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Sonnabend, den 1^. Februar 1938 Pulsnitzer Anzeiger — Ohorner Anzeiger Nr 36 Seite 10 Walfang in der Antarktis Jagd mit dem Fangboot / Verarbeitung des Fanges / Schwimmende Schlachthöfe im Polarmeer Die Arbeit an Bord eines Walfängers ist nicht leicht. Ununterbrochen müssen die Männer auf den Fangbooten nach den riesigen Tieren — der Wal ist übrigens das größte Säugetier der Welt — Ausschau hallen. Ist ein Wal gesichtet, dann wird das Fangboot in Schußnähe der Harpune herangebracht. Die Kanone jagt die Harpune auf den Wal, und sitzt der Widerhaken in der dicken Speck schicht, dann beginnt ein schwerer Kampf, denn das ge waltige Tier ergibt sich nicht ohne weiteres in sein Schick sal. Mehr als lausend Meter Leine sitzen an der Harpune. Durch Abbremsen und Einholen der Leine macht der Mann an der Walwinde das Tier, das nach dem Treffer blitz schnell zu tauchen versucht, müde. Aber das Opfer unter ¬ beginnt ein Werk, das für empfindliche Gemüter keine Augenweide ist. Die haarscharfen Messer schlitzen auf dem Rücken die Speckschicht der Länge und Breite nach auf. Die Schicht von dem Fleisch zu lösen, würde zu zeit raubend sein, so werden um jeden halbmeterdicken Strei fen Troffen gelegt, und was sonst stundenlange Arbeit vieler Männer erfordert, erledigt die Kraft der Winsch in wenigen Augenblicken, die Speckschicht wird vom Körper abgerissen. Sie schwebt in der Luft und wird über die Plan dirigiert. Große Luken auf dem Deck führen zu den riesigen Kochkesseln. Hier schmelzen 150 Grad Hitze jedes Tröpfchen Fett aus den Streifen. Es ist kalt auf Deck, die Walkocherei liegt ja im Polar meer. Und doch dampft der Körper auf der Plan. Schnitt Messer in die Fleischmassen, und Sägen zerschneiden die riesigen Knochen. Nichts darf von oem erbeuteten Stück umkommen. Hier ist das Deck rot, hier waten die Männer im Blut, das aus den rohrdicken Adern strömt, es fließt im Licht der starken Scheinwerfer auf Deck und durch die Abflüsse ins Meer. Wieder eine Stunde später ist auch die Fleisch- und Knochenmasse unter Deck verschwunden und wird in den Oefen und Maschinen verarbeitet. Eine an dere, abgeflenste Fleischmasse wird von den Trossen auf das Vorderdeck gezerrt. Ununterbrochen kreischen die Sägen, fast ohne Pause fließt das Blut. Unermüdlich laufen unter Deck die Maschinen, die Dampf liefern oder elektrischen Strom oder in den Kreislauf der Verarbeitung geschaltet sind. Da sind auf Schnitt geht durch die Speck schicht, die Trossen der Masten wenden den plumpen Körper nach der anderen Seite, wenn die eine von dem Speck besreit ist. Ueber Deck verbreitet sich ein Geruch, der nur von abge härteten Männern ertragen Werden kann. Kaum eine Stunde dauert das Werk der Messer, dann ist Links: Die auf dem Bug des Fangbootes stehende Kanone hat die Harpune abgeschossen, die im Körper des Wales sitzt. Die Leinen, von denen jede tau send Meter lang ist, laufen aus. Rechts: Das Fangschiff nimmt die erlegten Tiere längsscit. Sobald mehrere zusammen sind, dampft es mit ihnen zur Koche rei. Bei glatter See geht das ohne Schwierigkeiten, bei See gang erfordert der Transport jedoch beste Seeleute. liegt fast regelmäßig. Der erlegte Wal wird mit Luft ausgepumpt und schwimmen gelassen, während das Fangschiff wieder auf Beute ausgeht. Sind mehrere Tiere erlegt, dann wird die Beute von den Booten ein gesammelt und nach der Kocherei geschleppt, die den Booten entgcgendampft und durch Funk ihren Stand ort meldet: Am mächtigen Heck der Kocherei liegen die erlegten Wale. Noch während die Fangboote eins nach dem andern andampften, wurden auf dem riesigen Mutter schiff Trossen und Winden klargemacht, und kaum sind die riesigen Körper aus den Leinen des Fangdampfers frei, sausen die Fangleinen von Bord der Kocherei und werden um den Wal gelegt. Die riesigen Schwanz flossen, die das Anbordnehmen erschweren, werden noch im Wasser abgesagt. Wenn der Koloß fest in den Leinen liegt, greift eine mächtige Eisenklaue um den Schwanz; eine Trosse würde das Fleisch durchschneiden. Dann beginnen die Winschen an Bord zu stöhnen, und Schritt für Schritt wird der Riese durch die „Break", die in der Höhe der Wasserlinie beginnende und durch das Heck führende Gleitbahn, gezogen. Das geht nur langsam, denn die Winschen haben mit jedem Tier bis zu 2000 Zentner an Bord zu zerren. Noch liegt die Beute nicht auf dem Plan, dem riesigen Deck, noch wetzen die Flenser und ihre Gehilfen die Messer. Aber schon werden die Trossen der Stahlmaste um den toten Körper gelegt mit denen der Wal wäh rend der Verarbeitung in die beste Lage gebracht wird. Die Verarbeitung erfolgt äußerst schnell, denn abgesehen davon, daß die Fangboote ununterbrochen ihre Beute her anbringen, mutz man darauf Rücksicht nehmen, daß trotz der Kälte der Wal schnell in Verwesung übergeht. Dann ist er nicht unbedingt wertlos, aber sein Fett eignet sich nur noch für die Serfenfabrikation. Jetzt liegt der Wal auf dem fett- und blutbeschmier ten Plan. Die Flenser klettern auf den Körper, und nnn die Speckschicht bom ganzen Körper abgelöst, die blutrote Fleischschicht liegt frei. Der Platz mutz frei gemacht wer den für den nächsten Wal, der an Deck gezogen wird. Auf der vorderen Hälfte des Decks ist die Fleischschneiderei. Wieder greifen die Trossen den jetzt schon leichteren Koloß und schleppen ihn dorthin. Aus den alten Berichten weiß man, wie mühselig die Verarbeitung eines Wales noch vor dreißig Jahren war. Heute verrichtet die Maschine den größten Teil der Arbeit. In der Fleischschneiderei gehen die Oben: Der riesige Kopf wird abgetrennt. Von der Größe eines Wales macht man sich nur selten eine richtige Vorstellung. Dieses Bild zeigt, daß das ge öffnete Maul tatsächlich fast so viel Raum gibt wie ein Scheuncntor. Links: Auf dem Schlachtdcck der Kocherei erfolgt das Abspeckcn der Wale. Die Flenser trennen die langen Fettstreifen vom Fleisch, während Winden die Speckseiten abziehen. Rechts: Der erlegte Wal wird meist mit Luft ausgepumpt und schwimmen gelassen, während das Fangschiff weiter auf Beute ausgeht. Am Abend werden die erlegten Tiere dann cingesam- mclt. Ausnahmen (5): Weltbild (M.). die Kessel der Kocherei, die ständig durch ein Prüfglas beobachtet werden, ob das Oel reif ist, in die Tanks ab- gelassen zu werden. Da sind die gewaltigen Zentrifu gen, die das Walöl von noch übrigem Wasser scheiden: sie arbeiten automatisch und fast ohne Bedienung. Da ist das Nöhrengewirr in der Kocherei, durch welches das Oel fließt, nm auf diesem Wege zu einer vollwerti gen Marktware raffiniert zu werden. Das Oel ist daS begehrteste Produkt, aber das Fleisch wird nicht ver achtet, und sogar die Knochen liefern, zermahlen, hoch wertiges Viehfutter oder Dünger. Monatelang liegt dieser schwimmende Schlachthof unter dem Licht der Scheinwerfer, monatelang surren die Maschinen. Wal auf Wal wird die Gleitbahn her- aufgezerrt und verschwindet unter den Messern und Sägen. Und Faß auf Faß des kostbaren Oels füllt die Laderäume. Da die Mutterschiffe aber den ganzen Transegen nicht bergen können, holen Tanker, die gleichzeitig Betriebsstoff in die Antarktis bringen, das rohe Walöl. Erst in Europa wird es geruch- und ge schmacklos gemacht und gehärtet. Als die Norweger in den südlichen Polarmeeren mit dem Walfang begannen, lagen ihre Kochereien vor Land; dann aber rettete sich der Wal vor den Harpu nen in das offene Meer. Die Kochereien ankerten noch unter Land. Als aber die gejagten Wale zehn und mehr Stunden nach den Stationen geschleppt werden mutzten, verdarb trotz der Eiseskälte des Wassers der Speck und lieferte minderwertiges Oel. Seit etwas mehr als zehn Jahren schwimmen die riesigen Mutter schiffe mit ihren Kochereien aus hoher See, oft genug von Eisbergen bedroht. Die Männer auf diesen Schif fen sind Facharbeiter und Seeleute zugleich. Das Schiff befindet sich immer aus hoher See, und das Meer in diesen Gebieten ist oft unruhig und tückisch. Peter Hörup. - BW,