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^Amtsblatt Rr. 28S. Sonntag, den 12. Dezember 1809. 3 Beilage. «M idn >ie L iW. iimcklnMW ii AnluM am 1. Dezember 1SOS Anwesend: 22 Ratsmttglieder, 3 fehlte» ent schuldigt und 1 Mitglied fehlte unentschuldigt. Nach festgestellrer Beschlußfähigkeit des Rates naWi man 1. Kenntnis von dem Armenkassenaufwand für einen arbeitsscheuen Armen, dessen anderweite An- staltSunierbrmgung nölig ist. Wetter wurde die Anstaltsunterbringung eines arbeitsscheuen Einwoh ners beschlossen. Dann nahm man Kenntnis davon, daß der für 30 v. Mts. anberaumte kreishauptmannschast- liche Termin in einer Wegestreitsache der Witterung wegen verschoben worden ist und daß der Obst bauverein Hohenstein-Ernstthal für Stiftung eines Ehrenpreises zur Bezirks obstschau durch Schreiben dankt. Der Herr Vorsitzende empfahl die Anschaffung eines Sargiransportwagens. Beschlußfassung wurde zur Besichtigung auswärtiger Einrichtungen ver tagt. Weiter nahm man Kenntnis von der von dem Kirchenvovstand beschlossenen Ausnahme eines tilg baren Darlehens zur Deckung der Kosten der Nie derdruckdampfheizung in der Hauptkirche. Zur Mttvollziehung der Schuldverschreibung wird der Borsitzende ermächtigt. 2. wurde mitgeleilt, daß die Arbeiten zur Her stellung weiterer Hausanschlüsse an die Wasserleit ung der Witterung wegen eingestellt werden muß ten, daß die am 18. v. Mts. vorgenommene Druck probe der Wasserleitung günstig verlaufen ist Und volle Dichtigkeit der Leitung ergeben hat, sowie, daß die Hhdrantenprobe ebenfalls sehr gut ausge fallen ist. Ein Gesuch um kostenlosen Anschluß an die Leitung wurde abgelehnt. Den Ansuchen benachbarter Grundstücksanliegcr um Genehmigung zur Benutzung der Hydranten bei Feuersgefahr wurde bedingungsweise entsprochen. Den Beteilig ten bleibt die Anschaffung und Unterhaltung des' nöligen Schlauchmaterials überlassen. Sie werden dafür berechtigt, im Notfälle selbst das Wasser zu entnehmen, bis ein Beauftragter der Gemeind« die Leitung übernimmt. Ein weiteres Ansuchen von zwei Grundstücksbesitzern um Genehmigung zur Auf- stüllung von Hydranten auf ihren Grundstücken auf eigene Kosten wurde ebenfalls genehmigt. Darnach gelangte die Erklärung der Gesellschaft „Wasser leitung" wegen Ueberlassuug der Gesellschaftsleitung an die Gemeinde zum Vortrag. Nach sehr langer und lebhafter Aussprache ergab die Abstimmung Annahme der Erklärung mit dem Vorbehalt, daß die bei der Genossenschaft WafserbezUgsberechligten sich zur anteiligen Tragung der Kosten etwa nötiger Reparaturen an der Hauptleitung verpflichten. DieEinsetzung der Wassermesser wurde b. a. w. den Handwerkern übertragen, die die Hausleitun gen hergestellt haben. 3. In einer Bausache wurde das zu Skraßen- zweckcn abzntretende Areal vergleichsweise entschä digt. Ein Gesuch um Gruudstücksausflurung und Stratzenausbau wurde abgelehnt. 1. Die Neufestsetzung der ortsüblichen Tage löhne gewöhnlicher Tagearbeiter hielt man für ge boten und schlug nach den Durchschnittslühnen fol gende Sätze vor: 2,50 Mk. für männliche Perlonen über 16 Jahre, 1,50 „ „ weibliche „ „ „ „ 1,50 „ „ männnliche „ unter „ „ 1,00 „ „ weibliche „ „ . . o. Von der Einführung einer Wertzutvachs- steuer versprach sich die Mehrheit des Rates bei der Lage des Ortes wenig Erfolg. Die Steuereinfüh- rung Wierde deshalb b. a. w. abgelehnt. 6. Die Wahl eines Unterkassierers für das Wasserwerk wurde vertagt und der Verfafsungsaus- schuß um Vorschläge ersucht. § 7. Eine' Klagsache sah man nach Vortrag der Akten für erledigt an. Hierauf erfolgte Schluß der öffentlichen Sitz ung. In der geheimen Sitzung wurde u. a. einem Gesuch um Entlassung von Areal aus dein Pfand- verbande und einem Darlehnsgesuch entsprochen. Drei Anlagenerlaßgesuche wurde genehmigt und eine Anzahl tveiterer Gesuche sanden teilweise Be- rücksichtigung. Die übrigen Punkte sind zur Ver öffentlichung ungeeignet. Mv Herzschlag Epidemie. Kriminal-Erzählung von E. Brenckendorfs. Kopfschüttelnd ging der alte Sanitätsrat die Treppe hinunter. Kopfschüttelnd und mit emstem Gesichte. Die sonst so lustig hinter den Brillen gläsern hervorblickenden Augen hatten einen selt sam nachdenklichen und erschrockenen Ausdruck an- genommM. „War es denn möglich? Konnte cs denn mög lich sein, daß der junge Berghoff, der doch erst vor 14 Tagen seines Vaters Fabrik übernommen hatte, vergiftet worden war. Und hatte etwa der Barer. — — — Sollte Gift die schreckliche Er ¬ klärung -u dem Geheimnis der, Herzschlag-Epidemie sei», die fett einigen Wochen in Ludwigsdorf meh rere Bürger verschiedensten Alters hinraffte?! — Was war zu tun?" Der alte Herr sprach es halb- laut vor sich hin und ging seiner Wohnung zu. Er wußte sich keine« Rat. Vor wenigen Mi nuten war ihm die Erkenntnis gekommen, daß Cyankali die Ursache von Berghoffs Tode sein könne. Und auch des Todes der andern. Nur so lieh sich eine Erklärung finden für das plötzliche Hinsterbon ganz gesunder Menschen. Schon früher hätte er darauf kommen müssen. Doch wie sollte ihm ein solch furchtbarer Gedanke erwachsen, daß i» dem harmlosen kleinen Städtchen ein Giftmischer sein Unwesen treibe? Ein entsetzliches Rätsel lag hinter den Todes fällen versteckt. Wenn er Recht hatte mit seiner Annahme, woher kam das Gist? Wie wurde es den Opfern beigebracht? Der Sanitätsrat war an seinem Hause ange- langt. Sinnend schritt er die Treppe hinan, er- entrang sich seinen Lippen. Krampfhaft warf er die Arme empor, stand eine» Augenblick starr und schlug dann schwer zu Boden. Das etntreleUde Mädchen stieß einen schrillen Schrei aus, als sie den leblos Liegende» gewahrte. „Gnädige Frau! Gnädige Frau! Der Herr! —" Die Frau Sanitätsrat kam hastig herbeigeeilt. Ihre Augen weiteten sich unnatürlich, als sie den Toren erblickte, dann sank sie mit einem schwachen Wehlaut neben der L«tche nieder. „Lisbeth, schnell zu Bollinger," vermochte sie noch hervorzustoßen und fiel in Ohnmacht. Doktor Bollinger, der 10 Minuten später atem los > hereinstvrzte, konnte nur den Tod seines Freundes feststellen. „Herzschlag," sagte er und setzte hinzu: „Wieder einer." Dann versuchte er die Witwe, welche sich in zwischen aus ihrer Ohnmacht erholt hatte, zu trö sten. Aber diese war keinen Trostgründen zugäng lich. Niedergebrochen, in stummer Schmerzensapa thie saß sie mid weinte still vor sich hin. Ich habe beretts die befremdliche Tatsache nach Berlin gemeldet und erwarte tagtäglich die Ge- sundhettskomwisston." „Seuchenartiger Herzschlag? Das ist doch noch nie dagewesen." „Wir stehen aber hier vor dem Faktum, Herr Korting," entgegnete etwas pikiert Doktor Bol linger. „Pardon, Herr Doktor," entschuldigte sich Korting, „ich wollte Sie nicht verletzten. — Ver liefen die Todesfälle dem: alle auf gleiche Art? Waren keine besonderen Begleitumstände?" „Nein, absolut nicht. Da sind zum. Beispiel Berghoffs. Vor vierzehn Tagen starb der Vater, als er abends allein in seinem Arbeftszinuner saß. Gestern kurz nach mittag saß der Sohn tot in demselben Zimmer. Er hatte die Feder zu einem Briefe angesetzt. — Ihr Vater kam gerade von ihm. Ob vielleicht die Aufregung?" „Das glaube ich nicht, trotzdem es nicht un möglich ist. — Doch ich will Sie nicht länger aufhallen. Ihre Patienten warten. Adieu, Herr Doktor!" .Der Herr Sanitätsrat kam allein und kltn dies. Irgendwo würde doch ein Vev in ort schweren Schaden. In Emden trieb der Wind gab den Text an, den die Trauerbriefe tra- Er gen sollten und wählte sich das Format aus. Ein richteten, gewaltige Verheerungen angerichtet. Viele Schiffe wurden auf offener See durch die Sturmflut Eine Sorte empfahl ihm der Alte besonders, großes viereckiges Format, starkgUmmierte Derandauernde Sturm, der seit mehreren Tagen der Nordsee tobte, hat, wie wir aurführlich be- derschrieb, den Korting diktierte, kam Hugo in den Laden herein. Er gab den die Hand und machte sich an den Hauptstraße durchschritt, Schaufenster des Schreib wunderliche alte Englin dein Kun- Kuverts zu Da er ge- zog er sich Büttenpost. Koning stellte dies zur engeren Wahl nebst zwei anderen auf den StUhl vor dem La dentisch. und anderen Vorlagen. Anhalt zu finden sein. Während er so die fiel sein Blick auf das Warengeschäfts, das der zum Glück so nahe an die Dünen getrieben wurde, der Kettenverankerung in« Meer. DerKranensührer daß die Passagiere sich durch einen Sprung von konnte zum Glück gereitet werden. Auch ein zweiter Bord retten konnten. Auch auf dem Festlande und Kran wurde aus dem Gleise gehoben. inne hatte. Das Haus, in dem der Laden sich be fand, uud das auf den jetzigen Inhaber von Va ter und Großvater übergegangen war, war klein und nur einstöckig. Es hob sich gar sonderbar von den anderenmodcrn gebauten drei- und vierstöckigen Nachbarhäusern ab, zumal es fast einen Meier aus der Straßenflucht Vorstand. Der alte Eng lin hauste allein mit einer Wirtschafterin und seinem sechsjährigen Enkel, den er, da dessen El tern gestorben waren, zu sich genommen hatte. Er liebte den einzigen Sproß seines Namens fast ab göttisch. Korting dachte an die Todesanzeigen und be trat den Laden. Der Alte begrüßte ihn katzen freundlich und zuvorkommend, was von der schrof fen Art, die Englin sonst an sich gehabt, grund verschieden war. Doch Korting achtete dessen nicht. schaffen, die auf dem Stuhle standen, wohnt war, alles anfasscn zu dürfen, hall« der Wyker Kinderheilstätte und die Badezellen weggeschwemmt. Auch sonst erlitt der beliebte Kur- Der Doktor drückte dem angehenden Kollegen jwarm die Hand. — — Als Korting wieder in dem Zimmer saß, das seines Vaters Sterben gesehen, da zergrübelte er seinen Kopf nach der Ursache der beängstigenden Todesfälle. Sollte eine Vergiftung vorlieg««? Aber das war doch schlechterdings unmöglich. Vo« den anderen Fällen ganz abgesehen, wie sollte seinem Vater das Gift beigebracht worden sein. Er klingelte das Dienstmädchen herbei und frug, ob irgend ein Besuch bei seinem Vater kurz vor dem Tode gewesen sei. Lisbeth verneinte schloß die Korridortürc und ging in sein Arbeits zimmer. Schwer ließ er sich hier in seinen Sessel fallen. Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust. Was war zu um? — Noch hatte er mit nie mandem von seiner furchtbaren Ahnung gesprochen. Erst mußte er Gewißheit haben. Eine Gewißheit, vor der ihm graute. Ob er seinen Freund und Kollegen Bollinger einweihir und diesen zu der Obduktion mit heran zog? Schnell entschlossen warf er paar Zeilen auf einen Briefbogen. „Lieber Bollinger. Komme doch bitte sofort zu mir herüber. Wichtige Ange legenheit. Obduktion auf Vergiftung. Gruß Kor ting." Er kniff das Blatt zusammen, steckte es in ein Kuvert und klebte dieses zu Dann stand er auf und drückte auf den Kopf der elektrischen Klingel, das Mädchen herbcizurufen. Den Brief legte er auf das Bücherregal, dem er ein Werk über Blau^- täurevergifiungen entnahm. Er mußte lächeln, als er in diesem Momente einen schwachen Bittermandelgeschmack auf der Zunge fühlte. „Halluzination," sagte er haiblaut: aber im selben Momente überkam ihn eine Atem- Während nun der alte Englin den Text nie der kleine den Inseln richtete das Unwetter mannigfache hecrungen an. So wurden auf Föhr die Sttand- beklemmung. Er wollte aufschreien, doch kein Laut Telegraphisch wurde der in Berlin im dritten Semester Medizin studierende Sohn benachrichtigt. Er traf bereits am nächsten Morgen ein rmd suchte sofort Doktor Bollinger auf. Der empfing ihn herzlich. „Ein trauriges Geschick, das Sie betroffen," meinte er teilnehmend, „mußte Ihr trefflicher Va ter, mein lieber Freund, nun auch dem seltsamen Tode verfallen, der seuchenartig unser stilles Städt chen heimsucht." „Seuchenariig?" frug der junge Mediziner er staunt. „Ich denke, mein alter Herr starb an Herz- lchlag." „Ganz recht; aber die Fälle von Herzschlag haben sich in den letzten Wochen hier erschreckend gehäuft. Während sonst im Jahre drei bis fünf derartige plötzliche Absterben zu verzeichnen ge wesen sind, mußte in den letzten drei Wochen be reits elf mal diese heimtückische Todesart konsta tiert werden." gelte nach einer Welle. Als ich dann in wenige» Sekunden hereintrat, lag er tot, neben ihm das Buch da." Sie zeigte aus den Band, den der Verstorbene herausgenommen hafte. " Korting griff danach. „Bläufäurevergifümgen? Sollte mein Vaier etwa auch schon den Gedanken gehabt haben?" Er sah das Briefchen, welches de» Sanitätsrat schrieb und das vergessen und unbe achtet liegen geblieben war. Erstaunt las er die wenigen Worte. Also wirt lich! Sein Vater hatte den gleichen Gedanken ge habt. — Aber wie war es dann möglich, daß er selbst an dem Gifte starb? Das Rätsel, das ent setzliche Geheimnis, wurde immer undurchdring licher. Es überkam den jungen Mediziner plötzlich Furcht, ob nicht hinter ihm etwa auch schon de» furchtbare Feind laure. Doch nur für einen Au genblick. Was konnte ihm hier geschehen? Aber er wollte sich hüten, irgend etwas zu sich zu neh men, ohne es genau geprüft zu haben. Er ging sodann ins Wohnzimmer hinüber, wo seine Mutter mit geröteten Augen saß. Sie bat ihn, Todesanzeigen zu bestellen, überhaupt alle nötigen Anordnungen zu treffen. Korting ging gerne hinaus. Ihm war der Kopf so voll von der eben gemachten Entdeckung, daß es ihm in den Zimmern zu eng und dum pfig war. Fierberhaft arbeitete sein Hirn, um das Rätsel zu lösen, in welcher Art der geheimnisvolle Giftmischer seine furchtbare Arbeit machte. Er mußte alle Fälle untersuchen, die Umstände prü fen, die vielleicht gleichartig beim Tode des einen bedrängt, und nicht alle waren so glücklich wie der < . Dampfer „MarS", der kvi Rotterdam strandete, aber die auf Schienen ruhende riesige Erzoerladebrücke trotz „Aber das ist doch unmöglich," warf der Sohn auch einen der Büttenunischläge aus dem Karton des Saniiätsrats ein. ! heraus und leckte ihn an, um ihn zuzukleben. „Nein, es ist so. Rätselhaft ist es mir jaj Im selben Augenblicke sprang Englin mit auch, ebenso wie Ihr Vaier es unverständlich sand angstverzerrter Miene und leichenblassem Gerichte