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Sonnabend, den 23. Mai 1936 Pulsniycr Anzeiger Nr. N9 Seite 10 Weltbild M). Die Unruhen in Palästmn Blick in eine Stroh« des zerstörten Bezirks in Iaffa-Tel-Awiw Weltbild (M). Erdöl-Bohrungen in Baden Bohrtürme in der Nähe der Stadt Bruchsal in Baden, wo Bohrungen Mr Erschließung ertragsreicher Erdölquellen durch- gesührt wurden. Reichsautobahn Köln—Düffeldorf eröffnet. Weltbild lM.) Nach der Eröffnung der 24 Kilometer langen Teilstrecke der Reichsautobahn Köln- Industriegebiet nahm Reichsminister Dr. Goebbels die Wagcnparadc ab. Weltbild fM). Vlympiavorbereitungsfahrten auf ter Kieler Förde Das Olympia-Startschisf „Undine" feuert den Startschuß für das Rennen der 6-Me!er-R-Iacht«n ab. Probe zum „Tag des Empire". Weltbild (M> Englische Bombenflugzeuge greifen ein Lastwagendepot in Henlow bei London an, das Mit Maschinengewehren verteidigt wird. Abschied von Tsaldaris Bier Minister halten die Ehrenwache am Sarg« des ehe maligen griechischen Ministerpräsidenten Tsaldaris. Dresdner Brief Ein einstiger Dienst mann erzählt Sie sind fast ganz aus dem Straßenbilde von heute ver schwunden, -die wackeren Dienstmänmer von einst mit Bluse und farbiger Mütze, mit Schulterriemen und Tasche; und wo si« noch bestehen, da find ihre Aufgaben weit nüchterner denn einst geworden. Auch auf der Straße brauchen fi« nicht mehr, für alle Fälle mit einem Wagen bewaffnet, auf die Kundschaft zu warten. Da, wo sie noch vorhanden find, ruft fi« der Fernsprecher, wenn man ihrer Hilfe bedarf. Ganz anders noch war es in der Zeit vor dreißig Jahren, aus der mir der einstige „Dienstmann Nr. 109" bei einem Gläschen Bier erzählt. Schon mein« erste Frage: „Was war nun eigentlich Ihre Hauptbeschäftigung?" xingt ihm ein Lächeln ab. „Alles", sagt er, „es gab einfach nichts, zu dem mar« damals nicht den Dienstnronnricf., Lag Schnee, holte man uns zum Schneeschippen; war ein Dienstmädchen krank ge worden, rief man uns zum Mian geldrehen; waren zu gleicher Zeit zwei Beerdigungen 1. Kliffe, dann mußten wir schwarze Hosen und die Sonntagsstiesel anziehen und taten Dienst als Leichenträger. Hatten die Studenten etwas vor, dann warten w-r in Mütze und Band Ko uleurdiener; und setzte bei einem Wirt plötzlich Hochbetrieb ein, dann wurden wir als Kellner oder Zapfer gerufen. Galt es einen Flügel oder einen Geld schrank zu transportieren — Spezialfirmen dazu gab es damals noch nicht — holte man uns. Bis zu 14 Zenting schwere Geldschränke haben wir damals transportiert. Und halt« zu Weihnachten die Hausfrau Stollen gebacken, dann trugen wir sie vom Bäcker ins Haus." „Ich glaube", fährt er, dicke Rauchwolken aus der Zi garre ziehend, fort, „es gibt nichts, was ich in meiner dreißig jährigen Dienstmannszeit nicht hätte tun müssen. Blieb emer betrunken auf der Straße liegen, wurde «in Erhängter anf- g«sunden, holte uns die Polizei zum Transport. Selbst Pulverlransport«, vor denen als „Sicherheitsmaßnahnie" und Warnung «in Mann mit einer — brennenden Laterne gehen mußte, (!) haben wir regelmäßig ausgesührt. Und einmal habe ich sogar das gruselige Handwerkszeug des Scharfrichters vom Bahnhof nach dem Gericht gefahren! . Wieder einmal habe ich für einen plötzlich erkrankten Trauzeugen im Gehrock und Zylinder auf dem Standesamt «inspringen müssen, ganz zu schweigen davon, daß einen Hauptteil unserer Arbeit die Umzüge bildeten. Studenten, Dienstmädchen, Kellnerinnen — sie zogen immer um; und weil sie meist im vierten Stock wohnten, war Las nicht der leichteste Teil unserer Arbeit. Welche Verantwortung aber man uns auserlegte, ersehen Sie daraus, daß manche aus- wärtig« Firmen Geldtransport« von der Reichsbank zum Zuge nur durch uns ausführen ließen. 50 000 Mark war nichts seltenes; und es erfüllt uns noch heute mit Stolz, daß nie ?«i einem solchen Transport etwas vorgekommen ist. Wäh rend der Inflationszeit habe ich sogar einmal zehn Zentnes Papiergeld auf einmal zum Bahnhof fahren müssen." „Da lernten Si« so allmählich die ganze Stadt kennen?" warf ich «in. „Die Stadt kennen? Wir waren das wandelnd« Adreß buch. Und das war unsere Stärk«. Was meinen Si« denm wenn di« Reisenden mtd Einkäufer auf dem Hauptbahnhor ankam«n, da machte nur der das Rennen, der sich in de« ganzen Industrie und ihren Spezialfabrikaten auskannte. Ja, und was denken Sie denn? Ich habe die Muster von den ersten Grammophonen, von den ersten Schreibmaschinen, von den ersten Registrierkassen, von den ersten Kopiermaschinen durch di« Straßen der Stadt geschleppt. Line Spezialität von uns aber war der Dienst im Leihhaus. Vor allem junges Polk bildete dab«i unsere .e dschäft. Man kannte sie schon und kannte die Anzüge U c und Schmucksachen, die fia versetzen ließen. Am Henne: Abend k a en wir gar nicht vom Leihamt herunter; da hatte es Wei. nachtsgelder ge geben und da wurden- die Pfänder eing«löst." Noch manchen netten Streich erzählt« der alte H«vr- Lin« heute verklungene Welt wurde lebendig — Dienstmauw Romantik aus vergangener Zeit.