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I Buchgewerbe Buchbinderei * * *** Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung 10,8 Sachliche Mihehuaga fndan kostenfreie Aufnahme Nr. 27 Aitarbekker und Berichterstatte: erhalten angemessene Bezahlung 8 Buchdruck * * * M *** Steindruck Zu kleine Zeitungsschrift In Nr. 29 der Papier-Zeitung von 1894 ist über die Ver besserung unserer Buchschriften geschrieben und darauf hin gewiesen worden, dass vor ungefähr 15 Jahren die Augenärzte Cohn und Schneller für die Schulbücher die Verwendung grösserer und kräftigerer Schriften empfohlen haben, um der zunehmenden Kurzsichtigkeit zu begegnen. Die deutschen Schriftgiessereien sind seitdem aus eigenem Antriebe bestrebt gewesen, geeignetere Buchschriften zu schaffen. Ob bei neuen Auflagen alter Schulbücher grössere und kräftigere Schriften als bisher Verwendung gefunden haben, ist nicht allgemein bekannt geworden. Jedenfalls sind behördlicherseits darüber keine genauen Vorschriften herausgekommen. Um so interessanter ist die Mittheilung in Nr. 16 der Papier- Zeitung von diesem Jahr, dass der gesetzgebenden Körper schaft des Staates New York ein Gesetzentwurf unterbreitet ist, welcher die Verleger zwingen will, zukünftig Schriften unter 8 Points (Petit) für Zeitungen und Bücher nicht mehr an zuwenden, weil die Sehkraft der New Yorker in beunruhigender Weise abnimmt. An und für sich ist ja diese Vorsorge an zuerkennen, nur scheint es zweifelhaft, ob sich eine Abhilfe in der beabsichtigten Weise erreichen lässt. Besonders muss es befremden, dass man in einem republikanischen Staatswesen in dieser Weise vorzugehen wünscht. Der Antragsteller irrt auch, wenn er glaubt, mit dem Verbot der Schriftkegel unter 8 Punkten sei die Sache allein gemacht. Es kommt doch auch auf die Schriftgrösse an, denn man kann verschieden grosse Buchstabenbilder auf Petitkegel erhalten. Ferner müsste er den grauen Druck auf schlechtem Papier und vor Allem das Lesen solcher Drucksachen in schlecht erleuchteten Strassen bahnwagen usw. verbieten. Erst alle diese Verbote zusammen würden Abhilfe schaffen. Da sich aber kaum ein Staat finden dürfte, dessen Bewohner solche Verbote ruhig hinnehmen, so wird der oben erwähnte Gesetzentwurf wohl Entwurf bleiben. Es ist doch für jeden Sachverständigen klar, dass derselbe Lesestoff bei Verwendung einer grösseren Schrift einen ent sprechenden Mehrbedarf an Papier und vermehrte Druckkosten bedingt, bei Uebergang von Nonpareil zu Petit z. B. ein Drittel mehr. Wer trägt die Kosten? Der Verleger oder die Leser? Allerdings liesse sich für Zeitungen ein Ausweg finden, wenn man einen Hauptlesestoff, die Berichte über die Verhandlungen der verschiedenen gesetzgebenden Körperschaften und Gerichte, etwas einschränkte, welche Einschränkung kaum einen Verlust an Belehrung zur Folge hätte. Denn es ist ein offenes Ge heimniss, dass die Parlamentsberichte der Zeitungen meist dem Parteigezänk dienen. Einen Beleg hierfür bildet die Verhand lung des deutschen Reichstages kurz vor seinem 30. Geburts tag, am 20. März d. Js. Von 1000 Zeilen in der »Voss. Ztg.« sind 700 den Liebenswürdigkeiten gewidmet, welche sich Stöcker, Bebel, Singer usw. über längst bekannte und erörterte Vor kommnisse sagen, und nur in 300 Zeilen kommt der Gegen stand der Tagesordnung, der Etat des Reichsamts des Innern, zu seinem Recht. »Die sachlichen Bemerkungen, sagt die »Voss. Ztg.«, die von einigen anderen Rednern zu diesem Etat gemacht wurden, gingen unter solchen Umständen fast ganz verloren«. Die Parlamentsberichte sind auch insofern unzuverlässig, als sie nur das bringen, was die Redner sagten, nicht das, was sie sagen wollten. Letzteres erfährt man erst aus den korrigirten amtlichen Berichten, die von tausend Zeitungslesern kaum einer in die Hände bekommt. Da ausserdem jedes Parteiblatt nur die Reden seiner Freunde ausführlich, die der Gegner in ver stümmelter Kürze bringt, so müsste ein Deutscher mindestens vier Zeitungen lesen, wenn er ein unbeeinflusstes Bild von den Verhandlungen erhalten wollte. Berichte, welche das öde Parteigezänk unter den Tisch fallen liessen, würden für unsere Volksvertreter erzieherisch wirken, denn wenn sie ihre Ab schweifungen von der Sache nicht mehr gedruckt sehen, werden sie sie von selbst unterlassen. Der Gewinn wäre also allseitig. Die Parlamentsberichte würden kürzer und sachlicher, infolgedessen mehr beachtet. Die Tagungen der Parlamente würden ebenfalls kürzer, und diejenigen Parlamentarier, welche gewerblich thätig sind, könnten die Wahrnehmung ihrer Berufs- pflichten mit den Pflichten eines Volksvertreters besser ver einigen. Zur Füllung des gewonnenen Raumes könnte dann eine grössere Textschrift ohne Nachtheil für die Betheiligten Anwendung finden, und wenn die Verleger noch ein Uebriges thun und auf gutes Papier und scharfen Druck achten, dann würde Schonung der Sehkraft derjenigen eintreten, welche be ruflich gezwungen sind viel zu lesen. Ein solcher Fortschritt kann aber nicht durch Gesetz be fohlen, sondern muss der fortschreitenden Kultur überlassen werden. Der Wettbewerb zwischen den Zeitungen ist ja ge waltig und wird vielfach in einer Weise geführt, die von dem Grundsätze »Leben und leben lassen« weit ab liegt. Wie wäre es, wenn bestehende Zeitungen den Versuch machten, in oben angedeuteter Weise Verbesserungen anzustreben? Jeder viel beschäftigte Geschäftsmann würde es gewiss dankbar an erkennen, und Viele würden sich der Beschäftigung mit der Tagespolitik wieder zuwenden, von der sie sich aus Abneigung vor dem Parteihader abgewandt haben. Hermann Smalian Verein für vereinfachte Rechtschreibung In Nr. 22 der Papier-Zeitung Seite 830 wird von einer Sitzung der Berliner Typographischen Gesellschaft berichtet, in der Herr Kulbe von den Bestrebungen des »Fereins für fereinfachte rechtschreibung« Kenntniss gab. Was aber darüber Abdruck gefunden hat, ist eine gänzliche Verkennung dieser Bestrebungen. Der Verein lässt durchaus nicht, wie angegeben, den Buchstaben ü fallen, sondern verwendet ihn überall, wo dies die gewöhnliche Rechtschreibung auch thut Nur undeutsche Buchstaben und Buchstabenverbindungen möchte er aus der deutschen Rechtschreibung entfernt sehen; solche sind c, q, v, x, y; rh, th, ph und dergl. Er thut dies nicht aus Muthwillen, sondern um der Thatsache willen, dass die unregelmässige Rechtschreibung vorputtkamerschen wie putt- kamerschen Stils so schwer erlernbar ist, dass die Pädagogik aller Richtungen sie als das eigentliche Schulkreuz bezeichnet. Schreibt man statt c k oder z, statt v oder ph f, statt y i oder ü, statt x und chs ks und lässt alle in mustergiltiger Aussprache nicht ausgesprochenen Buchstaben weg (z. B. Par, Zal, Tal, Libe), so braucht die Schule keine solche unsagbare Mühe für die Rechtschreibung mehr aufzuwenden und gewinnt dadurch Zeit für Beibringung nützlicherer Kenntnisse als z. B. die, dass man »füllen« zwar mit f schreiben darf, nicht aber das dazu gehörige »voll«. Man redet nur immer von den Kosten, die jede Rechtschreibungsänderung dem Buchgewerbe verursacht, nicht aber von den Kosten, die die Erlernung einer unver nünftigen Orthografie bisher Jahr aus Jahr ein dem Staat auf- erlegt. Eine vereinfachte Rechtschreibung ist übrigens auch kürzer und macht darum auch dem Drucker weniger Arbeit. Die Rechtschreibung des genannten Vereins spart, an der alten gemessen, ohne Anwendung neuer Buchstaben 8 pCt. Buch staben, und bei Verwendung einfacher Buchstaben für die ein fachen Laute ch, ng, sch sogar über 10 pCt. Der Vorwurf, dass die genannte »fereinfachte recht schreibung« »alle durch die Entwicklung unserer Sprache be dingten feinen Unterschiede des Ausdrucks missachtet«, ist ebenso hinfällig. Wo die Sprache, d. h. die wirklich ge sprochene, nicht die papierne Sprache, Unterschiede macht, da macht sie auch der genannte Verein bei der Schreibung, wo sie sie nicht macht, z. B. bei »Ton« und »Thon«, da ist die Unterscheidung auch nicht nothwendig, denn was bei ge sprochener Sprache aus dem Satzzusammenhang sich ergiebt, das ergiebt sich auch bei der geschriebenen; und wo das nicht der Fall ist, da liegt der Fehler nicht an der vereinfachten Schreibung, sondern an der Sprache selbst. Waldhambach i. E., 21. März 1901 J- Spieser