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PAPIER-ZEITUNG 1592 2988. Frage: Wir übernahmen im November v. Js. die in Konkurs befindliche Fabrik von D. Die Miethe für die bisher benutzten Räume, welche wir auch weiter benutzten, zahlten wir bis 1. Januar 1901 an den Konkursverwalter. Wir setzten uns inzwischen mit dem Eigenthümer der Räume in Verbindung und besprachen mit ihm die einzelnen Punkte des Mieths- kontrakts, worin auch gesagt wurde, dass wir beabsichtigten, auf drei Jahre zu miethen. Sämmtliche Punkte wurden vom Besitzer des Gebäudes im Miethskontraktbuch in unserm Bei sein vorgemerkt, und er sagte uns, er würde die beiden Kon traktbücher ausfüllen und uns zur gegenseitigen Unterschrift zuschicken. Dies ist auch geschehen. Mittlerweile ist uns aber das Miethen auf drei Jahre leid geworden. Wir unterschrieben die Kontrakte trotz wiederholten Ansuchens des Besitzers nicht, sondern kündigten am 1. April zum 1. Oktober. Nun behauptet der Besitzer, dass wir verpflichtet seien den Miethspreis auf drei Jahre zu bezahlen, und verweist uns auf die Bestimmungen des BGB. bezüglich mündlicher Verträge. Unserer Ansicht nach liegt hier jedoch gar kein mündlicher Vertrag vor, umso mehr, als ein schriftlicher Vertrag gemacht werden sollte, und wir wiederholt gebeten wurden, zu unterschreiben. Damit be weist doch wohl der Besitzer, dass noch kein Vertrag abge schlossen war. Ferner wurde im Kontrakt vorgemerkt, dass verschiedene Neuerungen und Aenderungen im Gebäude inner halb 14 Tagen ausgeführt werden sollten, dies ist aber zum grössten Theil bis heute noch nicht geschehen. Der Mieths preis ist 750 M. jährlich. Antwort: Nach dem BGB. müssen Miethsverträge auf drei Jahre und mehr schriftlich abgefasst werden. Aber auch für kürzere Miethsdauer ist es üblich, die Verträge schriftlich an zufertigen, und die vor der Unterschrift gepflogenen Verhand lungen werden als unverbindliche Vorbesprechungen betrachtet, falls nicht ausdrücklich und womöglich vor Zeugen erklärt wird, dass die Parteien auf die schriftliche Form ver zichten und mündlich einen bindenden Miethsvertrag abschliessen wollen. Dies ist hier nicht geschehen, und da der Richter im Zweifelsfall den Willen der Parteien erforschen muss, so glauben wir nicht, dass er in obigem Fall dem Eigenthümer Recht gäbe. 2989. Frage: Eine Fabrik lieferte mir vor zwei Jahren eine grössere Partie Kuverts, wie die Ihnen bemusterte Vor lage. Nachdem mein Kunde sie längst bezahlt hatte, und ich die Kuverts verbraucht glaubte, zeigte er mir dieser Tage in seinem Lager fast die ganze Partie noch vorräthig. Er be klagte sich bitter darüber, ich hätte ihm nicht genügend ge leimte Kuverts geliefert, die er nicht verkaufen könnte. Ob gleich ernunformell kein Anrecht mehr aufReklamation hat, werde ich ihm doch als altem, gutem Kunden eine Vergütung einräumen. Ich bitte diese Kuverts zu prüfen und Ihre Ansicht darüber zu sagen, ob ich den Fabrikanten moralisch für den Schaden an dem Kunden nach deutschem Handelsrecht und -Brauch ver antwortlich machen kann? Grosshändler in Italien. Antwort: Weder der Fragesteller noch der Kuvertfabrikant ist zu Schadenersatz verpflichtet. Nach deutschem Handelsrecht muss die von anderm Ort gesandte Waare ohne Verzug geprüft und etwaige Mängel müssen dem Lieferer angezeigt werden. Die Leimung des Papiers ist eine Eigenschaft, die sich sofort be- urtheilen lässt, also hätte die Beanstandung innerhalb weniger Tage nach Empfang der Waare gemacht werden sollen. Sechs Monate nach Empfang der Waare verjährt das Recht zur Be anstandung, selbst wenn die Mängel erst nach längerer Zeit zum Vorschein kommen konnten. Die gelieferten Briefum schläge sind gut geleimt. Selbst dicke gekreuzte Tintenstriche schlagen nicht durch, verlaufen allerdings ein wenig an den Rändern. Der Kaufmann genügt seiner moralischen Pflicht, wenn er das Gesetz einhält und nach Treu und Glauben handelt. Es liegt nichts vor, woraus man schliessen könnte, dass der Fabrikant in diesem Fall gegen diese Gebote ver stossen hätte. 2990. Frage: Von einem unserer früheren Reisenden bekommen wir eine nicht unbedeutende Summe. Derselbe hat seit Jahr und Tag anderweit eine gute Stellung, und wir wollten auf das uns zustehende Guthaben von seiner monatlichen Ein nahme immer die Summe, die den ihm gesetzlich zustehenden Mindestbetrag überschreitet, mit Beschlag belegen lassen. Darauf hin wurde uns von dem Chef des Reisenden die Mittheilung, dass dessen Gehalt nur 1500 M. im Jahr betrage. Dies ist eine Unwahrheit. Der Angestellte verdient mindestens 3000 M., und wir nehmen an, dass zwischen den Beiden ein Abkommen existirt, wonach der die 1500 M. übersteigende Betrag in anderer Form, nicht als Gehalt, gezahlt wird. Wir haben den Reisenden sowohl als seine Frau zum Offenbarungseid ge trieben. Giebt es Mittel, um den Chef zu offener, wahrer An gabe über diese Sache zu veranlassen, und welche sind dies? Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Bei dem Amtsgerichte am Wohnorte des Schuldners be antrage Fragesteller von der dem Schuldner an seinen Prinzi pal zustehenden, mehr als 1500 M. jährlich betragenden Forde rung an Gehalt und sonstiger Vergütung den mindestens .. . M. (Betrag der Forderung des Fragestellers mit Zinsen und etwa 6 M. Kosten) ausmachenden Mehrbetrag über 1500 M. zu pfänden und dem Fragesteller zur Einziehung zu überweisen. Auf Grund des Ueberweisungsbeschlusses verklage Fragesteller den Prinzipal auf Zahlung des überwiesenen Betrages und schiebe ihm den Eid darüber zu, dass er mit dem Gehilfen als Belohnung für dessen Dienste den vom Fragesteller behaupteten grösseren Betrag vereinbart habe. Zur Ersparung von Kosten kann vorläufig ein Theilbetrag von etwa, 60 M. eingeklagt werden. 2991. Frage: Eine Sendung Papier wie beiliegendes Muster soll nach Angabe des Fabrikanten chlor- und säure frei geliefert sein. Ist dies der Fall oder enthält dieses Papier Chlor oder Säure? Antwort: Zur Prüfung von Papier auf Säurefreiheit fehlt es uns an Zeit, solche Aufgaben fallen ins Gebiet der Papier prüfungsanstalten. In Nr. 21 von 1899 theilten wir mit, wie solche Prüfungen vorgenommen werden sollten. Papier der bemusterten Art, aus Abfallzellstoffen u. dergl. hergestelltes billiges Packpapier, wird den Anforderungen, die man an »säurefreies« Papier stellen darf, kaum entsprechen, da solche Abfallzellstoffe stets schwefligsauren Kalk enthalten, und dieser unter Umständen schweflige Säure abspaltet. 2992. Frage: Ich bitte mir die beste und gelesenste Zeit schrift des Papierfaches in Schweden und Norwegen anzu geben. Antwort: Die Papier-Industrie in Schweden und Norwegen benutzt hauptsächlich die deutschen und englischen Fachblätter, da sie namentlich wegen der Sprach-Verschiedenheit in Schweden und Norwegen sowie wegen der geringen Verbreitung dieser Sprachen im Ausland zur Erhaltung eigener bedeutender Fach zeitschriften zu schwach ist. Die in Stockholm, Stora Vatter- gatan 10, monatlich einmal erscheinende Zeitschrift »Svensk Pappers Tidning« ist vom Fabrikdirektor R. Wieselgren in Nokia, einem tüchtigen Fachmann, gut redigirt. Wir folgern daraus, dass sie sich in den skandinavischen Papier fabriken gut einführt. 2993. Frage: Wie und mit welchen Hilfsmitteln wird der auf grauem Fotografiekarton oft angewandte weisse Prägedruck ausgeführt? Antwort: Die auf dem farbigen Karton vertieft eingeprägte weisse Schrift, meist die Firma des Fotografen enthaltend, ist anscheinend mit Hilfe von sogenannten Farbfolien, beschrieben in Nr. 2 von 1900, auf einer beliebigen Prägepresse ausge führt. Nach langem, schweren Leiden entschlief sanft am 16. Mai a. c., Morgens 41/2 Uhr, unser hochverehrter Chef, Herr Gustav Hollborn Derselbe hat es verstanden durch regen Fleiss und auf opfernde Thätigkeit das Geschäft aus bescheidenen Anfängen zu seiner jetzigen Blüthe emporzubringen, an welchem er bis zur letzten Stunde seines Lebens mit vollem Interesse hing. Er war uns jederzeit ein liebevoller Chef von biederem Character und ein leuchtendes Vorbild unermüdlichen Schaffens. Sein Andenken wird uns über das Grab hinaus unver gesslich bleiben. Möge ihm die Erde leicht sein. Alfeld, 16. Mai 1901 [127400 Das Personal der Firma Gustav Hollborn Alfeider Düten- und Papierwaaren - Fabrik Verantwortlicher Redakteur Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung Berlin W 9 erbeten Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW, Zimmer-Strasse 29. Papier von Sieler • Vogel, Berlin, Leipzig und Hamburg