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WOlMnMr WM Amtsblatt Rr 260. Sonmag, den 7. November 1S0S. I. Beilage Martinslag-Gejiiuge. Lon GL. Arendt. Wie bei fast allen volkstümlichen Festen ar tete« die «Hedem üblichen Bräuche am Martinstage in retne Bettelgänge aus, die es nicht sonderlich schade erscheinen lassen, daß nur wenig mehr von einem Marttnsfest zu merken ist. Interessant ist es jedoch, «tuen Rückblick zu werfen auf die verschie denen Gesänge und Verse, wie sie von den von Haus zu Haus ziehenden, Lichter tragenden Kin dern gesungen wurden. So sang — und singt auch vereinzelt heute noch — die Jugend im unteren Emsgau in Ostfriesland: Kip-Hap-Kögel Lünte Marten Vögel, Stinte Marien Dickebunt, Steckt sten Rääs to't Fenster unt. Die Fortsetzung des absonderlichen, wenig schönen Liedes gilt nicht dem Kirchenpatton, son dern aus praktischen Rücksichten dem Hausherrn oder Ler Familie, wo Einkehr gehalten wurde. Friedrich von Schiller. Ein Gedenkblatt zum 150. Geburtstage (10. November). scheu sprach. erstes Kind, Christophinc Friederike, geboren, 1759 die meisteil der Rollen sind jedem Schauspieler ge- kam Friedrich zur Welt. 1767 folgte die zweite läufig. Tausende von geflügelten Worten sind aus Tochter des. Paares, Dorothea Luise; die jüngste ihnen heraus in den Volksgebrauch übergegpngen. Schwester Schillers, Nanette, tvurde 1768 geboren. Ter beste Beweis, wie genial der Mensch zu Men- Sid war das erste Mitglied der Familie, das starb Am 150. Geburtstage Friedrich Erstaufführung am 13. Januar 1782 in Mann- Schillers verdient auch die Familie, aus der heim erfolgte und die dann trotz.ihrer Schwächen unser Nalionaldtchter hervorgegangen und in deren und Ueberschwengltchketten ihren Stegeszug über Kreise er herangewachsen ist, etn pietätvolles Ge- Hamburg, Leipzig und Berlin anttaten. Weniger denken. Schillers Vater, Johann Kaspar (geboren gut gelang „Die Verschwörung des Ftesko", in der 1723 zu Bitterfeld), war bekanntlich zuerst Mili- die äußeren theatralischen Wirkungen überwiegen, tärchtrurg in bayrischen, dann Offizier in württem-! Meisterwerke aber erstanden in „Don Carlos", „Wal- bergischen Diensten. 1719 heiratete er in Marbach tenstein", „Maria Stuart", der „Jungfrau von Or- öie Tochter des Bäckers und Löwenwirts Kod- leans", der „Braut von Messina" und „Wilhelm weis, Elisabeth Dorothea. 1757 wurde ihnen ihr Tell". Sie fehlen in keinem Bühnenreportoir, und sie verschied am 23. März 1796. Wenige Monate Als Schiller ein Jahr vor seinem Tode in später, im September, starb auch Schillers Vater, Berlin weilte, da erschien neben anderen poetischen der in seiner letzten Lebenszeit Oberschachtmeister Verherrlichungen folgendes Rätsel, das eine Un- und Inspektor der herzoglichen Gärten auf der terhaltung der Herrn A. bis E. darstellt: Solitude gewesen war. Dann traf das Los, aus A. Deutschlands Dichter, sowie ich vernommen, jubelnde Dasetnslust aufkovynen läßt und das Em pfinden der Menschen aus einen gedämpft« L»n stimmt. Und nun gar das der Frauen! Sie spie len als Kinder nicht unbefangen und sorglos, sie tändeln und lachen und schwatzen nicht als Jung frauen, Gattinnen und Mütter, wie ihre Mitschwe stern in andern glücklicheren Gegendm — für sie gtbts nur Arbeit, ständige mühevolle Arbeit, mit kurzen Erholungspausen dazwischen, in denen sie viel zu müde sind, um sich unbekümmerter Lust hinzugeben. Nie sieht man, wie bet uns, zwei Nachbarinnen vor der Haustür stehen und eifrig und heiter schwatzen, nie gehen die jungen Män ner und Mädchen plaudernd und flirtend die Stra ßen entlang. Begegnen sich zwei junge Leute ver schiedenen Geschlechts, so grüßen sie einander höf lich mrd schreiten, selbst wenn sie noch so bekannt sind und ihre Herzen nach Zwiesprache sich sehnen, stumm weiter. Im Süden Finnlands, zumal in Helsingfors, ist es etwas anders. Das erklärt sich vielleicht da durch, daß Helsingfors früher nahezu eine schwe dische und heute eine russische Stadt ist. Das prächtige, griechisch-katholische Gotteshaus, das, von Hier wohnt de riete Mann, Dee uns good wat geben kann; Völ kann he geven, Lang fall he leve», Zalig sall he starven, t Hemelriet bearven; God sall hum lohnen Mit HKndertdusend Kronen, Mit hundertdusend Klockjes dran — Daar kummt Sünte Marten an. Das Lied ist unbezweifelt alt und beherrscht in bezug auf die mannigfachen plattdeutschen Dia lekte ein weit ausgebreitetes Dominium, hat aber im Laufe der Zeit, wie im Gebrauche des Volks mundes verschiedener Landstriche, manche abwei chende Leseart erhalten. Im „Bergischen Lande" hatte der meist wenig harmonische Gesang folgen den Wortlaut: „Mitten (Martin) es en goode Mann De us good wat gewen kann Die Aeppel on die Beeren (Birnen) Die Nöte (Nüsse) gont ok met. Trapp owcn rop, trapp owen rop Do steht en ganz grooten Sack On packen sie nit donewen Die Eltern Schillers. ins 3. 2. dem Familienkreise zu scheiden, Schillers Mutter, die 1802 zu Klcversulzbach starb. Schillers Schwe ster Christophinc Friederike lebte als Gattin des meiningenschen Bibliothekars Reinwald bis 18-17. Dorothea Luise war mit dem Staütpfarrer Frankh zu Möckmühl vermählt; sie starb 1836. Sankt Martini Fastertag! Er hat uns so viel Gutes gebracht. Alle Straßen voll Laternen, Sehn die Leute schon von Fernen. Alt rind jung Freuete sich. Das macht Martin Luther mich Als Martin noch ein Knabe war, Hai er gesungen manches Jahr Vor fremder Leute Türen. Er sang so schön, Er sang so zart, So ganz nach froinmer Kinder Art, Das könnt ein Herz Wohl rühren. Sünien Matten Vögelken, Har son rot, rot Kügellen: Sünten Matten har ne Kau, De Hörde Allerhtlgen rau. Allerhilgen Woll verkopen, Do räup dat Kindken von Lopen: Hier under wohnt en rieten Mann, De us wall wat gewen kann Van Appel un van Beeren. Aeinen gräunen Appel, Dort könn wie gut up knappen, Aeine grüune Beeren, Dor könn wi güt up geeren, Aeine gräune Wotteln, Dor könn wir gut up spötteln, Lot't us hier nich länger stöhn, Wie mött van Omö no väder gohn, No väder äs no Köllen. Köln is 'ne schöne Stadt, Schöne Jungfrau gew't us Watt! Daraus kommen die 8—11jährigen Kinder In den evangelischen Gegenden mögen die Sänger oft „Sünic Märien" als Martin Luther aufgefahi haben, zumal dessen Geburtstag (10. No vember) mit dein Martinitag zusammenfällt. Nach Pastor H. Meiderich singt man jetzt in Ostfries land folgendes Martinslied, wogegen die alte platt deutsche Fassung immer mehr zurückttitt: 1. Wir zünden unsere Lichte an Dem Martinus zu Ehren, Dem Lichtfreund und dem Glaubensmann, Und niemand soll's uns wehren'. Schönes, Helles, Schönes, Helles Martinslicht, Helle sollst du funkeln Trotz des Abends dunkeln. Erst wenigeJahre sind verflossen, seit der Name Schillers, dessen Gedanken alt und jung im Herzen trägt, wieder in aller Munde war. Die hundertste Wiederkehr des Todestages rief aufs neue die Trauer um den Frühverblichenen wach. Doch nicht nur die Trauer. Stein, auch die Freude und herz frohe Begeisterung, daß Schiller, der Dichter des Schönen und Idealen, unser ist und uns eine reiche Fülle seiner gottbegnadeten Werke lchaffen konnte. Schiller ist inisterblich. Er und sein Freund rmö Zeitgenosse Goethe. Mehr noch wie letzterer hat Schiller es verstmrden, die Volksseele zu sas- sen, die Flamme der Begeisterung in sich und anderen lohen zu machen. Und daher kommt es, daß Schiller mehr Gemeingut aller Deutschen wurde, als der tiefgründigere Altmeister Goethe. Schillers „Lied von der Glocke", seine lebens volle Ballade „Die Bürgschaft", „Der Gang zum Eisenhammer", „Der Kampf mit dem Drachen", der lebendige mrd prächtige „Taucher", der satyrische „Handschuh", der „Ring des Polhkmtes", die „Kra- Jst seit gestern abend in Berlin. B. Sie verzeihn. A. . . . Gern verzichn. B. Deutschlands Psycholog ist angetommen. C. Mit Erlaubnis, Deutschlands Tragiker Kam von Leipzig gestern abend an. D. 's ist doch seltsam und mir sagte wer, Gestern sei Deutschlands Historiker In der „Sonne" abgetreten. E. Meine Herren, anstatt zu streiten, täten Sie, dünkt mich, weit besser daran, Wenn ein jeder seinen Mann Nennen wollte. Dieses orriginelle Rätselspiel weist auf Schil- lers Vielseitigkeit hin, auf den Dichter, Psychologen, Tragiker und Historiker. Dem deut schen Volke in seiner großen Mehrzahl jedoch rst nur der Dichter und Dramatiker bekannt geworden. Diese aber auch dafür gründlich. In diesen Tagen werden große Feiern ver anstaltet iverden; in vielen Reden wird das Lob und der Ruhm des großen Idealisten erklingen; die Bühnen werden Gedenk-Vorstellungen in Szene setzen, und Schillers Name erklingt allerorten. Die Einmütigkeit, mit der Alldcutschland Schillers ge- deirkt, gibt Zeugnis für den glänzenden, wohlver dienten Nachruhm. Schiller wird stets unvergessen bleiben. Er war es, der unserer Bühne die große Tragödie schuf. Haus, um die während ihres Gesanges herbeige- Holten Aepfel in Empfang zu nehmen. Viel Zett haben sie nicht, denn wollenste auchnicht „no väder öS no Köllen", so denken sie doch die einzelnen Häuser der Bauernschaft durch ihren Gesang zu er freuen. Aber sic scheiden nicht ohne ein Wort des Dankes; draußen singen sie: Appel Hai j' us gewen, Lange mög jt lewen, Selig mög ji sterwen Un denn Semmel erwen! Hai man ihnen nichts gegeben, sie vielleicht, wie das auch vorkommt, mit Wasser begossen, dann singen sie: An n blauen, blauen Hemmel Dor Hang 'nen Sack mit Semmeln. Well tick d(o)r ut, well kick dr ul? Dor kick der gierge (Name des Geizhalses) ut. In der Altmark hat das Martinslted folgende Fassung: Märtin, Märtin Vögelken Met die vergoldtn Flögelken, Fle«g hoch des öber'n Wiem; Morgen is ei Märtin, Märtin is en goden Mann, De uns all wat gäwen kann Sie können us good wat gewen!" Heber den Martinsbrauch im Kreise Tecklen burg (Westfalen) berichtet Dresselhaus: „Wenn man am Vorabend des Martinitages traulich am Herd feuer sitzt, läßt sich draußen hinter den Fenstern plötzlich ein lautes Singmr vernehmen. Es sind die „Süntenmattenstngers", Kinder, welche sich mit diesem Singen einige Aepfel verdienen wollen. Ihr Lied bat folgenden Wortlaut: niche des Jbykus" und der romantische „Ritter Tog- - - - .. genburg" haben eine Verbreitung gefunden, wie Er machte die Gedmikendichtung zur Allgemeinheit wenige Gedichte und Balladen anderer Dichter. und gab persönlich in seinem energievollen Stre- Mehr noch trat der D r a m a t i k e r S ch i l-wen, seinem unüberwindbaren Wollen ein Charak- ler mit dem deutschen Volk in innigen Konnex^terbild, das fast vereinzelt steht. Recht populär sind die „Räuber" geworden, deren Finnisches Frauenlebeu. Von M. Kossa k. Sie lieben ihr malerisch schönes Surmi — die finnischen Frauen, aber ihr Leben ist kein leichtes und frohes. Wie im Lande der tausend Seen und ungezählten Brücken die Sonne nicht die strahlende Tageskönigin ist, die im regelmäßigen Wechsel Tag und Nacht erscheinen läßt, so hat auch die Freude dort ein anderes Gesicht. In den „Weißen Näch ten", die die gleich einem blutroten Ball am Him mel stehende mitternächtige Polarsonne selbst in den südlicheren Teilen des Landes zeitigt, liegt etwas Gespenstisches, Niederdrückendes, das keine der Hafeneinfahrt gesehen, das ganze Stadtbild beherrscht, erscheint gewissermaßen wie ein Symbol des Russentums, das dem Ort seinen Stempel auf- gedrückt hat und ihm den spezifisch finnischen Cha rakter nimmt. In Helsingfors werden glänzende Feste gefeiert, dort gibt es Restaurants, Theater- und Konzertlokale, dort flanieren auch die Damen in reichen Toiletten an der Seite dey Herren auf den öffentlichenllPromenaden — aber auch eben nur dort. Wer von allen finnischen Städten allein Helsingfors kennt, hat keine Vorstellung von dem Lande, dessen Hauptstadt es ist. Ein Beweis für die ernste Sinnesart der fin nischen Frauen ist es auch, daß es in den meisten Teilendes Landes, besonders in den nördlichen, fast gar keine öffentlichen Lokale gibt, die von Frauen besucht werden. Die Hotels und Restau rants sind ohnehin unglaublich dünn gesät und meist nahezu leer. Wenn die Angehörigen des weiblichen Geschlechts sich einmal ein paar Feier stunden machen wollen, so gehen sie ein wenig spazieren — ohne jedoch, wie es bei uns üblich ist, ein Gartenlokal oder ein ländliches Gasthaus als Ziel zu wählen — oder sie begeben sich paar weise nach einer Konditorei, um rasch einige Stücke Kuchen zu essen. Unter den finnischen Kondi toreien und Cafes darf man sich aber nicht einen Ort vorstellen, in dem Zeitungen ausliegen, w» zahlreiche Menschen plaudernd sitzen und Getränke aller Art, Eis, Cremes und dergleichen mehr ver kauft werden — Gott bewahre, es sind im Grunde nichts inehr und nichts weniger als Bäckerläden, in denen eine ungeheure Menge von Kuchen vor rätig ist. Kuchen, sonst nichts. Höchstens bekommt man noch Kafsee und Milch-Schokolade dazu zu trinken. Für viele Gäste sind die Räume auch gar nicht eingerichtet — in der Regel müssen die Besucherinnen, die sich dort erfrischen wollen, in dem engen Lädchen selbst das Bestellte verzehren. Ich habe mich oft über die Genügsamkeit der fin nischen Damen verwundert, die es als Feiertags vergnügen betrachten, in diesen Bäckereien rasch niehrere Stücke Kuchen völlig trocken herunterzu essen. Die Kuchen sind ja freilich ausgezeichnet und in bei uns ungeahnter Auswahl vorhanden; aber es sind auch eben nur Kuchen — keine Torten — die man, ohne etwas nachzutrinken, schwer her unter bekommt. Unsereins pflegt meist bei dem Ge nuß von einem Hustenanfall überrascht zu werden „Was machen die finnischen Frauen nur dem ganzen lieben langen Tag?" habe ich mich ost ge fragt, wenn ich die geschlossenen Häuser an den stillen, menschenleeren Straßen ansah. Je nun. sie arbeiten — wie ich spater erkannte — sie ar beiten vom frühen Morgen bis zum Abend. Die Mädchen werden ziemlich ausnahmslos für einen Beruf erzogen, dem sie nach erfolgter Ausbildung obliegen, bis zur Verheiratung und oft noch län ger. Die Frauen aber, deren Pflichten sie ganz ans eigene Haus fesseln, haben da drinnen genug zu tun, denn das Land ist arm und jedermann muß das seinige zusammenhalten. Wie es an rei chen Leuten fehlt, so gibt es allerdings wenige Notleidende in Finnland. Wenn die Frauen je doch nicht arbeiten, dann grübeln und trärunen sie, wie das ja leicht geschieht, wenn Menschen in hohem Maße von der Außenwelt abgeschlossen leben. Aus ällem bisher Gesagten möge man aber nicht den Schluß ziehen, daß es den finnischen Frauen an geistiger Regsamkeit und Bildung fehle. Sie haben im Gegenteil durchweg viel gelernt, reichlich so viel, wenn nicht mehr, als ihre Leut chen Schwestern. Erstaunlich sind ihre Sprach- Kenntnisse; in den höheren Mädchenschulen wird außer französisch un- englisch auch noch russisch und deutsch und zuweilen auch noch die eine oder andere fremde Sprache gelehrt. Finnisch und schwe disch aber sprechen sie selbstverständlich von klein auf. Im Vergleich zu ihrer wissenschaftlichen Bil dung ist ihr Können, was sie schönen Künste an betrifft, mehr als bescheiden Selten findet man eine Finnin, die zierliche Handarbeiten zu machen versteht Was man bei uns gelegentlich von Aus stellungen an Produkten finnischer Hausindustrie