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Handelskammer-Berichte 1900 Breslau. Papierfabrikation. Die Lage der Papier-Industrie wurde im vorigen Jahre immer schwieriger: die Preise aller Rohstoffe stiegen immer weiter, und die Verbraucher von Papier entschlossen sich erst dann zur Aufbesserung der Preise, als die Papierfabrikanten, welche gleiche Sorten erzeugen, sich über die Preise, die unbedingt gefor dert werden müssen, geeinigt hatten. Bei gemeinsamen Aussprachen wurden alle Fabrikanten veranlasst, ihre Selbstkosten genauer zu kal- kuliren und gemeinsam Preise zu verlangen, welche wenigstens einen Gewinn in Aussicht stellten. Allgemein wurde anerkannt, dass zu den früher üblichen Preisen nicht mehr weiter geliefert werden könne. Die Fabriken gründeten den »Verband Deutscher Druckpapierfabriken«, welchem etwa 80 pCt. aller diese Papiersorte erzeugenden Fabriken Deutschlands beitraten. Seitens der Zeitungsverleger wurden die nothwendig gewordenen Preiserhöhungen von etwa 25 pCt. als nicht berechtigt bezeichnet und mit Anlage neuer Fabriken gedroht. Dabei wurde nicht berücksich tigt, dass Holzschliff, von welchem in Zeitungspapier etwa 70 bis 80 pCt. enthalten sind, um 7 M. für 100 kg im Preise gegen früher gestiegen war. Dies ergiebt allein eine Preiserhöhung von rund 5 M. für 100 kg Papier äusser dem Mehraufwand für Zellstoff, Kohlen, Löhne und überhaupt für alle zur Herstellung von Papier nöthigen Rohstoffe. Wie allgemein bekannt, herrschte im vorigen Jahre Wassermangel, und es fehlte daher den Holzschleifern an Betriebs kraft. Infolgedessen musste aus Schweden, Norwegen und Finland Ersatz herbeigeschafft werden, und der Preis für nordischen Holz schliff. welcher dem im Inlande erzeugten meist nachsteht, kam dem jenigen gleich, der ein Jahr vorher für den viel werthvolleren Zell stoff angelegt wurde. Für bessere Papiersorten mit geringem Holzschliffgehalt oder ohne Holzschliff war es nur sehr schwer, kleine Preisaufbesserungen durch zusetzen, weil während der Zeit der grossen Holzschliffnoth viele Fa briken Aufträge auf holzschlifffreie Papiere übernahmen, obgleich sie darauf nicht gut eingerichtet waren, nur um überhaupt die Maschinen beschäftigen zu können. Die Ausfuhr des Bezirks bestand zum grössten Theil aus Papieren mit hohem Holzschliffgehalt; infolge Schwierigkeiten in der Be schaffung von Holzschliff gingen viele alte Aufträge für die Ausfuhr an günstiger gelegene Fabriken in [Schweden, Norwegen und Finland. Noch weiter wurde die Papier-Industrie durch die Steigerung der Preise fast aller Rohstoffe bedrängt. Zellstoff und Hadern mussten theurer eingekauft werden als früher, namentlich stiegen die Preise für Stroh infolge der schlechten Ernte und werden voraussichtlich noch weiter in die Höhe gehen. Auch die Chemikalien, besonders Chlorkalk, Glaubersalz und Soda wurden theurer. Da alle Papierfabriken bis Ende des Kalenderjahres sehr gut be schäftigt waren und auch grosse Aufträge für das neue Jahr besitzen, ist zu hoffen, dass im laufenden Jahre der Verbrauch der Erzeu gung gleichkommen wird, trotz in Aussicht stehender Neuanlagen und Vergrösserungen. Im Papierhandel machte die Steigerung der Papierpreise, die be reits gegen Ende 1899 ihren Einfluss geltend machten, im vergangenen Jahre weitere erhebliche Fortschritte. Der Handel im Papierfach entwickelte sich im verflossenen Jahre lebhaft, und wie in andern war auch in diesem Fache flotter Absatz vorhanden. Der Geschäftsgang in Luxus- und Spitzenpapieren war im Jahre 1900 ähnlich wie im Vorjahre. Die Nachfrage, sowohl aus dem Inlande, als besonders für Ausfuhr war sehr rege; aber wenn es auch gelang, bei einem Theile der Kundschaft eine kleine Aufbesserung der Preise zu erzielen, so stand diese Steigerung nicht im Verhältniss zu den weiterhin bedeutend erhöhten Forderungen der Papierfabrikanten. Die langen Lieferfristen, die von Letzteren gefordert wurden, wirkten ebenfalls er schwerend auf das Geschäft. Buntpapier. Die bedeutenden Preiserhöhungen für Rohpapiere hätten allgemeine Erhöhung der Preise für Buntpapiere zur Folge haben müssen. Mit Ausnahme einiger billiger Sorten von Buntpapieren, für welche durch Konvention der hierbei in Frage kommenden Bunt papierfabrikanten die Preise zeitgemäss festgesetzt würden, war aber keine allgemeine Preis Erhöhung der verschiedenen Sorten Buntpapier durchführbar. Die Ursache wird darin zu suchen sein, dass der grösste Theil der in Deutschland fabrizirten Buntpapiere für die Aus fuhr bestimmt ist. Besonders die belgischen Buntpapierfabrikanteil sind scharfe Wettbewerber. Der deutsche Fabrikant vermag dadurch nicht immer die Preise den theuren Rohstoffen entsprechend zu stellen, vielmehr müssen sich die deutschen Fabrikanten mit den Ausfuhr- Preisen nach denen der Buntpapierfabrikanten des Auslandes richten. Die Erwartung, dass durch das ständige Steigen der Rohpapier preise eine allgemeine Aufbesserung der Buntpapierpreise folgen müsse, ist nicht eingetroffen. Nur vereinzelt in Deutschland wurde den Buntpapierfabriken ein höherer Preis bewilligt. Der Krieg in (’hina bildete die- Veranlassung, dass bestimmte Sorten Buntpapier, welche vor Ausbruch des Krieges durch Londoner Händler in grossen Mengen für Japan und China aus Breslau bezogen wurden, monatelang garnicht gekauft wurden, und bis heute ruht das Geschäft mit den angeführten Ländern fast ganz. Die Tapetenfabrikation Deutschlands, welche infolge Uebererzeugung jahrelang zu gedrücktesten Preisen arbeiten musste, ist in den letzten Jahren durch den Zusammenschluss fast aller Fabriken ertragreicher geworden. Sie hat besonders dadurch, dass für die einzelnen Artikel die Grundpreise durch ein Syndikat festgesetzt wurden, statt auf billigste Herstellung mehr auf gute Ausführung Bedacht nehmen können. Durch die Festsetzung von Mindestpreisen, die je nach der Zahl der Druckfarben normirt wurden, bemächtigte sich die Technik der Sache insofern, als sie jetzt, mit Hilfe komplizirt ausgeführter Walzen Tapeten herzustellen bemüht ist, die so eigenartig und farben reich wirken, dass sie oft die doppelte Zahl Druckwalzen vermuthen lassen. Infolgedessen kann das Publikum heute, trotz Preiserhöhungen, in der That zu gleichem Preise wie früher eine bedeutend besser wirkende und oft künstlerisch ausgeführte Tapete bekommen. Die feinen Sorten werden heute in solcher Vollendung her gestellt, dass wirkliche Kunstprodukte in den Handel kommen, da auch allererste Künstler jetzt ihr Augenmerk auf diesen Theil des Kunst gewerbes richten. Ausländische Tapeten sind hierdurch fast ganz von der deutschen Waare verdrängt worden. Buchdruckerei. Im Jahre 1900 war der Geschäftsgang der Bres lauer Buchdruckereien gleich günstig wie im Vorjahre. Die Papierpreise stiegen durchweg für bunte holzhaltige Papiere sogar bis 40 pCt., während es nur selten gelang, jetzt schon höhere Preise vom Besteller zu erzielen; namentlich waren die durch längere Lieferungsverträge gebundenen Geschäfte dadurch benachtheiligt. Die Buchdruckereien waren auf solche Steigerung der Papierpreise nicht vorbereitet, vielmehr durch deren bisheriges stetes Sinken in Sicher heit gewiegt. Ferner wurden die gesteigerten Kohlenpreise sehr unangenehm empfunden und veranlassten verschiedene Druckereien zu dem billigeren und durch Wegfall der Transmissionen für die Arbeiter auch gefahr loseren, elektrischen Maschinenbetrieb überzugehen, sodass jetzt 43 Elektromotoren gegen 31 im Vorjahr in den Breslauer Buchdruckereien benutzt werden; die Zahl der Gasmotoren ging von 21 auf 16 zurück. Die 28 Breslauer Buchdruckereien arbeiteten mit 5 Zwillings- rotations-, 8 Rotations-, 8 Doppel-, 95 einfachen, 6 Zweifarben- und 70 Tiegeldruck-Maschinen, ausserdem waren 29 Handpressen und eine grosse Zahl Hilfsmaschinen vorhanden; beschäftigt wurden im Durch schnitt 580 Buchdruckergehilfen, 150 Lehrlinge, 400 Arbeiter, 29 Stereo typeure und in 2 Buchdruckereien 22 Setzerinnen. Etwa die Hälfte dieser Arbeitskräfte nahm die Herstellung der hier erscheinenden Tageszeitungen und Zeitschriften in Anspruch; der Buchhandel gab mit verschiedenen neuen Unternehmungen sowie mit Neuauflagen, besonders aber mit dem Stereotypplattendruck seines alten Verlages, meist Schul- und Gesangbüchern, den hiesigen Buch druckereien reichliche Aufträge; im Uebrigen bilden die Formulare der Behörden und des Handelsstandes die Hauptbeschäftigung der Bres lauer Buchdruckereien. Die hiesige Schriftgiesserei hatte für ihre 7 Giessmaschinen, sowie für die Stereotypie und Galvanoplastik, entsprechend dem flotten Ge schäftsgang der Buchdruckereien, fast während des ganzen Jahres reichliche Arbeit und beschäftigte durchschnittlich 30 Gehilfen, Arbeiter und Arbeiterinnen. Ueber Kunstdruck und Chromolithografie lässt sich leider„nicht viel Gutes berichten. Während die erste Hälfte des verflossenen Jahres ein erfreulicheres Bild gab, flaute das Geschäft in der zweiten Hälfte des Jahres erheblich ab, und dürften hierzu wohl die allgemeinen poli tischen Verhältnisse beitragen, ferneraberauch der Niedergang sämmt- licher Industrien und der damit verbundene Kurssturz. Gerade der Kunstdruck ist in hervorragender Weise vom Blühen der Gross industrie abhängig. Infolge der herrschenden Verhältnisse ist der in ländische Markt sehr gedrückt, wozu noch die durch hohe Zölle des Auslandes erschwerte Ausfuhr getreten ist. Die Eingangszölle nach Russland und jetzt auch nach Schweden und Norwegen sind derart hoch, dass die deutsche Industrie trotz grosser Leistungsfähigkeit bald mit dem inzwischen entstandenen einheimischen, recht beachtens- werthen Wettbewerb wird nicht mehr mitkommen können, aacaukei Ulan verlange illustrierte Preisliste über Ferd. Asheim, Berlin N 65, Wildenowstr. 21