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24. Mai 4936 Nummer 24 sest Ssd»Frc^s»sd Nimmt man eine Karte zur Hand, so erkennt man das weitverzweigte Netz an Wasserstraßen, Kanälen, Flüssen, Strömen und Seen innerhalb des deutschen Raumes. Überall in diesen Revieren — und sie er strecken sich fast über ganz Deutschland — ist der Wassersport zu Hause, und in der gewaltigen Armee des Sports stellen unsere Wassersportler ein ganz besonderes Völkchen dar. Im Reichsbund für Leibesübungen sind jetzt die Verbände der Wassersportler zu- sammengefatzt, sie stellen innerhalb dieser großen Organisation einen beachtlichen Faktor dar. Der Deutsche Ruderverband mit seinen 150 000 Mitgliedern und seinen 600 Bootshäusern und einer riesigen Flotte an Booten steht übrigens an der Spitze aller rudersporttreibenden Länder der Welt. Die Flagge des Vereins erfordert Nicht nur ruderisches Können, sondern auch eine tadellose Gesinnung. Die Alten, die „Knigges auf dem Wasser", haben scharfe Augen. Die Harle Schule des Ruderns verläuft vom Kasten über das Tourenboot zum Rennboot, vom Anfänger über den Junior zum Senior. Es ist ein Unterschied zwischen der volksbelustigenden Sonnlag- Nachmittagsruderei im Leihboot und dem sportlichen Rudern, sei es Skullen oder Riemen. Aber so schwer ist es nicht, als baß es nicht ein jeder erlernen könnte. Wir rudern, weil wir gesund, jung und voller Schwung bleiben wollen und nicht zuletzt darum, weil rudern eben so schön ist. Ja, aller Anfang ist schwer, und Rudern ist eine Kunst. Die Könner in dieser Kunst sind die Rcnnruderer. Sie sind zwar robust und auch sonst meist nicht sehr zart be saitet, dennoch werden sie — ausgenommen das Arbeitsquantum, das sie täglich zu ab solvieren haben — wie rohe Eier behan delt. Man päppelt sie, bringt sie frühzeitig zu Bett und ebenso früh wieder heraus, verpflichtet sie zu einem Klosterleben ohne Tabak, Alkohol und Flirt. Meistens sind es baumlange Kerle von über 1,80 Meter, Brustumfang so bis 1,10. Aber dahinter steckt der ganze sittliche Ernst nach großer Leistung, steckt freiwilliger Opfergeist, wie Man ihn anderswo selten findet. Nur solche „Mannschaften- (ein tiefer Sinn steckt in diesem Wort) vermochten die englische Vormachtstellung in der Höhle des Löwen, auf dem klassischen Boden zu Henley, zu brechen oder olympische Lor beeren zu ernten. Das ist die Schule, die unsere Jugend hart macht in Verzicht und Opfer, bevor sie nach dem Siegeslorbeer greift. Was uns noch nie gelang, ob wir es 1936 schaffen? Wir wollen olympische Sieger im Achter werden. Ein idealer Volkssport, der bereits Wirklichkeit geworden ist: Das Paddeln oder Kanufahren. Das Kanu ist ein Ur sahrzeug, sein primitiver Vorfahr der Ein baum. Die Rinden-Kanoes der kanadischen Indianer und die Eskimokajaks haben den heutigen Formen unserer Kanus zum Vorbild gedient. Wir unterscheiden das gedeckte Kanu, Kajak, und das offene Kanu, Kanadier genannt. Vorzüge der Kanus gegenüber den Ruderbooten sind: die ge ringe Länge, die Fortbewegung mittels des Paddels in Blickrichtung, beim Kanadier durch Einblatt- oder Stech-, beim Kajak durch das Doppelpaddel. 1924 ist erst der Internationale Kanuverband unter der Leitung Deutschlands gegründet worden, und Deutschlands Einsatz ist es auch ge- 2L» L-s-L. ... Dd-w- «--l-B»«--»!-»,. - «. lungen, daß die Kauuwettbewerbe in das olympische Programm für 1936 ausgenom men sind. Zu der unvergleichlich schnellen Verbreitung des Kanusports hat in beson derem Maße das Faltboot, die Erfindung des Deutschen Alfred Henrich im Jahre 1905, beigetragen. Damit war das letzte Problem des Wasserwanderns durch die Erleichterung des Bootstransportes über Land, die Möglichkeit seiner billigen Ver frachtung mit der Bahn gelöst. Dem verbreiteten Wasserwandern sind kaum noch Grenzen gesetzt. Ein Faltboot und ein einfacher Zweiradkarren bedeuten buchstäblich eine Welt. Wir hören von Erst lingsbefahrungen von Wildwässern, von Ozean-, Island-, Finnlandfahrten, von Forschungsexpeditionen in die entlegensten und unwirtlichsten Gegenden. Das Globe- trottertum im Boot ist Mode geworden. Mit Sack und Pack durchpflügt der Kanute die Gewässer seiner engeren nnd weiteren Heimat. Die Krone des Kanufahrens ist das Rennfahren im schmalen Rennboot. Dabei ist es mit Kraft und gutem Willen allein nicht getan. Es muß sich damit Balancier kunst und ausgefeilte Technik verbinden, wenn man nicht „zu Bach gehen" will. Die Regattajahre, vor allem unsere Erfolge bei den Europameisterschaften, haben unsere internationale Spitzenstellung eindeutig unter Beweis gestellt. Der deutsche Kanu sport darf für 1936 bei seiner regen Olympiavorbereitung mit schönen Erfolgen rechnen. * Den dritten Bruder im Bunde auf dem Wasser verkörpert der Segelsport. Der Segelsport kann für sich in Anspruch neh men, in direkter Linie von der zünftigen christlichen Seefahrt abzustammen. Wie die beiden anderen Sportarten, steht auch das Segeln in enger Beziehung zum Gerät. Man unterscheidet zwischen Kiel- und Schwertbooten oder Jollen. Ein großer Irrtum ist es, zu glauben, Segeln wäre „ein fauler Sport in Weiß", sei eigentlich gar kein Sport, weil das Moment der Körperübung fortfalle. Natürlich, das Schmalgondelfahren mit Außenbordmotor ist keine Kunst, ist aber auch kein Segeln. Zum Segeln gehört eine ganze Portion seemännischer Kenntnisse, und was es heißt, in der Einmannjolle bei Windstärke 6—7 auf der Regatta hart am Wind zu liegen unter Ausnutzung aller Schliche, naß von Seen und Spritzern, und dabei ständig Steuer und Segel bedienend, das kann ein Laie nicht ermessen. Der deutsche Segel sport hat durch seine jahrelange Abseits stellung viel an Auslandserjahr. <gen ein- gebüßt. Mit der Schaffung der Olympia jolle ist ein großer Wurf gelungen. Und so segeln, rndern, paddeln wir auf der ganzen Linie mit voller Fahrt voraus in das Jahr der Olympischen Spiele. A. Frischen. . IdstU i/a» Segeln und Paddeln — mit beiden Be griffen verbanden sich vor gar nicht langer Zeit falsche Vorstellungen. Das Segeln, so sagte der Unwissende, der an den Ufern der Seen in. Ostpreußen oder Pommern, in der Mark oder in Hannover oder gar am Strande der Ostsee und Nordsee stand, ist ein Zeitvertreib für die reichen Leute. Er sah die flinken Boote mit den spitzen, weißen Segeln über die Wasserfläche slitzcn und errechnete die Kosten eines solchen Bootes und die der Unterhaltung. Viel leicht reizte ihn das herrliche Bild der stetig strebenden Weißen Flächen inmitten des grünen Uferkranzes; aber er kam nicht dar über hinaus, daß dieses Segeln doch ein Zeitvertreib vermögender Leute sei, kein Sport, sondern ein luxuriöses Spiel. Paddeln, meinten die vorsichtigen Spa ziergänger und Wanderer, die auf Flüssen und Bächen die schmalen Boote eilen sahen, ist eine Versuchung Gottes, ein Spiel mir dem Leben. Und die Paddler wurden als leichtsinnige Gesellen verdammt; als eine lockere Gesellschaft, weil man sie immer zu zweien sah, meist männlichen und weib lichen Geschlechts, die sogar draußen im Zelt unter Gottes Himmel übernachteten! Die mildere Auffassung nahmen die Was serflöhe nicht ernst, lächelten über die Fexe, und man machte weiter seinen Spazier gang oder seine Wanderung auf festem Boden. Meinungen und Auffassungen erfahren, wie alles im Leben, Wandlungen und Korrekturen. Niemand glaubt mehr, daß Segeln ein luxuriöser Zeitvertreib reicher Leute sei. Die Mehrzahl der Segler ist so arm und reich wie du und ich, hat nicht mehr wie jeder unter uns. Ihnen schenkt der Aufenthalt auf dem Wasser Erholung, das Spiel mit dem Winde und den Wellen strafft und stählt die schlappen Muskeln und Nerven, und selbst das hoffnungslose Tümpeln in der Flaute hat noch seine Reize, die für den Segler erstrebenswert sind. Die große Mehrheit der Segler er kauft sich diesen Genuß mit Entsagung und Opfer, und wenn der Segler in seinem Boot sitzt und das Ruder in den Händen hält, die Leinen des Segels fest umklam mert, wenn er sich die Naturkraft dienstbar macht, dann ist er glücklich, daß seine Opfer ihm diesen Preis verschaffen konnten. Se geln ist heute der Sport der Willensstärken und doch besinnlichen Menschen aller Schich ten, und der Kamps mit dem Winde läßt gerade die schönsten Mannestugenden sich entfalten: Geduld und Zielstrebigkeit, Mut und Entschlossenheit. Und der Paddler? Der Wasserfloh hat sich Seen und Ströme, Meere und Bäche, unbewegte Talsperren und reißende Wild wasser erobert, überall treibt das Pad delboot mit froher, kraftstrotzender Jugend, und mit der Jugend ist es in das Volk gedrungen, so wie das Wandern dank der Jugend wieder eine Sache des Volkes ge worden ist. Die Fahrt im Paddelboot schenkt ein Erlebnis eigener Art. Dem Wasserwanderer erschließt sich die deutsche Heimat viel ursprünglicher und unberühr ter. Verträumte Dörfer und trutzige Bur gen, hohe Felsen und niedrige Ufer offen baren sich ihm in ihrem Zauber. Er fährt unter hängenden Weiden oder durch den Dom alter Eichen und Buchen, wo sie am geheimnisvollsten rauschen. Freilich: es gehört Freude an der Na tur zum rechten Paddler, Ausdauer und Bescheidenheit im Ziel. Und er muß, Manu oder Frau, ein ganzer Kerl sein, stark, frisch und empfänglich und ein guter Ka merad. Dann ist jede Fahrt reich an Er- lebuiffen. Eva Schwandt.