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Nr. 67 PAPIER-ZEITUNG 2523 — — Buchbindereien in Basel Einem Bericht der »Basler Nachrichten« über die Basler Gewerbe-Ausstellung 1901 entnehmen wir Folgendes: Die ausgestellten Buchbinderarbeiten zeichnen sich durchwegs durch feinen Geschmack aus und zeigen besonders, wie weit es unsere Buchbinder in der kunstvollen Handvergoldung gebracht haben. Die Firma H. Kündig & Sohn stellt eine stattliche Sammlung von Ein bänden aus, die schöne und stilvolle Entwürfe eigener Erfindung auf weisen. Besonders reich an Kartonnagearbeiten ist der Pavillon der Firma J. Kestenholz. Gepresste Kartonteller und Kartonrahmen sind in allen möglichen Spielarten vertreten, von den Biertellern bis zu den Blumentellern und Visitkartenschalen. Die ausgestellten gepressten Spiegel- und Bilderrahmen zeichnen sich durch angenehme Farben wirkung aus. Auch die hübschen Bonbonnieren werden gelobt. Louis Jäger hat gediegene Arbeiten ausgestellt, darunter Einbände zu grossformatigen Bibeln sowie 6 Bände des ürkundenbuches der Stadt Basel. Wilhelm Bitz zeigt sich in der Ausführung von Geschäfts büchern als tüchtiger Meister, liefert aber auch Liebhaber-Einbände. In einem schönen, in grünen Tönen gehaltenen Pavillon hat die Geschäftsbücherfabrik Leonhard Gessler ihre mannigfachen Erzeugnisse ausgestellt. Die gross angelegte Ausstellung dieser mit einem Diplom erster Klasse und der goldenen Medaille ausgezeichneten Firma ver- räth auf den ersten Blick den Grossbetrieb. Neben einer reichhaltigen Sammlung von Liniaturen fallen verschiedene eingebundene grosse Geschäftsbücher auf. Zu den feinsten Buchbinderarbeiten gehören die Ausstellungs artikel von Emanuel Steiner, der mit Einbänden von erlesenem Geschmack und künstlerischer Ausführung vertreten ist. Diese prachtvollen Originalarbeiten haben auch im Ausland ihre Würdi gung gefunden, und eine Kunstzeitschrift hat verschiedene dieser Entwürfe abgebildet, wie das Miniaturtitelbild zum »Parcival«, bei dessen Einband wohl nicht mehr von Handwerk, sondern von Kunst gesprochen werden muss. Seine Ansichten über stilgemässe Aus stattung von Einbänden hat der Aussteller in verschiedenen in der Ausstellung aufgelegten Abhandlungen dargelegt. Danach soll die äussere Form des Buches mit dessen Inhalt in Einklang stehen. Ansteckungsgefahr durch gebrauchte Bücher Aerzte und Bakteriologen haben wiederholt die Befürchtung ausgesprochen, dass von Hand zu Hand wandernde Bücher, besonders solche aus Leih- oder Krankenhaus-Bibliotheken, ansteckende Krankheiten verbreiten können. Das Repertorium der Chemiker-Zeitung bringt folgenden Auszug einer in der »Zeitschrift für Hygiene« abgedruckten Arbeit von Arthur Krause: Trübung von Nährbouillon und septische Infektion von Thieren, denen Streifen in die Bauchwand oder Bauchhöhle eingenäht wurden, wurde durch gebrauchte Bücher, nicht aber durch neue hervorgerufen. Sterilisation infizirter Bücher wird durch Formalin in verschiedenen Modifikationen nur dann erreicht, wenn die Bücher aufgehängt werden, sodass die einzelnen Blätter lose hängen; am besten war hierfür der Lingner’sche Apparat. Mit strömendem Wasserdampf wurde in Bukowsky’scher Maschine sichere Desinfektion inner halb 30 bis 40 Minuten erreicht. Dabei erleiden nur Lederbände erhebliche Schädigung. Die Lebensfähigkeit der hauptsächlichen Infektionserreger auf dem Papier ist übrigens nicht sehr gross, sodass Bücher, welche längere Zeit äusser Gebrauch waren, auch ohne Desinfektion wieder in Gebrauch genommen werden können. Nach Obigem ist die Ansteckungsgefahr unter gewöhnlichen Umständen nicht gross und genügt keinesfalls, um etwaige polizeiliche Vorschriften betreffs Entseuchung von Büchern öffentlicher Bibliotheken zu rechtfertigen. Immerhin nützt die Verbreitung solcher Veröffentlichungen dem Buchgewerbe inso fern, als sie vielleicht Manchen veranlasst ein Buch zu kaufen, statt es aus einer Leihbibliothek oder von einem guten Freunde zu entleihen. Bed. Leuchtgas in Bibliotheken Verschiedene Gelehrte haben die Befürchtung ausgesprochen, dass die Gasbeleuchtung in Bibliotheken infolge der dabei ent stehenden schwefligen Säure, die sich nach und nach zu Schwefelsäure oxydire, Papier und Einband der Bücher schädige. Wiesner hat Versuche angestellt, ob diese Befürchtung in Bezug auf Papier berechtigt ist. Er veröffentlicht hierüber in einer Leipziger Zeitung Folgendes: Holzschliffhaltige Papiere vergilben, wenn man nur die Wir kung des Lichts in Betracht zieht, durch Gasbeleuchtung weniger als durch Tages- oder elektrisches Licht, da Gaslicht weniger reich an chemisch wirksamen Strahlen ist als die beiden ge nannten Lichtarten. Wiesner fand, dass Holzschliffpapier 4Monate in 0,75 m Entfernung von einer brennenden 8 herzigen Hasflamme liegend nicht stärker vergilbt, als wenn man es 2 Stunden dem Sonnenlicht aussetzt. Er setzte Holzschliffpapier während 5400 Stunden der Luft eines Zimmers aus, das mit Gas beleuchtet und mangelhaft ge lüftet war. Die Verbrennungsprodukte des Leuchtgases hatten weder für sich noch mit Luft gemischt das Papier verändert. In einem Raum, der so schlecht gelüftet war, dass die Leuchtkraft der Gasflamme wesentlich beeinträchtigt erschien, wurden Papierstreifen theils in Glasröhren, theils frei dem Licht ausgesetzt, theils vom Licht durch Schirme geschützt. Nach 10 Wochen waren die freiliegenden Streifen zwar mit hellbraunem Russ bedeckt, aber weder diese noch die anderen hatten in sonstiger Beziehung gelitten. Nur die belichteten holzschliffhaltigen Papiere waren ein wenig vergilbt. Wiesner kommt auf Grund seiner Versuche zur Ueberzeugung, dass Gas beleuchtung anstandslos in Bibliotheken angewandt werden kann. Elektrotypograf. Auf dem jüngsten Kongresse der franzö sischen Buchdruckereibesitzer in Dijon hat man sich, ähnlich wie auf dem Kongress der deutschen Buchdruckereibesitzer in Dresden, mit dem Einfluss beschäftigt, welchen die Zeilengiess maschinen im Buchgewerbe haben werden. Auch ist ein Vor trag über den Elektrotypograf gehalten worden, für welchen man sich in Frankreich besonders zu interessiren scheint. In seinem bekannten Buche »Geschichte der Setzmaschine« stellt Karl Herrmann dieser Setzmaschine einen grossen Erfolg in Aussicht. Es dürfte daher von allgemeinerem Interesse sein zu erfahren, wann der Elektrotypograf in praktischen Gebrauch kommen wird. Der letzte Rechenschaftsbericht der bauenden Firma, Schuckert & Co. in Nürnberg, sagt darüber Folgendes: »Nachdem die Gesellschaft schon seit geraumer Zeit mit der Durchbildung einer nach Ansicht hervorragender Fachleute ausserordentlich bedeutungsvollen Erfindung »des Elektrotypo grafen« nach den Patenten Meray-Rozär in ihren Werkstätten beschäftigt war, denkt sie demnächst in die geregelte Fabrikation eintreten zu können. Die Gesellschaft hat sich das alleinige Ausführungsrecht für die kontinentalen Staaten gesichert und hofft, dass die Herstellung dieser Letterngiess- und Setzmaschine ein wichtiges Glied der Fabrikationsthätigkeit werden wird.« Inzwischen ist ein allgemeiner Rückgang in der elek trischen Industrie eingetreten, von welchem natürlich auch eine so bedeutende Fabrik wie die von Schuckert & Co. nicht unberührt geblieben ist. Sie setzt zwar noch grosse Hoffnungen auf ihre Auslandsunternehmungen, sogar auf das russische, obwohl es in dem Rechenschaftsberichte betreffs Russlands heisst, dass in diesem Lande seit längerer Zeit kritische Ver hältnisse in Handel und Industrie herrschen, unter denen natür lich auch das dortige Buchgewerbe leidet. In wie weit daher die veränderte Sachlage die Fertigstellung des Elektrotypo grafen verzögern wird, muss abgewartet werden. Sm. Golddiebstahl In einer Buchbinderei. In der Grossbuchbinderei von Wilhelm Kämmerer in Berlin, Kochstr. 67/71, kamen in diesem Früh jahr wiederholt Diebstähle vor, ohne dass es gelingen wollte den Thäter zu ermitteln. Endlich machten einige Arbeiter ihren Arbeit geber darauf aufmerksam, dass der Buchbinder Paul Fuchs sich häufig nach Feierabend in den Werkstätten zu schaffen mache und dabei leicht Gelegenheit zu Diebstählen habe. Herr Kämmerer gab nur widerstrebend diesem Verdachte Raum, denn Fuchs war seit vielen Jahren bei ihm thätig und bekleidete eine Vertrauensstellung. Eine Haussuchung wurde vorgenommen, und es wurden bei F. 80 Pack Blattgold im Werthe von etwa 1200 M., ausserdem Kehrgold im Be trage von etwa 80 M. und verschiedene andere Gegenstände von ge ringerem Werthe gefunden. Vor der Polizei gab F. zu, sämmtliche Sachen seinem Chef entwendet zu haben; in der Verhandlung vor der ersten Ferienstrafkammer des Landgerichts I am 14. d. M. widerrief er das Geständniss. In seinem Besitz wurde eine eigenartige Vor richtung gefunden, die der Angeklagte selbst zusammengesetzt hatte, bestehend aus zwei ineinander passenden, vertieften, mit langen, dicken Drahtstäben versehenen Platten. Durch geeignete Führung dieser Drähte konnten die beiden Platten auf- und zugeklappt werden. An diesen Platten befanden sich Spuren von Gold. In der Buch binderei wurde mit einer Maschine gearbeitet, die bis auf eine kleine Oeffnung verschlossen gehalten war, weil im Innern Goldstaub ver arbeitet wurde. Die vom Angeklagten hergestellte Vorrichtung liess sich in die Maschine einführen und mit ihr Gold herausnehmen. Das Blattgold hatte sich im verschlossenen Pult im Kontor befunden. Der Angeklagte räumte nur den Diebstahl des Blattgoldes ein, wollte aber das Pult an einem Morgen offen gefunden haben. Er habe im Jahre 1884 eine Erfindung gemacht, die im Geschäfte seines Prinzipals ver- werthet worden sei, und wofür ihm 500 M. versprochen wurden. Dies Geld habe er nie erhalten, und deshalb sei ihm der Gedanke ge kommen, sich schadlos zu halten. Der Gerichtshof hielt den angetretenen Entlastungsbeweis für völlig verfehlt. Der Angeklagte wurde zu einer Gefängnissstrafe von neun Monaten und zweijährigem Ehrverlust verurtheilt, während der Staatsanwalt nur sechs Monate Gefängniss beantragt hatte.