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Winter iw Hochgebirge? Bon Jürg Muntalt. Juli ist'». Die Matten sind wieder ergrünt nach der langen Winterzeit. Hirten und Herden find auf die Alpen gezogen unter Juchzen und Schellengeläut. — Da kommt der Sturm mit grauem Aolkenheer herangesegt, wirbelt Schnee herbei, und e« schneit und schneit, bi« eine weihe Decke die grü nen Matten bedeckt. Nur schwer vermag die Sonne den Schnee zu schmelzen und die bunten Blüten kelche wieder zu farbenfroher Lebensfreude zu er- schließen. Frierend steht da« Vieh in den Ställen oder läuft vor Hunger brüllend über die schneebedeckten Weiden. Dort drängt sich eine Schar Kälber, zitternd vor Kälte, zusammen und stampft einen schwarzen Morastfleck in die weißliche Schneehülle. Wie bittend blicken die Tiere mit großen, traurigen Augen den Menschen an. Die lauten Klagetöne schneiden Hirten und Sennen ins Herz. Sie tragen Futter aus den Tä- lern herbei auf die sonst saftgrün strotzenden Alpen, um die bittere Not der Tiere zu lindern. So läßt der Winter noch wett in dar Jahr hinein im Gebirge seine Gewalt verspüren und trägt Kamps und Tod in den blühenden Garten des Sommers. Aber endlich siegt die Sommersonne. Hell klingen die Glocken wieder von den Alpen weiden herab, fröhlich ertönen die Juchzer der Hirten über die Berge und Täler, und während das Groß vieh bedächtig über den guten Weideboden dahin graft, klettern die Ziegen übermütig an den Schroffen umher und rupfen mit Kennermiene hoch oben am Berg die saftigsten Büschel. DeS Abends jagt der Geißbub die muntere Ge sellschaft zu Tal; hell klirren die kleinen Glöckchen durcheinander, wenn der übermütige Zug ins Dorf einrückt. Oben auf der Alp treiben die Hirten, wenn die Sonne sinkt, das Vieh zum Melken in die Ställe. Da tönt das volle Geläut weit hinaus, und da zwischen gellen die Rufe der Männer, die Ordnung in den wirren Haufen zu bringen suchen. Schweren Schrittes kommen und gehen die Sennen mit umgebundenem Melkschemel. Die vollen Kübel werden Stück um Stück in die großen Abrahm schüsseln oder in den mächtigen, blitzenden kupfernen KäSkeffel geleert. Bald ist's dunkel geworden, Stern auf Stern blitzt am Nachthimmel auf; durch die trüben Scheiben der Hütten scheinen spärliche Lichter, oder eS leuchten rot züngelnde Herdfeuer aus dem rauchgeschwärzten Raume. *) Wir entnehmen diese interessante Plauderei der neuesten, unter dem Titel ..Der Wintersport in Oesterreich" erschienenen Nummer der Leipziger „Illustrierten Zeitung", die ihrer glänzenden illustrativen Ausstattung halber das Herz jedes Wintersportlers höher schlagen lassen wird Wer ein Stück unverfälschter Natur kennen lernen will, greise zu diesem Heft der „Illustrierten", daS auch ertlich Beachtenswertes in Fülle bietet. Wenn die Arbeit getan ist, wird eS still dort oben auf der Alp; nur ab und zu ertönt eine Glocke, wenn eins der Tiere sich schwer erhebt oder langsam dahinschreitet, um sich einen neuen Ruheplatz zu suchen. Durch die Nacht hört man ein großes Klingen, wie fernen Gesang eines Riesenchor«. Alle die tau send Rinnsale, die mit Hellem Klange zu Tale springen, fingen ihre Melodie; die großen Bäche weit in der Runde fallen mit kräftiger Stimme ein, und der kraftvolle Bergstrom bringt den tiefen Gruno- ton in die Symphonie. Bald klingt daS Singen wie aus weiter Ferne, bald trägt ein Luftstrom die laut anschwellenden Klänge herbei, bis sie wieder leiser und leiser werden und in der Ferne verhallen. Am frühen Morgen ertönt überallher Juchzen und Jodeln; die Rinder brüllen gesundSheitSfroh dem Tageslicht entgegen. Nebenan plätschert der Vach vorwitzig und geschwätzig einher. DaS Sonnenlicht weckt alle die leuchtenden Farben deS SommerS. Weiche, grüne Rasenteppich liegen schwellend über das Gehänge gebreitet, und bunte Blüten sind darüber auSgestreut. Ich liege oben auf dem Berge. Neben mir blicken dunkelblaue Enziane aus dem saftigen Grün, zarte Primeln schwanken leicht auf ihren biegsamen Stengeln mit den rosig angehauchten Blütenköpfchen, kräftiger Eisenhut steht straff gegen den lichtblauen Himmel, über den schneeweiße, leichte Wölkchen da- hinziehen. Eine mächtige Arve reckt ihre knorrigen Aeste in die klare Sommerluft; wunderbar kräftig duften die dunklen Nadelbüschcl und dar harzreiche Hol, unter den warmen Sonnenstrahlen. Bienen und Hummeln summen umher und trinken den süßen Saft aus den leuchtenden Blütenkelchen. DaS Murmeltier grast eifrig auf den Berg- wiesen; schrill ertönt sein Pfiff, wenn eS Gefahr wittert; oben auf einem Steine macht eS Männchen, dreht den Kopf nach dem Menschen, der seine Be- schaultchkeit stört, und ist blitzschnell in seinem Bau verschwunden, sowie man näher zu kommen sucht. Bewegung, Leben und Farbe überall. Hoch oben ragen die Felsen jäh empor, schroffe lluhen aus klotzigen Kalken, bizarre Türme und ge- ackte Grate. Von den zerfurchten, Hellen Kalkwänden iröckelt morsches Kalkgeröll ab; durch die Runsen und Rinnen poltern die Blöcke, über die Wand pfeift der Steinschlag, und bis tief hinab bedecken die grauen Trümmer den fruchtbaren Weideboden. Von unten herauf aber klimmt daS Pflanzenheer wieder empor; eS klammert sich in die Riffe der Gesteins und erkämpft sich hoffnungsfreudig den Sieg, den seine leuchtenden Farben weithin künden. Aber nicht lange dauert daS Jubelfest de« Lebens in den Alpen. Nur im kurzen Bergsommer ist der Sieg ein voller, oft schwer erkämpfter. Schon im September sendet der Winter seine Vortruppen, den Frost und den Reif. Das über- mütige Heer der kleinen Rinnsale hoch am Berge wird stiller und stiller, nur an warmen, Hellen Sonn »tagen lösen sich die eisigen Bande, die daS Wasser gefesselt hat. Weiße Kuppen decken schon die hohen Berge. An den Bergmähdrrn haben dir Menschen in schwerer Arbeit daS letzte GraS geschnitten. Auf den Alpen wird eS still und öde. Hirten und Herden zogen zu Tal, durch die leeren Hütten und Ställe pfeift der Wind. Immer weiter treibt der Winter den Schnee in die Täler hinab, unaufhaltsam schiebt er Berg um Berg mit weißem Mantel als Vorposten vor. Mit eisigen Stürmen braust er über da» Gebirge einher, bi« er Alleinherrscher ist weit und breit. In Wetter und Sturm hält er seinen Einzug, und streng ist seine Herrschaft. Und doch tst'S nicht die Ruhe der Tode-, die seinem Siege folgt. Er bändigt nur daS Leben zum Rasten nach übermütigem, überreichem Sommer- sonnendasein; er läßt die lebendige Kreatur sich au sich selbst besinnen, in aller Stille Kräfte sammeln für neues Leben und Wachsen, für kommende Freude. In seinem Reich aber entfaltet der Winter hohe Pracht. Mit weicher, weißer Decke hüllt er die Matten; schwellende Schneepolster häuft er auf die Dächer der Hütten. Die Tiefen der Mulden und Rinnsale füllt ec mit Schnee und gibt den Hängen wellige Weichheit. Von den Bächen dringt nur dumpfes Murmeln unter der Schneedecke hervor, sonst ist e» ganz still geworden. Feierliche Ruhe liegt über der ganzen Bergwelt. Hoch oben ragen FelSgipfel starr und dunkel über dem leuchtenden Unterbau in die Lüste. — Fremd Land war einst oll die Schönheit des BergwinterS den Menschen. Winterlicher Halbschlaf umfing die Bewohner der Alpendörfer. Da kamen die Städter aus den dumpfen Städten; erst einer, dann immer mehr. Der Zug schwoll an: alles Menschen, die eS emporlockte, reine Luft zu atmen, sich in Hellem Sonnenglanze zu baden, die Schönheit deS Winters im Hochgebirge zu schauen. Durch den ticfverschneiten Wald mit belastetem Gezweig zieht der Skiläufer hinauf; Helles Leuchten ruht da und dort auf den schneeschweren Aeften und gleißt zwischen den dunklen Stämmen hindurch. Silberne Schleier wallen herab, wenn ein Windstoß einen Ast von seiner weichen Last befreit und die glitzernden Schneekristalle herabrieseln. Ueber dem Wald erglänzen die weiten Flächen in blendendem Lichte; blaue Schatten lagern sich vom Fuße der Berge über die lichten Hänge, und in tiefsattem Blau wölbt sich der Himmel darüber. In der kalten, klingenden Luft flimmern und blitzen einste EiSkriställchen. Oben an den Bergkämmen hat der Wind den Schnee zu feingeschwungenen Schneiden geschärft; weit hängen die luftigen Bauten der Schneewächten über den Strilhang. Alle schroffen Uebergänge in der Architektonik der Berge hat die Kunst deS Win- erS gemildert; veredelt ist die Linienführung der Grate und die feine Krönung der Gipfel. Bedeckt ist das graue Geröll, und aus dem ruhig gemodelten Unterbau und der formenschönen Sipfelkrönung wurde ein große», schöne« Ganzes in eiuheiilichem Guß geschaffen. — Wenn wir de« Abend» oben stehen in dieser hehren Einsamkeit, dann längen sich die Schatten, und eS beginnt ein Farbenspiel von wunderbarer Schönheit. Blauer und blauer werden die Schatten in der Tiefe. Goldene» Licht strahlt von den Gipfeln wider. Immer satter werden die Farben; das ist kein weißer, kalter Schnee mehr. Immer mehr Rot mischt sich zu dem Gold, in dem die Höhen leuchten, bis ein rote« Glühen die Bergspitzen erstrahlen läßt, die im Osten scharf gegen den satt- violetten Himmel stehen. In pfeilschneller Fahrt trägt uns der Skt hinab; scharf weht unS die stahlharte Lust entgegen; der Schnee knirscht auf dem Ski unter der Fußsohle. Von den Gipfeln schwindet da« letzte Leuchten. Nur im fernen Westen schweben noch leichte Wolken brennend rot ruhig am lichten, blaugrünen Abend- Himmel. Grau, kalt, stumpf steht die BergwelL ringSumher, bi« der Mond sein Licht über das Ge- birge ergießt und Täler und Höhen mit mildem Glanz erfüllt. Wie Perlengeschmeide schimmert eS dann um die Gipfel in d-r Stille der Nacht. — Von der Schönheit des Winter« wollte ich reden, doch sind Feder und Wort zu schwach. — Ziehe hinaus in das winterliche Hochgebirge und schauend erlebe seine Wunder I Literarisches. Ludwig Richter, Lrbenseriunerunge« eine* deutschen Mater». Selbstbiographie nebst Tagebuch niederschriften und Briefen. Herausgegeben und ergänzt von Heinrich Richter. Mit einem Bildnis Richters und einer Einleitung von Ferdinand Avenarius. Volksaus gabe des Dürerbundes. 1.—10. Tausend. In Leinenband Nk. 3.—. In Geschenkband Mk. 4. - . In Ganzleder, >and Mk. 5.—. Leipzig, Max Hesses Verlag. — Bei der ;eutigen Vorliebe für Memoiren-Literatur wird man zu üeser neuen Ludwig Richter-Volksausgabe freudig greifen. Stellt sie doch ein ebenbürtiges Seitenstück zu KügelgenS „Jugenderinnerungen eines alten Mannes dar. Die Einleitung aus der Feder des bekannten Kunstwart-Leiters Ferdinand Avenarius wird das Interesse für dieses liebens werte Ludwig Richter-Buch noch besonders erhöhen. ätidewsknts KIsjik>ünü Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das ist eine Redensart, die eines gewissen Rechtes nicht ent behrt. Wie viele Menschen gibt eS z. B. die früher sagten: „Malzkaffee kann ich nicht trinken" und wenn sie 8 Tage lang konsequent Bawf-Malz- ikaffee getrunken haben, so fühlen sie sich so wohl und Bamf schmeckt ihnen so gut, daß sie bedauern, damit nicht schon lange einen Versuch gemacht zu haben. L U ZzvsiA-OesckLite in I^sipriZ — UsZ^skurg — ?rgnkfurt a. U. — D^sscisn, ?ii'NLiscfter ?Ist2 unä LisZkrisÄ Leklssingsr. 8sus Hlgt-Ki Leks NsrktZässeksn emptestlea als UM- "MU Usks Usrktzäss-lisn