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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.02.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190902078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19090207
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19090207
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- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-02
- Tag 1909-02-07
-
Monat
1909-02
-
Jahr
1909
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 07.02.1909
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WHkin-LmMr WM Amtsblatt. Nr. 31. Sonntag, den 7. Februar 1909: 2. Vellage. Deutscher Reichstag. Berlin, 5. Februar. Eingegangen ist ein sechster Nachtrags- e t a t. Auf der Tagesordnung stehen zunächst die Allgemeinen Rechnungen für die Jahre 1903 und 1904. Die Rechnungsvorlagen werden in zweiter Lesung für erledigt erklärt und Entlastung erteilt. Wetter steht auf der Tagesordnung die Wei- terberakung der Rechnungsübersicht für dieSchutz- gebiete pro 1904. Gemäß dem Anirage der Budgetkommission werden die außeretatmäßigen Ausgaben und die Etatsüberschrettungen geneh migt. Ueber den ferneren Antrag der Kommission, die nachgesuchte Indemnität für die Etats- überfchreiiungen infolge der Vorarbeiten für die Bahn Windhuk — Rehoboth zu ertei len, wird namentlich abgesttmmt. Die Indemnität wird mit 190 gegen 122 Stimmen beschlos- s e n. Dann wird die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern fortgesetzt. Zu den gestern mitgeieilten zwölf Resolutionen ist noch eine Resolution Bassermann hinzugekommen betreffend Vorlegung einer Denkschrift über die Abonnentenversicherung von Zei tungen. Abg. Linz (Rp.): Wir haben das Ver trauen zu dem Staatssekretär, daß er um die In augurierung einer energischen und zielbewuhten Mittelstandspolttik bemüht bleiben wird, um auch demjenigen Stande aufzuhelfen, der bisher durch die Gesetzgebung immer vernachlässigt worden ist. Deshalb begrüßen wir die Anregung des Herrn Trimborn, eine neue Lohnklasse im Alters- und Jnvaltditätsversicherungsgesetz für die Handwerker einzuführen, mit Genugtuung. Wir treten für die Schaffung des Retchsarbeitsamtes ein, jedoch muß die Bureaukratisierung dieser Zentralstelle vermie den werden. Die Reform des Krankenkassenwesens ist um so mehr erwünscht, als sich die Ortskran kenkassen zu Domänen und Verpflcgungsanstalten für sozialdemokratische Veteranen herausgebildet haben. Die Koalitionsfreiheit der Arbeiter und Angestellten muß unter allen Umständen gewahrt werden. Ich halte das Koalitionsrecht für eine elementare Grundforderung des modernen Gemein schaftslebens, deshalb sollte es allgemeine Aner kennung finden. Von diesem Gesichtspunkte aus habe ich das Vorgehen des Bundes der bayrischen Metallindustriellen ihren technischen Angestellten gegenüber, sowie das Vorgehen der oberschlechischen Industriellen auf das tiefste bedauert. Eine alte Forderung der Reichsparlei ist die Herabsetzung des Alters für Altersversicherung von 70 auf 65 Jahre. (Beifall rechts.) Abg, Schack (Wtsch. Vg.) empfiehlt die Re solution seiner Partei und stimmt den Resolu tionen auf Ausbau des Handwcrksblattes und auf Einführung der Verhältniswahl bei der Einver leibung zu und dairkt dem Staatssekretär für seine eifrige soziale Tätigkeit. Staatssekretär v. Bethmann-Holl weg,: Es liegt Ihnen bereits ein reiches Ma terial vor, lmd trotzdem sind hier so viel Wünsche laut geworden. Es hat doch sein Bedenken, wenn Jahr für Jahr ein so voller Strauß von Wün schen hier zusammengebunden wird, Im Lande könnte der Eindruck entstehen, als geschehe nicht genug. Noch schwerer wiegt cs, daß dadurch ein Moment der Beunruhigung in das Land getra gen wird. Die Wünsche für das Handwerk teilen wir, hoffentlich können uns im nächsten Etat be zügliche Forderungen eingestellt werden. Was die Arbeitszeit in der Schwerindustrie anlangt, so be zweckt die erlassene Verordnung, hierfür die nö tigen Unterlagen zu verschaffen durch entsprechende Angaben für jeden einzelnen Arbeiter in den Lohn listen, Schon dadurch wird hoffentlich auf Herab milderung einer übermäßigen Arbeitszeit hinge wirkt werden. Ein Gesetz über die Privatbeamten- verstcherung ist in Ausarbeitung. Bei Neurege lung der Arbeitszeit an Sonntagen im Han delsgewerbe wird zwischen Stadt und Land dif ferenziert werden müssen. Die bereits eingelause- ncn und noch einlaufcnden Gutachten der Han delskammern hierüber werden sorgsam geprüft wer den. Die Tarifverträge haben neuerdings im Reiche sehr zugenommen, und gerade die großen Arbeitgeberorganisationen waren dabei das trei bende ElemeUt. Nun verlangt man eine gesetzliche Regelung. Es könnte sich dabei nur um zivil rechtliche Regelung handeln. Aber England, das klassische Land der Tarifverträge, hat sich auf Einigungsämter und schiedsgerichtliche Einrichtun gen beschränkt. Sehen wir, wie sich bei uns die Tarifverträge, entwickelt haben, so glaube ich, daß es einer gesetzlichen Regelung dringend nicht be darf. Wir würden damit nur die natürliche Ent wicklung aufhalten. Eine andere Frage ist, ob etwa auf dem Gesetzeswege gewisse Hindernisse zu beseitigen wären, die dem Abschluß von Tarifver trägen enigegenstehen. Ein diesbezüglicher Antrag ist bereits in der Kommission für die Gewerbeord nung gestellt. Warten wir die Verhandlungen in dieser Kommission ab. Jedenfalls stehen wir den Tarifverträgen sympathisch gegenüber. Die Reichsversicherungsordnung wird noch in diesem Monat dem Bundesrate zugehen. (Beifall.) Mein Bestreben geht dahin, die Ar beiter zu Worte kommen zu lassen. (Beifall.) Ich hätte es daher auch sehr gern, den Kreis derer, die ich angehört habe, noch weiter auszudehnen. Aber Ivie ein dunkler Siem steht über mir die Lex Trimborn, die eine baldige Erledigung er heischt. (Heiterkeit.) Die drei Versicherungszweige sollen bestehen bleiben. Sie sollen nicht zusammen- geschlvssen Werden. Aber eine gewisse einheitliche Kodifikation erscheint geboten. Bei der Kranken versicherung handelt es sich zunächst um Einbe ziehung von Gesinde, ländlichen Arbeitern und Hausgewerbetreibenden. Das Krankenkaffenwesen soll zentralisiert werden im Interesse der Lei stungsfähigkeit. Die Beiträge werden halbiert wer den. Das Verhältnis zu den Aerztcn sei geregelt, ein bestimmtes Aerztesystem aber nicht vorgc- schriebcn worden. Ein Boykottieren von Kranken wie in Köl n ist eine zweifellos unsoziale Erschein» g. (Beifall.) Das sind Auswüchse des Koalitionswesens, die ebenso wie andere Auswüchse des Koalitionswesens, be ¬ seitigt werden müssen. (Beifall.) Ich bin der Letzte, der die Errungenschaften des Koalitions wesens bestreiten wollte, aber erkennt man nicht, daß ein überstarkes Koalitionswesen große Ge fahren birgt, daß dabei der geistige Individualis mus zu Schaden kommt? Es kommt darauf an, daß die berechtigten Koalitionen anfangen, sich gegenseitig zu verstehen. Neue Lohnklassen zugun sten des Mittelstandes und Handwerks für die jenigen, die oft schlechter stehen, als die Arbeiter (Sehr richtig! rechts), haben wir nicht einfügen können. Wir wollen das der weiteren Beratung im Reichstag überlassen. (Lebhafter Beifall.) Abg. v. Czarlinski (Pole) beschwert sich über die Anwendung des Sprachenparagraphen des Vereinsgesetzcs. Abg. Gothein (Frs. Vg.): Hoffentlich wird durch die Miitelstandsenqueie endlich einmal fest gestellt, was eigentlich als Mittelstand zu verstehen ist. (Sehr gut! links.) Wenn wir auch die Ver bindung von Zeitungsunternehmcn und Abonnen tenversicherungen als einen Mißstand ansehen, mei nen wir doch, daß nicht gleich gesetzliche Maßnah men notwendig sind. Der Redner kritisiert dann die Mißstände im Bergbau und erklärt reichs gesetzgeberische Maßnahmen für unser Bergwesen als dringend erforderlich. Hierauf wird die Vertagung beschlossen. Nach dem der Präsident die Tagesordnung für morgen verkündet hat, erteilt er noch zu einer persönlichen Bemerkung das Wort dem Abg Hoch (Soz.) Weiterberatung morgen 1 Uhr. Schluß 6j^ Uhr. Die Sächsische Landschaft im Wandel der Jahrhunderte. Im Gemeinnützigen Verein zu Dresden hielt Herr Archivrat Or. Beschorner jüngst einen Vortrap Über „Die Sächsische Lrndschaft im Wandel bei Jahrhunderte", dem wir folgende nicht uninte- kssante Ausführungen entnehmen: Nachdem Red- «er die EiSzcit gestreift und die Lurch eine arktisch, tundrenflora charakterisierte DkyaSperwde geschildert gatte, besprach er die Entstehung und die Ausdeh nung der alten Wälder, von der wir uns keine übertriebenen Vorstellungen machen dürfen. Die Walkbedeckung war dicht, aber doch überall, lamentlich längs der größeren Flußläufe, durch weite Steppengebiete unterbrochen. Diese wurden früh mich Rodungen erweitert, wohl noch nicht von den Menschen der Steinzeit, wohl ober von den in der folgenden Bronze, und Eisenzeit (500 vor Christus oiS ungefähr 600 nach Christus) unsere Gegenden bewohnenden Germanen (Hermunduren), später Thüringer und Angeln, die nicht mehr, wie bisher infolge Mißverstehen? einer Stelle bei Cäsar allgemein angenommen wurde, bloße Nomaden oder Halb nomaden waren, sondern schon einen ziemlich fort geschrittenen Ackerbau trieben. Ihrs Döffer mit den oarumliegenden, nach dem Prinzip der wilden Feld- Grat-Wirtschaft bestellten Weiden gaben dem Lande ein ganz anderes Aussehen, als die Einzelsiedelungen derKelten in dem benachbarten Böhmenund Thüringen. Die Slaven, die nach dem Abzüge der Ger manen während der großen Völkerwanderung von unserer Gegend Besitz ergriffen (ungefähr 600—900 n. Chr), veränderten insofern das LandschastSbtld, als sie ihre Döffer meist als Rundlinge oder Straßendörfer anlegten und die Fluren in große, unregelmäßige Blöcke aufteilten. Dagegen änderte sich an dem Verhältnis von bebautem und unbe bautem Land unter ihnen so gut wie nichts- In ausgedehntem Maße wurden die Wälder gerodet und die sonstigen von der Kultur gemiedenen Gegenden besiedelt in der großen Zeit der deutschen Kolonisation (ungefähr 900—1250, im Gebirge bis im 15. Jahrhundert), die auS Sachsen ein durch und durch deutsches Land machte. Da sie, wie keine andere, auf die Gestaltung des Landschaft-» bildeS gewirkt hat, behandelte Redner sie eingehender. Er schilderte u. a. die verschiedene Ansetzung der Kolonisten, die verschiedenen Flur- und Dorftypen (Gewannflur, Waldbufeflur, Haufendorf, Reihendorf), aaS Wesen der Dreifelderwirtschaft (Winterfeld, Sommerfeld, Brache), die Anfänge der Wiesen-, Obst- und Weinkultur usw. Erst das 19. Jahrhundert hat stellenweise den damals geschaffenen landschaftlichen Charakter völlig umzuwandeln vermocht. Freilich sind auch in der langen Zwischenzeit wichtige Veränderungen mit dem Erdantlitze bei unS vor sich gegangen. Während mich die Hussiten, den 30jährigen und den 7jährigen Krieg die Kuliuc deS Landes zeitweise zurückping, sind große Fortschritte namentlich unter den Kur fürsten August, August dem Starken und Friedrich Christian, dessen Reformen Prinz Laver und Fried rich August III. fortsetzten, zu verzeichnen. Was Vater August für die Förderung des Ackerbau«, der Viehzucht und Obstbaues getan hat, ist nicht minder groß, als sein und seiner Nachfolger Verdienst um aen Schutz der Wälder in Sachsen, in die man seit üem Zeitalter der großen Rodungen hinein zu wüsten gewohnt war und die durch das sinnlose Gebaren der anliegenden Dorfbewohner, der Schneidemüller, der Flößer, der Köhler, der Pottaschebrenner und Pechsieder ganz zugrunde zu gehen drohten. Kurfürst August und seine Nachfolger schoben hier einen Riegel vor und begannen ordentlich auf zuforsten, wodurch allmählich der Laubwald, der während des Mittelalters überwogen hatte, dem praktischeren Nadelholz wich. Unter Vater August begann auch die Industrie eine für das Aussehen ie« Landes wichtig werdende Rolle zu spielen. Unter hm, noch mehr unter August dem Starken und tu aer zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Reformen Friedrich Christians und seiner Nachfolger) bedeckten sich weite Strecken unseres Landes mit Industrie» pflanzen (Flach«, Hanf, Weberkarden, Tabak, Maul beerbäumen, Krapp), die Städte, auf die die Industrie fast allein beschränkt blieb, wuchsen zusehends, das Straßenwesen nahm einen ganz anderen Umfang an als früher usw. Aus der Geschichte bei sächsischen Landwirtschaft hob Redner ferner als besonders wichtig für die sächsische Landschaft die Verallgemeinerung des Kartoffelbaues unter August dem Starken und seinen Nachfolgern und den durch Einführung der Stall- sütterung (Schubart von Kleefeld) bedingten Anbau von Futterkräutern, wie Futterwicke, Lupine, Weiß- Sein einziges G«1. Roman von B. C o r o n y. (Nachdruck verboten.) 1. Kapitel. Der sternflimmernde Schleier einer wundervol len Sommernacht umhüllte die in süßer Ermattung ruhende Erde. Glühwürmchen zogen durch die blaue Luft oder bargen sich düftetrunken in den Blumenkelchen. Wie in eine Silberglut getaucht schien die herrliche Gebirgslandschaft, welche sich unweit von der Stadt G.. . . ausbreitct. Die Mauern des alten Herrensitzes Hohenfels, seiner Bauart wegen einfach „das Schloß" ge nannt, sahen blendend weiß aus, und dem großen, düsteren Garten gab die matte magische Beleuch tung etwas Feenhaftes. Gleich einem Strom schwimmender Perlen goß der Springbrunnen seine Kaskaden in das Marmorbecken. Nur eine kurze Strecke trennte Hohenfels von dem Gute Edclhof, dessen Dach zwischen uralten Linden hervorragte. Das nicht große Gebäude machte einen gar freundlichen Eindruck. Seine Vorderfront war förmlich überwuchert von wildem Wein, und eines der Fenster des Erdgeschosses wurde von einem Rosenstrauch umrankt, dessen Pur- purblüten sich schwellend und nickend an die Schei ben drückten. Heiliger Friede schien über dem Fleck Erde zu walten, der die beiden Nachbargüter trug, und dennoch lebten die Besitzer derselben, Gisberk von Hohenfels und der Landwirt Hans Rainer, seit Jahren in bitterster Feindschaft. Hohenfels hegte einst eine glühende Leiden schaft für Hildegard, die Tochter des nun ver storbenen Pastors Kröger, und dieses Gefühl war nicht unerwidert geblieben. Allein damals lebte der alte Freiherr noch, dessen Einwilligung um so weniger zu erhängen gewesen wäre, als auch sein früh verwaister und im Schlosse erzogener Neffe Gregor von Arnheim eine Wahl getroffen hatte, die scharf getadelt imrrde. Der Pastor erkannte die Gefahren, die sein Kind bedrohten, und die fast unüberwind lichen Schwierigkeiten, die sich einer Vermählung entgegcnstelltcn. Obschon es ihn schmerzte, sein Kind rauh aus dem süßen Traum ausrütteln zu müssen, sprach er doch ein Machtwort und trennte die Liebenden. Er handelte nach seiner besten Ucberzeuguug, und Hildegard war zu sanft und weich, um zu widerstreben Sie fügte sich dem Gebote des Vaters und wurde die Gatlin des Landwirtes Hans Rainer, dem sie jedoch nicht verbarg, daß ihr Herz dem Freiherrn gehöre. Sie war ein treues, gutes Weib und hielt ihr Ver sprechen, niemals auch nur ein Wort mit Hohen fels zu wechseln: aber vergessen konnte sie ihn nicht, und rechte Freudigkeit wollte nie mehr in ihr Gemüt einzffhcn, wenn sie auch ruhig, gefaßt und freundlich schien. Vielleicht würde cs anders gekommen sein, wäre Rainer nicht so wild und leidenschaftlich ge wesen und hätte er seine Eifersucht bezwingen können. Er liebte Hildegard mit aller Kraft der Seele, und dieses Gefühl gab sich bald in über schwenglicher, an Anbetung grenzender Zärtlichkeit kund, bald in maßlosen Ausbrüchen einer Heftig keit, die er nicht zu zügeln vermochte. Wie Ra serei packte es ihn zuweilen, wenn er bedachte, daß die Gedanken des holden Weibes dem stolzen Manne gehörten, während an ihn nur kühle Pflicht treue sie fesselte. Dann nannte er den Namen des Freiherrn unter Verwünschungen und stieß auch gegen Hildegard Anklagen aus, deren Ungerechtig keit er sofort selbst cinsah und flehentlich abbat. Die sanfte Frau ließ sich auch sters bereit fin den, zu verzeihen, ja, sie zürnte ihm nicht ein mal, da sie an ihren, eigenen Weh bas seine zu ermessen vermochte, aber ihr zarter Körper war diesen beständigen Aufregungen, diesem unabläs sigen Schwanken zwischen Furcht und schmerzlichem Mitleid nicht gewachsen. Die niemals ruhende Sehnsucht untergrub ihre Lebenskraft. Nachdem sie sechs Jahre lang an Rainer's Seite geweilt und ihm ein Töchterlein geschenkt hatte, welches ihr Ebenbild zu werden versprach, entwickelte sich ein schleichendes Uebel, das sie klaglos trug und das deshalb von niemand bemerkt wurde, Gisbert von Hohenfels vermochte die einst so heißen Wünsche ebenfalls nicht zu begraben. Aus einer adelsstolzcn Familie stammend und selbst nicht ohne Vorurteile, fühlte er doch, daß er mit der Jugendgeliebtcn sein Glück verlor. Er war den Ueberlicferungen seines Hauses treu geblieben, aber das Opfer, welches er der langen Ahnen reihe brachte, auf die er zurückblicken durfte, drohte ihn dereinst zu einem einsamen Manne zu machen Um die Erinnerung zu bannen, stürzte er sich ge flissentlich in den Strudel eines tollen Lebens. Obschon sich selbst der Ungerechtigkeit anklagend, konnte cr es Rainer nie verzeihen, daß dieser das Kleinod an sich riß, nach welchem er selbst die Hand nicht ausstrecken durfte. Begegneten sich die beiden Männer, fo gingen sie nicht wie friedliche Nachbarn aneinander vorüber, sondern wie erbit terte Feinde, die nur gewaltsam den aufwallendcn Zom zurückhalten und für die cs keine Versöh nung gibt. Da klopfte der Tod mahnend an das roscn- umranktc Fenster, hinter welchem Hildegard still und bleich auf dem Lager ruhte, von dem sie nicht mehst erstehen sollte. Mit ihren großen, fieber- glänzenden Augen, deren Farbe ein Abglanz des Himmels zu sein schien, und den schneeweißen Wangen sah sie fast überirdisch schön aus. Der berauschende Hauch -cr Sommernacht strömte in das kleine Zimmer, der Mond warf einen bläu ¬ lichen Schein auf die Weißen Dielen, ein Falter schwebte um das goldbraune Haar der Sterbenden, deren umflorter Blick die funkelnde Sterncnpracht suchte, als wollte sie sragen: zu welcher dieser strahlenden Welten sich ihre scheidende Seele Wohl emporschwingen werde. Ein Schimmer der Verklärung lag über das zarte Antlitz gebreitet. Neben ihr kniete Hans Rainer, fast wahnsinnig vor Schmerz. Es war erschütternd, den starken, harten Mann weinen zu sehen. Als läge es in ihrer Macht, seine Bitte zu erfüllen, flehte er sic an, nicht von ihm zu gehen. Es war ihm, als könne er mit dem To- descngel selbst um das teure Weib ringen, als könne er sie zurückrcißen von der Schwelle des Pa radieses. Verzweifelt klagte er sich an, sie un glücklich gemacht, sie langsam hingemordet zu haben. „Nein, das hast Du nicht getan, Hans", sagte sie mit ihrer Weichen, gebrochenen Stimme, die durchsichtig weiße Hand tröstend auf sei» Haupt legend. „Du hast es gut mit mir gemeint, und nur das Uebermaß Deiner Liebe machte Dich zu weilen ungerecht. Ich war ja auch nur ein schwa ches Geschöpf, das keine Macht über sich selbst be saß und in dessen krankem Herzen die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren nicht sterben wollte. Drum ist es gut für uns beide, wenn ich zur Ruhe gehe. Du hast ja unsere Tochter. Jlsi sie heran- gcwachsen, so wird es sein, als stände ich wieder vor Dir, nur besser und glücklicher; denn Deine brave Mutter wird über sie Wachen, daß sie keine nach Idealen haschende Träumerin wird, sondern ein Wesen, welches sich und anderen zum Segen lebt." (Fortsetzung folgt.)
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