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A Buchgewerbe Buchbinderei * * * * * Buchhandel *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung 374 Sachliche Mittheihungen finden kostenfreie Aufnahme • Nr. II Mitarbeiter und Berichterstattei erhalten angemessene Bezahlung w Buchdruck *** Chinesische Schriftzeichen Das Studium der chinesischen Sprache wird von Anfängern oft langweilig gescholten. Man kann nicht leugnen, dass die gesprochene Sprache mit ihren einsilbigen einander so ähnlichen Vokabeln, mit der einseitigen und ganz ausserordentlichen Ge- dächtnissarbeit, die sie verlangt, das Erlernen zu einer sehr monotonen Aufgabe macht. Ganz anders aber ist das Gesicht, welches uns die chinesische Sprache zeigt, wenn wir ihre Schriftzeichen studiren. Hier bietet sich dem, welcher mit Nachdenken arbeitet, ein dankbares Feld, ja, es sind hier an der chinesischen Sprache geradezu einzigartige Studien zu machen. Man hat die chinesische Schrift manchmal kurzweg als »Bilderschrift« charakterisirt. Die Wenigsten merken bei solcher Bezeichnung, wie unzureichend und unklar sie ist. Kann man mit Bildern schreiben? Gewiss nicht, sobald man unter Schreiben nur annähernd das versteht, was wir darunter verstehen, nämlich einen zusammenhängenden Gedankenaus druck in Zeichen. Bei-jedem solchen Gedankenausdruck be darf man gewisser Mittel, um Abstraktes wiederzugeben, um die Beziehung der Wörter zu einander festzulegen, und zu alle dem sind Bilder im gewöhnlichen Sinne nicht hinreichend. Schon der einfache Satz: »Gestern war es sehr heiss«, würde der reinen Bilderschrift die grössten Schwierigkeiten bieten. Alle hier nöthigen Begriffe und Beziehungen sind mit Bildern direkt nicht darzustellen. Nun aber vergegenwärtige man sich den Reichthum von Gedanken, mit welchem eine Kultur in der Art der chinesischen zu thun hat. Die chinesische Schrift ist auch durchaus keine Bilder schrift im strengen Sinne. Sie hat sich bereits sehr weit von ihr entfernt. Die chinesische Schrift zeigt uns drei sich durch einander schiebende Stufen in der allmäligen Fortentwicklung des Schreibens, drei Stufen, welche alle übrigen lebenden Sprachen nicht mehr kennen, seitdem sie zu der viel vortheil- hafteren vierten Stufe aufgestiegen sind. Diese vierte Stufe aber hat das Chinesische nicht erreicht. Welches sind diese Stufen? Die Schriftsprache beginnt mit reiner Bilderschrift. Mit ihr hat auch die chinesische Schrift begonnen. Mit Bildern lässt sich nur das Konkrete und das Einfache wiedergeben. Die Bilderschrift als Ausgangspunkt der Schriftsprache wieder holt einen Bildungsprozess, wie ihn die gesprochene Sprache vorher schon durchgemacht hat, sie tastet sich mit den drastisch sten Ausdrücken in unbehilflicher und sehr beschränkter Weise vorwärts. Dieser primitive Zustand liegt in China um Jahr tausende zurück, Von den damals gebrauchten Bildern haben sich aber eine grosse Zahl, wahrscheinlich die meisten, in die heutige Schriftsprache hinübergerettet, wenn auch in ver änderter Gestalt, und wir können diesen Boten des fernen chinesischen Alterthums noch Vielerlei über die damals vor handene Kultur entnehmen, deren wichtigste Bestandtheile ja in jenen Bildern vor uns stehen. (Vergleiche hierüber wie über diese ganze Frage die sehr scharfsinnige Untersuchung von Dr. E. Faber »Prehistoric China« in den Abhandlungen der »China Branch of the Royal As. Soc.« Vol. 24). Zum erstenmale erbebt man sich über die einfache Bilder schrift, wenn man die Bilder auf komplizirtere und umfassendere Gegenstände anzuwenden versucht. Zunächst ist das sehr einfach. Mit dem Bilde 7 hat man den Baum gezeichnet. Jetzt drückt man durch Verdopplung dieses Zeichens das Wort »Gehölz«, durch Verdreifachung desselben die Vorstellung »dicht mit Vegetation bedeckt« aus. Hieraus entwickelt sich eine neue Stufe bildlicher Darstellung, nämlich die Wiedergabe von Abstraktem, von Begriffen durch Bilder. Das ist die Stufe des Ideogramms. Das Ideogramm benutzt zwei oder mehr ein fache Bilder, um durch ihre Zusammenstellung einen Begriff in der Seele des Lesers zu wecken. Ein sehr einfaches der artiges Ideogramm ist B die über den Horizont sich erhebende Sonne, in der Bedeutung »Morgen«. Das Ideogramm ist an sich einer sehr grossen Ausdehnung fähig. Es leidet aber an einem Fehler, der es nie zu sehr weitgehender Anwendung kommen lässt, nämlich an der Unsicherheit der Deutung. Die Beziehungen zweier Konkreta auf einander, die in dem Ideogramm zusammen geschrieben werden, sind meistens so mannigfach, dass man von vornherein nicht wissen kann, welche der möglichen Beziehungen man in das Bild hinein denken soll. Wenn wir z. B. die zwei Bilder für »Frau« und für »Kind« zusammenschreiben, welche von den vielen Ideen, die sich damit verbinden lassen, soll dadurch ausge drückt sein? Im Chinesischen ist diese Verbindung zum Schriftzeichen für das Wort »gut« geworden. Aber das kann Niemand mit Sicherheit aus den zwei Bildern errathen. So lange Bilder und Ideogramme die Schriftsprache be streiten mussten, blieb dieselbe noch sehr unentwickelt. Nun aber verfiel man auf ein neues Mittel, man zog die gesprochene Sprache in die schriftliche Darstellung hinein und trat damit in das dritte Stadium. Bilder und Ideogramme haben mit der gesprochenen Sprache nichts zu thun. Ob ich E »ma« ausspreche oder irgendwie anders, das hat keinen Einfluss darauf, dass E ein Pferd darstellt. Nun aber kam man auf den Gedanken, dass sich z. B. mit dem Zeichen E, welches man »ma« ausspraeh, ja auch andere Vokabeln ausdrücken liessen, die gleichfalls »ma« gesprochen wurden. Man nannte auch die Mutter »ma«. Um indess Klarheit darüber zu geben, dass man eben dasjenige »ma« meine, welches die Mutter bedeute, nicht aber das Pferd, ersann man ein Hilfsmittel; man verband es nämlich mit einem erklärenden anderen Zeichen, welches die Richtung andeutete, in der man den gesprochenen Laut suchen sollte; d. h. man fügte in diesem Falle zu E »ma«, da es nicht Pferd, sondern Mutter bedeuten sollte, das Bildzeichen für die Frau () hinzu *, also: die Frau, welche »ma« heisst. Das es auch einen Fisch gab, welcher »ma« genannt wurde, so ergab sich als ein Schriftzeichen das Bild E mit dem Zusatze des Bildes für Fisch. Usw. Hiermit war man zu der Stufe der sogenannten fonetischen Charaktere gekommen. Dieselben reproduziren also durch ein Bild den Klang der Vokabel, die gemeint ist, und durch ein Zusatzbild die genauere Sphäre, in welcher die Vokabel zu suchen ist, um sie vor Verwechslung mit gleich lautenden zu behüten. Dies ist die höchste Stufe, bis zu der sich die chinesische Schrift entwickelt hat. Alle drei Stadien aber mit ihren Ueber- gängen finden sich durcheinander gemischt noch heutigen Tages in der chinesischen Schrift. Unter Uebergängen ver stehe ich Vokabeln entweder wie das oben erwähnte $k (»lin« Gehölz), das zwischen Bild und Ideogramm steht, oder wie jene zwischen Ideogramm und fonetischem Charakter stehen den Zeichen, welche ein Ideogramm sind, während zugleich ein Theil des Ideogramms die Aussprache markirt. Fast in jedem einfachen Satze finden wir Beispiele theils von echten Bildern, theils von Ideogrammen, theils von fonetischen Charakteren. Die letzteren überwiegen aber an Zahl ganz bedeutend. Als den Chinesen der Gedanke des fonetischen Ver fahrens kam, stiessen sie auf ein Prinzip schriftlichen Aus drucks, das an Bequemlichkeit und Deutlichkeit hoch über der strengen Bilderschrift und dem Ideogramme stand. Daher wirkte die Entdeckung auch ausserordentlich befruchtend auf die schriftliche Darstellung. Man hat Grund anzunehmen (vergl. Faber in der oben angeführten Untersuchung, S. 162, 1541), dass mit der Erfindung der fonetischen Zeichen, die vielleicht um 800 v. Chr. anzusetzen ist, ein plötzlicher Auf schwung der chinesischen Litteratur und eine zuverlässige ge schichtliche Ueberlieferung begann. Aber so sehr das fo netische Prinzip auch ein Fortschritt war, — dass es eigentlich über sich hinaus noch weiter vorwärts wies, auf eine vierte Stufe der Schrift, die wiederum weit bequemer und deutlicher