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^1- Da stand er schon in der Hütte und fiel ihr um den Hals. Schluchzend sank sie an seine Brust. Es währte lange, ehe sie Worte fanden. Die Mutter strich ihm immer wieder über das ergraute Haar. Er zählte ja auch schon 50 Jahre. In seinen Augen las sie das Ge borgensein ihres Alters. Da wandte Fidde Voß sich ab und schämte sich ihres Verzagtseins und ihres Kleinmuts. llEMMMM EM ME0 0EME,MEEM0 Skizze von Karl Götz Was helfen ihm seine überragenden Kenntnisse und Ersah rungen im Diamantengeschäst, wenn die Käufer ausblieben? Wenn das noch einige Wochen so weiterging, würde der Abteilungsleiter für echte Steine selbst in diesem Hause von Weltruf überflüssig werden, und er konnte froh sein, wenn man ihn wieder irgendwo um einen Hungerlohn Geschirr waschen ließ Mit solchen Gedanken ging Frank Schneider durch einige andere Abteilungen dieses luxuriösesten Schmuck hauses Newyorks. Ueberall waren die Angestellten ver gnügten Sinnes. Eines Tages hatten sie ihm in seine Ab teilung jenes Plakat gehängt, das sich in allen amerikanischen Straßenbahnwagen stumm bemüht, zur Verbindlichkeit zu erziehen: l<eep smilin§! Lächle! Aber auch dieses Plakat halte den bitteren Zug nicht von seinen Lippen zu entfernen vermocht. Er ärgerte sich über dieses angewöhnte, steife Geschäftslächeln der Kollegen. Aber immerhin: Mochten sie lächeln! Was wußten die von Einwandererelend, von Ar beitslosigkeit ! Er hatte ein krankes Kind daheim, eine treue, junge Frau, der die Tränen über die Wangen liefen, weil das Geld für einen Arzt fehlte. Während er, in solches Sinnen versunken, auf einen wunderbar gefaßten Rubin starrte, trat ein Käufer ein. Ein vornehm gekleideter, älterer Mann mit würdig ernstem Ge sicht. Frank legte dem Käufer eine Auswahl von Ringen mit echten kleinen Steinen vor, bei jedem Stücke auf seine besondere Schönheit aufmerksam machend. Er sagte nicht allgemeine, verschwommene Lobpreisungen, sondern er ver mochte wirklich von jedem Stück gewissermaßen die Seele zu zeigen. Der Käufer wurde interessiert. Ob sie noch bessere Stücke hätten? Aber natürlich! Frank konnte jeden Ring in der Abteilung aus seinem Behälter nehmen, ohne den Kunden auch nur eine Sekunde aus den Augen lassen zu müssen. Er brachte schließlich eines der teuersten Stücke und verkaufte es. Der neue Eigentümer bezahlte und bat, cs ihm übersenden zu wollen. Auf seiner Karte stand: Charles Bulden, Metropolhotel. Das war ja jener Finanzmann,' dessen Ankunft in Newyork die Zeitungen erst gestern ge meldet hatten. Als der Käufer sich zum Gehen anschickte überblickte Frank Schneider die gläserne Verkaufstafel. Wie, da fehlten ja . . . Richtig, da fehlten drei der teuersten Ringe! „War ten Sie! Einen Augenblick, mein Herr!" rief der Verkäufer erregt. Er zählte hastig nochmals, sah auf den Boden: Die Ringe fehlten. Mister Bulden kam zurück. Mit ihm einige Angestellte aus anderen Abteilungen und der Empfangschef der Firma. „Sahen Sie," fragte dieser, wie der Herr die besagten Ringe in der Hand hielt?" — „Nein!" — „Ließen Sie den Herrn allein mit den Ringen?" — „Keine Se kunde." — „Wie können Sie dann einen solchen Verdacht durch ihr Zurückrufen auch nur leise anzudeuten wagen?" — „Das ist allerdings unerhört," sagte der Käufer mit tiefster Entrüstung. „Bitte, führen Sie mich zu dem Chef des Hauses!" Die Herren stiegen in den Aufzug. „Es tut mir ganz außerordentlich leid, daß Ihnen in unserem Hause so etwas passieren konnte," sagte der Chef zu dem Käufer. „Vielleicht darf ich Sie mit einer Nadel oder einem anderen Erzeugnis unseres Hauses entschädigen?" Und zu seiner Sekretärin gewandt: „Berechnen Sie das Gehalt von Herrn Schneider bis zu dieser Stunde. Geben Sie ihm seine Papiere, er ist entlassen! — „Darf ich hoffen, Herr Bulden, Sie zufriedengestellt zu haben?" — „Gewiß, ich danke Ihnen." Frank Schneider zitterte. Er hatte nur im Interesse dieses Hauses gehandelt. Es wirbelte in seinem Kopf. „Was heißt das?" stieß er mit heiserer und beängstigender Stimme hervor und stürzte sich plötzlich auf den in vornehmer Ruhe dastehenden Mister Bulden. Er entriß ihm den steifen Hut, den jener fest in der Hand hielt. Aber da fuhr ihm die derbe Faust seines Chefs unters Kinn, daß er bewußtlos nach hinten taumelte . . . Als er wieder zu sich kam, lag er in dem niederen Liegestuhl in dem Büro des Chefs. Dieser stand neben ihm und fragte: „Wie kamen Sie nur auf die Idee mit dem Hut?" Der Gefragte sprang auf und schrie: „Was, waren die Ringe wirklich darin? Der Mann hatte den Hut auf die Verkaufsplatte gelegt, aber ich bemerkte keine verdächtige Handbcwegung, obwohl ich mein ganzes Augenmerk auf feine Hände gerichtet hatte." — „Ja, sehen Sie sich diesen Hut einmal näher an. Das ist ein raffiniertes Machwerk Ein leichter Druck von oben löst inn-m eine Feder aus, die eine stark klebrige kleine Wachsplatte nach unten drückt. Diese klebt die Ringe an sich und schnappt wieder nach oben. Als Sie dem Diebe den Hut entrissen hatten, rannte er zur Tür. Ich war leider nicht schnell genug, sodaß uns der Kerl vorerst entkam." Er griff nach Schneiders Hand. „Schmerzt mein dummer Schlag noch? Hoffentlich bleibt nichts davon. Aber vorher etwas anderes: Sie sind von heute ab Vorsteher unserer ganzen Edelschmuckabteilung. Einverstanden?" — Und ob Frank Schneider einverstanden war! Ec nahm das Telcphon vom Tisch und bestellte einen Arzt für sein Kind. Als er gehen wollte, klingelte es eben wieder. „War ten Sie," unterbrach sein Chef das Telephongespräch. „Die KUminalpolizei telephoniert . . . Was, Sie haben ihn er wischt? Ein guter Fang? Was sagen Sie? . . . Gordon Brane ist es? Das wäre freilich ein Fang! ... Ob ich wüßte, daß die Vereinigung der Juweliere Newyorks auf dessen Ergreifung 5000 Dollar ausgesetzt hätte? Aber sicher, ich bin der Vorsitzende dieser Vereinigung . . . Herr Schnei der, alle Weiler," sagte er, während er den Hörer cinhängte, „ich gratuliere? Ihren Preis können Sie sich morgen schon holen!" Ein Ausflug nach dem Hungerfelsen. Originalreisebriefe für unsere Zeitung von G. Degener- Lhikago. Zm eigene« Kraftwagen. — Frühmorgens, wenn die Hähne kräh'«. — In der deutschen Stadt Ottawa. — Reklame und Naturschönheit. — Indianerkampf am Hungerfelsen. — Ein gekeilt in Autoströme«. Lhikago, 8. Mai 1929. Will man am Sonntag morgen Lhikago einmal den Nucken kehren, so muß man früh aufstehen, oenn die einzige Möglichkeit, hinauszukommen, ist mit Hilfe eines Kraft wagens, und da jeder Durchschnittsmensch hier einen solchen besitzt, so sind gegen acht oder neun Uhr morgens bereits alle Straßen, die aus Lhikago herausführen, überfüllt, und man kommt nur im Schneckentempo vorwärts. Wir machten uns also um kL7 Uhr auf den Weg, und, da der Wetterbericht am Tage vorher sehr ungünstig gelautet hatte, war der Verkehr auf den Straßen nicht so überwältigend. Wir hatten uns den „Starved Rock" (Hungerfelsen), ungefähr hundert eng lische Meilen südlich von Lhikago, als Ziel gesetzt, und je weiter wir uns von Lhikago entfernten, um so schöner wurde das Wetter. Es hatte vorher zwei Tage lang ohne Unter brechung geregnet, und Felder und Golfplätze zu beiden Sei ten der Straße standen tief unter Wasser. Stellenweise waren sogar die Straßen überschwemmt, und das Wasser stieg bis über die Laufbretter unseres Wagens. Uns entgegenkom mende Automobile glichen Motorbooten, die eine rauschende Kielwelle hinter sich ließen. Da über all diesem die Sonne jetzt freundlich lachte, vergaß man, wieviel Schaden der Regen angerichtet hatte, und freute sich statt dessen über das Grün, das er an Baum und Strauch yervorgezaubert hatte. Häufigerer Lagewechsel ist ebenfalls zweckmäßig. Komschmerzem Schwindel oder Flimmern vor ich nicht Hunderte hierher gefahren, die behauptet haben, sie Stellen sich eine und auf und Und Das kennt man schon, erwiderte wütend der Kutscher. Was willst du damit sagen?" Daß Sie mich um meinen Lohn betrügen wollen." Wie kommst du darauf?" Nu, wie -verde ich darauf kommen, Väterchen? Habe Hutes und die Augen evtl, durch eine Schutzbrille schütze. Im Sonnenbade zu schlafen, muß man unter allen Umständen vermeiden, wenn man nicht schwere Hautver - brennung oder gar einen tödlichen Sonnen st ich ris kieren will. Häufigerer Lagewechsel ist ebenfalls zweckmäßig. Da fand neulich in dem Dörfchen Vanille bei Poitiers große Bauernhochzeit statt. Man saß bei der Tafel war sehr vergnügt. Natürlich wurde das Brautpaar alle mögliche Weise geneckt. So etwas macht Spaß erhöht die Feststimmung. Wenigstens bei den anderen, allgemeines Hallo Hub an, als man merkte, daß die den Augen ein, so ist das Sonnenbad sofort abzubrechen. Nach einer starken Mahlzeit soll man Sonnen-, wie andere Bäder niemals nehmen. Treten Neizerscheinungen an der Haut auf, so sind Einpuderungen oder Bestteichen mit einer fetthaltigen Salbe zweckmäßig. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß es durchaus falsch ist, zu glauben, daß derjenige, der von der Sonne am meisten verbrannt ist, der Gesündeste fei; die braune Färbung der Haut ist eine natürliche Schutzmaßnahme des Körpers gegen die starke Einwirkung der Sonnenstrahlen und tritt bei den einzelnen Menschen in verschiedenem Grade und in verschiedener Zeit auf. — Wer ein Sonnenbad nach solchem Rezept nimmt, der wird leicht vor Schaden bewahrt bleiben und die Segnungen des Sonnenlichtes in vollem Maße genießen. —— Der Rutsch ins Parterre —— Das Heiraten ist ja in erster Linie eine Privatange legenheit der daran unmittelbar Beteiligten. Das sieht man immer mehr an. Wenigstens in den Städten. Auf dem Lande ist das anders. Wenn da geheiratet wird, dann hei ratet das halbe Dorf mit. Und man hält zähe an den oft recht derben Gepflogenheiten fest, ohne die man sich nun einmal eine richtige Hochzeit nicht denken kann. Das ist überall so und in Frankreich besonders. Neuvermählten plötzlich verschwunden waren. In großem Aufzug ging es nach dem Haus des jungen Ehemannes. Da aber war niemand zu finden. Das junge Paar hatte es vorgezogen, sich anderswo einzuquartiercn. Man wollte vor den Neckereien der guten Freunde sicher sein. Aber es dauerte nicht lange und das Versteck ward entdeckt Johlend zogen die Hochzeitsgäste vor das Haus. „Kommt beide wieder herunter!" riefen sie dem Ehemann zu, der am Fen ster erschien. Der aber schüttelte den Kopf. „Na, dann kommen wir hinauf und holen euch!" Und alles stürmte nach oben. Ein paar kräftige Tritte gegen die verschlossene Tür und der alte Riegel gab nach. In wenigen Sekunden standen au die 20 Menschen im Zimmer, packten Braut und Bräutigam und wollten sie mit Gewalt fortsühren. Aber da gab es plötzlich einen großen Krach. Auf so viele Personen war der morsche Fußboden nicht eingerichtet, er gab nach und alles flog von der ersten Etage ins Par terre: Brautpaar, Gäste, Möbel. Das wirkte ernüchternd. Als man aber merkte, daß, wie durch ein Wunder niemand ernstlich verletzt war, kehrte die fröhliche Stimmung wieder. Die zerfetzten Kleider und die Paar Schrammen und blauen Flecke störten weiter nicht. Und im geschlossenen Zuge ging es wieder zurück zur Hochzeitstafel. Voran das Brautpaar, ihm war nach dem plötzlichen Rutsch ins Parterre die Lust zu stiller Zurückgezogenheit ohnedies vergangen.. Zar und Droschkenkutscher —° Der Zar Alexander hatte einen Spaziergang durch Moskau gemacht und wurde hierbei von einem" Platzregen überrascht. Er flüchtete sich in eine Droschke und ließ sich zum Schloß fahren. Als er bezahlen wollte, entdeckte er, daß er seine Börse vergessen hatte. „Warte einen Augen blick," sagte er zu dem Kutscher, „ich werde das Geld sofort herausschicken." f Wann sind Sonnenbäder gesund/ Die Sonne ist eine stark wirkende Medizin, bei der der Satz gilt: Kleine Dosen fördern, große Dosen schädigen die Gesundheit. Daß daher ein Kranker vor der Anwendung von Sonne den Arzt befragen soll, ist selbstverständlich. Das gilt besonders für Kranke mit Lun genleiden, Herzleiden usw. Aber auch der Gesunde sollte sich nach einem in weitem Rahmen gehaltenen Sonnenrezept richten. Nach der langen Winterszeit hat unsere Haut, die die Eintrittspforte für die Sonnenstrahlen in den Körper dar stellt, gelitten, deshalb muß man sie allmählich wieder an die normale Arbeit, insbesondere an die Hautatmung, ge wöhnen. Zur Vorbereitung für das Sonnenbad ist daher eine gewisse Gewöhnung des Körpers an die frische Luft vonnöten. Das Sonnenbad nehme man niemals in den heißesten Stunden des Tages. Anfänglich setze man nur einzelne Teile des Körpers der Sonne aus, bis sie all mählich den ganzen Körper bestrahlen darf. Man beginnt am besten zunächst mit einem Sonnenbad von etwa 15 Minuten und kann in der Folgezeit die Dauer des Bades bis auf eine Stunde ausdehnen. Wichtig ist, daß man den Kopf vor der direkten Belichtung durch Aufsetzen eines Die Umgebung Lyttagos ist größtenretls ausgesprochen flaches Ackerbauland, nur im Süden durch einige Hügelketten unterbrochen. An diesen fahren wir jetzt entlang und freuen uns der abwechslungsreichen Landschaftsbilder. Alle Augen blicke kreuzen wir einen vom Regen angcschwollenen Bach, und zuweilen taucht zur Linken der ebenfalls in die Breite gegangene Illinois River auf. Der Lauf dieses Flusses, der ursprünglich in den Michigansee mündete, wurde von prak tischen amerikanischen Ingenieuren einfach in die entgegen gesetzte Richtung gebracht, so daß er jetzt die Abwässer Chi- tagos in den Mississippi trägt, und Lhikago bekommt sein schlecht schmeckendes Trinkwasser aus dem Michigansee. Gegen elf Uhr machen wir in Ottawa, einem Städt chen von 14 000 Einwohnern, Statisch. Wir sind nur noch zehn Meilen von unserem eigentlichen Ziel entfernt, und der Illinois River, der mitten durch die Stadt geht, ist hier weit über seine Ufer getreten. Man fagt uns, daß das Wasser innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden um.zwei Fuß gestiegen ist. Die Bewohner Ottawas sind zum größten Teil deutscher Abstammung. Die Häuser sind sauber und gepflegt. Beschäftigung finden die Einwohner in den umliegenden Steinbrüchen, Glas- und Ziegelfabriken. Wir nehmen unser Mittagbrot in einem netten Restaurant ein und bezahlen nur halb soviel, wie man in Lhikago für eine gleiche Mahlzeit fordert. Und schon sind wir wieder auf dem Wege. Es geht jetzt in ziemlicher Steigung bergauf, und nachdem wir die letzte Strecke Wegs zu Fuß zurückgelegt haben, bietet sich uns eine herrliche Aussicht auf das breite Flußbett und die umliegenden Sandsteinfelsen. Aber es wäre keine' amerikanische Landschaft, wenn die Stimmung nicht durch irgend etwas gestört würde. Diesmal ist es ein großes Schild auf dem gegenüberliegenden Felsen, welches mit protzigen Buchstaben erzählt, daß Herr Soundso die bei dem jetzigen Hochwasser ziemlich unbedeutend aus sehende Schleuse gebaut hat, und wieviel Millionen Dollar das gekostet hat. Wir kehren dieser Geschmacklosigkeit schnell den Rücken zu und gehen in den vom Regen ausgewaschenen Sandsteinfelsen auf Entdeckungsreisen. Eine kleine Bronze tafel weist darauf hin, daß schon im Jahre 1673 französische Ansiedler und Indianer erbittert um diesen Platz gekämpft haben. Die Weißen wurden auf dem Starved Rock später in eine Falle getrieben und mußten dort elend verhungern. Die einzige Sorge ist, daß vielleicht unser Auto, das wir weiter unten gelassen haben, inzwischen gestohlen wird. Aber auch das finden wir unangetastet wieder. Und die hundert Metten der Rückfahrt liegen noch vor uns auf Straßen, die nicht mehr uns allein gehören. Wir haben da einen kleinen Vorgeschmack, wie es im Sommer sein wird. Je näher wir nach Lhikago kommen, um so langsamer wird die Fahrt, manchmal geht es nur schrittweise vorwärts. Wir sind ein gekeilt zwischen anderen Automobilen, die alle derselben rie sigen Dunstwolke am Horizont zustteben, in der sich Lhikago verbirgt. 3