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Sonnabend, den 11. April 1936 piürxitzer Anzei^r Nr. 86 — Seite 11 Abgaben und Dienste um 1650 wie fie „die Dorfffchafften Meihnische Folge, Friedersdorff, Diemendorff und die Königs-Vollunge der Herrschafft Pulhnitz" zu leisten hatten Die Abgaben und Dienstpflichten unserer Landgemeinden des Pulsnitztales ergeben sich aus den besonderen Bindungen rechtlicher Art ihrer Gutsherrschaft gegenüber, Lie sich in der Lausitz aus der Grundherrschaft entwickelt hatte und in diesem Hoheitsgebiet — somit auch in Pulsnitz — zugleich Gerichtsherr- schäft war. Diesem „Erb--. Lehn- und Gerichtsherrn" hatten die Dauern wie die sonstigen Dorfbewohner Abgaben mannig faltiger Art zu entrichten und „Herren- oder Frondienste" zu tätigen. Während die „Hautzleute" oder „Häutzler" „1 Stück garn vmbsonst zu spinnen", „4 gr Zinst" zu reichen und „8 tage handtdienste mit der Sonnen aufgang an vndt Untergang ab" zu versorgen hatten, bestanden die bäuerlichen Abgaben in der Regel teils in Geld-, teils in Raturalleistungen an Getreide» (Korn, Hafer — im Amt Radeberg auch Weizen) wie an Hühnern und Eiern. Bei der Herrschaft Pulsnitz wurden letztere nur gegen entsprechende Vergütung angenommen. Für ein Schock Eier zahlte man wie üblich 5 gr, für ein Huhn 2 gr und eine Gans ebenso 2 gr. Doch war aufgegeben, „deren durchs ganze Jahr wöchentlich in die Küche zu liefern". Ebensc galt für die Untertanen die Verpflichtung, der Herr schaft „alle Reu-Jahrstage die Kinder, das Gesinde, das ihr umb schlechten ( — geringen) lohn dienen mus, daraust zu lesen, vorzustellen". Bei besonderen Anlässen waren gleichfalls Abgaben ab zuführen: bei Ausstellung eines Geburts- oder Nbzugsbriefes, bei Verkauf eines Gudes, Gartens oder Hauses, ja selbst bei Todesfall. „Wenn eines verstürbet, ist von jeder Persohn, die Erben will, 9 gr 4 H „Theilschilling", ist aber einer ein Erbe 18 gr 8 H" zu zahlen. Hat aber „die Herrschafft einen Sohn oder Tochter auszustatten, giebet jeder Häffner 1 Scheffel Haber (Hafer), 1 Schock Eher, 3 alte Hüner, ein Fußgänger (Halbhüfner, der nur Handdienste zu leisten hat) Len halben. Ein Gärttner (Wirtschaftsbesitzer) den dritten, Ein Einbauer (Einwohner) den vierten theil." Für die regelmäßigen d. h. jedes Jahr sich wiederholenden Abgaben kannte man zwei Lieferungszeiten: Walpurgis und Michaelis. An diesen Terminen waren auf dem „Herrenhof" Lie „Gefälle" oder „der Zins" zu „erbringen". Diesem „Bring- Zins", wie er als Abgabeform bei der Herrschaft Pulsnitz im »allgemeinen durchgeführt war, steht gegenüber Ler.sogenannte Hol-Zins. Ihn holte man im Hause des Bauern bezw. Zins pflichtigen so „gnediglich, geruchlich und Ml" ab, daß „weder Ler Hahn auf dem Gitter erschreckt, noch das Kind in der Wiege geweckt wurde". Ihrem Wesen nach aber waren diese Abgaben — schlicht ausgedrückt — eine kleine, zur bloßen An erkennung des Obereigentums zu zahlende Leistung an Geld Und Getreide und als „Zins", auch „Erbzins" in dem „An- schlagk ober Las Schloß vndt Vorwergk Pultznitz" vom 20. Fe bruar 1652 gekennzeichnet. Dieser „Anschlag!" läßt uns wissen, Laß Friebersdors 60 Thlr 6gr, Thiemendorf 41Thlr 7 gr, „wegen Ler 14 Stücken Garn" 1 Thlr 7 gr und Meißnische Vollung 25 Thlr 14 gr als Zins zu entrichten hatten. Im einzelnen zinste: Friedersdorff: Thlr gr H» Gartten Thomaß Walpurgrs 5 Michaelis 6 1 Martin Mirsch Walpurgis 4 7 Michaelis 6 1D/r Hannh Huhle Walpurgis 4 10 7 Michael Lase Michaelis 6 17 11 Walpurgis 3 16 Michaelis 5 Martin Gräff« Walpurgis 3 6 2 Die Mvntagin Michaelis ' 4 15 2 Walpurgis 17 Michaelis 17 Der albe Michael Lase Walpurgis 1 13 Michaelis 1 13 Michael Kühne Walpurgis 1 13 Michaelis I 13 Martin Mirisch Walpurgis 12 Michaelis 19 Martin Ziegenbalgk, Ambtschösser Walpurgis 1 Michaelis 1 Die Gemeine von würckestuhl Michaelis 8 Diemendorff: - Hannh Sehferdt Thlr gr H Walpurgis 4 Michaelis 6 2 Schfl Korn 2 „ Haber Michael Kühne Walpurgis 4 Michaelis 6 2 Schfl Korn 2 „ Haber Jacob Erich Walpurgis 4 Michaelis 6 2 Schfl Korn 2 „ Haber Paull Reinhardt Walpurgis 1 13 Michaelis 1 13 Thomaß Lase Walpurgis 1 13 Michaelis I 13 Valtin Kretzschmar Walpurgis 1 13 Michaelis 1 13 Martin Ziegenbalgk Ambtsschösser Zur Radebergk Don 14 Meißner Stücken Walpurgis 8 S Michaelis 7 7-/r Die Gemeine Don Würckgestelle 8 Meißnisch e Folge (auch „Meißnische Seite" genannt): Thlr gr Hannh Wetzmann Walpurgis 1 11 7V2 Michaelis 2 1 4V- Daniel Wetzmann Walpurgis 1 11 7V- Baltzer Wager Michaelis 2 1 4Vs Walpurgis 1 6 Michaelis 1 6 Christoph Mager Walpurgis 1 6 Blasius Schöne Michaelis 1 6 Walpurgis 9 Michaelis 9 Michael Rammer Walpurgis 9 Michaelis g Christoph Miedtlich Walpurgis 9 Lie wir der Vollständigkeit noch anfügen, da sie heute als Ortsteil Vollung Pulsnitz M. S. Thlr Michaelis gr 12 9 Michael Brückner Walpurgis 12 Michaelis 12 Hannß Kühne Walpurgis 2 9 Michaelis dazu: s/4 Schfl Korn 2 9 Vi „ Haber Peter Anderst Walpurgis 10 Michaelis 12 Andreas Schletter Walpurgis 14 7 Michaelis 14 7 Martin Mirisch Walpurgis 5 10 Michaelis 5 10 Georg Anberß Walpurgis 3 6 Michaelis 3 6 Jacob Brückner Walpurgis 8 10 Michaelis 8 10 Martin Anberß Walpurgis 13 10 Michaelis 13 10 Item von 2 Hünner 4 Hannh Philipp Walpurgis 8 Michaelis 8 Michael Wolff Walpurgis 8 Michaelis 8 Christoph Scheffer Walpurgis 8 Michaelis 8 Christoph Sauerin Walpurgis 8 Michaelis 8 Baltzer Wetzmann Walpurgis 2 Martin Anderß Michaelis dazu: 1 Schfl Haber Michaelis: 2 1 Schfl Haber Hannß Weidtner Michaelis: 1 Schfl Haber Die Thomaß Pertzschin Michaelis: 1 Schfl Haber Christoph Huhle Michaelis: 1 Schfl Haber Hannß Pertzsch Michaelis: 1 Schfl Haber Hannß Grohmanns Witbe Michaelis: 1 Schfl Haber Georg Luntze Michaelis: 1 Schfl Haber Hannß Loße Michaelis: 1 Schfl Haber Matthes Wehle Walpurgis 2 Michaelis 2 Matthes Born Walpurgis 2 Michaelis 2 Hannß Kirste Walpurgis 8 Michaelis Michaelis: 8 Georg Liebenau 1 Schfl Haber Andreaß Dorn Walpurgis 2 Michaelis 2 George Steiner Walpurgis 2 Michaelis 2 Peter Luntze Walpurgis 2 Michaelis Michaelis: 2 Die Blaß. Kindin 1 Schfl Haber Christoph Zeidler Walpurgis 8 Michaelis 8 Die Gemeine 2 18 Königs- Vollunge, eingegliedert ist: Christoph Heintze Thlr gr Walpurgis 7 1 Michael Ströchel Michaelis 12 dazu: Vs Schfl Haber Walpurgis 7 1 George Heintze Christoph Dellert Michaelis 10 dazu: V, Schfl Haber Walpurgis 8 Michaelis 9 dazu: 1/4 Schfl Haber Walpurgis 8 6 3 6 Michael Schäffer Paull Hübner Michaelis 9 dazu:Schfl Haber Walpurgis 6 Michaelis g Lazu: 1 Schfl Haber Walpurgis 7 3 1 Franz Böhme Martin Hauffe Mattheus Durich Die Michael Richterin Hannß Werner Martin Ziegenbalgk Die Gemeine von Würckgestelle Michaelis 10 dazu: Vs Schfl Haber Walpurgis S Michaelis 5 "dazu: 1 Schfl Haber Walpurgis 5 Michaelis s dazu:1 Schfl Haber Walpurgis 5 Michaelis 5 dazu: 1 Schfl Haber Walpurgis 5 Michaelis 5 dazu: 1 Schfl Haber Walpurgis 5 Michaelis - 5 Lazu: 1 Schfl Haber Walpurgis 5 Michaelis 5 dazu: 1 Schfl Haber Michaelis g 6 „Vnndt so viel Ziegen Jeden orthes gehalten werden", sind „von einer alten 18 gr vndt 9 gr von einer jungen Michaelis", von „10 Schaaffen Walpurgis 18 gr vndt 10 Läm mern Michaelis 9 gr Jährlichen Zinß" zu geben. Darüber hinaus waren die Dörfler noch zu bestimmten Diensten verpflichtet. Da galt es für die Männer zur Zeit der Kornernte ihrem „Herrn" das Getreide zu schneiden, wäh rend andererseits Frauen und erwachsene Töchter die Garben banden. In ähnlicher Weife wurde zur Heuernte gefrontet. Den Häußlern hatte man noch im besonderen aufgegeben, beim „Schaaffscheeren ohne endtgeldt zu Helffen" — da ja das Puls nitzer Rittergut in jener Zeit über einen Schafbestand von 600 Stück verfügte — wie ,chas treschen vndt ein Panssen (Einbanseln!) vmb den 17 Scheffeln" — das ist das abzu liefernde Quantum Getreide — zu besorgen- Wer von den Bauern zu „Roßtagen" verpflichtet war, hatte mit Pferden — nicht mit Ochsen, das wurde ausdrücklich zurückgewiesen§— Spanndienste zu tun, so beim Einbringen der Ernte und bei der Zubereitung des Ackers für die Aussaat. Besonders wird bemerkt, ,pas die Frieders- und Diemenidorffer an ihren Roßtagen dinger zu fahren schuftig, wie denn auch «in iedes Wagen ein Lader mitzubringen berechtiget." Noch finden wir „landtführen" erwähnt, wie das Anfahren von Holz, Ziegeln, Steinen und sonstigem Material bei Baulich keiten im Gutshof und bei Errichtung von unter herrschaft lichem Patronat stehenden Gebäuden: Predigerwohnungen, Schule und Kirche. So hatte beispielsweise jeder FriedorS- dorfer wie Thiemendorfer Bauer „4 Landtfuhren, jede auf 3 mei'len Weges" auszufuhren. Von solchen Diensten heißt es nun von der Königs- Vollung ganz allgemein: Es leisten „Fußgänger Volle handt dienste, die Gärttner aber wöchentlich 3 tage (!) Dienste nebst dem Schaafscheeren, Seen, Teich vndt Bache fischen, so offt man sie hierzu bedarff, alles bey ihrer Kost." Dagegen er fahren wir, daß Friedersdorf 92, Thiemendorf 48 und Meißnisch Vollung 106hg Roßtage und Friedersdorf 116, Thiemendorf 72 und Meißnisch Vollung 309 Fußtage an Diensten zu ver richten hatten, hierzu entnehmen wir einem „Verzeichnis: Wieviel ein Jeder Einwohner der Dörffer Meißnische Vollung, Friedersdorff vndt Diemendorff, an Roß- vndt Fußtagen zu verrichten Schüldigk" an Einzelheiten: Meißnische Folg«: Hüffner Roßtag« Fußtag« Daniel Wetzmann 12 8 Die Hannß Wetzmannin Witbe 12 8 Baltzar Mager 12 8 Christoph Mager 12 8 Michel RaMmer 12 8 Blaß. Schöne 12 8 Christoph Miedtlich Halbhüffner 12 8 Michael Brückner 4H 8 Hannß Kühne 3Vs 8 Von Hannß Kühnens halben Huff« Blaß. Schöne wegen derer den vorerkaufften Acker Vs Daniel vndt Hannß Wetzmann wegen derer davon verkaufften Acker Gärttner V» Peter Anderß 2-/4 8 Georg Anderß 2V« 8 Martin Anderß 2Vi 8 Jacob Brückner 2Vi 8 Martin Voigt 2V4 8 Andreaß Schletter Häußler 2V. 8 Georg Heintze 9 Toffel Huhle 9 Toffel Schösser 9 Michael Wolff 9 Mattheus Wehl« 9 Hannß Philipp 9 Baltzer Wetzmann S Peter Luntze 9 Andreas Born 9 Mattheus Born 9 Hannß Weidner 9 hannß Pertzsch 9 George Liebenau 9 Christoph Zeidler 9 Hannß Kürste 9 Hannß Loße 9 Martin Anderß 9 Christian Steinerg Mtben 9 Die Thomaß Pertzschin 9 Die Hannß Großin 9 Die Blaß. Kindin' 9 Friedersdorff: Bauern Roßtag« Fußtags Thomaß Gartten, richter 20 20 Marfin Mirisch 20 20 Hannß Huhle 20 20 Martin Gräff« 16 16 Die jung« Michael Lase Witb« Häußl«r 16 16 Die alt« Michel Las« Witbe Die Iacob Montagin Witbe 8 8 Michel Kühne 8 Diemendorff: Bauern Roßtag« Fußtage Hannß Seyfert 16 16 Michel Kühn« 16 16 Jacob Erich Häußler 16 16 Valtin Kretzschmar 8 Paull Reinhardt 8 Die Thomas Lasin Witbe 8 Abgaben und Dienste: noch immer eine Selbstverständlich keit für die Bauern und Häusler unserer Dörfer um 1650, wenn auch solche Selbstverständlichkeit als ein Abziehen von Arbeitskraft und Arbeitsfreude von der eigenen Scholle emp funden ward und darum hier und da Bauernrevolten aus löste. Weit zersetzender in dieser Hinsicht wirkten schon damals hie Wüstungen des Dreißigjährigen Krieges und die damit zusammenhängend« Verschuldung des Bauernstand«s, vor allem dann, wenn so mancher Gutsherr sich diese Zustände zunutze machte, um die Bauern in immer lästigere Formen der Erb untertänigkeit herabzudrücken und auch zahlreiche Bauern stellen einzuziehen, Bauern zu „legen". Das alles schuf Bedrücktsein und innere Unfreiheit. Erst der Reichsfreiherr vom und zum Stein erkannte diese unhaltbare Lage des Bauerntums. Und so ging er daran, die Bauern zu „be freien". Doch schon in der Folgezeit wurde das große Reform werk im Sinne des liberalen Wirtschaftsprogrammes um- aebogen und aus Grund und Boden eine Ware gemacht. Diese Entwicklung schlug trotz aller Ablösung alter Abgaben und Dienste den Bauernstand nur in neue Fesseln, von deren verhängnisvollen Auswirkung noch die jüngste Vergangenheit zu künden weiß. Erst dem Nationalsozialismus blieb es Vor behalten, di« von Abgaben und Diensten freie Scholle einem starken, aufrechten und gläubigen Bauerntum zu verbinden: zur Befriedung des deutschen Nährstandes und zum Heile des deutschen Vaterlandes. Dr. Löschner.