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Pulsnitzer Tageblatt : 25.05.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840937203-192905259
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840937203-19290525
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840937203-19290525
- Sammlungen
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-05
- Tag 1929-05-25
-
Monat
1929-05
-
Jahr
1929
- Titel
- Pulsnitzer Tageblatt : 25.05.1929
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Nr. 119. Pulsnitzer Tageblatt. — Sonnabend, den 25. Mai 1929. Seite 3. Dresden, 24. Mai. (Zum Stimmungswech sel in der sächsischen Sozialdemokratie.» Das Organ der Altsozialisien „Der Volksstaat", stellt unter der Ueberschrift „Gesinnungsbankerott der sächsischen Sozialdemo kratie Betrachtungen an über die plötzlich hervorgetrelene Neigung eines Teils der sächsischen Sozialdemokratie für die Große Koalition und schreibt u. a.: „Leider ist es aber nicht die Vernunft, sondern die Bankerottgesinnung, die einen Lieb mann und Schwarz, einen Dobbert und Weckel zu dem Weg der Großen Koalition führt. Von einer Politik der Großen Koalition mit dieser Gesinnung versprechen wir uns aller dings für die Arbeiterschaft und für den sächsischen Staat nichts gutes. . . Ter jähen Neigung zur Großen Koalition jN dem Opportunistischen Flügel der sächsischen Sozialdemo kratie muß ein Zuspät entgegengerufen werden. Nunmehr kann auch die beste Koalitionspolitik für die Arbeiterschaft keine besonderen Früchte mehr abwersen. Im Gegenteil: Heute müssen von allen Klassen die härtesten Opfer gebracht werden, denn wir stecken in einer Saatskrise ungeheuerlichster Art. Heute muß die Arbeiterschaft nicht nur zur Koalitions- politik sondern zum rückhaltlosen Einsatz ihrer Kräfte gerufen werden, damit wir das deutsche Staatsgebäude in eine bessere Zukunft hinüberretten können. . , Mit einem schönen Re gierungsprogramm ist heule nicht mehr viel anzufangen, und die stellenhungngen Sozialdemokraten sollten sich die Mühe ersparen nach dem Rezept des Herrn Schwarz ein Muster werk von Grundsätzlichkeit una Bescheidenheit zu fabrizieren. Dresden. (Eingestelltes Strafverfahren.) Ende März und Anfang April hatte die Dresdener Kriminalpolizei eine ganze Anzahl Sistierungen und auch Festnahmen von Personen vorgenommen, die im Verdacht standen, an einer groß angelegten Falschmünzcrorganisa-- tion beteiligt zu sein. Nach den damaligen amtlichen Be richten war geplant gewesen, micht nur deutsches Papier geld herzustellen, sondern auch Dollarnoten usw. Die in dieser Angelegenheit der Staatsanwaltschaft zugeführten Beschuldigten sind inzwischen nach und nach sämtlich wieder in Freiheit gesetzt worden. Das Strafverfahren wurde eingestellt, da ein Schnldbeweis, der etwa zu einer ^rurtcilung ausgereicht haben würde, nicht zu erbringen Dresden. (Großer Einbruchsdiebstahl.) In einer der letzten Nächte drangen Einbrecher in ein '«Pillengrundstück in Dresden-Laubegast ein und entwen deten Damen- und Herrenschmucksachen im Werte von 18 000 Mark. Es fehlen eine Brillantenhalskette mit zwei großen Steinen, ein goldenes Herz mit Brillanten und Rubinen, zwei goldene Kettenarmbänder, ebenfalls mit Brillanten und Rubinen, eine goldene Armbanduhr Nr. 264 894 mit der Gravierung „März 1919 Smy", eine goldene Uhr mit dem Monogramm „T. H.", eine matt- goldene Uhrkette, eine Brillantschlipsnadel (Kleeblatt), ein Ring mit großen Brillanten, eine Glashütter Uhr, eine goldene Armbanduhr mit Lederriemen, und ein goldenes Kästchen mit griechischen und römischen Münzen. Der Diebstahl wurde verübt, während die Bewohner auf Reisen waren. Leipzig. („R otes Treffe n.") In der Sächsischen Arbeiterzeitung ruft die Kommunistische Partei Deutsch lands für Westsachsen und das östliche Thüringen die Arbeiter zu einem Roten Treffen am 26. Mai in Leipzig auf, „um gegen das Verbot des Roten Frontkämpfer bundes, gegen das Kommunistengesetz, gegen die politische und die soziale Reaktion, gegen den Zörgiebclkurs und gegen die imperialistischen Kriegsvorbereitungen zu demonstrieren". wcmMu. (Atsamratte, die auf Menschen geht.) Hier ging eine Bisamratte auf einen jungen Mann los und biß ihn in den Oberarm. Ein anderer junger Mann, der die Ratte entfernen wollte, wurde von ihr gekratzt. Das Tier konnte erschlagen werden. Schönes Wetter und Gewitter Da« Wetter der nächsten Woche Das Pfingstwetter ist unserer Voraussage entsprechend gün stig verlaufen. Wenn wir aus eine Prognose über die Pfingsttage hinaus verzichteten, so geschah dies deshalb, weil eine beginnende Umgestaltung der Luftdruckverhältnisse Nordeuropas in ihren Aus Wirkungen noch nicht zu übersehen war. Diese Umgestaltung ist von großer Bedeutung für die mitteleuropäische Wetterlage gewor den ; ein heftiger Einbruch polarer Luft ließ über Skandinavien ein Hochdruckgebiet entstehen, das sich in dieser Zone aller- dings nicht lange hielt, jedoch durch Verströmen seiner Kühlen Lustmassen nach Mittel, Ost- und Westeuropa eine einheitliche Lustdrucklage entwickelte, die jetzt schon eine Woche anhält und uns sommerliches schöner Wetter und Wärme brachte. Diese Ent wicklung der Lustdrucklage in der letzten Woche bildet eine Pa rallele zu den meteorologischen Ereignissen im vergangenen Winter. Die enormen Kälteperioden des Winter entstanden sämtlich aus die gleiche Weise wie die jetzt herrschende Wärmeperiode: durch absolut dominierende Konttncntalwetterlage. Es ist sehr zu bedauern, daß fich diese Tendenz des Winters und der anschließenden Frühlings- Monate im Sommer sortzusetzen scheint. Sie kann katastrophal, für uns werden! Wir wissen, daß die kontinentale Wetterlage des Winters und Frühlings die direkte Ursache des in ganz Deutsch- land bestehenden großen Feuchtigkeit-Mangels ist. Daraus ergibt fich, daß auch der Sommer trocken verlaufen könnte, sofern fich diese Kontinentalweiterlage in den nächsten Monaten wiederholt. Die geringe Feuchtigkeitsreseroe des Bodens Ist bald aufgedraucht, da in diesem Jahre bisher durchschnittlich nur 25 Prozent der nor- malen Feuchtigkeitsmenge in das Erdreich gelangt find. Die ein zelnen Gewittelregen, die natürlich austreten werden — etwa in dem Ausmaß, wie die Regensälle Ende voriger Woche — genügen auf die Dauer nicht, den Bedarf der Vegetation zu decken, da diese geringen Mengen in kürzester Zeit in den ausgetrockneten Erdmassen versickern oder verdunsten. Um einen katastrophalen Feuchtigkeit» mangel für den Sommer zu verhüten, wären ein paar Wochen täglich einzelne Regensälle nötig; dafür aber bestehen keine Aus fichten. Für das Wochenende erwarten wir fehl hohe Tempera luren bis 30 Grad; am Anfang nächster Woche stehen nördliche Gewitterstörungen bevor Im allgemeinen bleibt die Schönwetter- tendenz also bestehen. Die Wärme hat in Europa gesiegt. Wenn -er Flieder wieder blüht. Was für ein Brillantfeuerwerk der große Goldregen, für einen Witz die Pointe oder für eine Reichstagssitzung die Ministerrede bedeutet, das ist für den Frühling der Flieder. Noch einmal setzt er mit dieser Ueberräschung seiner Regie die Krone auf, noch einmal zaubert er uns Dinge vor, die so betörend schön wirken, wie sie eben nur der Frühling, dieser romantische Tausendkünstler, hervorzu bringen imstande ist. Mit einem einzigen Wurf hat er die Obstbäume des ganzen Landes in ein blütenweißes Gewand gehüllt, hat die Wiesen und Felder mit einem saftigen Grün übersttichen, und nun streut er, wie ein einfallsreicher Maler die Buntheit der Farben in dieses Bild. Blau, rot und weiß ragen die prächtigen Blumen zwischen den schönen herz förmigen Blättern auf. Die Fliederhecken alter Parks wie die Kronen alter Fliederbäume haben sich in Blütenbüsche aufgelöst. Aus allen Blüten entströmt ein betörender Duft, der wie eine Wolke durch das Gesträuch zieht und sich be täubend auf den Menschen legt. „Wie duftet doch der Flieder So mild, so stark und voll! Wie löst er weich die Glieder, Will, daß ich was sagen soll" — singt Hans Sachs im zweiten Aufzuge der „Meistersinger von Nürnberg" unter dem vor seinem Haub stehenden Flieder baum. Auch der Flieder hat seine Geschichte. Der sogenannte türkische Flieder, der bei uns wächst, wurde im Jahre 1566 unter Ferdinand I. von Angerius Ghislain des Busbek, Ge sandten beim Sultan Soliman II., nach Wien gebracht, von wo er seinen Weg nach Brabant und Flandern nahm. Ungefähr ein Jahrhundert später kamen dann der ihm ähnliche persische Flieder und der graziöse chinesische, dessen leicht violett an gehauchte rosafarbene Blüten in verschwenderischer Fülle den Strauch bedecken. Jedenfalls ist er ein exotischer und des wegen etwas geheimnisvoller Geselle, der mit seinem Duft und seiner Farbenpracht in dem deutschen Frühling herum spukt. Wenn er aber seine Blüten dem blauen Himmel ent gegenstreckt, dann wissen wir, daß der Frühling seinen Höhe- punkt erreicht hat. F. Grauenhafte Einzelheiten über die Menschenfresserei. Die Zeugen bestreiten energisch, die Zigeuner verprügelt zu haben. Kaschau. Der dritte Verhandlungstag des Kaschauer Menschenfresserprozesses nahm einen sensationellen Verlauf. Auf Betteiben der Verteidiger waren die Gerichtsbehörden gezwungen, an zwei Zeugen noch Fragen Uber die Ge heimnisse des Kannibalismus zu richten. Die erhaltenen Antworten ließen den Zuhörern das Blut in den Adern stocken. Obwohl es dem Zigeuner Ribar gelungen ist, durch einen Lokaltermin im Kaschauer Krankenhaus, in dem er während der Mordtat an dem Geschäftsführer Imling lag, fein Alibi für den Mord an Imling nachzuweisen, bleiben einzelne Angeklagte dabei, daß er mitbeteiligt gewesen ist. Sodann wurde der Gefängnisinspektor Mihalyfalvi als Zeuge vernommen. Er erklärte, daß die Verhafteten nicht geprügelt worden seien. Es habe sie niemand ge-' zwungen, ihre Geständnisse abzulegen, sie hätten im Gegen teil mehr gesagt, als man sie gefragt habe. „Ganz freiwillig haben die Zigeuner auch in meiner An wesenheit behauptet, sie hätten die Opfer in kleine Stücke zerschnitten, dann gekocht und mit Erdäpfeln verzehrt. Diese Dinge erzählten sie von sich aus und berichteten weiter, daß sie die Leichen tranchiert und jedem seine Portion aus geteilt hätten. Jeder von ihnen habe dann das Fleisch so warm, wie es war, in seinen Sack getan und fortgetragen. Später hätten sie es kalt gegessen." Der Zeuge wurde so dann auf seine Aussage vereidigt. Der folgende Zeuge war der Direktor des Kaschauer Gefängnisses, Ianacek. Auch er bestätigte, daß die Zi geuner nicht mißhandelt wurden. Sie haben erst alles ge leugnet, und dann, als einzelne von ihnen die Front durch brochen hatten und Geständnisse ablegten, haben auch alle anderen gestanden. Sie haben sogar Einzelheiten erzählt, von denen die Gendarmen bis dahin keine Kenntnis hatten. Im weiteren Verlauf der Vernehmungen behaupten einzelne Zigeuner, sie hätten, das. Geständnis, über „die „Menschen^ So starb ein Held. Zur Erinnerung an Leo Schlageters Opfertod am 26. Mai 1923. Im Tagesgrauen des 26. Mai 1923 wurde der deutsche Oberleutnant a. D. Albert Leo Schlageter, eskortiert von einer Schwadron französischer Kavallerie, in einem Ge fängnisautomobil nach der Golzheimer Heide bei Düssel- darf geführt. Ein französisches Exekutionskommando er wartete Gewehr bei Fuß den Befehl zur Hinrichtung. Zwei Pfarrer sprachen kurz mit Schlageter, der bleich, aber in ge- straffter Haltung in einer Sandgrube stand. In harten Sätzen verlas ein Offizier noch einmal das Todesurteil. Trommel wirbel — kurze Kommandos und dann das donnernde Krachen einer Gewehrsalve. Ein junger Märtyrer war mitten im Frieden für sein Vaterland den Heldentod gestorben. Ein ungeheurer Schrei der Entrüstung ging damals durch ganz Deutschland und hallte dumpf wider in den Rhein landen, die schwer unter der Unterdrückung des fremden Militärs ächzten. Im März 1923 begann Schlageter mit seiner Kolonne zahlreiche Sabotageakte gegen die Invasions- Truppen zu unternehmen. Das ging einige Wochen. Nach einer Reise durch sein Revier kam er nach Essen zurück. Der 7. April kam heran. In seinem Hotelzimmer ordnete er seine Koffer mit Sprengmaterial und Waffen, wollte sie gerade am nächsten Tag in einem anderen Quartier unter bringen. Plötzlich Kontrolle der Besatzungspolizei. Sie fand bei Schlageter zwei verschiedene Pässe mit verschiedenen Licht bildern, Sprengmaterial und Waffen. Schlageter wurde verhaftet und in das Gebäude des Kohlensyndikats gebracht. - Am 10. Mai 1923 wurde er wegen Spionage und Sabotage von einem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Jahre sind inzwischen vorbeigezogen. Jahre, in denen das deutsche Volk rücksichtslos die harte Faust der Unter drücker zu spüren bekam. Neue Ereignisse nahmen die Men schen in ihren Bann. Aber Schlageters Name steht leuchtend an dem düsteren Himmel unserer Not. In ganz Deutschland hat man Gedenktafeln und Denkmäler errichtet, die Zeugnis ablegen sollen von dem Heldenmut und der Opferwilligkeit eines Deutschen, der durch seinen Tod die Leiden und Ent behrungen eines Volkes verherrlichte. sreperei nur ewgmegr, wen pe von anoeren Angermgren aus Wunsch der Gendarmen verprügelt wurden. Es folgte die Vernehmung des Leiters der Untersuchung, Offizierstellver» tretens der Gendarmerie Krajci, der erzählt, wie die Gen darmen auf die Spur der Zigeunerbande gekommen waren. Mus dem Gerichtssaal Ei« Schwarzbrennerprozetz Bautzen. Das Schöffengericht verurteilte den Inhaber dn: Sprit- und Essigfabrik von Jäschke in Strahlwalde Fritz Frciesleben wegen Vergehens gegen das Branntweinmonopolgesitz, Schwarzbrennerei und Beannenbestechung zu neun Monaten Gefängnis, 500 000 Mark Geldstrafe oder weiteren sechs Monaten Gefängnis drei Jahren Ehren rechtsverlust und 150 867 Mark Wertersatz. Sein Sohn, Johanne« Frciesleben erhielt wegen gewinnsüchtiger Beihilfe zur Schwarzbrennerei drei Monate Gefängnis und 365 468 Mart Geldstrafe unter Bewilligung einer Bewährungsfrist für diese, die Arbeiterin Schöne wegen Beihilfe eine Woche Gefängnis und 100060 M Geldstrafe mit Bewährungsfrist, Brenn melsterMenschel wegen gewinnsüchtiger Schwarzbrennerei4 Monate Gefäng nis und 4V00V0 M Geldstrafe. Der Oberzollsekretär Wolf, der der Spiri» tuSvergällung beizuwohnen hatte, wurde wegen gewinnsüchtiger fal cher Beurkundung und Bestechlichkeit zu 1 Jahr und 3 Monaten Gefängnis, 3 Jahren Zuchthaus und 100 Mark Geldstrafe verurteilt. Gegen den Zollassistenten Coutmichau wurde das Verfahren eingestellt. Unerlaubte Anwerbung von Arbeitnehmern nach dem Anslaad — Auch der Versuch ist strafbar Dresden, 23. Mai. Ein Fabrikant hatte den Versuch gemacht, ohne vorherige Erlaubnis des Landesarbeitsamtes im Verlaufe eine« Kalenderjahres mehr als drei Arbeitnehmer — Facharbeiter der Glas industrie — ins Ausland anzuwerben. Obwohl die Bemühungen des Fabrikanten durch Dozwischentreten der Paßstelle, die die Erteilung von Pässen an die angeworbenen Arbeitnehmer versagte, ersolglos waren, setzte das Arbeitsgericht gegen den Anwerber durch Strafbefehl eine Geldstrafe von 150 RM fest. Während auf Einspruch des Ange klagten in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Freispruch er folgte, hob die Berufung der Staatsanwaltschaft die Strafkammer da« frcisprechende Urteil auf und verurteilte den Angeklagten zu einer Geld strafe von 100 RM und zu den Kosten des Strafverfahrens. In den Urtellsgründen heißt rS u. a.: „Der Borderrichter ist der Ansicht, daß der Angeklagte sich nicht strafbar gemacht habe, well er nur versucht habe, mehr als drei Arbeiter ohne Genehmigung zu vermitteln; bestraft werde nur die tatsächliche Vermittlung. Diese Ansicht ist irrig, denn nach dem Wortlaut des Z 9 der Verordnung vom 4. Oktober 1923 be darf der vorherigen Erlaubnis durch das Landesarbritsamt, wer mehr als drei Arbeitnehmer ins Ausland anwerben will. Ohne diese Er laubnis darf also niemand Handlungen vornehmen, die ein Anwerben von Arbeitern ins Ausland bezwecken. Der Angeklagte hat aber, noch bevor ec überhaupt Bescheid vom Landesarbeitsamt aus sein Erlaubnis gesuch erhalten hatte, bereits die Ankündigung in der Zeitung erlassen und hat, trotzdem ihm die Erlaubnis ausdrücklich versagt worden war, mündlich und schriftlich mit den genannten Arbeiter» verhandelt, um sie für oas Ausland anzuwerben. Daß feine Tätigkeit keinen Erfolg gehabt hat, lag nicht au ihm, sondern daran, daß die Arbeiter keine Pässe bekamen. Die Strafkammer Hal bet Ausmessung der Strafe mildernd berücksichtigt, daß die Tätigkeit de» Angeklagten den bezweckten Erfolg nicht gehabt hat, strafschärfend aber, daß durch Vermittlung hochwertiger deutscher Arbeitskräfte ins Ausland der deutschen Industrie, die fich ohnedies in schwerem Konkurrenzkampf mit dem Ausland: be findet, empfindlicher Schaden zugcsügt werden kann. (AuS den Mit teilungen des LandeSarbeitSamteS Sachsen.) Um den Freispruch des Reichsbahnoberrats Schulze. Beginn der Beru fungsverhandlung. Dor der 6. Kleinen Strafkammer des Landgerichts I Berlin begann Freitag die Berufungsverhandlung in dem Bestechungsprozeß gegen den Reichsbahnoberrat Erich Schulze. Schulze war vom Einzelrichter des Amtsgerichts Mitte von der Anklage der einfachen Bestechung frei« gesprochen worden, und zwar lediglich aus rechtlichen .Gründen. Gegen den Freispruch hat der Staatsanwalt Bei rufung eingelegt, so daß die ganze Affäre nochmals in fünft! tägiger Verhandlung anfgerollt werden muß. Bei der AM Aage gegen Reichsbahnobervat Schulze handelte es sich darum, daß dieser jahrelang von dem VerliE Vertreter der Kölner Firma Reifert <8: Co. Zuwendungen erhalten hatte»' Die Firma hotte em Interesse daran, die Verbesserungen an Lagerschalen für Güterwagen, an denen Schulze arbeitete, an erster Stelle zu erhalten. Ankenninis -es Gesetzes schützt nicht vor Strafe. Eine Warnung für dis, die keine Zeitung lesen. Unsere Gesetze sind der Ausdruck des Willens der Mehr- heit der Volksgenossen. Außer dem Beschluß der gesetz gebenden Körperschaften ist zum Inkrafttreten eines Gesetzes die öffentliche Bekanntmachung im Reichsgesetzblatt erforder lich. Ist diesen Erfordernissen genügt, so fragt der Staat bei Uebertretung der Gesetze nicht mehr danach, ob dem ein zelnen Volksgenossen das Gesetz bekannt gewesen ist. Jeder hat die Verpflichtung, sich über die ihn betreffenden Gesetze zu unterrichten. Unterläßt er dies, so hat er den Schaden selbst zu tragen. Im Strafrecht gilt daher der allgemeine Rechtssatz „Unkenntnis des Gesetzes schützt nicht vor Strafe". Auch im übrigen Staatsrecht, im Zivilrecht und bei den Ver- waltungsanordnungen gilt ein ähnlicher Grundsatz. Nie mand kann Rechte daraus herleiten, daß ihm ordnungs- mäßig bekanntgemachte Rechtsnormen unbekannt geblieben find. Die Rolle, dem breiten Publikum die Kenntnis der Ge setze und Derwattungsanordnungen zu vermitteln, hat M erster Linie die Presse übernommen. Ferner bedienen sich die Behörden der Zeitungen, um ihre Anordnungen den Bürgern zu übermitteln. Daher ist die Zeitung heute mehr denn je nicht nur ein Gegenstand der Unterhaltung und Bildung, sondern auch ein unentbehrliches Hilfsmittel jedes im Berufs- und Wirt» schaftsleben Stehenden. Das Fehlen einer Zeitung ist daher notwendig mit wirtschaftlichen Nachteilen verknüpft, und es ist daher die Gewohn heit zu mißbilligen, die Zeitung im Sommer, wenn man mit der Außenarbeit, der Ernte beschäftigt ist, wenn man verreist ist, abzubestellen. Wenn es vielleicht nicht möglich sein sollte, die Zeitung im Sommer von Anfang bis zu Ende zu lesen, so »wird doch schon die Kenntnis eines neuen Gesetzes oder einer behördlichen Bekanntmachung das geringe monatliche Bezugsg-eld mehrfach aufwiegen.
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