. Okt. Die starken Nebel, die in der letzten Zeit auch tagsüber größere Flüge mit dem Großflugzeug vo X verhindert haben, sind seit gestern we nigstens^ über die Mittagsstunde verschwunden. Die Dor- nierwerke beabsichtigen deshalb heute, Freitag, nachmittag zweimal einen größeren Flug durchzusühren. Das Flugschiff berg und dem Stphlhelmführer Seldte unterzeichneten Aufruf erlassen, in dem es zur Einzeichnung in die jetzt aufgelegten Listen für das deutsche Volksbegehren auffordert. In dem Aufruf betont das Präsidium, daß das Volksbegehren eine völlige Abkehr von der erfolglosen Außenpolitik der letzten Jahre bezwecke. Die Politik dauernder Kompromisse und Fehlschläge solle durch eine Außenpolitik, die dem deut schen Volk die natürlichen Lebensgrundlagen der Freiheit, des Nahrungsspielraumes und der Selbstbestimmung wiedcrgibh ersetzt werden. Es sei offenkundige Unehrlichkeit, wenn durch Regierungaufrufe und Ministerreden die heutige Lage des deutschen Volkes und seine Aussichten über dem Young-Plan in rosigen Farben geschildert würden. Die Annahme des Pa riser Planes müsse zu wachsender Arbeitslosigkeit, fort schreitender Verelendung und Zerrüttung der Währung füh ren. Geheimrat Hugenberg sprach bei einer großen Kund gebung für das Volksbegehren in Kiel. Er wies darauf hin, daß die Ausführungen der Gegner des Volksbegehrens immer mehr in Beschimpfung ausarteten. V-. Hugenberg ging dann auf den Unterschied zwischen dem Dawes-Plan und dem Young-Plan ein und erklärte, was man Deutschland im Young-Plan anbiete, sei die Beseitigung der Schutzklauseln für unsere Währung. Nach dem Dawes-Plan hätte der Feind bund die Verantwortung für unsere Währung getragen, jetzt sei sie Deutschland wieder aufgebürdet worden. Unter dem Young-Plan werde unsere Wirtschaft verelenden. Erfülle aber Deutschland den Young-Plan nicht, dann würden wir im Westen und Osten neue Sanktionen erleben. Auf Lie einzel nen Punkte des Aufrufs der Reichsregierung gegen das Volks-Lehren eingehend, erklärte IR. Hugenberg, daß die Regierung versuche, die Tatbestände zu verdrehen. Die vielen Rundfunkreden der Minister könnten nur eine Propaganda für das Volksbegehren bedeuten, denn dadurch würde das Volksbegehren vielen Leuten bekanntgemacht, die bisher noch keine Ahnung davon gehabt haben. Der Landbund Mecklenburg-Schwerin hat beschlossen, sich mit äußerster Energie sich für das deutsche Volksbegehren einzusetzen. — D er e r st e T a g für die Ein- Zeichnung in die Listen des Volksbegehrens hat in Brolin 20110 Unterschriften gebracht. Gegen das Volksbegehren sprach im Rundfunk der bad ische Staats präsi d ent Vr. Schmitt, der den Young-Plan als wesentliche Erleichterung gegenüber dem Da- wes-Plan bezeichnete. Der Young-Plan bringe nicht nur ffnanzielle Erleichterungen, sondern lasse endlich das besetzte Gebiet frei werden. Deutschland werde des weiteren von der Vormundschaft der fremden Kommissionen befreit. Deshalb werde das Volksbegehren abgelehnt werden müssen. — Auf eine Zuschrift des Ringes nationaler Frauen hat die Ber liner Funkstunde mitgetcilt, daß es sich bei den zu dem Volksbegehren von den Ministern gehaltenen Reden um amtliche Kundgebungen handle, zu deren Übertragung die Rundfunkgesellschaftcn verpflichtet seien. Nach den gleichen Richtlinien sei es den Nundfunkgesellschaften verboten, partei- agitatorische Vorträge im Rundfunk zuzulassen. Infolge dessen sehe sich die Funkstunde nicht in der Lage, derartige Vorträge für und wider das Volksbegehren in ihr Programm aufzunehmen. Stalin schwer erkrankt. Der Denerulielrelar der cu,suchen commmnstnchen Partei und eigentliche Machthaber in Sowietrußland, Stalin soll nach Melkungen'aus Rigo einen Nervenzusammenbruch erlitten haben und krank daniederüegen. Die behandelnden Aerzte haben ihm. wie verlautet, zwei Monate völlige Ruhe Unk Fernbleiben non allen Reaiernnasne»'-verordnet Telephongespräch als Dokument. In London wurde dieser Tage eine interessante Erfin dung auf dem Gebiete des Fernsprechwesens vorgeführt. Es handelt sich um einen elektro-magnetischen Apparat „Echophon" genannt, der das telephonische Gespräch auf- zuzeichncn und wiederzugeben vermag: in Abwesenheit des --stvehmers nimmt der Appa- rat telephonische Bestellungen entgegen — Da- Bild zeigt den Erfinder (rechts) bei der Vorführung keines Echophons I wird am Altenrhein mit 150 Fluggästen aufsteigen. Außer einer größeren Anzahl Pressevertretern werden Werftange- hörlge das Flugschiff füllen. Der Flug wird insofern eine Rekordleistung darstellen, als noch nie eine so große Zahl von Menschen durch die Luft befördert worden ist. Oie Helfershelfer -er Sklareks. Berlin. Wie gemeldet wir-, hat Bürgermeister Scholz in Vertretung des Oberbürgermeisters von Berlin dem Bür germeister Schneider vom Bezirksamt Mitte die Aus übung seiner Amtstätigkeit auf Grund des Disziplinarge setzes vorläufig untersagt. Die Staatsanwaltschaft hat drei Berliner Kaufleute ver antwortlich gehört, die den Brüdern Sklarek Gefälligkeits- wechsel zur Verfügung gestellt und so ihre Betrügereien er möglicht hatten. Der Staatsanwalt erblickt darin, daß die Kaufleute Akzepte ausgestellt haben, die über Beträge lauten, die zu den Vermögensverhältnissen der Betreffenden keinerlei Verhältnis standen, einen Betrugs Einer der Kaufleute, ein Schwager der Sklareks, der Textilhändler Albert Kleczewski, hat Akzepte in Höhe von 1600 000 Mark zur Verfügung gestellt, obwohl sein Vermögen auf kaum mehr als 50 000 Mark geschätzt werden konnte. Die Skla - re ks haben dann diese Akzepte mit ihrem Giro ver sehen und der Stadtbank als Unterlagen für aufgenom- mcne Kredite gegeben. Aehnlicher Manipulationen werden auch die beiden anderen Kaufleute, die Textilhändler Leo Weil und Wende, verdächtigt? Die Firma Zöppritz in Heidenheim, die seit fünf Jahren Wolldecken für die Gebrüder Sklarek ge. liefert hat, ist in den Büchern der Sklareks mit Forderun- gen in Höhe von zwei Millionen Mark aufgeführt. Tatsäch lich hat die Firma bei den Sklareks nur noch ein Guthaben von 90 000 Mark, von denen 15 bis 20 Prozent durch Ver sicherung gedeckt sind. Entlassung der Stadtdantbirettoren? BerU«, l8. Oft. Das „Berliner Tageblatt" meldet: Die Stadtbankdirektoren Schmitt, Hoffmann und Schroeder werden nicht in ihr Amt zurückkehren, ganz gleich, wie die Entscheidung der Untersuchung aussallen wird, sondern sie werden ihrer Posten enthoben werden. Die Stellen, die die Direktoren- inne gehabt haben, sollen bereits am Freitag ausgeschrieben werden. Aus aller Wett Furchtbares Brandunglück 1« einem Hotel In Seattle (Washington) entstand im Portland-Hotel, dem größten Hotel der Stadt, ein Brand, der sich mit großer Geschwindigkeit ausbreitete und das ganze Gebäude zerstörte. Sieben Personen wurden getötet, 15 schwer verletzt. Man befürchtet, daß sich die Zahl der Opfer noch erhöhen wird. Luftschiffkatastrophe i« Amerika Die „Vossische Zeitung" meldet: Das Lenklustschiff „Mgiland", das der Goodyear-Zeppelin-Gefellschaft gehört, ist beim Start auf dem Flugfeld Butlersteld bei Pittsburgh vernichtet worden. Die Verlustzahlen sind bisher noch nicht bekannt. Anklage gegen Graf Christian von Stolberg- Wernigerode erhoben. Hirschberg. Die Oberstaatsanwaltschast von Hirsch, berg teilt mit, daß gegen den Grafen Christian Friedrich zu Stolberg-Wernigerode nunmehr Anklage wegen fahrlässiger Tötung vor dem Erweiterten Schöffengericht erhoben worden ist. Ein Werkbahnzug in den Abgrund gestürzt. Bukarest. Auf einer Werkbahn stürzte ein Zug, -er Arbeiter nach ihren Arbeitsplätzen beförderte, infolge Ent gleisung in einen Abgrund. Vier Arbeiter wurden gctöte! und 14 schwer verletzt. Verhaftung eines ungetreuen Kassierers. Wien. Der österreichische Generalvertreter der Olie Fabriegen Calve Delft in Holland, der 34jährige vr. Kurt Moll, wurde wegen Veruntreuung einkassierter Gelder in Höhe von 600 000 Schilling verhaftet. Voraussichtliche Witterung Landesmetterwarte Dresden l«achdru» ondotiu) Wolkiges, zu Dunst- und Nebelbildung neigendes Wetter, etwas kühler. Schwache Luftbcwegung veränderlicher Richtung. Export. Der erste deutsche Sportprofessor. In der Hambur- gischen Universität wird mit Beginn des Wintersemesters 1929-30 die erste deutsche ordentliche Professur für Leibesübungen eingerichtet. Zum ersten deutschen Sport- professor ist der Schweizer Mediziner vr. Knoll (Arosa) nach Hamburg berufen worden. Dresden — Hannover. In Dresdner Dolksturner» kreisen trägt man sich mit dem Gedanken, durch einen Dolksturn- städtewettkampf-DreÄun— Hannover die bisherigen rein sächsi schen Städtewettkämpfe auf eine breitere Basis zu stellen. Der -Kampf ist für das kommende Jahr erstmalig in Erwägung ge zogen worden. Ter Rühl-Wandertag der P»mmern-Turner. Der R ii h I - Wandertag, den Pommerns Turner und Turne rinnen alljährlich ihrem einstigen Führer, dem langjährigen Ge schäftsführer der Deutschen Turnerschast, dem Stadtschulrat Or. Hugo Rühl (Stettin), veranstalten-, führte auch diesmal in allen Teilen der Provinz die Vereine zum ehrenden Gedächtnis durch Feld und Wald. D«r Kampf «m die Schachweltmeifterschaft. Bogol jubow wählte in der 1b. Partie als Nachzieheuder die indische Vertei digung und erlangte auf ein Baucrnopstr hin große Gewinnchancen, die er sich später aber wieder aus der Hand gehen ließ. Nach dem 41. Zugs mußte die Partie abgebrochen werden und dürüe aller Vor aussicht nach remis werden.