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o 136 964 996 318 467 572 706 850 2 5 1 3 2 1 326 474 575L 715« 872 ag» 8—1L gehend. ll verzinst stthal u. 9, t nach den re. re. »Ul z., Nieren- »an«. Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt Amtsblatt Mittwoch, den 1. Dezember 1809. sühllose Typen des Strebertums selten. Aber der Keim zu solch verbrecherischem Tun liegt im Wesen des Strebertums und des Karrieremachens um jeden Preis, das gerade in unserem nervös ange spannten Zeitalter den überhitzten Ehrgeiz so vieler Menschen als ein lockendes Irrlicht vorwärtshetzt. Der Ehre des österreichischen Osfizierkvrps kann eine ganz vereinzelte verbrecherische Erscheinung lo wenig Eintrag tun wie einzelne Vergehen der des deutschen. Trotzdem wird diese Freveltai dem öster reichischen Heer als eine trübe Schickung erscheinen. Aus Wien wird unterm 29. November zn dieser Angelegenheit noch des näheren berichtet: Oberleutnant Hofrichter wurde in Zelle 5 des Garnisonlazaretks gebracht, nachdem ihm bereits in Linz der Säbel abgenommen war. Das früher vollkommen ruhige und selbstbewußte Benehmen des Offiziers ist geschwunden, er brütet in der Zelle vor sich hin, raucht nervös Zigaretten und läßt sich wiederholt starken Kassee bringen. Wahr scheinlich wird die. Untersuchung des Geisteszustan des des Verhafteten angeordnet lverden, die durch den Oberstabsarzt des ersten Garnisonlazaretts in Wien Drastich vorgenommen werden soll. Das Gutachten wird sodann von der medizinischen Fa kultät der Wiener Universität geprüft werden. Vor der Zelle des verhafteten Oberleutnants steht ein Doppelposten, der durch ein Guckloch den Offizier genau im Auge behält. Die Frau Hosrichtevs ist aus Linz in Wien eingetrofsen, um bet ihrer Fa milie ihre Niedertunst abzuwarten. Heute wurde der Polizei zur Kenntnis gebracht, daß der Linzer Apotheker Czerny ausgesagt hat, daß vor drei Wochen ein Offizier Mit schwarzen Aufschlä gen zu ihm kam, um Schachteln mit Schiebern zu kaufen, die er jedoch nicht vorrätig hatte. Die Personenbeschreibung, die Czerny von dem Offizier gibt, paßt genau aus Hofrichter. Während bisher die Kette der Indizien gegen Oberleutnant Hofrichter noch immer nicht als ge- chlossen betrachtet werden konnte, da keine Spur davon vorhanden war, auf welchem Wege er sich Zyankali verschafft hat, scheint nun auch diese Lücke sich auszufüllen. Der Drogist Retzbcrger hat angegeben, daß sich vor etwa drei Wochen ein Offiziersbursche bei ihm einfand, der Zyankali kaufen wollte. Er erklärte die- em, daß das Gift nnr gegen Gistschein zu haben sei, und bemerkte noch Mit Bezug auf die Quan- lilät: „Mit so viel Zyankali können Sie ja die ganze Herrengaste vergiften!" Es ist jedoch noch nicht erwiesen, daß Mer Ofsiziersbursche wirklich im Zusammenhang mit Oberleutnant Hofrichter steht. Die allgemeine Teilnahme wendet sich der be- dauernswenen Frau des verhafteten Offiziers zu. An den Bestrebungen und dem Ehrgeiz ihres Gat- len Hal diese lebhaften Anteil genommen. Hof richter lebte in geordneten Verhältnissen und machte keinen großen Aufwand. Es war jedoch bekannt, daß er durch die Mitgift seiner Frau wohlhabend geworden war. Ursprünglich wollte man der Frau die ganze Angelegenheit verheimlichen, es war aber nicht möglich. Frau Hofrichter hat sich da hin geäußert, daß ihr Gatte ihr die ominöse Schachtel wirklich auf ihren Wunsch zur Unterbrin gung von Nähzeug gekauft habe. Sie sei jedoch' nicht geeignet gewesen, und er habe einige dieser Schachteln vor ihren Augen in den Ofen geworfen. Sie bestreitet auch, daß er über seine Nichtversetz- nng in den Generalstab verzweifelt gewesen sei. Er habe noch immer auf Beförderung gehofft und sei nicht ungern nach Linz gegangen, wo er alte Beziehungen besaß. Unterm heutigen Tage berichtet man aus Wien: Der Bursche Hofrichters soll an gegeben haben, daß er tatsächlich von seinem Herrn nach Chan kalt ausgeschickt wurde, und daß er bei der Drogerie Nitzberger Vorgesprächen habe. Es wird ferner bekannt, daß aus dem Militärgeographischen Institut, in wel chem ein naher Verwandter Hofrichters Beamter ist, vor einigen Wochen eine größere Menge Chan- kalt abhandengekommen ist. Nach der Angabe eines Händlers in Linz Hai Hofrichter bei ihm ein Oel- gefäß gekauft. Man neigt zu der Annahme, Hof richter habe dieses Gefäß zum Erhitzen von Blut laugensalz benutzt, um daraus Cyankali zu ge winnen. Sächsisches. — Waldenburg, 29. Noo. Den unter dem Borfitze de« König!. Kommissars veztrksschultn- spektor Dr. Richter (Glauchau) am Fürst!. Schön- burgischen Lehrerseminar zu Waldenburg stattgefun- Beilage. denen Wahlfähigkeitsprüsungen unier»ozen ist 21 Kan- didaten. Ls wurden folgende Zenfuren erteilt: Ja Sitten 21mal die I, in Wissenschaften 5mal Ib, 6mal Hs, 5mal ll, 4mal Ilb, 1mal 111». Ein Kandidat trat von der Prüfung zurück. — Chemnitz, 29. Nov. In einer Maschinen- fabrik der Südoorstadt ritz der 20jührtge Haudar- beiter Tiegel von hier versehentlich eine Petroleum lampe um, dir dann explodierte. Dabei gerieten die Kleider Siegels in Brand. Der Betroffene rannte sofort nach dem Hof, warf sich dort in den Schnee und erstickte die Flammen, hatte aber immerhin so schwere Brandwunden erlitten, daß er im Stadt krankenhaus gestorben ist. — Pastor Weidauer aus Glauchau ist als Pfarrer der Michaelisktrche durch Superintendent Dr. Hoffmann feierlich eingewtesen worden. — Der Dieb, der am 26. Noo. d. I. von dem Platze vor der Markthalle weg einen mit einem Pferde bespannten und mit Srünwaren usw. bela denen Lastschlitten gestohlen hatte, ist gestern in der Person eine« aus einer Erziehungsanstalt entwiche- nen 13'/, Jahre alten Schulknaben ermittelt und in Freiberg von der Polizei in Gewahrsam genom men worden. Die Waren im Werte von ca. 150 Mark hatte der Bursche, zu dem sich in Frankenberg noch ein 10 Jahre alter Knabe gesellt hatte, im Haufierwege in der Umgegend von Mittweida und Oederan veräußert. Pferd und Schlitten wurden wiedererlaugt. — Mittweida, 29. Nov. In der Gonn- tag«nacht zog der 20jährtg« Fabrikarbeiter Curt Seidel in der Wohnung seiner Geliebten einen Re- volver und zeigt« scherzweise, .wie er es machen werde, wenn er sich einmal erschieße". In dem- selben Augenblick entlud sich die Waffe und das Geschoß drang dem Unvorsichtigen in die rechte Kopf seite. Der Schwerverletzte, der ins Krankenhaus gebracht wurde, hat den Verlust des rechten Auges zu beklagen. — Leipzig, 29. Nov. Die letzten unschönen alten Häuser am Augustusplatz, unter ihnen auch das .Schwarze Brett", werden im nächsten Jahre abgebrochen. An ihrer Stelle wird ein monumen tale« Gebäude errichtet, da« auf 99 Jahre bereit« von der Dresdner Bank gemietet wurde. Dem Au gustusplatz wird die Veränderung an seiner Peri pherie jedenfalls zur Zierde gereichen. — In einem Restauration,lokal am Thomaskirchhofe benahm sich Nr. 279. Irr Nnlttltmt als WMn. Das Leben ist doch zuweilen toller und phan tastischer in seinen Erfindungen als der abenteuer lichste Hintertreppenroman. Kein Kolportagehest würde der Phantasie seiner Leser so krasse Zu mutungen stellen, wie sie die W i e n e r Gist- briefaffäre des Oberleutnants Hofrichter in Wirklichkeit vor unseren entsetz ten Augen der Welt angesonnen hat. Ein Offi zier des wackeren österreichischen Heeres, der seine Kameraden meuchlerisch vergiften will! Gift ist sonst eher die Waffe rachsüchtiger Frauen, aber ein Soldat, der in heimtückischer Feig heit vorgeht, ist ein psychologisches Rätsel. Zwar liegt ein kaltes Raffinement der Tat zugrunde, trotzdem könnte man geneigt sein, an Wahnwitz und Geistesstörung zu glauben. Ist Hofrichter geistig gesund, so ist sein Fall die grau same Tragödie eines herzenskalten Strebers, der über Leichen geht, wo seinem Ehr geiz ein Vorkvärtskommen winkt. Zur Ehre der Menschheit sind so entsetzlich verbrecherische und ge- Lblrleutnanr Adolf Hofrichter.