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139. 18. Juni 1912. Nichtamtlicher Teil. G. m. b. H.« hat die Hofbuchhandlung Carl Duncker, Berlin, eine Theaterabteilung ihrem Verlage angegliedert. Gesell schafter sind die Herren Hofbuchhändler Heinrich Kornfeld, Verlagsbuchhändler Wilhelm Mannstaedt und Verlagsbuch- hündler Kurt Kornfeld zu Berlin. Der neue Bühnenvertrieb gedenkt vor allem jungen, aufstrebenden Autoren den Weg zu bahnen. Zum Schluß noch etwas Nicht-Aktuelles: »Ein erfahrener Kenner der Buchmacherey wird, als Verleger, nicht erst darauf warten, daß ihm von schreibseligen, allezeit fertigen Schriftstellern ihre eigeneWare zum Verkauf an geboren wird; er sinnt sich, als Direktor einer Fabrik, die Ma terie sowohl als die Faxon aus, welche, muthmatzlich, — es sey durch ihre Neuigkeit oder auch Scurrilität des Witzes, da mit das lesende Publicum etwas zum Angaffen und zum Be lachen bekomme, — welche, sage ich, die größte Nachfrage, oder allenfalls auch nur die schnellste Abnahme haben wird; wo dann gar nicht darnach gefragt wird: wer, oder wie viel an einer dem Persifliren geweiheten, sonst vielleicht dazu wohl nicht geeigneten Schrift gearbeitet haben mögen, der Tadel einer solchen Schrift aber alsdann doch nicht auf seine (des Verlegers) Rechnung fällt, sondern den gedungenen Buch macher treffen muß.« Diese kaufmännisch nüchternen Worte entnehme ich der Zeitschrift »Der Horizont« (Berlin, Curtius). Sie entstam men einem Briefe des Philosophen J m m. Kant an seinen Verleger aus dem Jahre 1798, haben aber, glaube ich, auch noch für unsere Zeit Interesse. Franz Ledermann. Kleine Mitteilungen. Zur Frage der Konkurreuzklausel. — Auf Grund des umfangreichen Materials über die Regelung der Konkurrenzklausel, frage, das auf Aufforderung des preußischen Handelsministers im vergangenen Jahre von einer großen Anzahl interessierter Ver bände eingegangen war, ist eine Novelle zu den §§ 74, 75 und 76, 1 des Handelsgesetzbuches in dem zuständigen Reichsreffort fertiggestellt worden. Nach dieser soll eine Neuregelung auf dem Prinzip der sogenannten »bezahlten Karenz« versucht werden, d. h. die Prinzipale sollen verpflichtet werden, für die Einhaltung des Konkurrenzklauselvertrages den Handlungsgehilfen Ent schädigung zu zahlen. Der Zweck dieses Prinzips ist, zu erreichen, daß die Prinzipale nur in solchen Fällen in dem Anstellungs vertrage eine Konkurrenzklausel vereinbaren, wo wichtige geschäft- liche Interessen es erforderlich machen. Man verspricht sich von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung eine wesent liche Einschränkung in der Anwendung der Konkurrenzklausel. Die bisherige Grenze der Geltungsdauer von drei Jahren ist im Entwurf festgehalten. Kunstversteigerung Lorotscher Gemälde. — Am 14. Juni fand in London bei Christie eine Versteigerung von 18 Gemälden Corots statt. Im Verlaufe von nur drejviertel Stunde wurde hierbei eine Einnahme von 1 260 000 ^ erzielt. Das Corotsche Bild »Souvenir ck'It.a.li6« brachte allein 220 600 Winke für den Geschäftsverkehr mit Libau (Rußland) — Die Ansuchen deutscher Industrieller um Nachweis von Inter essenten für ihre Erzeugnisse mehren sich von Jahr zu Jahr. Das Angebot ist viel größer als die hiesige Nachfrage und das Be- streben deutscher Produzenten, ihren Waren Absatzgebiete zu schaffen, führt oft zu leichtsinniger Kreditgewährung, die durch eine Reihe unsolider Geschäfte ausgebeutet zu werden pflegt. Diese beziehen anfangs von deutschen Fabrikanten kleine Warenmengen, die auch bezahlt werden, sodann immer größere Posten auf Kredit, und schließlich hört die Geschäftsver bindung ganz auf. Dann erfolgt das unausbleibliche Ansuchen, das Konsulat möge den Schuldner zur gütlichen Erfüllung seiner Verpflichtungen veranlassen. Die angestellten Nachforschungen ergeben aber fast immer, daß der Schuldner entweder zahlungs unfähig und aus dem Orte verschwunden ist, oder daß das Börsenblatt für den Dextschen Buchhandel. 79. Jahrgang. Geschäft verkauft worden ist, wobei der nunmehrige Besitzer wohl die Waren, aber nicht die Geschäftsschulden übernommen hat. Sonstiges Vermögen, das als Pfandobjekt dienen könnte, ist nie vorhanden. Oft geht die Firma auch nur auf ein anderes Familien glied, vom Manne auf die Frau oder von einem Bruder auf den andern über. Das Endergebnis ist aber immer das gleiche, der Gläubiger kommt um sein Geld. Begünstigt werden solche Betrügereien durch die zu leicht zu erlangende Kreditgewährung und durch die Scheu der deutschen Geschäftswelt vor jeder Klageführung in Rußland. Die hiesigen unsoliden Händler wissen genau, daß den Konsulaten Zwangsmaßregeln nicht zustehen und daß die Fabrikanten viel lieber Warenverluste als die Prozeßkosten tragen. Leider bringen die geschilderten Mißstände nicht nur eine Schädigung deutscher Handelsinteressen, sondern auch eine Schädigung der konsularischen Autorität mit sich, weil den Klageandrohungen nur in den selten- sten Fällen die wirkliche Klageerhebung folgt. Ebensowenig hat die Drohung einer Veröffentlichung des böswilligen Schuldners im Verzeichnis kreditunwürdiger russischer Firmen sich bisher wirksam gezeigt; denn der betrügerische Geschäftsinhaber braucht nur die Firma etwas zu ändern und er erhält nach wie vor deutsche Waren auf Kredit. Eine Änderung dieser ungesunden Verhältnisse kann nur ein- treten, wenn die deutschen Geschäftsleute unbedingt sich daran gewöhnten, vor jeder größeren Kreditgewährung Auskünfte ein- zuholen oder bei der ersten versäumten Zahlung die gerichtliche Klage zu erheben und unnachsichtlich durchzuführen. (Aus einem Berichte des Kaiser!. Konsulats in Libau.) Rieordi und seine Komponisten. — Giulio Ricordi, dessen Tod wir bereits in Nr. 131 meldeten, das Haupt de- weltbe rühmten Mailänder Musikverlags, der König der Musikverleger, wie man ihn zu nennen pflegte, ist ein treuer Hüter der künstle- rischen Überlieferungen seines Hauses gewesen. Vor wenigen Jahren noch hat er die schöne Feier des 100. Geburtstags seines Verlags erleben können. Die Geschichte des Musikverlags Ricordi ist mit der ganzen italienischen Tonkunst im 19. Jahr hundert und mit den Schicksalen der gefeiertsten italienischen Komponisten seit 100 Jahren verbunden. Es waren die Werke Bellinis, die die Grundlage zu der Bedeutung des Verlags und damit auch zu dem Reichtum des Hauses Ricordi legten; aber seinen Höhepunkt hat der Ricordische Verlag erst durch Verdi erreicht. Das Haus Ricordi verstand mit seinen Komponisten umzugehen und sich den veränderten Zeitbedürfnissen anzupassen. Das Kapital, mit dem der Verlag gegründet worden war, betrug ganze 200 Lire — das war freilich auch die glückliche Zeit, wo man eine vollständige Opernpartitur mit 25 Lire bezahlte. Aber schon Bellini erhielt von Ricordi für seine »Norma« 800 Lire, und weder Donizetti noch Rossini, noch Verdi haben sich je über übel angebrachte Sparsamkeit ihres Verlages zu beklagen gehabt. Verdi machte eines Tages Ricordi den Vorschlag, ihm seine sämtlichen bis dahin komponierten Opern, sowie alle künftigen, von ihm noch zu verfassenden Bühnen musikwerke zusammen für 12 000 Zwanziger (man war noch in der österreichischen Zeit) zu verkaufen. Ricordi antwortete: »Nein, ich nehme nicht an. Sind die Werke gut, so werden sie viel mehr wert sein, und der Vertrag würde einer Löwenteilung gleichkommen. Sind sie aber schlecht, dann werden sie noch keine 12 Zwanziger wert sein!« Seit dieser Unterhaltung erhielt Verdi von Ricordi für jede seiner neuen Opern ein Blankett, in das der Meister selbst die Honorarsumme eintrug, auf die er seine Schöpfung bewertete. Ricordi war aber auch nicht nur der Verleger, sondern er war auch der persönliche Freund seiner Künstler, und das Verlags archiv enthält daher eine große Fülle von Komponistenbriefen, die für die persönlichen Verhältnisse der italienischen Meister des 19. Jahrhunderts viel Bemerkenswertes bieten. Über dem Verleger Ricordi darf man seine eminenten persön lichen und musikalischen Eigenschaften nicht vergessen. Für ein Werk, das er beschirmte, brachte er jedes Opfer, scheute keine Kosten und Reisen, bis er alles geordnet und geebnet hatte. Es war geradezu staunenswert, welche Rührigkeit in Augenblicken drohender Gefahr der hagere Mann auch in vorgerückten Jahren noch ent fallen konnte und mit welchem sicheren Scharfblick, mit welch fein gemessener, formvollendeter Art er mit Direktoren und Künstlern. Dirigenten und Komponisten zu verhandeln wußte, 968