Volltext Seite (XML)
Nr. 49. Pulsnitzer Tageblatt. — Mittwoch, den 27, Februar 1929. Seite 6. seien solche Denkschriften verfaßt worden. Trotzdem habe noch 43 Jahre hinterher Friede geherrscht. Andererseits sei es nicht unbedenklich, derartige Denkschriften dem Auslande zuzuführen. Gradlinigkeit sei dem Reichskanzler nicht zuzugestehen. Als Parteimann habe er die Vorlage über den Panzerkreuzer abgelehnt. Die vorhandenen Rüstungsmöglichkeiten müßten ausgenützt werden. Die Broschüre von Levi und Genoffen über die Wehrmacht erkläre, daß es für die Arbeiter lein Vater land gebe, und daß ein Krieg mit revolutionären Mitteln be kämpft werden müßte. Löbe und Severing hätten aber in Versammlungen ausge führt, daß sie nicht für, sondern um die Reichswehr kämpften. Schützinger wolle die Reichsmarine zerschlagen. Die „Demokra tisierung" der Reichswehr heiße nicht anders, als erst die Schwächung und dann die Zerschlagung der militärischen Kom mandogewalt. Der Reichskanzler werde gefragt: Wolle er auch in der Zukunft seine Haltung zur Wehrsrage von seiner politischen Partei oder von der Gesamtheit des deutschen Volkes entgegennehmen, wolle er eine Wehrpolitik treiben, die ihm durch das Wohl des deutschen Volkes vorgcschrieben sei. Der Redner behandelte zum Schluß noch die Frage, ob man Trotzki Gast recht in Deutschland gewähren solle. Er betonte, wir dürften unsere Position im Ausland nicht dadurch verschlechtern, daß wir den Eindruck erzeugten, als ob wir immer mehr in den Bolschewismus hineinschlitterten. Für die volkspartei liche Fraktion wies der Abg. Brüninghaus daraus hin, daß in Polen Pläne gegen Deutschland in aller Oeffentlichkeit behandelt würden. Wenn man dagegen Vorkehrungen treffe, diene man dem Frieden. Dafür müßten auch die Sozialdemo, traten Verständnis haben. Reichskanzler Müller ver wies gegenüber den Fragen des deutfchnationalen Redners auf seine Erklärung vom Juni vorigen Jahres. Es gehe aus ihr klar hervor, daß eins grundsätzliche Ablehnung des Wehretats der Auffassung der Regierung nicht entsprechen könne. Der National sozialist Ritter von Epp warf der Sozialdemokratie Schuld an dem Verrat der Denkschrift vor. Zwei Mißtrauensanträge, die die Kommunisten gegen das Gesamtkabinett und gegen den Reichswchrminister em- gebracht hatten, sollen Mittwoch erledigt werden. Sport. Ausstellung „Der Mensch und der Sport". Das Deutsche Hygienemuseum in Dresden hat in Zu sammenarbeit mit dem Deutschen Reichsausschuß für Leibes übungen und der Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege eine neue Wanderausstellung „Der Mensch und der Sport" hergestellt, die das Thema in möglichst neuzeit lichen Darstellungsmethoden (neben Bild und statistischen Tafeln namentlich Modelle mit Beleuchtungs- und Schatten- effekten) behandelt und ihrem Umfange nach etwa der Aus stellung „Der Mensch" gleicht. Das Deutsche Hygienemuseum will diese Wanderausstellung zuerst in Leipzig zeigen, und zwar in der Zeit vom 16. März bis 14. April 1929. Die Ausstellung „Der Mensch und der Sport" umfaßt folgende Gruppen: Geschichte der Leibesübungen, über die Bewegungs organe des menfchlichen Körpers, Atmung und Leibes übungen, Kreislauf und Leibesübung, Ernährung und Leibes übung, Haut und Leibesübung, Leibesübungen und Wachstum, Leibesübungen und Körperverfassung, Hygiene der Sportkleidung, Leibesübungen im vorschulpflichtigen Alter, Leibesübungen im Schulalter, Leibesübungen im Reifealter, Leibesübungen der Erwachsenen, Körperschule, Bewegungsschule, Leicht athletik, Kampfspiele, Schwimmen, Wintersport, Kunstturnen, nordisches Turnen, Gymnastik, Wandern und Bergsteigen, Übungsstättenbau, ,die Leibesübungen treibenden Verbände. Schweizer Lurwermeisterfchasten. Der Eivgendspschr Turnverein wird seine Meistevschaftswettkämpfe, die eigentlich im vorigen ^ayre Mltftnven sollten, Ende August nachholen. Der Eidgenössische Turnverein ist auf Grund seiner guten wirtschaft lichen Verhältnisse in der Lage, eine Ermäßigung des Jahresbei trages in Erwägung zu ziehen. Ei« neuzeitlicher Fraucnlehrgang an der Dortmun der Turnschule der D. T. Die Dortmunder Turnschule der D. T. veranstaltet in der Feit vom 4. bis 9. März einen Lehrgang für Frauenturnen, der neuzeitlich gestaltet werden und vor allem rhythmische Gymnastik und Volkstanzübungen umfassen soll. Die Teilnehmer melden sich bei der Kreisgeschäftsstelle Dortmund, Königswall 12. vroroosroeurzryes riunznurnen. Lias v. moroosweuriam Kunstturnen wird diesmal in Elbing am 3. März ausgetragen. Der Kreis I der D. T. verbindet damit seine Meisterschaften an den Geräten für Turner und Turnerinnen. Die Männer be- streiten einen Fehn- und Sechskamps, die Frauen einen Vicrkampf, Ehrung des deutschen Boxsports. Nach »einem glanzenden siege über Joynny Nlskt wurde unser Schwergewichtsmeister Ma; Schmslins von dem deutschen Botschafter >n den Bereinigten Staaten o. Prikt witz und Gatsron in Wachington rmp> sangen. Den heimkshrenden Schwergewichtsboxer Schmelinx erwarten auch in Deutschland große Thrunaen. Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 26. Februar. Dresden. Bei stillem Geschäft setzten sich die Kursabbröcke lungen weiter fort. Steigerungen ergaben sich fast gar nicht. Nur Somag erzielten eine Steigerung von 4,5 Prozent. Von den übrigen keramischen Werten waren Meißener Ofen und Brockwitz niedriger. Mimosa und Strohstosf gingen ebenfalls einige Prozent zurück Auch Vie Bankaktien schwächten sich weiter ab, vor allem Reichsbank, die sogar nachbörslich noch angeboten wurden Am Textilmarkt büßten Dittersdorser Filz mehrere Prozent ein Eine weitere erhebliche Abschwächung um 8 Prozent erlitten von den Verschiedenen Chemische Heyden. Auch Polyphon gingen um 10 Prozent zurück. Ebenso setzten Bergmann ihre Einbuße weiter fort. Von Brauereiaktien lagen Erste Kulmbacher und Reichelbräu schwächer, während sich Sachsenwerk etwas aufbessern konnten. Leipzig. Das Geschäft blieb bei durchweg schwächerer Tendenz ohne besondere Umsätze, die Kursverluste hielten sich in mäßigen Grenzen. Weiterhin gedrückt lagen Polyphon um 7,5, Pittler um 5, Schubert u. Salzer, Darmstädter und Nationalbank, Konkordiaspinner, Haller-Zimmermann je um 2 Prozent. Höher gingen Stöhr um 4,25, Bezugsrecht um 14, Rositzer Zucker um 2 Prozent. Der Anleihemarkt lag wieder still. Der Freiverkehr war überwiegend schwächer. Chemnitz. Der Verkehr an der Börse war weiterhin schwach. Nur die Mehrzahl der Textilwerle, von denen Köbke vergeblich 4 Prozent höher gesucht wurden, lag verhältnis mäßig fest. Auch Chemnitzer Spinner und Tüll Flöha ver besserten ihren Wertstand, während Bachmann u. Ladewig um 3 Prozent niedriger angeboten wurden. Leipziger Produktenbörse. Weizen, inl., 74,5 Kilo 209 bis 215; Roggen, hiesiger, 70 Kilo 208—214; Sandroggen, 71 Kilo 211—217; Sommergerste, inl. 218—238; Wintergerste 215—225; Hafer 210—224; Mais, amerikanischer 240—244; Mais, Cin- quantin 260—264; Raps 350—370; Erbsen 350—400. Die amt lichen Notierungen lauten für prompte Ware Parität frachtfrei Leipzig. — Alles bezahlt und Brief. Berliner Börse vom Dienstag. Die Vorbörse hatte ziemlich freundliche Stimmung. Der offizielle Beginn war überwiegend etwas fester. Kurz nach Fest stellung der ersten Kurse schwächte sich das Kursniveau wieder ab. Berliner Produktenbörfe: Kaum behauptet. Flaue Depeschen Amerikas verursachten hier Zurückhaltung der Käufer. Das Inlandsangebot hat sich nur etwas verstärkt, in den Preisen wird nur wenig Entgegenkommen gezeigt. Die Gebote laufen billiger. Die Lifofferten für Auslandsweizen sind von Nordamerika nicht unwesentlich niedriger, von Plata ziemlich unverändert. Roggen lag ebenfalls ruhiger und etwa 1 M. bil liger als gestern. Gerste unverändert still. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. 1M kg 26. 2. 29K i 25.2.29 100 kg 26.2. 29 25 2. 29 Wsiz. Mehl 70 märk. 217.0-219.0 217.0-219.0 Weizen 26.2-29.7 26.2-29.7 März 231.0-280.5 283.0-232.5 Roggen 27.0-29.3 271-29.5 Mai 239.5-239.0 240.0-240.5 Weizenkleie 15.70 15.70 Juli 2490 251.0-250.0 Roggenkleie 14.75 14.75 Rogg. Weizenkleie- mrk?) März 203.0-206.0 204.0-207.0 mela^e 15.1-15.2 15.1-15.2 218.0 220.0-219.5 Raps (1000 kg) — — Mai 220.0-238.7 230.0-229.7 Leinsaat (do.) — — Juli 234.0-233.5 234.00 Erbsen, Viktoria 43.0-49.0 42.0-49.0 Gerste Brau Futt.-, Indust Wint. Kl. Speiseerbsen 27.0-33.0 27.0-33.0 218.0-230.0 218.0-230.0 Futtererbsen Peluschken 21.0-23.0 23.0-24.5 21.0-23.0 23.0-24.5 192.0-202.0 192.0-202.0 Ackerbohnen Wicken 21.0-23.0 27.0-29.0 21.0-23.0 27.0-29.0 Lupinen, blau 15.8-16.5 15 8-16.5 Hafer „ gelb 21.0-22.0 21.0-22.0 märk. l 99.0-205 0 199.0-205.0 Seradella 46.0-50 0 46.0-50.0 März 218.5-219.0 219.5-219.7 Rapskuchen 20.4-20.6 20.4-20.6 Mai 229.50 230.00 Leinkuchen 25.4 25.6 25.4 25.6 Juli — d- Trockenschnitzel 14.6-14.S 14.6-14.9 MaiS Soya-Extrakt. Berlin 242.0-243.0 242.00 Schrot 23.3-23.5 23.3-23.5 Kartoffelflocken 23.00 23.0 23.5 Hektolitergewicht 74,50 kg. ') üo. 6g Kz. Berliner amtliche Notierung für Nauhfutter. Draht- gepreßtes Roggenstroh (Quadratballen) 1,20—1,40, do. Weizen stroh (Quadratballen) 1,15—1,30, do. Haferstroh (Quadratballen) 1,40—1,55, do. Gerstenstroh (Quadratballen) 1,20—1,45, Roggen- Langstroh (zweimal mit Stroh gebündelt) 1,25—1,50, bind fadengepreßtes Roggenstroh 1—1,20, do. Weizenstroh 0,90—1,10, Häcksel 1,90—2,10, handelsübliches Heu, gesund und trocken, nicht über 30 Prozent Besatz mit minderwertigen Gräsern 3,20—3,80, gutes Heu, desgl., nicht über 10 Prozent Besatz 4,20—5,20, Thymotee lose 5,70—6,30, Kleeheu lose 5,50—6,20, Mielitz-Heu rein lose gesucht, lose (Warthe) 3,20—3,60, do. (Havel) 2,70—3.10. Drahtgepreßtes Heu 40 Pf. über Notiz. Die Preise verstehen sich als Erzeugerpreise ab märkischen Stationen, frei Waggon, für 50 Kilogramm in Reichsmark. Oop^riM 1928 bi Kari Köhler L Co., Berlin-Zehlendorf. 48) .RaeYdrinN aervoten). „Macht, was ihr M, mir ist alles gleich!" Er wandte sich zur Tür, aber Maximum umarmte ihn und streichelte ihm die Wange. „Nun sei doch schon mal lieb und nett, Großpapa. Es ist doch viel hübscher sür dich, wenn du vergnügt bist. Mir wäre das viel zu anstrengend, immer schlechte Laune zu haben! Na — siehst du, da ist schon so etwas wie ein ganz kleines Lächeln in deinem Gesicht. So, nun gib mir noch einen Kuß, und dann werde ich an Papa schreiben, daß du viel, viel netter seist, als er dich mir geschildert habe." „Er hat mich wohl sehr schlecht gemacht, mein Herr Sohn?" „Na, es ging! Ungefähr so - wie du ihn, das hat sich säst ausgeglichen." „So — na, dann bestelle ihm einen schönen Gruß von mir, und er hätte das unglaublichste Wesen, was mir je vorgekommen sei, zur Tochter." „Wird bestellt ... und ich weiß, daß Papa sich über den Gruß sehr freuen wird." * * Der große Tee im Carolahof verlief den Umständen nach ganz leidlich. Ernst wußte in seiner ruhigen, sachlichen Art den Herrn Geheimrat sehr bald menschlich zu stimmen, und die beiden Herren waren sogar bald in ein angeregtes geschäftliches Gespräch vertieft, was Ernst aber nicht hinderte, Maximilia zu beobachten. Sie war ganz allerliebst in der neuen Würde einer Haus tochter, sorgte in reizender Weise für die Gäste und war von spru delnder Lustigkeit und Liebenswürdigkeit. Nur sobald Ernst das Wort an sie richtete, konnte er zehn gegen eins wetten, daß er eine schnippische Antwort bekam. Das fiel aber niemand unangenehm auf und klang sogar Hulda gut im Ohr, da sie immer sicherer glaubte, daß diese kleine „Wilöe", die sie einmal törichterweise als Nivalin gefüchtet hatte, sich immer unangenehmer bei Ernst mache, von dem sie doch wußte, daß er die vornehme Linie bei der Frau über alles liebte. Und so wurde ge in den Wochen in der Efeuburg wenn mög lich noch vornehmer und ernster. Sie behuldete von morgens bis abends das ganze Haus, wohlbemerkt — wenn Ernst in der Nähe war. — Was sie aber nicht hinderte, die Dienstboten, zumal ihre Kammerfrau, kräftig zu schikanieren. Ueber Maria und Werner lag es wie Heller Sonnenschein. Sie waren beide von sprudelnder Laune, und Maria mußte im mer wieder und wieder Maximilia umarmen, was den anderen allen etwas unverständlich war, von Ernst aber besonders neidvoll beobachtet wurde. In den nächsten Tagen sollte der Haushalt in der Eseuburg aufgelöst werden und Ernst mit seinen Geschwistern nach Düffel dorf übersiedeln. Friß wollte im November die ernstgemeinte Landwirtstätigkeit beginnen und vorher erst noch einmal einige Wochen Kino und Theater genießen. „Dann wird es aber sehr einsam für mich hier werden!" Maximilia sah ganz traurig aus. „rHa bleibt uns nichts anderes übrig, Großmama, als bald zu verreisen." „Sie wollen verreisen, Fräulein Maximilia?" Ernst unter brach fast ungezogen sein Gespräch mit Geheimrat Studebach, denn was er hörte, interessierte ihn doch mehr als der geschäftliche Bericht des alten Herrn. „Ja, allerdings! Haben Sie etwas dagegen?" „Da ich weder Ihr Vater noch Ihr Vormund bin, dürste es mich nichts angehen, aber Sie werden es mir doch gestatten, daß es mich interessiert?" „Bitte sehr, wenngleich ich nicht wüßte, was mich daran in teressieren würde, wenn Sie verreisen wollten!" „O, da vergeßen Sie aber ganz, daß Sie doch für uns alle hier eine fehl fesselnde Persönlichkeit sind. Die reiche Ameri kanerin, das bedeutet sür uns Deutsche doch immer so ein halbes Fabelwesen!" „Nun, ich glaube, Sie-sind auch nicht gerade arm. Aber um Ihre Neugierde zu stillen: Ich gedenke im Januar nach St. Moritz zu gehen und will dann zum zeitigen Frühling nach Nizza. Mein größter Wunsch ist, daß mich Großmama begleitet und daß Maria auch nach Nizza kommt." „Ich komme ganz bestimmt, ich bin ja froh, wenn mir jemand eine Gelegenheit und Veranlassung gibt, mal zu reifen." Die Frau Geheimrat lebte seit gestern wie in einem Traume, denn es wollte ihr nicht in den Kopf, daß es so glatt gegangen war, daß die Familie Dornberg jetzt an ihrem Teetisch saß — und daß sie im Winter mit Maximilia reifen durfte. Sie hatte schüchtern Maximilia gefragt, ob es eine Szene gegeben habe. Aber Maximilia hatte ihr das verängstigte Gesichtchen gestreichelt und hatte gesagt: „Aber nein, Großmama, kein Gedanke! Großpapa hat das selbst so gewollt." „Kind, das begreife ich nicht, das ist mir ganz unverständlich." Mit großen, erstaunten Augen hatte sie die Enkelin angesehen. „Das ist doch ganz leicht zu fassen, liebste Großmama. Groß papa hat es eben satt, immer allein zu sein und will ein bißchen Gefellschaft haben." Und nun saß die alte Dame an ihrem eigenen Teetisch, den Anna mit den herrlichsten kleinen Kuchen und Törtchen besetzt hatte, denn sie wollte nicht hinter der Köchin von drüben zurück stehen, und wurde nicht damit fertig, sich zu wundern. Ihr Mann, den sie in all den Jahren nur mürrisch und abweisend gesehen hatte, war sogar liebenswürdig zu seinen Gästen, soviel es seine Art nur zuließ. — Und nun kam Maximilia mit der großen Neuigkeit heraus, daß Doktor Held für ihren Vater in Deutschland ein großes In- ternat einrichten solle, und berichtete, was sür Ideen ihr Vater mit diesem Gedanken verknüpfe. Es freute sich wohl jeder, daß der von allen geschätzte Werner eine solche erfreuliche Stellung fand, und Fritz gab der allgemeinen Stimmung damit Ausdruck, daß er meinte, es tue ihm leid, nicht noch einmal schulpflichtig zu fein. „In diese Anstalt käme ich sosort! Das wird ja keine Schule, sondern ein Sanatorium für erholungsbedürftige Schüler. Junge, Junge, können die Bengels sich freuen! Da sieht man mal wie der, daß ich kein Glück habe, denn jetzt erst, nachdem ich mir zahl reiche Hosenböden auf den Schulbänken durchgewetzt habe, kommt ein Mann mit solch sabelhafter Idee." „Mein Herzchen, beim Lernen hast du dir aber die Hosen böden nicht durchgewetzt, das muffen andere Gelegenheiten ge wesen sein!" Maria sagte es lachend und erntete dafür einen echt brüderlichen Rippenstoß. Den aber konnte Werner nicht mit an sehen, und er puffte Fritz bedeutend kräftiger in dieselbe Gegend. „Au, warum denn?" „Weil ich es nicht dulde, daß Sie Maria so quälen!" Wer ner sagte dies etwas gedämpft, und Fritz sah ihn ganz verblüsst an. „Wieso denn nicht?" „Weil Maria sehr bald meine Frau wird, und ich so was nicht leide, Herrgott, mach' deinen Schnabel zu! Du siehst ja unmenschlich blöd' aus, Junge!" „Was denn — Sie — du?!" „Jawohl, aber Klappe halten! Verstanden?" Werner flüsterte ihm dies ins Ohr, puffte ihn, damit er wieder zu Verstand kam, und wandte sich schnell Ernst und dem Herrn Geheimrat zu, so daß er auf diese Art Fritz jede weitere Aeußerung unmöglich machte. Der dachte bloß ganz entsetzt: „Das kann ja nett werden, wenn Maria heiratet! Wer führt uns denn dann den Haushalt? Der gute Doktor ist wohl über- geschnapxt, sonst müßte Maria doch auch etwas davon wissen!" Aber schon mußte er einen kurzen, verständnisinnigen Blick wahrnehmen, der von Maria zu Werner ging, und der ihm sonst nicht ausgefallen wäre, aber jetzt war er ja plötzlich sehend gewor den und wußte, was die Glocke geschlagen hatte. Am meisten ärgerte ihn nun an der Sache, daß er sie nicht weitererzählen sollte. Fritz war ein Mensch, der geradezu körperlich unter einem Geheimnis litt und dann immer einen krampfhaften Kampf aus focht zwischen seinem Gewissen und der Lust, das Gehörte weiter- zugeben. Er haßte dann die Menschen beinahe, die ihm ein Ge heimnis anvertrauten, und er hatte einmal einen Schulkameraden nach Strich und Faden verprügelt, weil dieser ihm unbedingt ein Klassengeheimnis verraten wollte. (Fortsetzung folgt.)