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Nr 39 Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 15. Februar 1929. Seite 3. und Handschuhen zu fest umschlossen werden. Man empfindet für gewöhnlich einen fest und faltenlos anliegenden Handschuh oder einen festgeschnürten Schuh angenehm. Anders ist eS Kei strenger Kälte. Hier wird man recht weite Schuhe tragen massen, in denen mög lichst noch Strohsohlcn bequem Platz finden, ohne den Fuß einzuengen Man wird ferner das Schuhband nur locker um dls Haken und Oesen legen. Das ist unbedingt nötig, um eine gewisse Luftschicht zwischen Haut und Schuh zu crlanacn, die die Hantatmung des Fufies und somit die Wärmebildnng ermöglicht, das Mut des Fußes nicht vom Bein abznschnnren und die Zehen, die sowieso nur wenig Blut enthalten, nicht blutleer zu machen. Die Wärnierrgeluna der Füße spielt besonders für die Kinder «ine wichtige Rolle beim Wintersport, beim Rodeln und vor allem beim Schlittschuhlaufen. Immerhin kann man schon dadurch, daß man Schlittschuhe kauft, die keine Riemen zur weiteren Be- festigung brauchen, Gutes schaffen. Man wird ferner beachten, daß die Eislaufschuhe nicht zu fest gebunden werden und auch kür die Zehen ein gewisser Spielraum fLr Bewegungen bleibt. Sorgt man für Strohsohlcn as Einlagen' und wird die sorgsame Mutter darauf dringen, daß ihr Kind vor dem Schlittschuhlaufen frische wollene Strümpfe anzieht — das ist wichtig — dann verhindert sie ehestens, daß ihr Junge oder ihr Mädel heulend von der Eisbahn znrückkehrt. Bei den Erwachsenen legt sich bei strenger Kälte das Frost- gesühl hauptsächlich in tun Ballen der großen Zehe. Auch hier kommt das Frieren sehr oft zustande durch das feste Anliegen des hervortretenden Balkens am Schuh. Der Ballen wurde durch zu schmales Schuhwerk unter Verdrängung der Zehen nach der Seite ge bildet. Doß dann an dem aedrückrcn Ballen Hem < ungen des Blut kreislaufes ersoloen müssen, ist erklärlich. Auch hier kann in erster Linie bequemes Schuhwerk nützen. Das gl tche gilt von den Hand schuhen. Je weiter' ein Handschuh ist, je mehr Platz der einzelne Finger für dis Hautatmung hat, je beff r sich die Finger durch Be rührung gegenseitig Wärme svenden können, um so geeigneter ist der Handschuh bei hoher Kälte. Man nehme daher zum Wintersport Faust Handschuhe, wie sie eigentlich nur vom Kleinstkinds mit Recht ge tragen werden. Wer vorsichtig ist, wird schon vor Beginn der Wiuterkälte weite Schuhe und Handschuhe lraaen, häufiger als sonst die Strümpfe wechseln, für Ohrenschutz soraen und auch die ärztlich etwa verordneten Frost salben r chtzeitig an veuden. Katte and Schneeverwehungen Schneeverwehungen in Ostpreußen Der über Nacht aufgekommene Sturm hat sämtliche Eisenbahnstrecken in Ostpreußen verweht. Ueber die Felder zieht der aufgewirbelte Schnee wie ein dichter Nebel. Dabei fällt keine Flocke vom Himmel, nur der lockere Schnee wird vom Sturm weiter getrieben. Hinter den Schutzketten an den Bahnstrecken findet man Schneewehen von zwei Meter Höhe. Ueberall wird daran gearbeitet, die Gleise sreizulegen. Aber alle Arbeit ist umsonst. Stundenlange Mühe wird in M'.nuten vernichtet. Auch die Arbeit der Schneeflüge fruchtet nicht. Obwohl die Züge mit zwei bis drei Maschinen fahren, bleiben sie stecken und haben stundenlange Verspätungen. Für Kraftwagen und Fuhrwerke gibt cs in 'den Hohlwegen der Straßen kein Durchkommen. In der Nähe großer Ort schaften und Städte sind Arbeiter eingesetzt, um wenigstens die Hauptstraßen fahrbar zu machen. Schneeverwehungen in Südslawien Die Schneeverwehungen in Südslawien halten unver mindert an und drohen zu einer gewaltigen Verkehrskatastrophe anzuwachsen. In Agram ist am Donnerstag nur einziger Zug eingetroffen und auch nur ein einziger abgefahren. Ne ben Holz und Kohlenmangel werden auch die Lebensmittel merklich knapp. Frust und Schueesturm i« Oberitave« Infolge der strengen Kälte und der ungenügenden Heizung der Schulräume wurden sämtliche Schulen bis Montag geschlossen. Auch in Triest wurden die Schulen geschlossen und in einer großen Anzahl von Fabriken der Betrieb voi übergehend eingestellt. In verschiedenen Teilen Triests brachen Brände aus, die aber bald lokalisiert werden konnten. Nur in den Kasernen von Rozoll nahm das Feuer größeren Umfang an. An der Eindämmung wird noch ge arbeitet. Der Schneesturm, der in der Nacht über Ober Italien und die Marken hinwegging, verwehte die Eisenbahn- strecken. Bei Falconara gingen drei Lawinen nieder, die die Eisenbahnstrecken sieben Meter hoch verschütteten. Der aus Venedig kommende Schnellzug ist bei einem Bahnübergang der Station Lambrasse entgleist. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden Aus aller Welt. Einer neuer Finanzskaudal Wie das „Berliner Tageblatt" berichtet, steht die von einem Kommerzienrat Pachwadt ins Leben gerufene Kredit genossenschaft deutscher Landwirte, die in Berlin, Friedrich straße, ihr Gcschäftslokal hat, vor dem Zusammenbruch. Ein Dr. Goldberg wollte der Genossenschaft Auslandskredite beschaffen. Zu den Verhandlungen waren ihm Dcpotwechsel in Höhe von 400 000 NM mitgegeben, von denen er einen Betrag von etwa 90 000 NM unterschlagen hat. Dr. Gold berg ist flüchtig. Durch den Zusammenbruch werden etwa 500 Landwirte geschädigt, die mit ihrem ganzen Vermögen haften müssen. Grotzfeuer durch Auftauen einer eingefrorene« Wasserleitung Nach einer Meldung der „Vossischen Zeitung» aus' Kottdus brach am Mittwoch abend in der Tuchfabrik von Kühn L Mohr ein Feuer aus, das gewaltigen Umfang an nahm und dem die ganze Fabrik zum Opfer fiel. Der Brand entstand dadurch, daß man mit einer Lötlampe versuchte, eine zugefrorene Wasserleitung aufzutauen. Hotelbrand in Franzensbad Am Donnerstag mittag brach im Grand -Hotel in Franzensöad Feuer aus, das sehr rasch um sich griff. Das Gebäude wurde vollständig eingeäschcrt. Der Schaden ist sehr groß. Betriebseinstellnnge« wegen Kohlenmavgel In Weißenfels sinh die beiden größten Unternehmun gen, die Papierfabrik von Oskar Dietrich und die Maschinen fabrik Nolle wsgen Koblenmangels stillgelegt worden. In Coswig (Anhalt) mußte ein Betrieb zwei Tage lang stillge legt werden. Drei weitere große Betriebe sind zu Einschrän kungen gezwungen. Auch in Dessau sind mehrere industrielle Unternehmungen durch Kohlenmangel zu Betriebseinschrän kungen gezwungen. Beispielloser Derbrecherbampf in de« Straße« vo« Chikago Ein offener Straßenkamps, wie er in der Geschichte des Chikagoer Verbrechertums noch nicht dageweien ist, spielte sich am gestrigen Donnerstag in den Straßen der Stadt ab. Zwei Automobile mit Verbrechern, die bis an die Zähne be waffnet waren, durchrasten die Stadt und machten vor einem Lagerhaus Halt, in dem ein feindlicher Verbrecherverein eine Geheimbrennerei unterhielt. Von den Automobilen aus wurde ein wahnsinniges Maschinengewchrfeuer auf das Lagerhaus eröffnet und die Brennerei dann im Sturm genommen. Em unerhörter und wilder Kamps spielte sich sodann im Innern des Hauses ab. Den Angreifern gelang es, acht der Ver brecher aus der Brennerei zu holen und sie in ihren Auto mobilen zu entführen Noch ehe die Polizei zur Stelle war, wurden sie an die Bäume gestellt und kaltblütig erschossen. Der ganzen Stadt bemächtigte sich eine riesige Panik. Polizei zu Pferde und zu Fuß sowie in Panzerautomobilen durch ziehen die Straßen. In den Verbrechergegenden herrfilt riesige Aufregung. Man befürchtet weitere blutige Kämpfe zwischen den beiden feindlich gesinnten Verbrechervereinen. Der Kampfplatz um die Geheimbrennerei ist völlig zerschossen. Die Bewohner der Stadt sind von einer derartigen Angst befallen, daß sie sich nicht getrauen, ihre Wohnungen zu verlassen. 500 Mark für ein Wort! Der Verband der De'utschen Berufs genossenschaften erläßt anläßlich der Reichs-Unfall verhütungswoche ein Preisausschreiben, durch welches ein > markantes und zwingendes Schlagwort für das englische „sakety kirst" („Sicherheit zuerst») gesucht werden soll. Für treffende Vorschläge sind Preise von 10 bis 500 Rm. ausgesetzt. Jeder Deutsche kann sich an dem Preisausschreiben beteiligen. Der Vorschlag ist bis spätestens 11. März abends beim Verbände der Deutschen Berufsgenofsenschaften, Berlin 9, Köthener Straße 37, einzureichen, und zwar auf Post karte oder auf gleich großem Zettel im Briefumschlag mit der Ueberschrift „Ruwo-Preisausschreiben". Drei Millionen ehern. Soldaten » gegen die Kriegsschuldlüge. Am 28. Juni dieses Jahres wird sich zum zehnten Male der Tag der Unterzeichnung des Vertrages von Versailles jähren und damit zugleich des berüchtigtsten aller Artikel dieses Schmachdokumentes mit der Ziffer 231, in dem Deutschland das Anerkenntnis aufgezwungen wird, als „Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich" zu sein, „die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den An griff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwunge nen Krieges erlitten haben". Es ist der verderbliche Schuld-Paragraph, die infame Lüge, unter der wir beute noch, und zwar schwerer denn je leiden muffen. Der greise' Eeneralfeldmarschall, das in schwerer Notzeit erwählte Oberhaupt unseres deutschen Vaterlandes, hat im Namen des deutschen Volkes, vor allem aber auch der deutschen Sol daten, die ausgezogen sind, unsere und ihre Heimat zu ver teidigen, anläßlich der Einweihung des Tannenbergdenk mals erschütternde und in ihrer Knappheit gewaltige Worte wider die Kriegsschuldlüge gesprochen, als er in unser aller Namen und im Andenken an die Gefallenen be-. zeugte: „Die Anklage, daß Deutschland schuld sei an diesem größten allerKriege, weisen wir, weist das deutsche Volk in^ allen seinen Schichten einmütig zurück!" — Nun hat der in mehr denn zweiunddreißigtausend Ver einen über 3 Millionen Mitglieder zusammenschließende' „Deutsche Reichskriegerbund Kyffhäuser" entsprechend einem Aufrufe seines Bundespräsidiums den Kampf gegen die Kriegsschuldlüge tatkräftig ausgenommen. Am 2. und 3. dieses Monats fanden bereits vom größten Teil der Verbände und Vereine veranstaltete Kundgebun gen im ganzen Reiche statt. Die deutschen Soldaten, die reinen Herzens zur Verteidigung des Vaterlandes in den Krieg zogen und mit reinen Händen das Schwert führ ten, empfinden naturgemäß die Schmach des Versailler Schuldspruches als tiefe Ehrverletzung unserer Nation. Ihre Entrüstung ist um so größer im Hinblick auf die schwere Beleidigung, mit der ein Teil der französischen Presse gelegentlich der Neujahrsempfänge gewagt hat, er neut Deutschlands Staatsoberhaupt, das zugleich Ehren präsident des „Kyffhäuserbundes" ist, zu beschimpfen. So kamen in allen Versammlungen Resolutionen zustande, aus Lenen hervorging, daß die in der großen Kriegervereins organisation zusammengeschlossenen ehemaligen deutschen Soldaten im gerechten Kampfe gegen die Kriegsschuldlüge nicht erlahmen werden, bis der Kriegsschuldparagraph fällt.R. ttollsntbcb irk Onkel Sam ctiesmal bei Klarem VerLl-snck ! Wovon man spricht. Heldengeist. — Das Tugendkränzchen der schweren Jungen. 430 Verbrechen begangen. Das Lied der Motoren ist das große Lied unserer Zeit. „Chauffeur-Zeitalter" hat mit wehmütig-bitterer Miene ein Philosoph der Gegenwart diese Zeit genannt. „Helden- Zeit" kann man dafür mit derselben Berechtigung sagen. Cs kommt alles darauf an, ob ein starker Wille und ein leuchtendes Ziel den Menschen bewegen, der das Steuerrad führt. Mit dem Freiherrn von Hünefeld haben wir einen Mann zu Grabe getragen, der wie kein zweiter dazu beigetragen hat, dem heldischen Gedanken in der Gegenwart wieder zu einer Heimstätte zu verhelfen. Daß es noch so etwas wie einen Sinn des Lebens gibt und eine Lebens Pflicht, diesem Sinne mit heiliger Begeisterung nachzuspüren und ihn mit selbstlosem Willen zu erfüllen: wer wollte daran zweifeln angesichts der Lebensvollendung dieser Heldennatur?! — Dieser begeisterte Flieger hat ein ganzes, ein reiches Leben gelebt, auch wenn der Tod nach unserer Ansicht so entsetzlich früh ihn angepackt hat. In einer Zeit, da die Menschheit sich einerseits fiebernd an die Minute klammert, um zu erraffen und zu genießen, was immer sich ihr an Gliicksgütern während der Lebensspanne bietet, und da sie andererseits den Wert des Lebens miß achtet, wenn sie im Erraffen und Genießen nicht den ge wünschten Erfolg hat, — in dieser Zeit des Erfolgshungers und der Lcbensentsagung wirkt das Beispiel des Heim gegangenen Fliegers wie ein Flammenzeichen, das auch in den Herzen der Schwachen und Lauen einen feurigen Wider schein zu erwecken vermag. Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld warf sein Leben nicht weg, sondern setzte cs an eine große Sache; über dem rastlosen Wirken des Tages vergaß er niemals, daß nur Ewigkeitsziele diesem Wirken ihren eigentlichen zeitlosen Sinn geben können. Heldengeist gegen Krämerweisheit, Begeisterung gegen seelische Teil nahmslosigkeit, 'Opferwille gegen eifernde Selbstsucht zu setzen: das war der Lebensinhalt dieses Ueberwindcrs der Tücken d?s Ozeans und des eigenen schwachen Körpers. Um diesen Mann beneidet uns die Welt: die beste Totenfeier wird cs sein, wenn jedem von uns hieraus eine Mehrung des Pflichtbewußtseins erwächst. * Jede Medaille hat bekanntlich eine Kehrseite, mit an deren Worten: es kommt alles darauf an, von welcher Seite man ein Dina betrachtet. In Berlin haben sich nun die Immertreu-Leute vor dem Richter zu verantworten gehabt, und sie haben sich geradezu glänzend „verantwortet". Die teuersten Rechtsanwälte haben sich stundenlang um den Rachweis bemüht, daß es im ganzen deutschen Lanöe eigent lich kein manierlicheres, sittsameres und tugendvollcres Kränzchen gäbe als die Vereinigung der Immertreu-Leutchen. Daß alle diese Vereinsmitglieder ein schweres Strafregister von wegen so 'nem bißchen Messerstecherei, Zuhälterei und Einbruchsdiebstahl auf dem Buckel haben, tat nach der Mei nung der teuren Rechtsanwälte der Herzensreinheit ihrer Pflegebefohlenen keinen Abbruch. Die Zeugen, die gegen die Immertreuen aussagcn sollten, verhielten sich entweder mucksmäuschenstill, weil sie die Rache dieser modernen Tugendritter fürchteten, oder verstummten sehr bald, weil die Verteidiger der Immertreuen so lange auf sie einredeten, bis sie alles dreifach Zurücknahmen und sich obendrein ent schuldigten, daß sie überhaupt geboren seien. Einer der Ver teidiger erklärte unter anderem, der Prozeß habe wiederum bewiesen, daß eine wirksame Bekämpfung des Verbrecher tums nur möglich sei, wenn man den Verbrechern die Mög lichkeit zum Zusammenschluß gewähre. Die Immertreu- Krünzchen werden also in Zukunft wohl noch üppiger ins Kraut fchießen. Noch besser wäre es, wenn sich die Bürger schaft die Erkenntnis aneigncte, daß zur Derbrecherbckämp- fung vor allen Dingen das Vorhandensein der Verbrecher nötig sei, und daß man also, um die Verbrecher zu be kämpfen, sie vor allem schaffen müsse. Jedes Ding hat eben zwei Seiten: der Geinordete ist meist mit der Behandlung, die ihm widerfuhr, nicht sehr zufrieden; der Mörder aber meint, er habe sein Opfer viel zu glimpflich behandelt. Wenn uns einmal der Weg nach Berlin führt, werden wir, bevor wir uns in eine Unterredung oder ein Geschäft einlassen, uns darüber vergewissern, ob unser Partner über die Ver brecherbekämpfung ebpnso denkt wie wir. Man kann nie wissen: am Ende erhalt man ein Messer zwischen die Nippen und erfährt nachher vor Gericht, daß dies aus lauter Menschenliebe geschehen sei. Politische Rundschau Verschlimmerung im Befinden Marschall Fochs. Das Befinden des Marschalls Foch hat sich nach Meldungen aus Paris wieder verschlimmert. Die Aerzte sind besorgt. Der neue Regent des Fürstentums Liechtenstein. Wie man erfährt, wird der Bruder des verstorbenen Fürsten Johann II. von Liechtenstein, Prinz Franz von Liech tenstein, die Regierung des Fürstentums übernehmen. Der Prinz ist 76 Jahre alt. Trotzki in Konstantinopel. Der aus Rußland aus- gewiesene Oppositionsführer Trotzki ist nach einer Meldung in Konstantinopel eingetroffen.