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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt Amtsblatt Nr. 280. Donnerstag, den 2. Dezember 1S09. Beilage. Sächsisches. — Bor 70 Jahren, am 1. Dezember 1839, wurde die e r st e sächsische Eisen bahn, die Leipzig—Dresdner, in ihrer ganzen Strecke eröffne!, nachsdem bereits am 14. April 1837 die Teilstrecke Leipzig—Althen dem Berkehr übergeben worden war. Die preußische Bahn Leipzig—Halle wurde am 18. August 1840 in Be trieb gesetzt. Auf der zweiten sächsischen Bahn, der sogenannten Sächstsch-Bahn, wurde der Betrieb auf den Strecken Leipzig -Altenburg am 19. Sep tember 1842, Altenburg—Crimmitschair am 15. März 1844, Crimmitschau»—Zwickau am 6. Sep tember 1845, Zwickau- bezw. Werdau—Reichenbach am 31. Mai 1846 und Plauen—Hof am 20. No vember 1848 eröffnet. Erst am 15. Juli 1851 wurde durch die Fertigstellung der Strecke Reichen bach-Plauen der Verkehr auf der ganzen Bahn linie eröffnet. Am 15. November 1858 erfolgte die Eröffnrmg der Bahnlinie Zwickau—Chemnitz und am 29. November 1875 »ourdc die Zwickau- Falkensteiner Bahn dem Betriebe übergeben. — Lichtenstetn, 30. Nov. Am Sonntag abend fuhr ein mit Kindiaufsgästen besetzter Schlit ten durch die hiesige Bleichgassc. Zur selben Zeit belustigten sich einige Kinder mit Schlittenfahren von dem sogenannten kleinen Oeserberg herab. Ge rade in dem Augenblick, als das erstgenannte Ge fährt in scharfem Tempo herankam, bemerkte der Führer, daß ein Kind direkt in das Geschirr hin- etnfuhr. Er zog die Pferde sofort so straff an, daß letzter« stillstanden. Ohne irgendwelchen Scha den zu nehmen, glitt nun der von einem kleinen Mädchen besetzte Schlitten unter den Pferden hin. Die Insassen des Gefährtes verwandelten den Schrecken, den die Kleine ergriffen, durch Geldge schenke in sichtlich« Freude. — Burgstädt, 30. Nov. Frau Bleicherei besitzer Fischer in Dresden, früher in Göppersdorf, hat vor ihrem Ableben der hiesigen Kirchgemeinde zu einer Stiftung ihres Gatten in Höhe von 5000 Mark wettere 15 000 Mark für Wohllätigkeitszwecke zugewtesen. — R ö h r s d o r f, 30. Nov. Auf der Dorf straße stürzte der 12jährige Sohn des Klempner- metsters Mehlhorn von einem Schlitten und fiel auf einen im Rucksack getragenen eisernen Rost. Der Knabe erlitt so schwere Verletzungen, daß er nach einer Stunde starb. — Chemnitz, 30. Nov. Heute nachmittag 2 Uhr 52 Min. traf Kronprinz Georg in Begleit ung des Milikärgouverneurs Major Baron O'Byrn, von Dresden kommend, ein, um der Villiersfeier des 5. Infanterie-Regiments beizuwohnen. Der Kronprinz begrüßte die Stabsoffiziere des Regi- meins und ging dann die Front der Unteroffiziere und Mannschaften ab. Dabei zog er viele der Leute ins Gespräch. Längere Zeit unterhielt er sich u. a. mit dem alten Regimentstamboun a. D. Feldwebel Büttner. 3 Uhr 15 Min. begann das Festmahl, das bis 4 Uhr 45 Min. andauerte. Der Kronprinz unterhielt sich ivährend des Mahles und nach diesem in leutseligster Weise mit allen Herren des Regiments. Die Unteroffiziere und Mannschaften des Regiments hatten aus Anlaß der Villtersfeier dienstfrei. Kurz vor 6 Uhr verließ der Kronprinz das Kasino, dabei bildeten Fackel träger von dort bis zum Kasernentor Spalier und aus den Stuben waren die Mannschaften in zwang loser Weise auf den Kascrnenhof gekommen und riefen dem Kronprinzen ein begeistertes Hurra zu. - Für die Kreishauptmannschaften Chemnitz und Zwickau ist ein österreichisches Vizekonsulat mit dem Sitze in Chemnitz errichtet und zum Konsul der Direktor des Chemnitzer Bankvereins, Herr Kom merzienrat Otto Weißenberger, ernannt worden. Das Exequatur der königlich sächsischen Regierung teht noch aus. — Die Stadwerordneten-Sttchwahl ür die Abteilungen A1 und A2 ergaben die Wahl >er Kandidaten des Bürger-Wahlausschusses und der Freien Wahlveretnigung; die Sozialdemokraten errangen kein Mandat. — Freiberg, 30. Nov. Ein Pistolenduell miter schweren Bedingungen fand im Hospital walde in unmittelbarer Nähe der GarnisonsLieß- tände zwischen einem russischen Studierenden der Bergakademie ,md einem Offizier des 12. Jäger- baratllons statt. Beide Duellanten wurden sehr chwer verletzt. Ueber die Ursache zu dem blutigen Duell wird Stillschweigen bewahrt. — A n n a b e r g, 30. Nov. Um das Schank- hausverbot gegen böswillige Steu«rrestanten wirk- am durchführen zu können, haben die Gemeinden »er Amtshaupdnonnschaft Annaberg sich zu einem Verbände zusammengeschlossen und sich dahin ge ¬ einigt, daß das von der Gemeindebehörde eines Ortes erlassene Schankhausverbot sich in seiner Wirksamkeit auch auf cüle anderen Orte des Be zirks erstrecki, deren Mittelpunkt nicht weiter als 'sechs Kilometer von dem Mittelpunkte des ersteren Ortes liegt. Man will dadurch verhindern, daß das SchankhMsverbot durch Besuch von Schank stätten eines Nachbarortes umgangen wird. — Schneeberg, 30. Nov. Ein vierzehn jähriger Knabe fuhr beim Ruscheln auf der Straße an einen Baum und brach ein Bein. — Durch die großen Schneemassen und den orkanartigen Sturm ist in den Wäldern der hiesigen Gegend beträcht licher Schaden angerichtei worden, besonders haben die jüngeren Bestände gelitten. — Z w i ck a u, 30. Nov. Ein 14jähriger Schulknabe kam hier wegen Urkundenfälscyung zur Anzeige. Um sich einen Rodelschlitten taufen -u können, hatte er durch einen zweiten Jungen meh rere Kleidungs- und Wäschestücke seiner Mutter bei einer Trödlerin verkaufen lassen und jenem dabei eine Bescheinigung mitgegeben, die er mir dem Nomen seiner Mutier unterschrieben hatte. — Netzschkau, 30. Nov. Einen bemer kenswerten Beschluß faßte der hiesige Stadtrat be treffs der Erhebung der städtischen Bicrsteuer. Diese Steuer soll versuchsweise nicht mehr, wie bis her, vom Einführer, sondern vom Empfänger des Bieres erhoben werden. — Pirna, 30. Nov. Im benachbarten Heidenau suchte am Moirtag eine 27jährige Fabrik arbeiterin mit ihrem ^jährigen Kinde im Elb- strom den Tod. Die Mittler wurde gereitet, wäh rend das Kind ertrunken ist. Enttäuschungen bit terster Art haben die Unglückliche zu dem verzwei felten Schritt getrieben. — Seifhennersdorf, 30. Nov. Beim Ruscheln ertrunken ist hier das vierjährige Söhn chen des Schneiders Ludwig. Das Kind hatte am Mandauufer geraschelt und war dabei mit dem Schlitten in die Mandau geraten. Das arme Kind mußte, da niemand zur Rettung zugegen war, er trinken. — Dresden, 30. Nov. D«r außerordent- ich zahme und seinem Wärter sehr ergebene fünf Monate alte männlich« Löw« „Prinz" hatte kurz nach seiner Geburt das Unglück, von seiner eige nen Mutter so verletzt zu werden, daß er da« rechte Auge crirbüßlc und außerdem noch fortgesetzt Eite rungen am offen herausstehenden Augapfel erleiden mußte. Durch das tterfrcundliche Eingreifen des Augenarztes Professors Dr. v. Pflugk-Drosden wurden dem armen Tiere nicht nur die Schmerzen genommen, sondern auch das Aussehen einer an nähernd natürlichen Sehkraft geschenkt. Es ist ein guter reizloser Äugenstumps zurückgeblieben. — Radeberg, 30. Nov. Der Sohn des Kaufmanns Unger zog sich beim Rodeln auf der bei Rochwitz gelegenen Rodelbahn einen Unter schenkelbruch zu Am gleichen Nachmittage erlitten noch zwei andere Rodler ebenfalls Beinbrüche. — Riesa, 30. Nov. Auf dem hiesigen Rit- tergutc sind seit September 49 Hühner von einem Hunde toigebissen worden. Das erstemal durchbitz er 30 Hühnern die Kehle; als er zum zweitenmale in das Gehöft eindrang, brachte er 12 und beim drittenmale 7 Hühner zur Strecke. Als er vor gestern früh in der vierten Stunde abermals in das Gehöft emdringen wollte, wurde er vom Rit- terguispersonal eingefangen. Dem Besitzer dürfte die Mordlust seines Köters teuer zu stehen kom men. Die getöteten Hühner mußten sämtlich ver scharrt werden. — Döbeln, 30. Nov. Infolge einiger durch Tauwetter eingetretenen Rutschungen ist das Gleis der Schmalspurbahn Mügeln—Döbeln zwischen den Stationen Großbauchlitz und Döbeln unfahrbar ge worden. Die Züge der Schmalspurbahn können deshalb nur bis und ab Großbauchlitz verkehren und müssen die Reisenden dortselbst in die Züge der Chemnitz—Riesaer Linie mnsteigen. — Die Lässigkeit der bürgerlich gesinnten Einwohner hat bet der gestrigen Stadwerorbnekemoahl einen drei- ächen Sieg der Sozialdemokratie bewerkstelligt. Von neun Gewählten waren drei vom sozialdemo kratischen Wahlverein aufgestellt gewesen. Vier bür gerliche Vereine hatten sich auf eine Liste geeinigt, >er Mangel an Vorschlägen bewirkte aber ein« laue Wahlbeteiligung. Wenig mehr als die Hälfte »er Wahlberechtigten erschien an der Urne. — Nossen, 30. Nov. In Rodewitz bei Nossen hat der stellenlose 19jährige DteUslknecht Gaida seine Geliebt«, di« 20jährige landwirtschaft liche Dienstmagd Rudolph, Lie beim Gutsbesitzer Heine in Dienst stand, erschossen und dann sich