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WeiMOWer WM Amtsvlatt 1. Beüag. Sonntag, den 28. November 1909. Nr. 277. Advent. Wieder einmal klingen weihnachtliche Hoss- nungssttmmen durch die Welt. Man eilt dem hohen Feste des Christkinds zu. Die Kirche predigt: „Der Herr ist nahe! Es ist Advent!" Vorbe- retrungszeti soll es sein, und in den Adventsgottesdiensten wird auf die uralten Mes- stasweissagungen gewiesen, die ihre ungeahnte, wunderbarste Erfüllung fanden, als Jesus Chri stus zu den Menschen kam. Die geschäftigen Vorbereitungen im Hause und im Handel in den jetzigen Wochen lassen Wohl oft garnicht an die christlich-religiöse Tiefe der wirt lichen Adventshoffming denken. Das frohe Laufen undKaufen Hal gewiß zumeist einem schönen mensch lichen Zug zum Hintergrund. Man will über raschen rmd andern eine Freude machen. Das eigene Ich tritt zurück, und selbst Hände, die sonst das Geben verlernt haben, reichen kleine und grö ßere Geschenke dar. Unwillkürlich beugt man sich der fröhlichen, seligen Weihnachtsstimmung. Auch der Armen und Kranken nimmt man sich an. Ihnen, die sich selber keinen Weihnachtstisch decken können, werden Bescherungen aller Art zugedacht und emsig vorbereitet. Aber was ist chenn die eigentliche Hauptsache bei Advent? Nun, eben doch wohl das Religiöse. Und dieses wieder nicht bloß als stimmungsschöne Allerweltsempfindung, sondern als ganz bestimmte Heilswahrheit im innigsten Zusammenhang mit dem Gottes- und Mcnschensohn Jesus. Darum die kirchliche Mahnung, das Herz recht zu bestellen, d. h. in sreudiger Demut dem Kommen des Hei lands entgegenzuschauen. Der Mensch nichts; der gnädige Gott, der den Erlöser schickt, umsomehr! Ein Christenherz versteht auch heute noch Paul Gerhards schlichten Liedervers: „Ihr dürft euch nicht bemühen, Noch sorgen Tag und Nacht, Wie ihr ihn wollet ziehen Mit eures Armes Macht; Er kommt, er kommt mit Willen, Ist voller Lieb und Lust, All Angst und Not zu stillen, Me ihm an euch bewußt!" Die Sprache der Liebe ist's. Und von rhr auS nwg man's begreifen, daß gerade in den Wochen vor Weihnachten soviel Liebe unter den Menschen wach wird, jene wackere Nächstenliebe, die jedem eine Freude gönnen möchte und daraus wie der eigene und persönliche Freude schöpft. Gtn Abglanz ewiger Gotiesliebe leuchtet, und das soll natürlich nicht aus ein paar Kalender wochen beschränkt bleiben. Advent soll eine im merwährende Lebenskraft bedeuten, denn für alle Zeiten und alle Menschheitsverhälknisse galt und gilt die große Johanneische Erkenntnis: Also hsat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab! Unter dem vielen, was uns noitUt, steht mit obenan: Ein gesegnetes Adventsverständnis. Mini Wen lmMdn-Mm t In dem Admiral Gustav v. Senden-Bibran hat die deutsche Seemacht, wie wir bereits ausführ, ten, einen ihrer verdientesten und tüchtigsten Osfisieri verloren. Ec trat 1862 in den Marinedienst. Al« Kommandant des anzerschiffeS, daS den Kaiser iw Jahre 1888 auf seiner Nordlandreise begleitet», trat er zum erstenmal in die Umgebung des Monarchen. Bald darauf wurde -r zum Flürclad- jutanten de« Kaisers ernannt. Ja den Jahren 1889—1906 war er dann Chef de« MarinekrbineM In diesen maßgebenden Stellungen wirkte er so verdienstlich für den Ausbau deS deutschen Flottenwesen«, daß man ihn im Jahre 1907, als er auS dem Frontdienste schied, von allen Seiten mit Sympathikbuneisen überschüttete. Da sah ich rot... von Annelie Gleiß. Vor dem Gertchtsgebäiude staute sich die Menge und alles drängle, «m Einlaß zu gewinnet, in den Saal, in dem die Verhandlung staltfand gegen den Mörder Robert Weil, der seinen Nebenbuhler erwürgt hatte. Die Sensationslust war mächtig angeregt, jeder wollte den grausamen Menschen sehen, seiner Verurteilung beiwohnen. Elegante Damen in Seide und Samt gekleidet, Herren im Gehrock und Zylinder und daneben der biedere Handwerker, Frauen aus dem Mittelstand — der Klassenunterschied schien für heute aufgehoben zu sein, denn alles drängte und stieß mit gleicher Energie vorwärts, dem großen, eisenbeschlagenen Tor zu, um sich einen Platz zu sichern. Die bevor zugten Inhaber von Karten wurden sehr beneidet, denn bald war der Saal überfüllt, alle Sitzplätze besetzt und die Türen wurden gesperrt, niemand mehr zugelassen. Der Gerichtshof nahm Platz, die Herren in ihren feierlichen Talaren mahnten an die Be deutsamkeit der Verhandlung, in der über eines Menschen Leben und <od entschieden werden sollte. Der öffentliche Ankläger, Oberstaatsanwalt Dr. Brandaner, ein Mann von imposanter Gestalt, den goldenen Kneifer auf der Adlernase, im energisch geschnittenen Gesicht den hochmütigen Ausdruck, der ihm eigen war, durfte sich der besonderen Aufmerk samkeit des Auditoriums erfreuen. Nun wurde der Angeklagte Hereingeführk, ein hochaufgeschossener, blasser, schmalbrüstiger Mensch mit linkischen Bewegungen; dir. Augen scheu zu Boden gerichtet, nahm er Platz. Mit leiser Stimme, die wie umflort klang, fast apathisch, gab er seine Personalien ab. Es schien, als berühre die Sache ihn weiter gar nicht, gehe ihn eigentlich nichrs an. Nur als die Hauptbelastungszeugin, ein hübsches Mädchen, Porträt, um ihre Aussagen zu machen, hob er den Kopf und mit gespannter Aufmerksamkeit folgte er ihren Worten. Ehe sie zurücktrat, richtete sie ihre Augen scheu aus ihn, aber sie schrat zusammen und stieß einen leisen Schrei aus und wurde noch blässer als sie zuvor schon gewesen, einen so flammenden Blick hatte Robert Weil aus sie geheftet, seine Küstern Augen schienen sie durchbohren, förmlich bannen zu Wol ken. Sie raffte sich aus und, die Hände über ihr leichenhastes Gesicht legend, wankte sie zu ihrem Sitz zurück. Es war das Mädchen, um derentwil len ein Mensch sein Leben hatte lassen müssen, ein anderer seines Urteilsspruches Harrie. Noch einige Zeugen, die eigentlich fast das Gleiche aussagten, den Angeklagten als einen heim tückischen, boshaften Menschen mit verschlagenem Charakter schilderten und ihm die Tat als eine vorsätzliche Wohl zutrautcn, wurden bgeyort. Dann war die Beweisaufnahme geschlossen. Als die Geschworenen sich erhoben, um den Saal zu verlassen und sich zur Beratung zurückzu ziehen, stand plötzlich der Angeklagte auf und mit lauter, fast gellender Stimme rief er, unter großem Aufsehen: „Halt, ich will reden. Da es sich um meinen Kopf handelt, mich mir das Recht zuer- tannt werden, mich wenigstens in bezug des Augen blicks des Mordes zu entlasten, die Sache in ein anderes Licht zu rücken." Die Geschworenen nahmen ihre Plätze wieder ein und noch lautsore Stille trat -in, allesamt, Richter und Auditorium, waren gespannt zu hören, was der bis jetzt so schweigsame, verstockte Mörder Vorbringen werde. Er begann: „Ich bin zum Mörder geworden und habe mein Leben verwirkt, aber ich will doch die treibenden Motiv«, die mW veranlaßten, einen Menschen zu erwürgen, erklären, vielleicht sind Mir doch Mildenide Umstände nicht abzufprechen. Ich bin ein armer, schicksalsverfolgter Un glücklicher. Schon meine Geburt, mein Eintritt in die Well bedeutete für meine Mutter eine Schande, eine große Sorge. Sie war von einem gewissen losen Schurken verführt worden, der sich kaltherzig von ihr abwairdte, als die Folgen seiner Liebe, die er ihr vorgehenchelt hatte, sich zeigten, sie und sein Kind überließ er egoistisch und gleichmütig einem ungewissen Schicksal. Ihn kümmerte es auch gar nicht, als ihr Vater, ein biederer Bürger in einer kleinen Provinzstadi, ihr sein Haus verbot, äe hinausjagte. Ist einer Klinik erblickte ich das Licht dieser erbärmlichsten aller Wellen. Meine Mutier mühte sich nach Kräften, um für sich und mich ein karg«» Brot zu schaffen, st« arbeitete an der Nähmaschine Tage mrd halbe Nächte und zog mich groß. Aber, verbittert wie sie war, nicht ge wöhnt an die harte Frohnde, dir. ihr mein Dasein auferlegie, verschonte sie mich nicht, und meine Kindheit war eine traurige, meine Jugerrdjahre schweren Leides voll. Wie oft wurde mir mein Leben zum Vorwurf gemacht, als eine ganz uner wünschte, Unnötige Sache vorgehalien. Ich war so scheu, so schweigsam und unbe holfen und so gar nicht hübsch. Meine roten Haare waren so oft Veranlassung für meine Mitschüler, mich zu hänseln, zu reizen. ,Da ich so linkisch und menschenscheu war, viel lieber Bücher las, als mich unter sie zu mischen, ihr wildes Toben, ihre rohen Spiele verabscheute, mich fern hielt von ihren Bal gereien, so war für diese Schar jeder Grund ge nug, mich zu puffen, zu stoßen rmd mir Leides genug anzuiun. O, ich habe keinen Grund, die Menschen zu lieben, sie haben sich mir nicht besser gezeigt, als grausame, feindliche Tiere sich gegen seitig zeigen. Meine Schwäche wurde nur ausge- ' nützt, um die rohe Kraft an ihr zu messen. In der Lehre, einer Buchbinderwerkstätte, war es nicht viel besser, nur Hohn und Spott, versteckte Bosheiten und Neckereien, Schabernack aller Art hatten die anderen Lehrlinge für den Träumer, den Tölpel übrig, die Gesellen nur Ohrfeigen und höhnende Abwehr meiner Klagen, wenn ich mich beschwerte. Meiner Mutter durfte ich mit keiner Klage kommen, wenn ich nicht wollte, daß eine Flut von Verwünschungen über mich ntcdergehen sollte. Sie hat es gerade noch erlebt, daß ich Ge selle wurde; dann starb sie und mit ihr ging der einzige Mensch dahin, der, wenn er auch keine Liebe zu mir gehabt, so doch wenigstens eine Art Zugehörigkeitsgefühl in mir erweckt hatte. So kam ich in diese Stadt als Geselle in Ar beit und cs war die alte Geschichte. Ich war so ein geeignetes Hbjekt für allerlei lustigen Ulk, nur eine Zielscheibe für Spott und Hohn, an mir stil lem, einsamen Menschen konnten die andern Gesel len so ausgezeichnet ihren Witz üben. Es wurde: dann bekannt, daß ich den Mädchen ängstlich aus dem Wege ging, ich fürchtete ihre flinken Zungen, die für mich nur Spoltreden bereit hatten, ihr spöt- üsches Gelächter, das meine Schüchternheit, mein linkisches Wesen bei ihnen erweckte. Und hier . . . hier . . .", er atmete schwer und dann sah er flammenden Blickes zu der Haupt zeugin hinüber, die dort drüben saß und sein To desurteil hören würde, das sie verschuldet hatte. Sie wagte nicht sich zu rühren, nur tiefer noch duckte sie sich zusammen unter diesen düster bren nenden Augen. Er fuhr fort: „Hier ereilte mich mein Schick sal. In den Laden Meines Chefs kam sie als Ver käuferin, mn derentwillen ich hier sitze als Mörder. Sie hatte so ein kokettes Wesen, so etwas Locken des, Werbendes, Verführerisches und sie tat, was in ihren Kräften stand, den Tölpel, den Träumer, den Sinnierer zu sangen, zu umgarnen. Ich ging ihr richtig ins Netz, obgleich ich mir doch hätte denken können, daß es eine besondere Bewandtnis habe damit, gerade mich so zu bevorzugen. Wie glücklich war ich, als ich glaubte, ein Herz gewon nen zu/ haben, ein Wesen, Las mir zugetan sei, mein eigen zu nennen. Ich kann es nicht sagen, wie reich ich mich schätzte, der Glücklichsten einer, den Himmel sah ich offen mit allen seinen Selig keiten. Ich merkte nicht das Gelächter, das Tu- scheln meiner Kollegen, ging achtlos an ihnen vor über, was kümmerten sie mich! Ihr Höhnen war ich gewöhnt, es berührte mich nicht mehr. Die Zuneigung der Geliebten hob mich über alles hin aus, entschädigte mich für alles, was ich bis jetzt entbehrt halte, gab meinem Leben Sonne, Freude, Glück, Wonne. Eines Abends ging ich durch einen Park und setzte mich in ein Rondell, um noch etwas meinen Ltebesträumen nachzuhängen, als ich aufhorchte; aufgeschreckt durch einen Stimmklang fuhr ich aus meinem Sinnen empor. Da sprach doch die Geliebte, durch ein Ge büsch getrennt, die mir gesagt hatte, sie müsse not wendige Näharbeiten zu Hause vornehmen, sie könne mir nicht ihre Gesellschaft widmen für den Abend. Ich hörte ihr girrendes Lachen und ver nahm deutlich wie sie sagte: „Die Geschichte mit dem rothaarigen Tölpel ist mir schon zu langwei lig, dauert mir zu lang, der Spaß muß ein Ende nehmen, ich kann sein dumm-verliebtes Gesicht, sein Augenberdrehen nicht mehr ansehen, er meint es furchtbar ernst, spricht vom Heiraten und derartigen Blödsinn, — hier lachte sie höhnisch auf — und ich weiß nicht mehr, wie ich mich gegen seine Auf dringlichkeit wehren soll. Die Stimme, die ihr Antwort gab, war die unseres Werkstätienvorstehers; er spottete nicht wenig über den verliebten Hanswurst und »cy vernahm, daß das Ganze ein abgekartetes Spiel gewesen war, fie schon lange die Geliebte dieses geckenhaf ten Menschen sei . . . Sie, die ich in Gedanken auf einen Thron erhoben hatte, die für mich der Inbegriff aller Erdenseligkeit gewesen, sie hatte sich dazu hergegeben- — damit die andern Gesellen, rohe Burschen, einen Spaß hätten — einen armen Teufel an sich zu locken, ihn glauben zu machen, sie liebe ihn und wolle fürs Leben die Seine wer den und bleiben. Damit herzlose Spötter einen Ulk erleben könnten, halte man diese gelungene Komödie arrangiert, in der ich der erste Liebhaber gewesen. Meine Gefühle halte man ausgebeutet, um ein Theater daraus zu machen, meine Liebe, meine Herzensneigung mit grausamem Witz be geifert, herabgezogen in den Kot, in den Schinutz der Gemeinheit; mein Heiligstes, das, was ich dafür gehalten, war entwürdigt. Entwichen waren meine Wonne, meine Freude, Glückseligkeit alles, alleS, schon von Anfang an dem Spott, dem rohen Hohn, dem bissigen Witz preisgegeben gewesen . . Als mir dies aus den Hohnreben dieser beiden Kreaturen klar wurde, ein grelles Licht aufging über das Spiel, das man mit mir trieb, da . . . da . . . drängte sich mir alles Blut zum Herzen, stieg herauf bis zum Hals, durchraste meinen Kör per, schlreg wie rasend, drohte in den ivilden Schlä ¬ gen die Adern zu sprengen, e< brauste und sauste mir in den Ohren wie MeereSbranden und Stur- mesheulen. Verwüstet alles Glück von den Füßen roher Gesellen und einer Dime" . . er schleuderte dieses Wort förmlich in den Saal hinein. „Da ... da sah ich rot und ich verlor Ueber- legung und Besinnung, nur das Gefühl der Rache beherrschte mich, mit einem Satz teilte ich daS Ge büsch und stürzte mich auf den Räuber meine- Glücks, faßte ihn und . . . und mit diese« Hän den erwürgte ich ihn. Wenn sie nicht entflohen wäre, ich gestehe es hier, ich hätte auch sie nicht geschont, wäre ein zweifacher Mörder geworden. Auf ihr Geschrei eiltew Leute herbei, Polizisten, man hielt mich fest, ich wurde gefesselt und cwge- führt und heule sitze ich hier, um die Entscheidung meines Schicksals abzuwarten, das, wie der Herr Oberstaatsanwalt verbürgt hat, nur heißen kann: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben. Aber ich habe noch etwas zu sagen, noch eine Ab rechnung zu halten und der Effekt wird kein ge ringer sein. O, Jahre meines Lebens schon er wünschte ich diese Abrechnung, diesen Augenblick er sehnte ich heiß-inbrünstig. Und nun ist er ge kommen! Dieses eine hat mir der Zufall doch ge währt .... Der Schurke, der meine Mutter verführt hat, kaltherzig allen Pflichten gegen sein Kind sich ent zog, die Arme mitleidslos ihrem Schicksal überließ, sie ins Elend stürzte, schuld war, daß sie aus dem Elternhause gestoßen wurde, auf keine ihrer flehrar- ltchen Bitten antwortete, ich . . up kenne seinen Nomen aus dem Munde meiner sterbend-n Mutter, habe ihn erkannt, hier im Gerichkssaal, nach einer Photographie, die meine Mutter von ihm belaß . . er hieß damals Gerichtsreferendar Dr. Brandauer und Heuke . . . Heuke hat er mich, seinen Sohn, als Oberstaatsanwalt zum Tode verurteilt, mich, seinen Sohn, als Mörder vor den Schranken des Ge richts stehen sehen . . . O, es gibt manchmal so etwas wie eine Vergeltung für Taten, die vor dem Gesetz straflos bleiben . . . ." Unbeweglich, keines Wortes mächtig, nicht fähig sich zu rühren, zu protestieren, daß der An geklagte weiter spreche, saß Dr. Brandauer auf seinem Stuhl. Die Schatten der Vergangenheit stiegen auf aus ihrem Grab, wurden lebendig, und was er längst aus dem Gedächtnis verloren hatte, die Episode mit der Liebschaft in der Prodinz- stadt, was für ihn hinabgesunken gewesen in daS Meer der Vergessenheit, was so wett hinter ihm lag, die schnöde Handlungsweise des Egoisten, der tch kaltblütig allen Verpflichtungen gegen die arm« Handwcrkertochter entzogen, die Schattengestalt der aus dem Vaterhaus ihres Fehltritts wegen Ver stoßenen, an die er nicht gedacht hatte in all den Jahren — alles, alles gewann neues Leben, trat drohend vor ihn hin, die Betörte, Verlassene griff nach ihm . . faßte ihn . . mir dumpfem Schmer zenslaut legte er die Hand aufs Herz, wollte auf- stchen, reden ... sich verteidigen, dann wankte er und sank stöhnend vom Stuhl. Die Richter spran gen hinzu, die Gerichtsöiener eilten herbei und der Bewußtlose wurde aus dem Saal getragen. Mit Unbeweglichkeit hatte Robert Weil gestan den und seine düsteren Blicke auf die Szene ge heftet, dann setzte er sich wieder und saß fast asta tisch, stumm vor sich hinstarrend. Das war eine Aufregung im Auditorium, LaS war ein Stimmengewirr, ein Scharren und A«f- stehen. Einer Sensattonsaffäre ohnegleichen, einer Gerichtsverhandlung voll Aufregung und Ueber- raschungen hatte man betgewohnt. Me Geschwo renen erklärten sich außerstande, eine Beratung ad- zuyalten, und der Angeklagte wurde in sein« Zelle abgeführt. Der Saal wurde geräumt, langsam entfernt« sich die Menge, aber auf den Korridoren, der Straße standen erregte Gruppen und debattierten über diese unerhörte Geschichte. Man hatte Dr. Brandauer als einen tadellosen Ehrenmann be trachtet und seine Familie wurde allgemein bedau ert. Ueber diese sensationelle Enthüllung konnte inan sich nicht beruhigen, die durch ihre Begleiter scheinungen besonders wirksam und bedeutungsvoll war. Was würde Wohl seine Familie dazu sage«? Ja, es kam alles ans Licht der Sonne, nicht» blieb geheim und verschwiegen, und wenn es auch lange Jahre dauerte. Im Gerichtsgebäude bemühten sich mehrere Aerzte um den Bewußtlosen. Alle angewendete« Mittel blieben erfolglos, es gelang ihnen nicht, ihn aus der tiefen Ohnmacht zu erwecken. Er tarb unter ihren Händen. Ein Herzschlag, ver ursacht durch die Aufregung über die schreckliche Enthüllung, Latz der von ibm zum Tode verur teilte Mörder sein Sohn sei, die Frucht einer Ju gendsünde, einer Schuld, die nun ihre Sühne ge ordert hatte, machte seinem Leben ein Ende. Wochenlang sprach man über die Affäre Bran- dairer-Weil, und die Worte des Mörders wurden gar oft zittert, von der Vergeltung für Taten, Li« vor dem Gesetz straflos bleiben . . . Robert Weil wurde in einer späteren Verhand lung zu lebenslänglicker Zuchthausstrafe verur teilt.