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Nr. II PAPIER-ZEITUNG 375 ist, das hat 'der Chinese nicht gefunden. Andere Kulturvölker haben den Weg weiter verfolgt und jene vierte Stufe erreicht, mit welcher die drei vorbereitenden Stadien von selbst über flüssig wurden und wegfielen. Wie führt denn der Weg von hier weiter? Fonetisch schreiben, wie es der Chinese thut, bedeutet den Klang eines Wortes durch sein Bild festlegen und dies Bild dann als Repräsentation des Klanges auch für andere gleichklingende Vokabeln gebrauchen. Schritt man hier weiter, so musste man das Zusammengesetzte im Klange eines vollen Wortes beobachten, man musste das Wort in seine Theile, in seine einzelnen Laute auf lösen; man musste alle Laute, die man ausfinden konnte, je an ein bestimmtes Bild (eines Wortes, das mit dem Laut begann) knüpfen, aus diesen Laut bildern den Klang jeden Wortes aufbauen, und man hatte — die Buchstabenschrift. Noch heute zeigen uns die Alfabete unserer Schriftsprachen in Europa, dass die Buchstaben so entstanden sind; sie waren ursprünglich die Anfangslaute von Wörtern, deren Bedeutung im Bild gegeben war, in demselben Bilde, das allmälig von seinem Gegenstände sich ganz loslöste und nur den Anfangslaut vertrat. Alfa, der erste Buchstabe der vorderasiatischen Alfabete, von denen griechische und römische Schrift entsprang, bedeutete gesprochen ursprünglich »das Rind« und der Buchstabe Alfa war das Bild eines Rindes; ebenso war beta »das Haus« usw. Man nahm das Bild zur Bezeichnung desjenigen Lautes, mit welchem das semitische Wort für den im Bilde dargestellten Gegenstand anfing. Vokale hat man jedenfalls ursprünglich garnicht oder nur zusammen mit gewissen Konsonanten geschrieben. Bekanntlich schreibt man sie in manchen Sprachen, z. B. im Arabischen und Syrischen, noch heute für gewöhnlich nicht. Wie kommt es wohl, dass die Chinesen zu einer Buch stabenschrift nicht gelangt sind, da sie doch mit der Ent deckung des fonetischen Prinzips auf dem Wege dahin waren? Eine naheliegende Antwort könnte man dem ein silbigen Charakter der Sprache entnehmen. Die Einsilbigkeit bringt in das chinesische Vokabularium eine ganz gewaltige Einförmigkeit. Es kommt vor, dass dasselbe Wort, in der selben Betonung, fünfzehn, ja dreissig und noch mehr ver schiedene Bedeutungen hat, verschieden nicht in dem Sinne der Modifikationen und Ableitungen, wie sie unsere abend ländischen Lexika vielleicht auch unter einem Worte auf führen, sondern total verschiedene, die durch ganz ver schiedene Schriftzeichen gegeben werden. Solch eine Sprache bekäme mit der alfabetischen Schrift doch ein rechtes Danaer geschenk. Wie sollte man denn, während man etwa i oder li oder ching läse (mit Buchstaben geschrieben), wissen, welche der vielen verschiedenen Bedeutungen von i oder li oder ching grade gemeint sei? Der Zusammenhang würde da doch sehr oft nicht als Wegweiser ausreichen. Sollte es die Einsilbigkeit der chinesischen Sprache sein, an der die alfabetische Schrift gescheitert ist? Ich glaube es doch nicht. Das Prinzip der Buchstabenschrift bietet so ungeheuere Vortheile, dass es der Schwerpunkt geworden wäre, um den die Sprache weiterhin gravitirt hätte, soll heissen, dass die Sprache sich durch diesen Fortschritt und um dieses Fortschritts willen zur Mehrsilbigkeit, zu Kompo sitionen fortgebildet hätte. Annäherungen in dieser Richtung zeigt ja auch das heutige Chinesisch in Menge. Es sprechen manche Gründe dafür, dass ursprünglich andere Sprachen gleichfalls einsilbig waren und erst im Prozesse ihres Wachsens Mehrsilbigkeit lernten, wozu meines Erachtens die Buchstaben schrift wesentlich mitgeholfen hat. Die seltsame Thatsache der durch die Jahrtausende erhalten gebliebenen Einsilbigkeit des Chinesischen hingegen wird gerade darauf beruhen, dass man in China nicht zur Buchstabenschrift gekommen ist. Und der Grund hierfür liegt allein in der Grenze, die dem chine sischen Geiste seiner Art nach gezogen war. Die Beobachtung und Erfindung dieses Volkes blieb eben an ihrer natür lichen Stelle stehen und begründete so die ganz besondere Ent wicklung einer grossen Kultur, deren eigenartige Züge nicht zum geringsten auch darin wurzeln, dass sie keine Buch staben hat. (Die chinesischen Typen für diesen Aufsatz, den wir der in Shanghai erscheinenden deutschen Zeitung »Ostasiatischer Lloyd« entnehmen, stellte uns die Firma W. Drugulin in Leipzig freundlichst zur Verfügung. Red.) Verbot der Ankündigung von Geheimmitteln Dem Bundesrath liegt ein Entwurf von Vorschriften über den Verkehr mit Geheimmitteln vor, der dazu angethan ist, die grafischen Gewerbe, sowohl das typo- wie das lithografische, aufs Schwerste zu schädigen. Wir heben daraus die folgenden für unser Gewerbe wesentlichen Bestimmungen hervor: § 2. Welche Stoffe, Zubereitungen und Gegenstände als Geheim- mittel im Sinne dieser Vorschriften zu gelten haben, wird durch die Landes-Zentralbehörde bestimmt. Als Geheimmittel werden in der Regel nicht erklärt Stoffe und Zubereitungen, die 1. in das deutsche Arzneibuch aufgenommen worden sind und unter der dort angewendeten Bezeichnung angeboten werden; 2. in der medizinischen Wissenschaft und Praxis als Heilmittel allgemeine Anerkennung gefunden haben; 8. lediglich als Desinfektionsmittel, kosmetische Mittel, Nahrungs- und Genussmittel angeboten werden. § 8. Die öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln ist verboten. § 4. Die Gefässe und die äusseren Umhüllungen, in denen Geheim mittel abgegeben werden, müssen mit einer Inschrift versehen sein, welche den Namen des Geheimmittels und den Namen oder die Firma des Verfertigers deutlich ersehen lässt. Ausserdem muss die Aufschrift auf den Gefässen oder den äusseren Umhüllungen den Namen oder die Firma des Geschäftes, in welchem das Geheimmittel verabfolgt wird und die Höhe des Abgabepreises enthalten. Es ist verboten, auf den Gefässen und den äusseren Umhüllungen, in denen Geheim mittel abgegeben werden, Anpreisungen und besondere Empfehlungen, Bestätigungen, gutachtliche Aeusserungen oder Danksagungen, in denen eine Heilwirkung oder Schutzwirkung dem Geheimmittel zu geschrieben wird, anzubringen oder solche Anpreisungen, sei es bei der Abgabe von Geheimmitteln, sei es auf sonstige Weise zu verab folgen. Die Verordnung bezweckt anscheinend den Verkehr mit Geheimmitteln, also allen solchen Mitteln, die nicht im Arznei buche stehen oder vom Arzte verordnet werden, einheitlich zu regeln, wird aber in der Praxis gerade das Gegentheil bewirken, denn es ist doch garnicht zu erwarten, dass die in Frage kommenden Behörden der 26 deutschen Bundesstaaten, die er mächtigt sind, nach eigenem Ermessen zu bestimmen, was als Geheimmittel anzusehen sei und was nicht, alle der gleichen Ansicht sein werden. Statt einheitlicher Reglung wird also Buntscheckigkeit entstehen, die es den Fabrikanten von farma- ceutischen Spezialitäten unmöglich machen wird, ihre Fabrikate in irgendwelcher Weise anzuzeigen; denn was in dem einen Staate gestattet sein wird, mag in dem anderen Staate verboten sein, sodass der Fabrikant sich bei jeder Ankündigung der Gefahr einer Uebertretung dieser Vorschriften aussetzen wird. Dem grafischen Gewerbe war bislang durch die An kündigungen farmaceutischer Spezialitäten ein grosses Feld für Arbeit und Verdienst geboten, das ihr jetzt genommen werden soll. Äusser den Zeitungsverlegern, die viele lohnende Anzeigen verlieren dürften, wird ganz besonders das chromolithografische Fach durch diese Verordnung geschädigt, da, falls dieselbe in Kraft tritt, die nicht unbedeutenden Kapitalien, die zur Her stellung der Originale und lithografischen Platten für Reklame karten zur Anpreisung genannter Fabrikate festgelegt sind, verloren gehen, ohne dass dadurch der Allgemeinheit irgend ein Dienst geleistet würde. Im Gegentheil! Wird das recht mässige Geschäft unterbunden, so wird der Schwindel nur um so üppiger sein Haupt erheben, und Quacksalber und Wunder doktoren werden das Feld beherrschen. Es liegt gar kein Grund vor, dem grafischen Gewerbe eine derart schmerzliche Prüfung aufzuerlegen, daher werden die Facbgenossen aufgefordert, sich zu einem Proteste gegen diese Verordnung zu vereinen. K. Zustimmungen zu diesem Protest nimmt die Redaktion der Papier-Zeitung entgegen. Ein naiver Buchdrucker. Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts veranstaltete der Buchdrucker Gimwel Bergen in Dresden eine zweite Auflage von einem über Sachsen handelnden Buche, schickte der Kurfürstin Sophie ein Exemplar davon und schrieb dazu: »Da die alten Exemplaria gentzlichen distrahirt und keine mehr vorhanden und es gleichwohl ein nützlich Buch zu sehen und zu lesen ist, Ich auch eine Zeitlang wenig und nicht viel in meiner Druckerey zu thun gehabt, also habe ich zur Ver meidung Missiggangs — inmassen derselbe ein Laster alles Uebels — nicht unterlassen können, Solch Büchlein dem Hoch löblichen und Weitberühmten Hause zu Sachsen und Euer Kurfürstlichen Gnaden zu Ehren aufs neue zu verfertigen und durch den Druck an den Tag zu geben, darzu ich denn gar neu zierliche und kleine Figuren habe schneiden lassen, g.