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Nr. 31. Pulsnitzer Tageblatt. — Mittwoch, den 6. Februar 1929. Seite 3. Lebensmittellontrolle ans den Märkten. In einer Bekanntmachung des Ministerialblattes für die sächsische innere Verwaltung heißt es über die Lebens mittelkontrolle u. a.: Die zur Durchführung des Lebens mittelgesetzes vom 5. Juli 1927 mit der Nahrungsmittel kontrolle beauftragten Nahrungsmittelchemiker haben bis her ihre Kontrollproben im wesentlichen nur den Lebensmittelgeschäften entnommen und dem Sandel mit Lebensmitteln im Umherziehen und im Marktverkehr nicht die genügende Beachtung ge schenkt, obwohl eine besonders scharfe Kontrolle gerade dieses Handels nötig ist. Denn im Handel im Umher ziehen und im Marktverkehr sind die Lebensmittel im allgemeinen in größerem Maße schädigenden Einflüssen, z. B. durch die Temperatur und durch Verschmutzung, wie in den Lebensmittelgeschäften ausgesetzt. Auch werden gerade minderwertige Lebensmittel, die im stehenden Ge werbebetriebe kaum mehr verkäuflich sind, gern noch dem Handel im Umherziehen zugeführt. Mißglückter Brandversicherungsbetrug. Der 1907 zu Freiberg geborene Kohlenhändler August Johannes Dietze, bereits öfter vorbestraft und wegen Wechselangelegenheiten in Haft befindlich, hatte sich in Zeithain auf dem Gelände der Reichsbahn im Früh jahr 1928 einen-kleinen Schuppen errichtet, um dort eine Geflügelzüchterei zu betreiben. Im März wurde mit einer Berliner Feuervcrsicherungsgesellschaft ein Ver trag abgeschlossen und jener Schuppen zunächst mit 600 Mark gegen Feuer versichert. Am 4. August vorigen Jahres erhöhte Dietze die Versicherungssumme auf 1000 Mark und versicherte auch 100 Zentner Schilf. Kurze Zeit darauf, in den Abendstunden des 21. September, ging der Schuppen in Flammen auf. Nach den Angaben des Erbauers und Eigentümers sollten sogar 200 Zentner Schilf mitver brannt sein. Gendarmeriekommissar Pretze (Glaubitz) hatte aber festgestellt, daß dem Feuer höchstens vier Zentner Schilf und verschiedenes altes Gerümpel zum Opfer gefallen waren. Der Versuch, eine höhere als in Wirklichkeit ent standene Brandschadenvergütung zu erlangen, mißglückte und brachte Dietze noch ein Strafverfahren wegen ver suchten Versicherungsbetruges ein. Das Amtsgericht Dresden verurteilte den Beschuldigten im Sinne der An klage zu einem Monat Gefängnis. In der Ver handlung kam u. a. mit zur Sprache, daß die Entstehungs- ursachc noch ungeklärt ist. Dietze erklärte hierzu, er sei am Brande völlig unschuldig, seiner Meinung nach müßte Funkenflug aus einer vorüberfahrenden Lokomotive die Ursache gebildet haben. Gendarmeriekommifsar Pretze be kundete, damals habe sich der Wind gerade in entgegen gesetzter Richtung bewegt, unmöglich konnten Funken aus Lokomotiven gegen den Wind auf Dietzes Schuppen fallen. Jur internationalen Exportlage schreibt die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt Leipzig in ihren letzten Wochenbericht vom 2. Februar: Die Unsicherheit in der Beurteilung der Entwicklungsrichtung des deutschen Außenhandels nötigt gerade tm Hinblick auf die Erhaltung einer ausreichenden Beschäftigung und damit zugleich in Rücksicht auf die Kräftigung des Binnenmarktes überhaupt, die Grundlagen der deutschen Exportbetätigung in steigendem Meße zu festigen und auszubauen. Dies umsomehr, als sich in den übrigen führenden Industriestaaten — wenn auch ans anderen Gründen wie in Deutschland — die Exportbasis und die Exportnotwendigkeit in ähnlicher Weise ständig erweitert. So bat zwar im abgelaufenen Jahr 1928 die Handelsbilanz Frankreichs sich wesentlich verschlechtert, doch wird dies voraussichtlich Anlaß sein, für die Folge erhöhte Anstrengungen für die Rückgewinnung etwa verlorener Absatzgebiete zu machen. In England .wiederum wird die ständig zunehmende Erwerbslosigkeit zu durch greifenden Maßnahmen auf dem Gebiete der Handelsförderung «wingen, nachdem die Bemühungen, eine Abwanderung der für die Dauer Be schäftigungslosen in die eigenen Kolonialländer großzügig zu organi sieren, im ganzen genommen vorerst gescheitert sind. Die Erhöhung des Ausfuhrwertes für das zurückliegende Jahr ur d gleichzeitig die Minderung des Einfuhrwertes stellt bereit« einen ersten Erfolg dar, der zu weiteren Leistungen anspornt. Dies umsomehr, als manche Anzeichen dafür sprechen, daß die zollpolitische Vorzugsstellung des englischen Mutter landes im Rahmen des britischen Weltimperiums nach Auffassung ver- schiedener Kreise in den Dominiens nicht überall mehr als zeitgemäß angesehen wirb. Selbst die Vereinigten Staaten stehen der Notwendigkeit gegenüber, den Export besonders zu pflegen, weil einmal eine zunehmende technische Durchdringung der gesamten Wirtschaft nicht nur eine deutlich empfundene Abwanderung an Arbeitskräften aus den ländlichen Bezirken in die Städte zur Folge hat, sondern vor allem dort eine rasch gestiegene Zahl von Menschen im Produktionsprozeß entbehrlich macht und damit das soziale Problem mehr und mehr in den Vordergrund rückt. Zum anderen drängt jedoch der Kapitalreichtum des Landes zu immer neuen Anlagen, was sich zunächst in einer wachsenden Jndustriekonkurrenz im Lande selbst auswirkt, zu einem großen Teil allerdings neue Betätigungs felder im Ausland suchen läßt, wobei eine Verbindung von Finanz. Unterstützung und Ausbau der wechselseitigen Handelsbeziehungen parallel läuft. Aus aller Wett. Versuchsfahrt des „Graf Zeppelin" über den Bodensee. Friedrichshafen. Das Luftschiff „Graf Zeppelin" ist nach einer Pause von nahezu zwei Monaten bei schönem Winterwetter wieder zu einer Versuchsfahrt über das Boden seegebiet aufgestiegen. Die Fahrt des Schiffes unter Füh- rung des Kapitäns Flemming diente sowohl statischen als auch dynamischen Messungen, die von den an Bord be findlichen Mitgliedern der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt vorgenommen wurden. Berlin im Personen-, Essen im Güterverkehr an erster Stelle. Eine Zusammenstellung der Reichsbahndirektton Essen über den Umfang des Personen- und Güterverkehrs in den einzelnen Direktionsbezirken der Deutschen Reichs- bahn, auf Grund der Ergebnisse des Jahres 1927, ergibt die Tatsache, daß jm Personenverkehr Berlin mit 207,8 Mil lionen verkauften Fahrkarten und im Güterverkehr Essen niit 160,5 Millionen Tonnen beförderten Gütern an dec Spitze stehen. In erheblichem Abstande folgen beim Per- sonenverkehr Dresden, Altona, Essen, Köln, Stuttgart, El- berfeld usw. Den relativ geringsten Personenverkehr haben die Direktionen Schwerin und Oldenburg. Im Güterver kehr folgt auf Essen Dresden, Köln, Halle, Elberfeld, Breslau usw. An letzter Stelle stehen hier Augsburg und Schwerin. Tanzgirls wüffen gemästet «erde« Die Tage der überschlankcn Girls sind gezählt. Der englische Manager Cochran, der zurzeit die Truppe der Tanzgirls für eine große englische Revue zusammenstellt, be hauptet wenigstens, daß den mageren Jahren auf der Tanz bühne jetzt die fetten folgen werden, da man der überschlanken Linie müde geworden ist. Auf der Suche nach den von der Mode auf den Schild erhobenen vollschlanken Tänzerinnen begegnet der Manager allerdings nicht geringen Schwierig keiten, so daß er sich wohl oder übel genötigt sah, unter den vorgestellten Damen diejenigen auszusuchen, die nach Ansicht des Theaterarztes die Gewähr bieten, daß sie durch eine entsprechende Diät zum Fleischansatz gebracht werden können. Den 18 auserwählten jungen Mädchen wird deshalb auf Verordnung des Arztes schon zum ersten Frühstück ein Menü serviert, das aus einer kräftigen Suppe, Eiern im Glas, Weißbrot, Butter, Honig, Käse und einem Glas Milch besteht. Der Alkohol wird zwar nicht gerade verordnet, doch empfiehlt der Arzt den Damen, bei Tisch einen leichten Apfelwein oder Bier zu trinken. . Ein Achtzehnjähriger rettet sechs Kinder vor dem Tode' des Ertrinkens. InMummingen (Bayern) vergnügten sich die Kinder an der Wörmtzbrücke mit Schlittenfahren. Plötz lich sausten zwei Schlitten mit je drei Kindern über die Ufer böschung der Wörnitz und brachen auf dem leicht zugefrorenen Fluß ein. Der 18jührige Landwirtssohn Karl Madinger, der dem Spiel der Kinder zugesehen hatte, rettete mit Einsetzung des eigenen Lebens alle sechs Eingebrochenen. Großfeuer in einem mecklenburgischen Schloß. Das Schloß des Rittergutes Gremmelin bei Lalendorf wurde durch Feuer zum größten Teil vernichtet. Der Besitzer, Rit tergutsbesitzer v. Pentz, und seine Familie konnten mit knap per Not ihr Leben retten. Der Sachschaden beträgt mehr als 100 000 Mark. 18 Pakete Dynamit gestohlen. Es ist Dieben gelungen, 18 große Pakete Dynamit und eine große Anzahl Spreng kapseln aus der Baubude Linderhausen bei Schwelm zu entwenden, die wahrscheinlich zu verbrecherischen Zwecken benutzt werden sollen. In einem Senkschacht ertrunken. Auf der Henrichs- Hütte (Wests.) wurde ein Arbeiter durch Gase in einem Senkschacht betäubt, wobei er ertrank. Bei den Rettungs arbeiten fiel sein Kamerad ebenfalls kopfüber in den Senk schacht, konnte jedoch, allerdings in lebensgefährlichem Zu stande, geborgen werden. Eine Stadt ohne Licht. In den Umformungsräumen des Elektrizitätswerks Günzburg (Bayern) entstand — ver mutlich infolge Kurzschluß — ein Feuer, so daß innerhalb von wenigen Stunden das ganze Werk vollständig aus brannte. Durch den großen Brand ist die ganze Stadt ohne jeden Strom, so daß sämtliche Fabriken und Werkstätten voll- kommen stjllgelegt sind. Die drei in Günzburg bestehenden Zeitungen können ebenfalls nicht erscheinen. Das ganze wirt schaftliche und industrielle Leben Günzburgs ist vollkommen unterbrochen. Maskerade der Wilderer. Eine Wildererbande, die, mit langen Schneehemden und weißen Kappen angetan, sich kaum von der Winterlandschaft abhob, wurde in Calbe an der Saale von der Polizei überrascht. Zwei Wilderer konn ten verhaftet werden. Das sechste Unglück auf einer neuen Eisenbahnstrecke. Auf der kürzlich eröffneten Strecke Krakau — Katto- wiß —Posen gab es den sechsten schweren Eisenbahn unfall. Ein V-Zug stieß mit einem Personenzug zusammen. Beide Lokomotiven wurden zertrümmert, und zwölf Per sonen erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Ein 15jähriger Muttermörder. In einem Ort bei Ly on ergriff ein 15jähriger Junge nach einer Auseinandersetzung mit seiner Mutter ein Jagdgewehr und erhob es drohend gegen die Mutter. Die 35jährige Frau sank in die Brust getroffen tot zu Boden. Der junge Mörder gab bei seiner Verhaftung an, er hätte nicht gewußt, daß das Gewehr ge laden sei. Einbaum aus der Steinzeit in Masuren gefunden. Einen seltsamen Fund machten kürzlich Fischer auf einem der zahlreichen Seen Masurens. Mit einem Tiefnetz be förderten sie ein 4 Meter langes, altertümliches Fahrzeug zutage, das sich, wie später wissenschaftliche Ermittlungen ergaben, als ein noch sehr gut erhaltener Einbaum aus der Steinzeit erwies. Der Fund wird einem Königsberger Museum gegeben. Rtdciklose m Lumps - Svort. Wettfahrten aus öffentlichen Wegen. Das Ministerialblatt für die Sächsische Innere Verwal tung Nr. 2 enthält eine Bekanntmachung, in der für Zuver lässigkeils- und Wettfahrten mit Fahrrädern u. a. folgendes bestimmt wird: Die Radsportverbände haben ge meinsam für jedes Kalenderjahr eine Terminliste für ihre Veranstaltungen aufzustellen. Die Veranstaltungen sind auf das notwendigste zu beschränken. Die Genehmigung wird regelmäßig nur erte lt, wenn sie von der Kommission der Rad sportverbände Sach ens in Dresden befürwortet wird. Die Genehmigung wird aus Gefahr des Veranstalters erteilt. Er rst für alle begründeten Ansprüche, die aus Anlaß der Ver anstaltung und ihrer Folgen von irgendeiner Seite, insbe sondere wegen Flurschäden gegen den Staat oder einen Wege baupflichtigen erhoben werden, haftbar. Oer Klingenthaler Siegessprung. Der deutsche Skimeister für 1929 wurde bei den in Klingenthal ausgetragenen Meisterschaften, die mit den Sprungläufen am 3. Februar ihren Abschluß fanden, Gustav Müller (Bayerisch-Zell). — Wir zeigen den neuen deutschen Meister bei seinem Klingenthaler Siegessprung. Die Auslosung für den Davis-Pokal. In Paris fand In Gegenwart der diplomatischen Vertreter der am Davis-Pokal beteiligten Nationen die Auslosung für die Pokalspiele 1929 statt. Deutschland bekam als ersten Gegner Spanien, allerdings erst in der zweiten Runde, vorgesetzt. Kunstturnwettkampf Berlin - Königsderg. Die Kunstturn-Städtemannschaften Berlins und Königsbergs stehen sich am 10. Februar in Königsberg in einem Wettkampf gegen- über. Berlin gewinnt den DreistLdtekamPf im Fechten. Im Städtekampf auf Degen, der zwischen Hamburg, Berlin und Hannover in Hamburg stattfand, siegte Berlin mit einem Mann schaftssieg und einem Untentschieden vor Hamburg. Schmeling verpflichte« sich aus zwei Jahre nach ArneriL«. Der deutsche Boxer Schmeling hat einen zwei- jährigen Kontrakt unterzeichnet, wonach er nirgends ohne Er laubnis der New-Porker Boxhalle Madison Square Garden boxen darf. Schmeling verpflichtete sich ferner, daß er, falls er Welt schwergewichtsmeister werde, den ersten Kampf danach in New York kämpfen müsse. Schmeling wird nach einer kurzen Reise nach Deutschland im April wieder nach Amerika zurückkehren. Weltrekord im Eisschnellauf. Der norwegische Europa meister Ballangrud lief in Tronthjem über lOOO Meter 1:31,8 Minuten. Stuttgarter Sechstage. Beim Stuttgarter Sechstage rennen liegen immer noch B u sch en ha g en-F ra n ke n- stein mit 363 Punkten an der Spitze. Zweites Paar find Richli-Linari mit 349 Punkten. Ski. Bei den Skimeisterschaften in Bad Flinsberg gewann Leipold (S. C. Mittelmark-Friedrichshagen) die Meisterschaft. Hinter ihm endeten als Preisträger in der Kombinatton Throne 17,458, Balke (S, L. Rouhreif), Laßler (B. S. L.) 16,843 und der deutsche Leichtathletikmeister B ö ch e r (B. Schl. T.) 16P83. Non den Berliner Vereinen schnitt der Schlittschuh- Elub am besten ab. Turnverein „Turnerbund" e. V. v? Pulsnitz Um etwaigen Irrtümern vorzubeugen, erklären wir, daß wir entgegen dem am letzten Sonntag abend bereits ausgekühlten Saale zu unserem am kommenden Sonnabend stvttfindenden Maskemball für einen gutgeheizten Saal sorgen werden. Unsere werten Gäste brauchen also nicht befürchten, zum „Karneval am Rhein" in ungeheizten Räumen sich auf halten zu müssen. Der ungeheizte Saal Sonntag abend erklärt sich dadurch, daß der Saal bereits seit 11 Uhr vor mittags zur Gauturnratssitzung des Meißner Hochlandgaues benutzt wurde und daß durch den lebhaften Verkehr durch die Saeltüren die Temperatur erheblich nachgelassen hatte. 0 Vdr. SM-MM ses MSllW WeRttes Dresden, 6. Februar, mittag 11,45 Uhr. (D.-O) Professor Siegfried Och» gestorben Berlin. Der bekannte Musiker und Operndirigent Siegfried Ochs ist heute im 71. Lebensjahre gestorben. Landeswetterwarte Dresden «Naivdruck verbot,») Anfänglich noch stark bewölkt und neblig, späte, zeitweilig auf« klärende Verschärfung des Frostes, besonders Ostsochsen, und vorstehende Nacht schon sehr kalt. Winde auS östlicher Richtung, vorwiegend in mäßiger Stärke.