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AüsMerIa-eblM 81. Jahrgang Beilage Zn Nr. 178 Freitag, den 2. August 1S2S Schwere Ltrkundenfälschung der Komiesie Monroy. Der Prozest einstweilen vertagt. Berlin- Unter gewaltigem Andrang, der teilweise geradezu lebensgefährliche Forme« annahur, begann Dsn- 'wrstaa der Dievstahlsprozetz gegen die Komtesse Helgo »on Monroy, die, wie erinnerlich, unter der Laklage geht, ihrer Tante Juwelen und andere Schmucksachsn im jverte von annähernd 7 0 000 Mark entwendet zu haben. Sie ist außerdem eines Diebstahls in Höhe von fünf, zig Mark an dem letzt im Ausland weilenden Kuischer Abra- hmn beschuldigt. Unter großem Lärmen drängte das sensationslustige Ber liner Publikum in den Gerichtssaal hinein. Aber die Neugieri- zen hatten sich zu früh gefreut, denn die Verhandlung be- zann mit der Ettlärung des Vorsitzenden, daß um Mittwoch «ine neue Anklage gegen die Gräfin eingegangen sei, uns Mar wegen Urkundenfälschung. Da über die alle und neue Anklage nicht sofort gemeinsam verhandelt werden konnte, wurde die Verhandlung auf einen unbestimmten Zeit- punkt vertagt. Die neue Bejchulmgung, die der jungen Komtesse Mon roy zur Last gelegt wird, ist, wie oben erwähnt, eine An klage wegen schwerer Urkundenfälschung in Verbi n d u ng mitBetrug. Die Komtesse soll ein ge fälschtes Schreiben des Fürsten Hohenlohe bei dem Bankhaus Emden vorgelcgt haben, um eine weitere Kreditstundung ihres Bräutigams, des dann später durch Selbstmord geende- von Wedel, zu erreichen. Nach der Anklage ist dies Betrugsmanöoer auch tatsächlich gelungen, und es wäre em recht erheblicher Schaden entstanden, wenn nicht zum Teil durch eine Lebensversicherung, die Herr von Wedel hatte der Schaden bis auf etwa 6000 Mark herabgesetzt wer- den tonnte. Helga von Monroy hatte zusammen mit ihrem Bräutigam, Rittmeister von Wedel, bei dem Bankhaus Emden einen Kredit in Höhe von 20 000 Mark in Anspruch genommen. Die Summe wurde gewährt, da Herr von Wedel seine Le- bcnsversicherungspoliee, die einen Wert von 20 000 Mar! hatte, zur Verfügung stellte. Nach und nach hat dann die unge Komtesse neue Kreditforderungen gestellt und zur Unterstützung ihrer Gesuche ein gefälschtes Schreiben des Fürsten von Hohenlohe vorgewiesen, worin ihr bestätigt wurde, daß sie demnächst aus einer Erbschaft l 5 0 0 0 0 Mark zu erwarten habe. Das Bankhaus Emden hat angesichts dieser Urkunde keine Bedenken getra gen, noch etwa 10 000 Mark weiterauszuzahlen, so daß im ganzen das Objekt 30 000 Mark betrug. Als dann jedoch weder die Komtesse von Monroy noch Herr von Wedel zu- rückzahlten, kamen Bedenken, und die ganze Geschichte wurde - aufgedeckt. Sicherlich ist in dieser Tatsache auch das Haupt- motiv für den Selbstmord des Rittmeisters von Wedel zu - such^m Die Anklage lautet auf Urkundenfälschung und Be- Wer ist Komteffe Monroy? Monroy ist die Tochter einer Kunstreiterin Klothilde Walther-Hoger, die vor langen Jahren gemeinsam mit ihrer Schwester als Kunstreiterin im alten Zirkus Renz in Berlin auftrat. Klothilde Walther-Hager heiratete den italienischen Aristokraten Guiseppe Monroy aus der Familie der sizilianischen Fürsten Pangolfina. Ihre Schwester, also die Tante der jetzigen Angeklagten, heiratete gleichfalls in die Kreise des Hochadels. Ihr jetzt verstorbener Gatte war der Prinz Hugo Friedrich zu Hohenlohe-Oehringen, der nach der Heirat mit der bürgerlichen Künstlerin aus dem Hohen- loheschen Familienverband ausschied und vom König von Württemberg den Titel eines Grafen Hermersbera Wovon man spricht. Die Explofionskatastrophe in Borsigwalde. — Was Minister als Gehalt bekomme«. — Heimkehr vo« der Sommerreise. Eine ungeheuere Explosion hat in Borsigwalde das größte Sauerstoffwerk Deutschlands mit seinen Reben- betrieben zur Erzeugung komprimierter Gase in einen Trümmerhaufen verwandelt. Der entstandene Material schaden ist so erheblich, daß er sich noch nicht genau ab- schätzen läßt, aber es hätte noch weit schlimmer kommen können, denn das zerstörte Werk liegt nicht, wie eine Spreng stoffabrik, abgesondert von allen menschlichen Behausungen, sondern auf einem dicht besiedelten Gelände: Glühende Eifenstücke und geplatzte Azetylenflaschen^ die wie Granat splitter durch die Luft sausten, haben in weitem Umkreise die Dächer der benachbarten Häuser durchlöchert, und es ist geradezu ein Wunder, daß in diesem Hexenkessel keine Menschen ums Leben gekommen sind. — Ein leises Gefühl des Unbehagens beschleicht jeden, der in der Nähe einer Gas anstalt oder eines Betriebes wohnt, in dem leicht entzünd liche Stoffe verarbeitet werden; man fühlt sich seines Lebens nicht mehr recht sicher und fragt sich besorgt, ob es denn nicht möglich wäre, all' die Unglücksfälle, von denen die Zeitungen immer wieder zu berichten wissen, durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen zu verhüten. Bald ist es ein Oel- behälter, der auf ganz unerklärliche Weise explodiert, bald ein Spiritusfaß, das Feuer fängt, oder ein Benzintank, der „von selbst" in Brand gerät — eh man sich's versieht, ist ein Unglück geschehen, dessen Ursachen nachträglich nicht mehr festzustellen sind! — Nun ist es aber eine allgemein bekannte Erfahrungstatsache, daß die meisten Betriebsunfälle, nament lich auf Sprengstoffabriken, sich in einem Augenblick er eignen, wenn der aufsichtführende Beamte nicht zugegen ist. Die Betriebssicherheit wäre eine vollkommene, wenn alle Vorschriften von den Arbeitern und Angestellten gewissen haft befolgt würden; aber der Mensch ist keine Maschine, kein Automat — Fahrlässigkeit, Leichtsinn und Unerfahren heit sind Dinge, mit denen man rechnen muß, und deshalb wird es niemals gelingen, die Möglichkeit einer Betriebs katastrophe gänzlich auszuschalten. Man sollte aber im Interesse der öffentlichen Sicherheit noch mehr als bisher darauf bedacht sein, sie auf ein Mindestmaß herabzusetzen, und jedenfalls dafür sorgen, daß gefährliche Betriebe aus dem Bereich der Städte und Ortschaften weit ins Freie hin aus verlegt werden. -l- Durch einen neuen Gesetzentwurf, der bereits vom Reichskabinett gebilligt und an den Reichsrat weitergeleitet worden ist, wird die Ernennung, das Gehalt und die Pension der Reichsminister in Zukunft geregelt werden. — Dieser Entwurf sieht für den Reichskanzler ein Amtsgehalt von 45 000 Mark und für die Reichsminister 36 000 Mark jährlich vor. Dazu stritt ein Sonderzuschlag in derselben Höhe, in der MW1I1I0 M ! IWE erhielt. Bei der verwitweten Gräfin Hermersberg, die in Berlin-Lichterfelde eine Villa besaß, wohnte die Nichte, die jetzige Angeklagte Komtesse Helga Monroy. Sie besaß keinerlei Vermögen, was sie um so schmerz licher empfand, als sie mit einem gleichfalls vermögens losen Rittmeister v. Wedel verlobt war, ryn Neichsveamte oezteyen, ferner eine Woynungsentschädi- gung von 3600 Mark und eine Dienstaufwandsentschädigung, deren Höhe der Reichshaushaltsplan bestimmt. Alles in allem ein schönes rundes Jahreseinkommen, um das des Staates erste Diener von gar manchem still beneidet werden, der mit dem zehnten Teil dieser Iahreseinkünfte eine Familie schlecht und recht zu erhalten hat. Sie würden gewiß gern mit den Ministern tauschen, trotzdem der neue Gesetzentwurf ihnen jede berufsmäßige Nebenbeschäftigung untersagt, die mit einer Vergütung verbunden ist. Es ist also auch hier dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel und die Ministereinkünfte nicht ins Ungemessene wachsen, und jeder, der diese hohen Staatsbeamten, wenigstens um ihr Gehalt beneidet, mag sich in dem Bewußtsein trösten, daß der Weg zu den Ministersitzen heute jedem offen steht, der in sich das Zeug fühlt, ein so verantwortungsvolles, schwieriges Amt zu übernehmen. Es gehört dazu, wie überall im Leben, bloß etwas Dusel, und — wohlverstanden — gewisse Fähigkeiten, ohne die es nun mal absolut nicht geht. „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand", sagt zwar ein altes Sprichwort, aber man darf sich nicht blind darauf verlassen, denn wenn das wirklich wahr wäre, so stünde es sicherlich besser mit uns allen, * Der Sommer hat seinen. Höhepunkt überschritten, di« Hauptreisezeit ist vorbei, und als erste Vorboten des nahen den Herbstes kehren die Sommerfrischler ins Winterquartier zurück. Braungebrannt erscheinen sie im Kreise der alten Bekannten, und das Wiedersehen mit ihnen gestaltet stch ost viel herzlicher als der Abschied beim Beginn der Ferienreise; denn damals freuten sie sich, all dielen MenKLen ibrer tm»> lichen Umgebung, dem Einerlei des Alltags für einige Wochen entrinnen zu können, um neue Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Jetzt aber fehlt es nicht an Gesprächs stoff; es gibt wieder allerhand zu erzählen, manchmal sogar mehr, als man wirklich erlebt hat, und man kann seiner Phantasie nach Herzenslust die Zügel schießen lassen. Ge wiß war es herrlich an der See, im Gebirge oder wo das Reiseziel auch liegen mochte, aber ganz im stillen hat man sich zuletzt doch wieder nach seinem Heim und den alten, lieben Gewohnheiten gesehnt, von denen man jetzt wieder Besitz ergreifen darf. Man soll eben von einer Sommer- reife nicht das Unmögliche verlangen. Nicht jeder Mädchen traum geht in Erfüllung, des Jünglings heimliche Sehnsucht bleibt oft ungestillt, und wer als älterer Mensch die Stätten auffuchte, zu denen ihn Erinnerungen an längst vergangene Tage zogen, der fand dort im besten Falle Jugendfreunde wieder — aber nicht die entschwundene Jugend. Nun geht es wieder an die Arbeit, mit neuen Kräften und mit frischem Mut; es ist doch nirgend so schön, als daheim, und das Schönste an der Sommerreise ist und bleibt doch die Vor freude. A. P. (Nachdruck verboten.) 14. Fortsetzung. DSmo« Künstler. Roman von Magda Trott. Copyright by Greiner k Co., Berlin NW 8. Sigunde erhob sich lautlos, trat dicht an ihn heran und sagte fast tonlos: „Welche Schuld war es, die Udo in den Tod trieb?" Er wandte langsam den Kopf nach ihr um. „Man richte nicht mit einem anderen, wenn man selbst schuldig ist." „Sie wissen mehr, als Sie uns bisher sagten?" „Gäbe es Engel, die in Augenblicken höchster Seelen not zu uns armen Menschen herunterstiegen, die uns die Hand reichten und uns führten, glauben Sie mir, Sigunde, es brauchte nicht so viel Verzweiflung in unseren Herzen ö« leben." „Wenn Udo wirklich eine Schuld auf sich lud, warum vertraute er sich mir nicht an?" Wieder dieser lange, durchdringende Blick aus seinen Flammenaugen. „Hätten Sw ohne zn fragen, ohne zu forschen, ihm die Rechte hingestreckt, hätten Sie ihn erlösen wollen?" „Ja! Er kräuselte mit verächtlichem Lächeln die Lippen. „Und Venn ein anderer käme, der Sie anfleht, hilf mir, ein anderer, der auch am Versinken ist, den viel leicht gemeinsame Schuld mit jenem anderen verbindet, — Sie würden sich von ihm abwenden, Sigunde. Der Ruf, hilf mir, träfe vielleicht Ihr Ohr, — niemals aber Ihr Herz!" „Eine gemeinsame -schuld?" „Mir sind die Lippen versiegelt. Aber eines, Sigunde, eines frage ich Sie in dieser Stunde: Wollen Sie dem teuren Entschlafenen die Ruhe zurückgeben?" Sie preßte beide Hände aufs Herz. „Mein Gott — mein Gott! „Hören Sie nicht seinen Ruf aus dem Grabe herauf: Hilf?" „Was soll ich tun?" fragte sie bebend. — Mit einem energischen Griff erfaßte er ihre Hand. — „Der Tote ruft, der Tote fordert, jetzt mache gut, was du an mir versäumtest. Du hattest keine Augen für mein Innerstes. Erst das Leid hat dich geläutert. Eine zweite Hand streckt sich hilfesuchend aus, Sigunde, hilf!" — „Und wie?" — „Wir werden das Trauerjahr verstreichen lassen. Wenn es vorüber ist, führe ich dich heim." „Nein — nein!" „Der Wunsch meines Bruders, der letzte, den er an deinen Vater richtete, war dir heilig. Du hast dich in jenes Haus begeben, hast nach Möglichkeit versucht, den Sillings zu helfen. Nach jenem Brief, den er in seiner letzten Stunde schrieb, war ich bei ihm." „Sie?" „Ja. — Man hat mich nicht erkannt, ich habe mich nicht zu erkennen gegeben, denn was wir beide in jener Stunde sprachen, brauchte keiner zu wissen. Ich aber habe es dem vom Leben Scheidenden in die Rechte versprochen und sagte ihm: Dich konnte sie nicht mehr retten und er lösen ,aber dennoch wird sie dir die Ruhe wiedergeben. Sie liebt dich ja. Und mit umflortem Blick bat er mich: Mache sie zu deinem Weibe, damit alles gut wird." Rechenberg schwieg und schaute Sigunde fest an. „Es ivaren die letzten Worte, die über seine Lippen kamen. Heute stehe ich vor Ihnen, Sigunde, wollen Sie die Meine fein?" Sie senkte tief den Kopf, Tränen fielen aus ihren Augen. „Im Andenken an Udo," mahnte er mit weicher, zärtlicher Stimme. Unruhig glitten ihre Augen über den Garten hin, dann senkte sic den Kopf noch tiefer. „Lassen Sie mir noch etwas Zeit, dann - dann will ich seinen Wunsch erfüllen." „Ich wußte es, Sigunde." „Aber lieben, lieben werde ich Sie nie!" bmer Antwort griff er nach ihrer Hand und küßte sie. Ein unmerkliches Lächeln lag um seinen schönen 4. Kapitel. x , Schon zum dritten Male schaute Sigunde auf die hohe Standuhr in dem stimmungsvoll eingerichteten Eßzimmer, die eben neun Schläge verkündet hatte. Der Frühstücks- tisch stand gedeckt, aus Prachtvollen Kristallvasen schauten Chrysanthemen hervor und gaben dem Tisch einen warmen Ton. - — Sie schlang die weißen Hände ineinander und trat ans Fenster. Nur selten gingen hier am Morgen Passanten vorüber, wohnte man doch in einem jener eleganten Villen- orte, in denen zu so früher Stunde das Leben noch nicht pulsierte. Seit acht Monaten war sie die Gattin Bernhard Rechenbergs. Sie hatte sich nicht mehr gewehrt, da sk wußte, daß sie Udos letzten Wunsch damit erfüllte. Wohl war ihr Herz voller Bangen erfüllt, wenn sie daran dachte, daß sie nun ihr ganzes Leben laug einem Manne ange hören sollte, der ihrem Herzen nichts bedeutete. Sie hatte sich redlich bemüht, in ihm den Bruder des Verstorbenen zu erblicken, um dadurch ihr Interesse und iHv? Neigung für Bernhard zu erhöhen. Ohne jede Illusion hatte sie den Schritt in die Ehe getan, nur in dem Bewußtsein, daß sie den Wunsch ihres Geliebten zu erfüllen hatte. Selbst die fast einjährige Brautzeit batte sie dem Berlobten um keinen Schritt näher gebracht . Sie hatte ihn in dieser Zeit nicht einmal genauer kennengelernt. Mitunter hatte sie das Gefühl, als wäre Bernhard von bösen Dämonen beherrscht, dann wieder zeigte er Güte in so verschwenderischer Weise, daß sie fassringslos an seiner Seite stand und nicht begriff, wie sich das mit seinen sonstigen Charaktereigenschaften vertrug. Er war zärtlich und aufmerksam gegen sie, mitunter aber auch von solch verletzender Schroffheit, daß sie sich scheu vor ihm zurückzog. Seine Künstlerlaunen arteten zuweilen bis zur Unerträglichkeit aus, um im nächsten Augenblick in liebevoller Werbung wieder zusammenzu stürzen.