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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 19.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190909191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19090919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19090919
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-09
- Tag 1909-09-19
-
Monat
1909-09
-
Jahr
1909
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 19.09.1909
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tzen. Dem Rieseln des Wassers, wenn es auf steinigem Grunde dahinfließt, ist das Lied zu ver gleichen; auch ein paar stärkere Laute, bald psei- send, bald rauh, sind darin; der Waldbach, der Lehrmeister des lieblichen Bogels, murmelt ja auch nicht immer so gleichmäßig, bald zischt die Flut zwischen Felsblöcken, bald stürzt sie polternd ein paar Stufen hinab. Im Mürz, Ivenn die Liebe in des Sängers Brust einzieht, da klingt das Lied freilich anders, schlagartig, dem bekannten Gesang des Zaunkönigs zu vergleichen, laut pfeifend und schnarrend; am schönsten aber, wenn man im strengen Winter einmal das Glück hat, der Stimme zu lauschen. Gewiß, nur ein Schwatzen ist's dann, dazwischen aber laut schnalzend ein paar scharfe Töne, so übermütig und tapfer: „was kümmert Mich Winterkälte und Eis, der Himmel ist blau und das Wasser plätschert so munter; in tausend Kristallen, in tausend Tropfen bricht sich das Licht! was kann schöner sein als mein Bächlein im eisigen Frost!" Und dann stürzt sich der Vogel mutig in den Strudel hinein oder fliegend durchschnetdet er die senkrecht herabstürzende Flut des eiskalten Wasser falles. Kein Vogel des Waldbachs beherrscht so vollkommen wie er das feuchte Element, die Bach stelze nicht, und selbst der Meister im Tauchen, der bunte Eisvogel, kann sich mit der Wasseramsel nicht messen. Ich bin so froh, daß die wasserreichen Tal gründe unserer engeren Heimat den lieben Vogel auch noch heute beherbergen; der Schaden, den er anrichtet, fällt ganz gewiß noch weniger ins Ge wicht als der des Eisvogels. Beide Vögel stehen unter dem Schutz des neuen deutschen Vogelschutz gesetzes vom 30. Mai 1908. Aber freilich gesetz liche Bestimmungen helfen auf diesem Gebiete nicht viel. Das Beispiel der Eulen und Turmsälkchen lehrt cs. Diese genießen mit Ausnahme des Uhus schon längst den gesetzlichen Schutz, und doch wie viele Uebertretungen kommen vor! Wenn man die Veröffentlichungen über das „Raubzeug" liest, das im Laufe eines Jahres abgeschossen wurde, so kommt einem fast der Gedanke, als kümmere man sich in gewissen Kreisen prinzipiell nicht um die gesetzlichen Vorschriften. Wie wäre sonst der regelmäßig wiederkehrende Abschuß von einigen Hundert Eulen und „kleinen Falkenarten" zu er klären! Ebenso ergeht es dem Eisvogel und seinem Schicksalsgenossen, der Wasseramsel, die beide sehr leicht zu fangen sind; der Schutz, den sie auf Grund des Gesetzes genießen, wird von vielen ganz außer acht gelassen, und ohne daß eine besondere behördliche Erlaubnis vorliegt, fängt oder schießt man diese „geächteten" Vögel. Soll man solche Uebertretungen anzeigen? — es wird auch wenig nützen: Der einzig gangbare Weg, so scheint mir, ist die Belehrung. Wir dürfen nicht müde werden, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, daß Ler einzelne nicht das Recht hat, absichtlich und systematisch an der Verödung der Natur zu ar beiten, die heutzutage durch die so intensiv be triebene Forst- und Landwirtschaft, durch Indu strie, Verkehrseinrichtungen ufw. in ganz anderer Weile bedrängt wird als vor einem halben Jahr hundert. Wenn ein Tier Leben und Gesundheit des Menschen bedroht, dann hat es seine Existenz in unserem Kulturland verwirkt; wenn es aber nur einigen Schaden bringt an Geld und Gut, dann mag cs Wohl vertrieben, auch dezimiert wer den, seine völlige Ausrottung aber kann niemand verantworten. Erst wenn dieser Satz zum Gemein gut geworden, kann's besser werden. Hoffentlich sind bis dahin noch ein paar unsrer gefiederten Fischer am Leben! .(Aris der Dürerbundes-Korrespondenz.) Der Pantoffelheld. Rach dem Russischen des Tschechoff von Heldscher Ruftikow. Gurkow und Aleschew saßen sich gegenüber in Faulenzern und blickten zum Fenster hinaus. „Es ist so langweilig, daß man selbst den Besuch des Gerichtsvollziehers mit Freuden be grüßen würde", meinte Aleschew, der Hausherr. Sie sannen beide über den Begriff Lange weile nach, bis durch die trüben Fensterscheiben draußen eine kleine Veränderung bemerkbar wurde: der Hohn, der auf einem Haufen Reiser stand und abwechselnd bald den einen bald den anderen Fuß hob, hielt plötzlich inne in seinem Tun und stürzte dann, als ob ihn etwas gebissen habe, seitwärts fort. „Es kommt wer," lächelte Aleschew. Der Hahn hatte wahr prophezeit. In dem Tor erschien ein Pferd, dahinter ein dunkler Wa gen. Der Wagen kani in den Hof hinein, bog schwerfällig nach links um und rasselte nach dem Stall. „Das fehlte noch", flüsterte Aleschew, wobei er sich mißmutig die Schläfe rieb. „Der Teufel hat sie hergeführt. Nicht umsonst habe ich heute von Schlangen geträumt. „Was ist denn? Wer ist gekommen?" „Meine Schwester mit ihrem Mann." Aleschew ging nervös im Zimmer hin und her. „Es ist garnichl schön, für die eigene Schwe ster keine Familiengefühle zu haben, aber Sie können mirs glauben, einem Räuber möchte ich lieber im Wald begegnen, als ihr. Wollen wir uns nicht verstecken? Amuschka mag ihnen vor schwindeln, daß wir aUsgelahren seien. Aleschew rief laut nach dem Mädchen. Aber es war zu spät. Im Vorzimmer wurden Stim men vernehmbar. „Mach' mir die Krause gerade!" sagte ein weiblicher Baß. „Wieder hast Du die falschen Hosen an." „Die blauen Beinkleider hast Tu doch dem Onkel geschenkt, die bunten sollte ich bis zum Winter aufheben," verteidigte sich schwach eine Männerstimme. Die Tür öffnete sich und in das Zimmer trat eine große, behäbige Dame im blauseidenen Kleid. Auf ihrem rotwangigen, sommersprossigen Gesicht lag ein solcher Ausdruck von Wichtigkeitsbewußt sein, daß es verständlich war, warum Aleschew sie so wenig leiden konnte. Hinter der dicken Dame kam ein kleines dünnes Männchen getrottet mit schmalen Schultern, glattrasiertem Gesicht und roter Stase. Sein ganzes Wesen atmete Demut, Unterwürfigkeit und Furcht. Aleschews Schwester trat, als sehe sie niemanden, zu den Heiligenbildern und be kreuzte sich. Ebenso tat ihr Mann. „Guten Tag, Schwester," sagte Aleschew. Die Dame lächelte vornehm und küßte den Bruder. Der kleine Mann folgte dem Beispiel. „Gestatten Sie, daß ich Sie vorstelle! . . . . Meine Schwester und ihr Gätte! . . . Dies hier ist Gurkow, ein guter Bekannter von mir." „Sehr erfreut", sagte die Dame. „Sehr er freut!" Eine Weile herrschte Schweigen. „Du hast wohl keine Gäste erwartet?" frug Aleschews Schwester. „Ich selber beabsichtigte auch eigentlich garnicht zu kommen, aber ich bin auf dem Wege zum Adelsmarschall und da wir nun gerade vorbeitamen . . . ." „Weshalb willst Du dorthin," frug Aleschew. „Ich muß mich über ihn beklagen," sagte seine Schwester und zctgte auf ihren Mann, der zusam- mengesunken auf seinem Stuhle saß. „Wieso?" „Nun Du weißt Wohl. Er vergißt seine« Stand. Der Pope hat ihn schon ermahnt, ich selbst habe alles versucht, aber es nützt nichts. Jetzt will ich sehen, ob der Adelsmarschall helfen kann. Dessen Sache ist es doch, zu verhüten, daß Edel leute ihrem Stand Schande machen." „Tut er das denn?" „Aber natürlich. Was sagen Sie dazu," wandte sie sich an Gurkow. „Dars ein wohlgeborner Mann sich mit jedermann einlassen?" „Gewiß nicht," stotterte Gurkow verlegen. „Siehst Du. Und da treibt er sich mit dem Krämer herum. Spielt Dame und trinkt Schnaps mit ihm. Den Schreiber nimmt er mit zur Jagd. Denken Sie nur!" „Ich dachte mir doch nichts dabei," wagte das Männchen einzuweirden. „Warte, man wird Dich schon was denken lehren. Du denkst wohl, ich lasse meine Familie bloßstellen. Wem dankst Du, was Du bist? Nur mir! Was hat es mich nicht alles gekostet, Dich im Staatsdienst unterzubringen? Gute Worte und viel Geld. Für jedes Examen habe ich ein paar hundert Rubel geben müssen. Und tvas ist der Dank. Mit Krethi und Plethi treibt er sich rum und denkt sich nichts dabet." Ihr Gatte kroch derweilen ganz zusammen vor Angst und Scham. Furchtsam blickte er zu seiner Frau auf, mit einem Blick, wie ein Hund, der Strafe fürchtet. Aleschews Schwester aber erhob sich und rauschte zum Schlafzimmer hin. „Ich will mich ein halbes Stündchen ausruhn," sagte sie. Kaum war sie hinter der Türe verschwunden, da tönte auch schon ihre Stimme: „Andrei, warum kommst Du nicht. Scheuch mir die Fliegen fort." Und das wohlgeborene Männchen hufchte ihr schnell nach. „Pfui Deubel," schimpfte Aleschew hinter ihm. „So ein Waschlappen. Und doch war er früher ein ganz patenter Kerl. Er hat eine Dreschma schine erfunden. Ueberhaupt sehr tüchtig. Und jetzt. Pfui Deubel!" Witz »«d Humor. Der erkarrute Defraudant. Fahrgast: „Ich muß in zehn Minuten an der Bahn sein. Kutscher, koste eS, waS eS wolle, wieviel verlangen Sie?" Droschkenkutscher: „Ein Prozent!" Am Vostfchalter. Postbeamter: „Er mag ja sein, daß der Ab sender, Ihr Bräutigam, sich verschrieben hat; ich darf Ihnen den Brief nicht auSliesern, wenn Sie nicht nachweisen können, daß Sie die richtige Gm- psängerin sind!" Dienstmädchen (verschämt) : „Er schreibt immer Lieber Zuckerschnutchen! ... Da machen Sie doch den Brief auf und schauen nach, ob doS stimmt!" Senas». Autler (der cine Kuh überfuhren hat): „Wie groß ist der Schaden?" Bauer: „Vierhundert Maik und neunzig Pfennige!" „Wofür sollen denn die neunz'g Pfennige sein?" „Die sind für die Mckch, die sie heute abend noch gegeben hätte!" Mnermartete Antwort. Studiosus: „Denkt Euch : Depeschiere ich gestern an meinen alten Herrn: „AuS tuffterNot sch«:'ich zu Dir!" Und was drahtet er zurück?" f „Harre, meine Seele!" Auf de« Wege Turuff««de. „Nu, mei ReeSchen, wo willst« denn hingehen ?" „In de Dorustunde, Onkel." „Ei Herrjese», da Kiste ja e DornreeLchen!" Moue« »o, Kerenifftmu». Serenissimus (zu einer sich beurlaubenden Exzellenz): Und wohin gedenken Euer Exzellenz über den Sommer zu gehen?" „Alten Jugendfreund besuchen in Gottschee, be kannter deutscher Sprachinsel im Süden Oesterreich«." „So, so, hm, ja, äh: sehr schön: also Heuer mal auS Meer." Putzer r A.: „Man weiß nun endlich, weshalb in diesem Sommer die Temperatur so frisch ist." B.: ,— ???" A.: „Weil Dr. Cook den Nordpol entdeckt hat." B.: „Wieso?" A.: „Na, er wird wohl vergessen haben, ihn wieder z u zudecken!" Draktischer Anfang. A.: „Hast Du nicht eine Zigarre sür mich?" B.: „Ich denke, Du willst Dir insolge der neuen Tabaksteuer dar Rauchen abgewöhnen?" A.: „Jawohl, aber nur das Rauchen eigener Zigarren!" Satherst». Hausherr: „Mich wundert, daß so ein großer, kräftiger Mensch wie Sie keine Arbeit findet; was sind Sie von Beruf?" Bettler: „Bierbrauer; unser Gewerbe liegt sehr darnieder!" Hausherr: „So, das habe ich nicht gewußt, da muß man allerdings helfen; (zu seinem Söhnchen): Maxel, hol' mir mal gleich eine Maß Bier I" Et« Sednl-i-er. „Wenn jetzt ein Offizier ins Lokal tritt, gehe ich nach Hause!" „„Warum erst dann?"" „Weil der Soldat am Rebentisch dann aufstehen muß, der sitzt auf meinem Hut!" KprSche mtt Auweuff«»-»«. „Ich habe die Flitterwochen bi« zur Nagelprobe ausgekostet I" — sagte der erst kürzlich verheiratete Herr Müller, als ihn sein Freund Schulze frug, woher er so viel Kratzwunden habe. „Das wäre entschieden das Richtige gewesen!" — sagte Student Suff, da wollte sein Alter, daß er Medizin studiere, während er doch der Ansicht war, daß er zum Braumeister besser gepaßt hätte. „DaS glaube ich Dir nicht!" — sagte da» Rechts anwaltSsöhnchen, als ihm sein Vater drohte, kurzen Prozeß zu machen, wenn eS nicht fleißiger werden wolle. „Sie hat ein so nichtssagendes Gesicht!" — sagte der Schwiegersohn, als die Schwiegermutter sich beklagte, daher seiner Gattin nicht einen Wunsch vom Gesicht oblaS, wie er doch versprochen habe. AstS-dlitzt. „Gnäd'geS Fräulein," seufzt ein Geck, „Flehte ich doch nicht vergeben- : Lassen Sie mich sein Ihr Licht In der dunklen Nacht de- Leben- —" „Danke, Herr," da- Fräulein spricht, „Doch ein Nachtlicht brauch' ich nicht." Hostzast. Kellner: „Ich bebau«, der Wirt ist jetzt nicht zu sprechen, er ist zu einer Taufe!" Gast: „Na, da rufen Sie ihn doch mal au- dem Keller 'rauf!" wenn er mir treu bleibt, bann darf ich ihm ver trauen." Flehend forschen die verweinten Augen in der Herrin ernsten Zügen. Die neigt leicht das Haupt. „Wenn er treu bleibt, ja — dann —" Die Kleine jubelt dankbar auf. Der verbor gene Zeuge aber dieser Szene liest in Evas Mie nen, daß sie an dies „wenn" nicht glaubt und es nicht wünscht. „Und nun gehen Sie nach Haufe, Lisa, und suchen Sie, ruhig zu werden. Bei Herrn Steffens werde ich Sie entschuldigen. Heute nachmittag, sagen wir um vier Uhr, erwarte ich Sie. — Ist schon gut, Kind, ist schon gut! Sie wissen, ich habe Sie lieb und will Ihr Bestes. Und nicht mehr weinen, hören Sie —" Die Tür schließt sich hinter der zierlichen Ge stalt. Eva sitzt, das Haupt in die Hand gestützt und starrt zu dem Bilde des Vaters empor. „War's recht so?" fragt sie leise. Fritz von Falk zögert und zögert oorzutreten. Reue und Scham sind vergessen, untergegangen in der ernsten Freude über den tiefen Einblick in das Herz des Mädchens, das er solange verkannt hat. Er kann sich von seinem stummen Beobach- tungsposten nicht trennen. Und plötzlich mit ein paar lautlosen Schritten steht Eva vor dem Erker und schlägt den Vorhang zurück. — Eine lange, lange Stille, als hielte die Erde in ihrem rasenden Laufe, als setze die nim mer rastende Zeit aus, um tief, tief auszuatmen. Nur in den Augen der beiden, die sich hoch und schlank gcgenüberstehen, ist Leben, Frage und Ant wort — Verstehen und Verzeihen. Endlich senkt Eva das Haupt. Hastig faßt er nach ihrer Hand. „Verzeihen Sie, Fräulein Treuberg, und geben Sie mir Zeit zur Rechtfertigung." Wie lichter Sonnenstrahl fliegt's über ihre ernsten Mienen. „Es bedarf dessen nicht, Herr von Falk." Dann stehen sie vordem Bild des verstorbenen Kmrfherrn. Er will beichten, sie wehrt ihm mit einem guten Lächeln. „Nicht, Herr von Falk, ich bitte Sie. Wozu hätten wir denn den Glauben an unsere Freunde." „Gut, ich will meine unqnaliftzierbare Neu gier nicht verteidigen, da Sie es mir erlassen, Fräulein Treuberg, um so lieber nicht, da ich, verstockter Sünder der ich bin, kaum Reue spüre. Aber eines sagen Sie mir, warum nähen Sie diese Sachen selbst? Aus Sparsamkeitsgründen sicher nicht, denn wie man mir erzählt, kosten Ihre Christbescherungen tausende; aus Langeweile doch Wohl ebenso wenig, dächte ich." Sie hat sich niedergesetzt und bltkt ihm von unten herauf lächelnd in das gespannte Gesicht. Ein schalkhafter Triumph leuchtet aus den schwar zen Augen. „Können Sie das wirklich nicht erraten, mein allweiser Herr Reichskanzler?" Falk schüttelt das Haupt. „Wirklich nicht," sagt er überzeugungsvoll. „Und doch liegt es so nahe, daß ich persön lich etwas für meine Arbeiterkinder tun will." Er starrt sie ungliülbig an. „Aber, Fräulein Treuberg, wie soll ich das verstehen? Sie sorgen ohnehin für Ihre Arbeiter in einem Maße, wie es meiner Ueberzeugung nach kaum zrmr zweitenmal in der Welt geschieht. Die Leute verdienen einen schönen Lohn, ertverben sich Haus und Garten, erhalten im gegebenen Falle reichlicher Unterstützung aus Kran/en-, Unfall-, Al ters-, Geburis- oder Begräbnisküsse, sie besitzen ein eigenes Krankenhaus,, eine Badeanstalt, Bibliothek — nur Musiksavl fehlt noch, aber ich bin über zeugt, es bedarf nur dieser Anregung meinerseits, und Sie fassen auch diesen Plan in Ihr groß mütiges Landesniiitterherz." Eva droht lächelnd zu ihm hinüber. „Spotten Sie nur, mein Herr, es hilft Ihnen nichts. Ich weiß, daß Sie ganz meiner Ansicht sind und erinnere mich sehr gut, daß mein längst- gehegter Wunsch, das Arbeitspersonal gleich den Beamten am Gewinn zu beteiligen, bei Ihnen auf einen bereits vollständig ausgearbeiteten Plan zur Realisierung dieser Idee stieß. Wir müssen üb rigens noch ausführlich darüber sprechen. Ich kann nicht gegen meines Vaters Willen handeln. Er! hat bestimmt, daß jährlich ein gewisser Prozent satz vom Gewinn unberührt an den Reservefonds überführt werde, und ich fürchte, ich habe ein bißchen toll gewirtschaftet." Der Mann blickt ihr mit einem Gemisch von Staunen und Rührung in Lie strahlenden Augen. Gab es noch ein Menschenkind wie dieses, das den Wert des Goldes erst dann zu schätzen wußte, wenn es ihn umgesetzt hatte in Glück und Wohl fahrt anderer? das von all seinen Reichtümern nichts für sich verlangte als die Freude: wohlzu tun? das seine sonnigen Jugenijahre in anstren gender Arbeit, in eiserner Pflichterfüllung ver brachte, oft kaum Zeit zum Essen und Schlafen fand, um zu erwerben, und das diesen Erwerb dann freudigen Herzens hingab, keinen Lohn er wartend als den, der im Bewußtsein erfüllter Pflicht liegt? „Ich war.am gestrigen Sonntag bei Ihrer Frau Tante zu Tisch! geladen, Fräulein Treu berg," sagt Falk aus seinen Gedanken heraus, weil ihre blassen Wangen ihn an einen Auftrag der Dame erinnern. „Die Frau Geheimrätin ist äußerst gütig gegen Mich und hat mich sogar mit ihrem höchst schmeichelhaften Vertrauen beehrt. Man sorgt sich sehr »nn Sie, Fräulein Treuberg. Manjmeint, es tue nicht gut, daß Sie immer zu Hause säßen, jede Einladung ablehnten und weder zu Theater- noch Konzertbesuch zu bewegen seien. — Verzeihen Sie, das geht mich ja nun eigentlich gar nichts an, aber Sie habe» mir heute bereits eine Frei heit großmütig nachgesehen, vielleicht geht mir auch diese durch: Ich muß Ihrer Frau Tante recht geben. Sie leben wie eine Einsiedlerin. Was haben Sie von allem Ihrem Reichtum — nichts!" Eva wendet ihm langsam die großen Augen zu. „Nichts?! — o Herr von Falk, schiel Freude!" „Ja, w, geiviß, aber Sie sind jung — Sie müssen auch etwas Persönliches haben. Sie nehmen Geld ein und geben es wieder aus in ewiger Wechselwirkung." „Sie haben recht," sagt sie leise, und ein träumerisches Licht tritt in ihre Augen, „immer nur das Geld. Schließlich ist es gar kein Verdienst, es herzugeben, da ich doch immer neues bekomme. — Sehen Sie," fährt st« nach einer Pause lebhaft fort, „deshalb habe ich die Arbeiten dort gemacht." Ste deutet hinüber »nach dem Erker. „Ich habe Mich redlich Plagen müssen, aber es ist doch ein mal etwas Selbstgeschaffenes, ein wirkliches, per sönliches Opfer, obgleich —" sie unterbricht sich und blickt fast ängstlich zu ihm auf — „wenn ich das so ausspreche und dabei an all die Freude denke, die ich in die Sächelchen hineingenäht habe — La ist es schließlich doch kein Opfer, Und auch mit der Zeit, die ich darüber versäumt habe, ist es nicht so schlimm. Ich habe so ost über geschäftliche Maßnahmen nachzudenken, und das geht ganz prächtig beim Nähen. — Ach, Herr von Falk, woran liegt es nur, daß jedes Opfer, das ich bringen möchte, sich mir unter der Hand in eine Freude verwandelt und dann natürlich kein Opfer mehr ist?" „An Ihrem selbstlofen Herzen," schwebt ihm die Antwort auf der Zunge, aber lieber hätte er sich diese abgebissen, als die Worte laut gesagt. Ein Prokurist, der seinem Chef Komplimente macht, fährt ihm Lie alte Bitterkeit durch den Sinn. Sie hat die Verwandlung seiner Mienen Wohl bemerkt, und wie sie tn dem Wunsche, das Thema zu ändern, nach dem Schreibtisch schaut, fällt ihr der Brief ein, den sie dort hat liegen sehen. „Ah, von Reichberg u. Sohn," sagt sie er leichtert und nimmt das Schriftstück auf. „Sehr schön. Wir nehmen natürlich an. Sie lassen wohl depeschieren." Er verbeugt sich schweigend. Sie ist wieder die regierende Königin und er nichts anderes als ihr diensttuender Vasall. Der alte, ohnmächtige Trotz kocht in ihm aus. Ste soll ihm nicht be fehlen. Mit einer kurzen Vemeigung hat er das Zimmer verlassen. Eva blickt ihm bekümmert nach. „Armer Falk," sagt ste weich, „so schwer, so bitter schwer machst Du Dir's." (Fortsetzung folgt.)
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