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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt Amtsblatt Nr. 274. Donnerstag, den 25. November 1909. Beilage. Sächsisches. — Im 2. Drittel des Monats November stellten sich die Niederschlagsmengen in unseren Flußgebieten folgendermaßen: NiederschlagSm. Norm. Stand Abweichung Zwick. Mulde u. Tal: 50 MM 16 mm >34 MW - - m. - 70 18 - -s-52 - - o. - 74 22 - -s-52 Chemnitz: 54 17 - -s-37 Würschnitz u.Zwönitz: 68 20 - >48 Lungwitz: 56 - 17 - >39 — Neue amtliche Postkarten sol len demnächst zur Ausgabe gelangen. Die Reichs- Postverwaltung wird jetzt aus Anregung der Ber liner Handelskammer die Vorderseiten der Postkarten, von denen die linke Hälfte für schrift liche Mitteilungen freigegeben ist, ähnlich wie ihn die in der Privatindustrie hergestellten Postkarten bereits besitzen mit einem senkrechten Strich versehen, der die Adresse von der Mtt- jeiluitg trennt. — Neuer Fortschritt der na tionalen Arbeiterbewegung in Sachsen ist zu verzeichnen, indem die evange lischen Arbeitervereine im Erzgebirge ein eigenes nationales Arbeiterbereinssekre- tariat mit dem Sitz in Annaberg sür die Vereine und für die nationale Arbeiterschaft im allgemeinen errichtet haben. Der Landesverband evangelischer Arbeitervereine im Königreich Sachsen ist z. Zt. der stärkste nationale Arbeiterverband und hat durch seine Rührigkeit Wohl auch die Fühnmg der nationalen Arbeiterbewegung in Sachsen seit Jahren. Durch die intensive Agitation eines be sonderen im vorigen Jahr angestelllen Verbands agitationsbeamten wurden im Lause dieses Jahres 26 neue Vereine gegründet, welche auch zum größ ten Teil mit Erfolg für die Jntexessen der na tionalen Arbeiterschaft gewirkt haben. Das ge nannte Arbeitersckretariat will dazu dienen, die »rationale Arbeiterbewegung im Erzgebirge zu för dern, wo der Wunsch nach Schaffung cvang.-na tionaler Arbeitervereine vorhanden, mit eingreifen, der nationalen Arbeitervereine behilflich sein, sich zü vereinigen. Wenn gleich die evangelischen Ar beitervereine heute in Sachsen 18 000 und in ganz Deutschland 130 000 Mitglieder haben, so können aber noch in vieleir Orteir Sachsens derartige ^am- inelstätlen der nichtsozialdemokratischen Arbeiterbe völkerung geschaffen werden. Da die evangelischen Arbeitervereine keine Klassenbewegung sind, son dern in Gemeinsamkeit mit den sozial denkenden Männern aller Stände der nationalen Arbeiterschaft zur Vertretung ihrer Interessen behilflich^ zu sein suchen, so wäre nur zu wünschen, daß sich aller orts hilfsbereite Männer finden, damit das neue nationale Arbeitersckretariat in allen Orten Mit Er folg auch weiter arbeiten kann. Nachdem die Wah len zum Landtag vorüber sind, heißt es allerseits: „An die Kleinarbeit im nationalen Lager! — Chemnitz, 23. Nov. Die Ergänzungs wahlen zum Stadlverordneten-KoÄegium ergaben in der Klasse A 1 Stichwahl zwischen dem sozialdemo kratischen Kandidaten und dem des Bürgerwahlaus schusses (Vereinigte Innungen und Bezirksvereine), in Klasse A 2 Stichwahl zwischen dem Kandidaten der freien Vereinigung (Nationalliberale und Frei sinnige) und des Bürgerwahlausschusses. Die So zialdemokraten gewannen in beiden Klassen bedeu tenden Zuwachs gegen früher. — Bei dem Ab bruch eines am Johannisplatze befindlichen Hin terhauses glitt am Montag nachmittag der 34- jährige Polier Otto Müller von hier von einer Wand ab und stürzte etwa drei Meter tief hinab. Der Verunglückte, der einen Schädelbruch erlitten hatte, ist noch in der Nacht darauf gestorben. Er hinterläßk eine Frau und vier unerzogene Kinder. — Mittweida, 23. Nov. Selten Hai bei Aufstellung der Kandidaten zur Stadlverord netenwahl eine solche Zersplitterung der bürger lichen Parteien geherrscht wie dieses Jahr. Zehn Stadtverordnete waren zu tvählcn und 32 (!) Bürger wurden in vier verschiedenen Listen vorge schlagen. Dank solcher Zersplitterung und infolge von Quertreibereien sind vier Sozialdemokraten mit ins Kollegium gewählt worden. — Leipzig, 23. Nov. Der König von Dänemark weilt seit einigen Tagen hier. Am Sonnabend besuchte er das Kabarett Blumensäle und folgte den Vorträgen Nlit regem Interesse. Am Sonntag früh gegen 11 Uhr fuhr der König nach Dessau. Abends gegen 8 Uhr traf er wieder in Leipzig ein und nahm abermals im Hotel Hauffe am Roßplatz Wohnung. Gestern früh und nachmittag machte er Spaziergänge in der Stadt. — Der Leipziger „Kristallpalast" kann heule ein Doppeljubiläum begehen: einmal das der Grün dung des Leipziger Schützenhauses vor 75 Jahren und dann das der Eröffnung des Leipziger Kri stallpalastes vor 25 Jahren. — O b e r k r i n i tz, 23. Nov. Hier brannte die Scheune des Gutsbesitzers Albin Schmutzler vollständig nieder. Arrch sämtliche Erntevorräte, landwirtschaftliche Maschinen und einige Gänse wurden ein Raub der Flammen. — Stützengrün, 23. Nov. Im Wohn haus des Malermeisters Süß entstand auf unauf geklärte Weise Feuer, das in kurzer Zeit das ganze Haus in Asche legte. Das Inventar tonnte nur zum kleinen Teil gerettet werden. — Altenberg, 23. Nov. Der Besitzer des „Amtshofes", Freitag, hat, um den Winter sport zu heben, aus Norwegen ein Rennlierge spann nebst Führer bestellt. — I o a ch i m s t h a l, 22. Nov. Das K. K. Arbeitsministerimn hat Oberbergrat Kraupa und Hochschulprofessor Maher mit Kollaudierung des Radium-Laborattums, das der Staat hier errichtet hat, und mit der weiteren Untersuchung der Gru benwässer beauftragt. Fenier steht eine französische Gesellschaft wegen Erwerbung von Pechblende mit den maßgebenden Kreisen in Verbindung. Bisher war die Pechblende infolge älterer Gesetzesbestim mungen dem Staatsärar zu überweisen. — Dux, 22. Nov. Heute nacht wurden vom Teplitzer Theaterzug zwei Männer überfahren und schrecklich verstümmelt. Sie kamen vom Wirtshaus und wollten nach/ der Vorüberfahrt eines Last zuges den noch verschlossenen Uebergang überschrei ten. In diesent Augenblick brauste auf dem anderen Geleise der Theaterzug heran und tötete die beiden Bedauernswerten. Der eine ist verheiratet und Va ter von drei kleinen Kindern, während der andere mwerhetratet war. Renestes vom Tage. * Abd ul Hamid gegen die deutsche fieichsbank. Die „Frkf. Ztg. meldet aus Kon- tantinopel: Während Abd ul Hamid seine bisher bekannt gewordenen Depot« bei französischen und deutschen Banken zurückgezogen hat, stößt die Vor nahme der gleichen Transaktion bei der deulschen Reichsbank auf große Schwierigkeiten. Da« Depot de« ExsultanS bet der Reichsbank beträgt ungefähr 16 Millionen Fr. Als diese beträchtliche Summe seinerzeit hinterlegt wurde, knüpfte Abd ul Hamid die schriftliche Bedingung daran, daß ihre AuSfol- gerung nur erfolgen dürfe, wenn seiner Unterschrift ein besonders konstruierter Stempel beigefügt werde, von welchem die ReichSbank da» Duplikat erhielt. Bei den Ereignissen vom 13. bis 24. April, die die Entthronung de» Sultans herbetfÜhrten, war aber dieser Stempel verloren gegangen und konnte trotz aller Bemühungen nicht mehr gefunden werden. Die ReichSbank mußte daher das wiederholte Ver langen der Gefangenen von Saloniki auf Heraus gabe des Depots abschlägig bescheiden, da sie gesetz- lich gezwungen ist, sich an die ihr auferlegten Be dingungen zu halten. Der Sultan wird nunmehr zur Geltendmachung seiner Ansprüche den Klageweg gegen die deutsche ReichSbank beschreiten. Die jüngste Reise deS türkischen Botschafters in Berltv, OSman Nizami Paschas, nach Konstantinopel hing hiermit zusammen. Der frühere Sultan hat mit Zustim- mung amtlicher Kreise einem Berliner Rechtsanwalt Vollmacht erteilt, in dem sitzt vor dem hierzu kom petenten Berliner Gericht anhängig gemachten Prozeß seine Interessen zu vertreten. -Zum WtenerMassenmordoersuch. Nun hat sich auch ein in der <rooinz garnisonie- render Generalstabsoffizier als Empfänger der Gift pillen gemeldet, so daß erwiesen ist, daß der Mörder eine Sendungen auch in die Provinz geschickt hat. Weiter wurde konstatiert, daß sich noch nicht alle Offiziere in Wien, die Pillen erhielten, gemeldet haben. Ferner hat sich ergeben, daß der Name „Charles Francis-, mit dem die Briefe unterzeichnet ind, der Name eines englischen Drogisten ist, der vor einiger Zeit Regenerationspillen und ähnliche Geheimmittel annoncierte und versandte, vor denen die Sanitätsbehörde amtlicb warnte. Der Attentäter hat den Namen dieses Drogisten auf seinen Zirku laren nachgeahmt. Dec richtige FranciS hat sich noch nicht gemeldet, doch besteht zwischen dem Täter und ihm sonst kein Zusammenhang. Ein hoher Ge- ueralstabSoffizier hat einen Drohbrief mit verstellter Schrift erhalten, doch hängt dieser Umstand mit dem