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262 PAPIER-ZEITUNG Nr.8 Kohlenmangel Aus Sachsen, 28. Januar 1900 Durch den allgemeinen Ausstand der Bergarbeiter in Oesterreich wird auch die deutsche Papier-Industrie auf das Empfindlichste be rührt. Viele Fabriken haben bereits den Betrieb einschränken und die Anfertigung solcher Papiere, zu deren Herstellung viel Kraft oder Kohle erforderlich ist, z. B. durchsichtige und fettdichte Papiere, bis auf Weiteres zurückstellen müssen. Vollständige Abstellung mancher Fabriken steht unmittelbar bevor, da viele Werke nur noch für wenige Tage Kohlen haben, und es unmöglich ist solche heranzubekommen. In allen Kohlenbezirken ist bereits eine wilde, allerdings erfolglose Jagd nach Kohlen eingetreten. Obgleich wir selbst nur für kurze Zeit Vorrath haben, wurden wir gestern und heute von benachbarten Fabriken um Abgabe von Kohlen bestürmt; allerdings vergeblich. Ueber die Folgen der Kohlennoth schwirren bereits die unglaublichsten Gerüchte; so wurde heute von einem Fachgenossen steif und fest be hauptet, dass die Eisenbahn für Fabriken bestimmte Kohlenwagen zurückbehalten habe. Jedenfalls werden die Fabrikanten, falls der Ausstand nicht sofort beendet wird, ihre Fabriken schliessen müssen und nicht in der Lage sein, die Lieferfristen einzuhalten; selbstverständlich kann von ihnen ein Schadenersatz nicht verlangt werden, denn sie sind an der Ver zögerung schuldlos; dennoch werden sich zahlreiche Streitigkeiten aus der Nichtlieferung ergeben. Es würde deshalb im allgemeinen Interesse liegen, wenn die Papier-Zeitung dies durch ihren rechts kundigen Mitarbeiter feststellen liesse, zugleich auch, ob der Besteller berechtigt ist, die Annahme solcher Papiere, welche zwar auf der Papiermaschine gefertigt sind, aber nicht mehr geglättet und aus gerüstet werden können, nach beendetem Ausstand zu verweigern. Sollte letztere Frage bejaht werden, dann empfiehlt es sich, mit der Abstellung der Papiermaschinen nicht lange zu zögern, damit wenigstens genügend Kohle verbleibt, um die bereits gefertigten Papiere vollständig fertigzustellen. Unter solchen Umständen ist weitere grosse Preissteigerung der Kohle sicher und gleichzeitiges weiteres Steigen der Papierpreise un ausbleiblich. Papierfabrik § 285 BGB. lautet: Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung in folge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Das Handelsgesetzbuch enthält über »höhere Gewalt« nur Bestimmungen bezüglich der Verantwortlichkeit des Frächters. Die Unmöglichkeit der Erfüllung wird im HGB. nur bezüglich der Fixgeschäfte berücksichtigt, und bei gewöhnlichen Handels geschäften, also auch im obigen Fall, kommt der zitirte Para graf des BGB. zur Anwendung. Danach sowie in Berück sichtigung des § 275 BGB. wird der Verkäufer von seiner Verpflichtung frei, falls ihm durch einen nicht von ihm ver schuldeten Zufall die Lieferung der von ihm herzustellenden Waare unmöglich wird. (S. 484 des Handelsgesetzbuchs, Gutten- tag’sche Sammlung Nr. 4a.) Lieferant muss jedoch nachweisen, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beobachtet hat, indem er z. B. Kohlen rechtzeitig bestellte und bei der Nachricht, dass die Zeche nicht liefern konnte, alles in seiner Macht Stehende that, um Kohle anderweitig zu kaufen. Kein Käufer ist verpflichtet, unfertiges Papier zu über nehmen. Red. Zur Lage des Kartonnagen-Gewerbes Nachdem mehrere Kartonnagen-Fabrikanten aus Süddeutschland die jetzige Lage ihres Gewerbes geschildert haben, gestatte man auch einem sächsischen Kollegen das Wort. Dieser wird sich aber davor hüten blos Klagen vorzubringen, welche nichts an der Sache ändern. Er wird es vielmehr lieber ver suchen Vorschläge zu machen, die unserm Geschäftszweig nützen. Namentlich will er angeben, wie man der Schleuderkonkurrenz und den Preisdrückern zu Leibe geht, damit sie es unterlassen das Geschäft — man verzeihe mir als höflichem Sachsen den nachfolgenden Ausdruck — auf den Hund zu bringen. Es giebt nur ein Mittel, welches durchschlagenden Erfolg ver heisst und unser Gewerbe wieder halbwegs lohnend machen wird. Dieses Mittel heisst straffer, fester Zusammenschluss! Der Zusammenschluss umfasse alles was zur Kartonnagenfabrika- tion gehört und mit ihr in irgend einer Verbindung steht. Nicht nur wir, die Kartonnagen-Fabrikanten, sondern auch die Papier- und Bunt papierfabriken, die Pappenmacher klagen über kärglichen Verdienst. Machen wir daher alle diese Leute zu unsern Verbündeten! Es müsste nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn wir im Bunde mit diesen nicht zum Ziele kommen. Ich denke mir das so: Wer billig, mit geringem oder ohne Nutzen Kartonnagen herstellt, wirthschaftet bald ab. Es kommt der Konkurs, und da fallen so und soviele Leute mit herein, welche dem Konkurs macher Pappen, Papier, Leim usw. geliefert haben. Diese Lieferanten sind meist entfernt vom Wohnorte des Konkursmachers und kommen ohne genügende Kenntniss der jeweiligen finanziellen Lage ihrer Kunden oft ganz unverhofft zu Schaden. Die Karton-Fabrikanten am Orte und der näheren Umgegend sind aber meistens schon besser unterrichtet und sehen schon voraus, wie es kommen muss. Denn dass Jemand bei unerhört billigen Preisen nicht weit kommt, das wissen diese Kartonnagen-Fabrikanten viel eher als andere Leute. Ich habe es in diesem Falle stets für an gebracht gehalten meine Lieferanten davor zu warnen, dass sie sich mit solcher Schleuderkonkurrenz nicht zu tief einlassen. Wieviele Kartonnagen-Fabrikanten thun aber desgleichen? Ihnen ist die Sache meistens zu »wurstig«, sie haben nur Schadenfreude darüber, nicht allein, dass so eine Schleuderkonkurrenz purzelt, sondern, dass die Pappen- und Papierfabriken mit hereinfallen, und es wieder einmal in der Auktion recht billiges Zeug zu erstehen giebt. Das ist aber nicht der richtige Weg, um unser Gewerbe zu ver bessern! Ist der Zusammenschluss nur halbwegs genügend, und um fasst er auch solche Leute, welche fürs Kartonnagen-Gewerbe Inter esse haben, so ist uns Allen schon viel geholfen. Wir müssen dann danach trachten, dass der Schleuderkonkurrenz der Lebensnerv, der über alle Gebühr in Anspruch genommene Kredit, unterbunden wird. Das können wir aber nur, wenn sich alle soliden Geschäfte in festem Zusammenschluss befinden und ihre Wahr nehmungen in aller Offenheit austauschen. Man bilde Landesverbände, welche mit andern Landesverbänden in Austausch ihrer Erfahrungen stehen, und wähle Leute an die Spitze, denen man vertrauliche Mittheilungen über ungehöriges Geschäfts gebaren machen kann, sodass Jeder vor Schaden gewarnt ist. Dass nicht gleich zu Anfang alle in der Branche Befindlichen dem Verband angehören, schadet wenig. Närrische Käuze hat es immer gegeben und in unserer Branche vielleicht noch mehr als wo anders. Man bilde nur erst einen festen Kern, dann kommen die Andern schon nach. An Anregungen, an sanfter Gewalt seitens einsichtiger Kollegen darf es auch hier nicht fehlen. Fortsetzung folgt! ch. Erhöhung der Papierpreise Aus Sadisen Mit den Ausführungen des Herrn J. K. »Zur Lage« in Nr. 6 kann ich mich nicht allenthalben einverstanden erklären. Wohl ist es sehr richtig, wenn man bei der jetzt schwebenden Preisfrage nicht allzu hitzig und stürmisch, sondern mit Ueberlegung und Ruhe vorgeht, wodurch sicherer und beständiger Erfolg erzielt werden dürfte. Auch dem Schliessen von Konventionen stehe ich mehr abwehrend gegenüber, es scheint mir vielmehr bei der Mannigfaltigkeit der Papier sorten fast unmöglich zu sein, für die verschiedenen Erzeugnisse ein heitliche Preise festzusetzen. Aber so zaghaft, wie Herr J. K. zu sein scheint, darf man in Fabrikantenkreisen zur Zeit doch nicht sein und ist es glücklicher Weise auch nicht. Die gegenwärtige Marktlage bliebe ergebnisslos, wenn man warten wollte, bis die Herren Abnehmer 'von selbst einen höheren Preis anbieten. Nein, die Fabrikanten müssen Hand in Hand vorgehen. Mit grosser Freude und zustimmender Anerkennung muss man daher die in den letzten Tagen erfolgten Bekanntmachungen der Fabrikanten von Pergament-, Düten- und Packpapieren, holzfrei Schreib und Druck sowie Kuvert-Papieren begrüssen. Preisaufbesserung thut noth und ist dringendes Beaürfniss. Während Kohlen, Holz, Holzschliff und andere Betriebsmaterialien, wie Gummi, Eisen, Fosforbronzegewebe und dergleichen theurer ge worden, die Löhne gestiegen sind, wurden die Papierpreise bislang soweit stets herabgedrückt, dass, wie Herr J. K. richtig schreibt, billiger wohl keine Fabrik liefern kann. Den theuren Herstellungs kosten wurde seither nicht Rechnung getragen, und man ist jetzt zu einem Preisaufschlag nur allzusehr berechtigt. Wenn Herr J. K. die oft ungerechten Reklamationen solcher Händler befürchtet, denen nie mustergetreu geliefert werden kann, so darf man — vorausgesetzt, dass keine groben Versehen des Fabri kanten vorliegen — doch des lieben Friedens halber nicht einfach nachgeben, sondern muss auf seinem guten Recht bestehen und Nach lässe verweigern. Ist es einmal so weit gekommen, dass allgemein zu den alten Preisen nichts mehr abgegeben wird, so bleibt den Herren Abnehmern nichts weiter übrig als die geforderten höheren Preise zu bewilligen. Natürlich darf dabei, wie die Redensart sagt, der Mund nicht gleich allzu voll genommen werden. Dass nach Jahren wieder Preis rückgänge kommen können, lässt sich nicht bestreiten, aber vorläufig strebe man doch allgemein und aufrichtig nach der so dringenden Besserung. K. Holzschliff-Pappen Nachdem es dem gemeinsamen Vorgehen der unterzeichneten drei Fabriken kaum gelungen ist, eine kleine, wenn auch in Anbe tracht der gesteigerten Aufwendungen für Holz, Kohlen und Löhne bei Weitem nicht genügende Preisaufbesserung für ihre Fabrikate, Holzstoffpackpappen, sogenannte Lederpappen zu erzielen, wird von dem Oesterreichischen Syndikat sofort versucht, durch Unterbietung unserer Preise speziell in Hamburg und Berlin uns aus dem Markte zu verdrängen. Dies beweist aufs Neue, dass der für unsere Fabrikate ge währte Zollschutz von 1 M. vollständig ungenügend ist. Wenn man in Betracht zieht, dass die österreichische Pappen industrie weder mit den bedeutenden Lasten, mit welchen unsere deutsche Pappen-Industrie durch Krankenkassen, Alters-, Invaliditäts-