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Nr. 37. Pulsnitzer Tageblatt. — Mittwoch, den 13. Februar 1929. Sette 6 Eisenbahnkatastrophe auch in Südslawr'en. Belgrad. Auf der Strecke Semlin — Agramhat sich auch ein schweres Eisenbahnunglück ereignet. Der Agramer Schnellzug fuhr auf einen auf offener Strecke stehenden Hilfs- zug auf, der ausgefahren war, um einem entgleisten Zug Hilfe »» bringen. Der Zug war mit vielen Arbeitern besetzt. Fünf Personen wurden lebensgefährlich, 25 leichter verletzt. stern abzukratzen. Sofort seien sie wieder zugefroren, da sich die von der Maschine aufsteigenden Dämpfe auf die Glasscheiben legten und dort innerhalb von Sekunden zu Eis erstarrten. Als er auf die Station Gräfenhainichen ein fuhr, sei die Eiskruste an den Fenstern wieder so dick gewesen, daß es unmöglich war, etwas zu sehen. Da sich aber auf der Station zahlreiche Weichen be finden und die Fahrgeschwindigkeit herabgesetzt werden mußte, habe er sich auch von seiner Maschine nicht entfernen können, um sich über die Brüstung der Lokomotive hinaus zulehnen und nach den Signalen zu schauen. Die Schluß, lichter des vor ihm fahrenden Zuges will er auch nicht ge- sehen haben und erst im Augenblick des furchtbaren Zu sammenpralls erkannt haben, was eigentlich geschehen war, Auch der Stellwerksbeamte von Gräfenhainichen mitverantwortlich. Die Untersuchung des Eisenbahnunglücks bei Burg kemnitz hat bisher ergeben, daß neben dem Lokomotivführer des Münchener Schlafwagenzuges auch der Weichenwärter vom Stellwerk Öl' der Station Gräfenhainichen eine gewisse Mitschuld an dem Zugzusammenstoß trägt. Der Beamte hatte zwar den kurz vorher durchfahrenden Friedrichshafener Schnellzug O 238 dadurch gesichert, daß er das Ausfahrt signal von Gräfenhainichen in Richtung Burgkemnitz auf Halt gelegt hatte, er durste aber nach Lage der Dinge ent sprechend seinen genauen Vorschriften trotzdem noch nicht die Einfahrt für den Schlafwagenzug nach Gräfenhainichen fveigeben, wie er es am Montag abend getan hat. Amanullah siegt. Der Gegensatz Rußland — England. KoWno. Aus Moskau wird gemeldet, daß nach den letzten aus Afghanistan hier eingetroffenen Meldungen sich Kämpfe auch im Norden Afghanistans, in der Nähe der Ma- sar-i-Scherif-Provinz abspielen, die bis jetzt noch nicht be endet wurden. Den Truppen Amanullahs ist es gelungen, vor Kabul einen großen Sieg über die Truppen Habibullahs zu erzielen. Dabei wurden 600 Anhänger Habibullahs ge- fangen genommen und später erschaffen. Die überstürzte Entwicklung der innerafghanischen Po- kltik hat weltpolitische Perspektiven eröffnet, die nun heute schon zu allerlei Kombinationen Anlaß geben. Die Kämpfe um die Königsmacht in Afghanistan haben ja sehr deutlich zu erkennen gegeben, wie das Interesse der angrenzenden Mächte unter den streitenden Parteien verteilt ist. Amanullah hat erkannt, daß er nur mit fremder Unterstützung seinen Thron wieder erkämpfen kann. So ist er der Exponent der Russen geworden, und es ist ein offenes Geheimnis, daß er seine Waffenarfenale mit russischer Hilfe wiederaufbaut und auf füllt. Der Gegenspieler ist — England. England, das darum besorgt ist, die Sowjets können ihre Front nach vorn drücken und somit eine Gefahr, ernste Gefahr für die briti schen Kolonialvölker werden. Die Aufständischen in Kabul werden daher, wenn die Berichte englischer Färbung darüber zutreffen, regelmäßig ihrerfeits mit Waffen und Munition aus dem englischen Heerlager versorgt. Ja, es sollen sogar englische Truppen bereits die afghanische Grenze überschritten haben, um die Aufständischen zu verstärken, praktisch jeden falls Amanullah den Weg nach Kabul zu versperren. Sonne und Mond. 13. 2. Sonne: A. 7.24, U. 17,06. Mond: A. 9.05, U. 21.38, Denkt an die Lelchs-llufalloerhütnngs-Dochet >000 Menschen ertrinken jährlich! tA»» dir »UlWo-Broschür« „Axge» mist» a» jede» Postschallu r» hab«».) Börse und Handes Amtliche sächsische Notierungen vom 12. Februar. Dresden. Die rückläufige Bewegung setzte sich weiter fort. Von den Bankaktien lagen besonders Reichsbank um mehrere Prozent niedriger, am Maschinenmarkt Schubert u. Salzer. Auch Textilwerte notierten ausgesprochen schwach. Niedriger waren auch die Verschiedenen, allerdings nur mit Abschwächun gen bis zu 2 Prozent. Am Papiermarkt lagen Albumin 18 Prozent unter ihrer letzten Notierung. Demgegenüber er zielten Heidenauer Papier einen Gewinn. Von den keramischen Werten lagen besonders Brockwitz und Keramag niedriger. Anleihen veränderten sich nur unbedeutend. Leipzig. Die Tendenz war uneinheitlich und schwach. Schubert u. Salzer weitere 4,50, Piano 3,50, Riebeck 2, Kunst anstalten Groß 2,25 Prozent schwächer. Bessere Kurse erzielten nur Kirchner und Leipziger Immobilien um 1^0 Prozent. Sondermann u. Stier blieben beim alten Kurs. Chemnitz. Die Börsentendenz war weiter schwach. Am Maschinenmarkt büßten Wanderer und Reinecker 2, Schubert u. Salzer 5 und Danatbank 7 Prozent ein. Etwas fester lagen Schönherr, die sich von ihren alten Verlusten um 4 Prozent erholen konnten. Bankaktien gaben durchweg 2 bis 3 Prozent nach. Auch Textilaktien konnten keine einheitliche Tendenz durchsetzen. Die sonstigen Jndustriewerte bröckelten bis zu 2 Prozent ab. Leipziger Produktenbörse. Weizen, inl., 74,5 Kilogr. 209 bis 215; Roggen, hiesiger, 70 Kilogr. 207—213; Sandroggen >71 Kilogr. 210—216; Sommergerste, inl. 228—238; Winter gerste 215—225; Hafer 210—224; Mais, amerikan. 242—244; Mais, Cinquantin 260—264; Raps 350—370. Die amtlichen Notierungen lauten für prompte Ware Parität frachtfrei Leip zig. Alles bezahlt und Brief. Dresdener Produktenbörse. Börsenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 11.2. 9.2. 11.2. 9.2. Weizen Weiz-Kl 14,8—15,2 14,6—15,0 77 Kilo 216—221 213—218 Nogg -Kl 14,6-15.6 14.6—15,6 Roggen Kaiseraus- 73 Kilo 208—213 206—211 .ugmehl 41,0—42,5 41.0—42,5 Rotklee 1,40-1,50 1,40-1,50 Bäcker- Sommergst 230—242 230—242 mundmehl 35.0—36,5 35,0—36,5 Fullergste 210—220 210—220 Weizen- Hasei. inl. 213—218 213—218 nachmehl 19,5—20,5 19,5—20,5 Raps, tr — — Inland- Mais weizenm. Laplata 236—2?« 233—235 Tvpe 70 31,0—32,0 31,0—32,0 Cinqu. 27,5-2 t7.0-28.0 Roggen- Trocken- meyl 0 I schnitzel 15,2—15,6 15,2—15.6 Tvve 60 A 32,0-33,0 32,0—33,0 Zucker- Roggen- schnitzel 22,0—23,0 22,0—23.0 mehl ! Kanoffel- Tvpe 70 31,0—32.0 31,0—32,0 stocken 22.2—22,4 22,0—22,2 Roggen- Futtermehl 18,5—19,5 18,5—19,5 nachmehl 20,0—21,0 20,0—21,0 Berliner Börse vom Dienstag. Die Börse eröffnete etwas erholt. Die Spekulation be- schränkte sich darauf, Deckungen vorzunehmen. Aus diesem Grunde laami auch die meisten amtlichen Kurse schon wieder etwas unter den vorbörslichen Notierungen des Freiverkehrs. Amtliche Devisen-Notierung. Devis en gn Reichsmarv 12. Februar 11. Februar Geld Bries Geld Brief M M M M New Dort 1 I 4,2105 4,2185 4,21 4,218 London .. 1 20,439 29,479 29,434 20,474 Amsterdam 100 Glid. 168,62 168,96 168,61 168,95 Kopenhagen 100 Kron. 112,31 112,53 112,31 112,53 Stockholm , 100 Kron. 112,58 112,80 112,56 112,78 Oslo . .. 100 Kron. 112,31 112,53 112,30 112,52 Italien . , . 100 Lire 22,03 22,07 22,03 22,07 Schweiz , 100 Fres. 80,965 81,125 80,965 81,125 Paris . . . 100 Fres. 16,435 16,475 16,435 16,475 Brüssel ,, 100 Belga 58,535 58,655 58,54 58,66 Prag «... 100 Kron. 12^457 12,477 12,456 12,476 Wien ... 100 Schill. 69,15 59,27 59,125 59,245 Spanien . 100 Peset. 65.73 65,87 65,93 66.07 Bankdiskont: Berlin 6)4 (Lombard 7)4), Amsterdam 4)4, Brüssel 4, Italien 5)4, Kopenhagen 5, London 4)4, Madrid 5)4, Oslo 5)4, Paris 3)4, Prag 5, Schweiz 3)4, Stockholm 4)4. Effektenmarkt. Der Anleihemarkt war sehr still und nur wenig ver ändert. Mexikaner auf die neuen Vorgänge in Mexiko etwas ab geschwächt. Schiffahrtswerte waren nur eine Kleinigkeit erholt. Am Montanmarkt Harpener gebessert. Die übrigen Montanwerte veränderten sich nur wenig. Von Lhemiewer- ten waren Rhein. Sprengstoff besonders fest. Amtliche Notierung »er Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. Hektolitergewicht 74,50 kg. ') do. 69 kg. IM tg Weiz. märk. 12. 2. 29 11. 2. 29 100 Ug Mehl 70 12. 2. 29 11.2.29 218.9-220.0 216.0-218.0 Weizen 26.2-29.7 26.0-29.5 März 233.50 232.00 Roggen 27.2-29.4 27.1-29.3 Mai 240.00 239.00 Weizenkleie 15.2-15.5 15.2-155 Juli 248.50 248.00 Roggenkleie 14.75 14.75 Rogg. Weizenkleie- mrk?) 207.0-208.0 206.0-207.6 melasse 15.0-151 15.0-15.1 März 223.7-224.5 223.5-223.0 Raps (1000 lr«) — — Mai 232.50 231.7-231.2 Leinsaat (do.) — —. Zu» Gerste Brau Futt.-, Jndust 234.0-234.2 233.00 Erbsen, Viktoria 40.0-46.0 40.0-46.0 Kl. Speiseerbsen 27.0-33.0 27.0-33.0 218.0-230.0 218.0-230.0 Futtererbsen Peluschken 21.0-23.0 22.0-24.0 21.0-23.0 22.0-24.0 192.0-202.0 192.0-202.0 Ackerbohnen Wicken 21.0-23.0 26.0-28.0 21.0-23.0 26.0-28.0 Lupinen, blau 15.8-16.5 15.8-16.5 Hafer 200.0-206.0 „ gelb 19.0-20.0 19.0-20.0 märk. 200.0-206.0 Seradella 39.0-44.0 39.0-44.0 März — — Rapskuchen 20.2-20.6 20.0-20.6 Mai 233.0-232.2 231.00 Leinkuchen 25.0-25.4 25.0 25.4 Juli 241.50 240.00 Trockenschnitzel 13.3-13.5 13.2-13.4 Mais Soya-Extrakt. Berlin 238.0-239.0 238.0-239.0 Schrot 22.6-22.9 22.6-22.8 Kartoffelflocken 18.8-19.0 18.8-19.0 Berliner amtliche Notierung für Rauhfutter. Draht gepreßtes Roggenstroh (Quadratballen) 1,15—1Z0, do. Weizen stroh (Quadratballen) 1,05—1,25, do. Haferstroh (Quadratballett) 1,30—1,45, do. Gerstenstroh (Quadratballen) 1,15—1,35, Roggen- Langstroh (zweimal mit Stroh gebündelt), 1,15—1,40, bindfaden- gepreßtes Roggenstroh 0,95—1,05, do. Weizenstroh 0,85—1, Häck sel 1,70—1,90, handelsübliches Heu, gesund und trocken, nicht über 30 Prozent Besatz mit minderwertigen Gräfern 3,10—3,70, gutes Heu, desgl. nicht über 30 Prozent Besatz 4—5,20, Thymotce los« 5,60—6,20, Kleeheu lose 5,40—6,10, Mielip-Heu rein lose gesucht, Warthe 3,10—3,50, Havel 2,60—3. Die Preise verstehen sich als Erzeugerpreise ab märkischen Stationen frei Waggon für 50 Kilogramm in Rm. (Ohne Gewähr.) Berliner Schlachtviehmarkt. Amtlich.) Auftrieb: Rinder 1422, darunter Ochsen 314, Bullen 409, Kühe und Färsen 699, Kälber 2516, Schafe 3045. Schweine 11751, zum Schlachthof direkt seit letztem Viehmarkt 1912, Auslandsschweine 1141. Verlauf: bei Rindern und Kälbern ziemlich glatt, bei Schafen ruhig, bei Schweinen ziemlich glatt. Preis: Ochsen a1) 56—59, a2) —, b1) 53—55, b2) —, c) 47—51, d) 36—44; Bullen a) 52—54, b) 48 bis 50, c) 45—46, d) 43; Kühe a) 42—44, b) 30—38, c) 24—28, d) 20—22; Färsen a) 52—54, b) 47—50, c) 38—45; Fresser 36 bis 46; Kälber a) — b) 72—80, c) 58—70, d) 45—55; Schafe a1) —, a2) 64—68, b1) 58—62, b2) 53—58, c) 50—56, d) 35-48; Schweine a) —, b) 77. c) 76—77, d) 74—75, e) 71—73; Saue» 72—73. (Ohne Gewähr.) .... 1928 Karl Köhler L Co., Berlin-Zehlendorf. 29) m...lärmst nerttolens. Ernst konnte von Glück reden, daß er auf feinem Platz sitzen geblieben war, denn nun war Frau Hulda ganz und gar unge fährlich für ihn geworden, nun konnte es ihr auch mit den stärk sten Geschützen nicht mehr gelingen, ihn einzufangen, nun war er gefeit! Krumme Beine? Nein, lieber als Junggeselle zur Grube fahren! Bei seiner harmlosen und ruhigen Entgegnung richtete Frau Hulda sich aus ihrer Stellung auf und fragte lauernd: „So milde im Urteil? Neger sind für mich überhaupt keine Menschen, folglich kann ich einen Mischling auch nicht für voll ansehen!" „Das ist entschieden zu hart, gnädige Frau! Erstens sind Neger sehr gute Menschen, und dann findet man doch manch mal wunderschöne Gestalten unter ihnen." „Was? Könnten Sie sich in einen Mischling oder in eine Negerin verlieben?" Sie stellte diese Frage etwas zu hastig, als daß sie nur gleich gültig hätte wirken können. „Verlieben? Ich weiß nicht, ob ich mich überhaupt verlie ben kann. Man kann doch nur lieben! Und dann ist es gleich- gültig, ob man einen Mischling oder eme Negerin, eine Kalmückin oder eine Eskimofrau liebt, nicht wahr?" „Ansichtssache! Ich bin für völlige Rasfenreinheit." „In Hinsicht auf die Volksgesundheit — ich auch! Aber gegen Liebe ist noch kein Kraut gewachsen, gnädige Frau! Wie nun, wenn Sie morgen einen schönen Maharadscha sähen und meinten, Sie müßten ihn lieben? Was dann?" „Unmöglich, lieber Herr Dornberg." „Das Unmöglichste, gnädige Frau, ist doch der Mensch! Wer kann für sich garantieren? Ich kann's nicht für mich! Ich könnte auch nie einen Menschen verdammen, der von anderen wegen feiner Liebe verdammt wird." „Auch dies ist Ansichtssache!" Frau Hulda war entschieden verärgert und war fest entschlossen, dieses junge Mädchen dort drüben — wie es auch fei — zu hassen, denn es hatte Anlaß zu diesen Worten gegeben, die ihre Pläne nicht eben förderten. „Nein, Kinder, das ist kein Mischling! Guckt doch, sie hat eben den Hut abgenommen!" Fritz rief es ganz aufgeregt. „Kin- „Wie kannst du das von hier aus beurteilen?" Jetzt war es Hilda, die entschieden etwas erregt war. „Haare hat sie jedenfalls wie eine Negerin." „Aber keine Spur, Hilda! Sieh doch, das Haar flattert doch ganz leicht im Winde!" Maria sagte dies, ohne einen Blick von drüben zu wenden. „Das Gesicht ist aber sehr dunkel, und die Zähne müssen sehr groß sei" denn man sieht sie bis hierher blitzen." Hilda wurde nicht freundlicher gestimmt gegen das neue Wesen. Sah sie doch, daß Fritz mit ungeminderter Teilnahme hinüberstarrte. „Das braune Gesicht ist doch verständlich, da sie aus Süd amerika kommt. — Jedenfalls sieht sie reizend aus, nicht wahr, Ria?" .... „Ja, das finde ich auch! Das heißt, sie scheint ziemlich frei in ihrem Benehmen zu sein, seht doch, wie sie den Doktor begrüßt und ihm den Assen zu halten gibt! Gerade, als ob sie ihn schon Jahre kenne! Merkwürdig! Nun ja, das sind eben die freien Manieren der Amerikanerinnen." Jetzt war die Reihe des Verstimmtseins an Maria, und auch sie setzte sich wie die beiden anderen Damen an den Tisch und hatte merklich schlechte Laune. Nun hielt nur noch Fritz aus, und der starrte unentwegt hin über, bis das kleine Persönchen, das unbeabsichtigt solch einen Sturm von Zuneigung und Abneigung zu und gegen sich hervor gerufen hatte, mit den alten Leuten in dem Hause verschwunden war. „Ich halte sie für eine Spanierin", entschied er dann und setzte sich auch an den Tisch. Aber er merkte sofort, daß eine flaue Stimmung herrschte und hatte die Ursachen mit seinem Hellen Verstand teils richtig, teils falsch erraten. „Ach so," dachte er bei sich, „Frau Hulda fürchtet die Rivalin! Hilda ärgert sich, daß ich ein anderes ;unges Mädchen hübsch finde, und Ria . . . was ist denn mit der los? ... Ach so, die hat auch Angst, daß Ernst sich vielleicht in die junge Dame dort drüben verlieben könnte? Na, denn man los. was ich dazu tun kann, soll geschehen!" Laut sagte er: „Nanu, Kinder, was seid ihr mit einemmal so schlecht gelaunt? Ist der Salat nicht gut? Zeigen Sie mal her, Liesbeth. — Na, was wollt ihr denn, der ist doch glänzend?! Na, Hilda, nun bin ich bloß gespannt, ob man das neue Wunderkind zu sehen bekommt. Das wäre mal nett, wenn sie Tennis spielen könnte. Vielleicht kann sie Golf! Da sind wir sowieso noch zu wenig Leute!" „Ideen hast du manchmal!" Nia sah ihn strafend an. „Erst mutz man doch wissen, wes Geistes Kind sie ist! Man kann doch nicht irgendeine x-beliebige exotische Dame ins Haus laden." Fritz schnitt ihr nur eine Grimasse. Dann haschte er sich die Zwillinge, welche die allseitige schlechte Laune benutzt und die ganze Schlagsahne von der Reisspeife heruntergenascht hatten, und ging mit ihnen, die erst glaubten, das Gewitter schlüge bei ihnen ein — und nun erleichtert aufatmeten, nach unten. Er winkte noch gnädig zurück: „Guten Tag, Kinder, mir ist eure Laune zu schlecht! Ich fahre mit den Zwillingen nach Ems zum Kurkonzert." „Bitte, tu', was du nicht lassen kannst, aber die Zwillinge bleiben hier." Marias Laune wurde durch den Ton des Bruders nicht besser. „Entschuldige, die Kinder haben jetzt englische Stunde bei mir, und wo ich die adhalte, bleibt sich gleich! Auf Wiedersehen!" Und schon verschwand er hinter den Zwillingen her, die unerwar tet plötzlich davongerast waren, denn schlechtes Gewissen macht flinke Beine. Maria wollte wütend aufstehen, aber Ernst hielt sie lächelnd am Arme fest und sagte beruhigend: „Laß sie doch, Ria, es ist doch heute so schönes Wetter, und Fritz fährt doch sehr vorsichtig, wenn er die Kinder im Wagen hat!" Er sah von einer der Damen zur anderen und fuhr fort: „Mir scheint wirklich, als hätten die Damen schlechte Laune. Kommt das gar auf das Konto des kleinen Mischlings von dort drüben?" „Aber wie können Sie so lächerlich fragen, Herr Dornberg? Es ist die Hitze, die uns alle etwas müde macht. Ich finde den Einfall nicht sehr glänzend, hier oben zu frühstücken, meine liebe Ria." Huldvollst bemerkte Hulda dies zu Maria, die den Aerger über diese Worte nun auch noch mit schlucken mutzte. Hilda, die nun wieder durch das Fortgehen von Fritz sehr gegen den Strich gebürstet war, bemerkte schnippisch zu ihrer Mutter: „Gott, Mama, du bist eben zu altmodisch, um mal einen neuen Einfall gleich gutzuheitzen." „Ich bitte dich dringend, diese fchnippifchen Antworten mir gegenüber zu unterlassen, mein liebes Kind!" Hilda tückschte. Hulda kochte, und Maria war wütend. Was sollte da Ernst zwischen den dreien? Er ergriff seine Zei- tung, seine Zigaretten, stand auf, verneigte sich allgemein und sagte: „Mich entschuldigen Sie, meine Damen, ich habe noch zu arbeiten! Hoffentlich tut Ihnen die liebe Sonne gut. Auf Wie dersehen — heute abend." Als er die Söllertreppe hinunterging, sah er durch di« Mauerritzen hinüber nach dem Carolahof und sagte lächelnd vor sich hin: „Und sie, die all dies Herrliche vollendet, sie nimmt nicht l.l am allgemeinen Glück!" (Fortsetzung folgt.)