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7420 vörNnblaU f. b. Dtschn. vuchhanbel. Nichtamtlicher Teil. ^ 189, 18 Juni 1912 Nichtamtlicher Teil« Verlegergedanken über die Ostermeß abrechnung. Nachdem die Ostermesse vorüber, Remittenden und Dir« ponenden gebucht, die Zahlungslisten übertragen sind, geht der Verleger daran, das Fazit des abgelaufenen Jahres zu ziehen. Mit mehr Wehmut als Befriedigung durchblättert er die stattlichen Kontenstötze, um sich ein Bild von der Absatz bewegung, von dem Umsang der noch ausstehenden Saldi und Saldoreste zu machen. Die Eindrücke, die sich da ergeben, sind nicht durchaus erfreulicher Natur. Neben den glatt ab- gercchnetcn Konten zeigt sich eine Menge von solchen, die einen sehr betrüblichen Zustand aufweisen. Es mutz einmal ausgesprochen werden, dass die Metzarbeiten von einer er schreckend großen Anzahl der Sortimenter in durchaus unzu länglicher Weise vorgenommen werden. Ich habe z. B. in diesem Jahr am 5. Januar den letzten Transportzcttel nach Leipzig geschickt; heute sind Hunderte davon noch nicht ein mal zurückgekommen, so datz ich nicht den geringsten Anhalt dafür habe, ob die Transporte stimmen oder nicht. Was an Zahlungen noch aussteht, ist fast unglaublich. Es ist schlechter dings unmöglich, aus den zur Messe pünktlich bezahlten Be trägen ein auch nur annähernd richtiges Bild von dem Absatz während des vergangenen Jahres zu erhalten. Anstatt nun die Kräfte neuen Aufgaben zuwenden zu können, darunter dem bei vielen Firmen zum 30. Juni fällig werdenden Jahresab schluß, mutz der Verleger schwer entbehrliche Hilfskräfte opfern, um die rückständigen Abrechnungen zu erzielen. Was da für Firmen unter den Säumigen zu finden sind, ist nicht geeignet, die Kreditwilligkeit des Verlegers zu stärken. Ich meine, wenn der Verleger ein ganzes Jahr in Rech nung geliefert hat, oft noch zudem Artikel, die sozusagen von selbst gehen, dann sollte es jede Firma, die aus Reputation hält, als Ehrenpflicht betrachten, zu dem von der buchhändle rischen Organisation festgesetzten Termin pünktlich und restlos abzurechnen. Jetzt aber, wo die großen und kleinen Schön heitsfehler der Konten ausgeglichen werden müssen oder sollten, meldet man sich: Ja, das Konto stimmt nicht! oder: Die Abrechnnngsarbciten haben sich verzögert; ich remittiere Ihnen noch War denn zur Klärung dieser Diffe renzen oder zur Vornahme der Remission zwischen Neujahr und Ostern keine Zeit? — Auch ganz ulkige Sachen kommen vor. Rechnet mir da die Stütze einer Firma vor: Saldo ^ 18.60 abzüglich ^kk —.19 Metzagio .1k 18.41 Diesen Betrag habe ich Ihnen zur Ostermesse in Leipzig an gewiesen! Vor nicht allzu langer Zeit wurde an dieser Stelle von einem Herrn die Frage aufgeworfen, warum denn der Verleger keine Saldovortäge zu seinen Ungunsten dulden wolle, wäh rend er solche zu seinen Gunsten doch anstandslos akzeptiere. Ich erinnere mich nicht mehr, ob eine Antwort aus Verlegcr- krcisen darauf erfolgt ist snur selten meldet sich hier ein Ver leger zum Wort, obwohl anciiatur ei altera pars manch mal doch recht wünschenswert wäre; es fehlt aber gewöhnlich die Zeit). Jedenfalls bin ich der Ansicht, datz beide Arten vonSaldovorträgen dcmVerleger unangenehm sind, die ersteren aber die unangenehmeren, weil sie einmal in der überzahl sind und bei einem grotzen Verlag unter Umständen in die Tausende gehen, und dann, weil sie im folgenden Jahr mit mathematischer Sicherheit von dem Schuldner beanstandet werden. Die Folgen sind dann Spezifikation des vorjährigen Kontos, langwierige Korrespondenzen, Verlangzettelsuchen, Beförderungsnachweise u. dgl. Durch alle diese an sich Wohl kleinen Versehen wird der Verleger in sehr empfindlicher Weise geschädigt und in seinen Arbeiten, für die, wie es in der Natur der Sache liegt, die Hilfskräfte sehr genau bemessen werden müssen, behindert. Und der Sortimenter, er sollte nicht unterschätzen, datz der Kredit für jeden Kaufmann, und ein solcher mutz der heutige Sortimenter sein, das noli ms iangsrs ist. Der Kredit wird aber erschüttert, wenn Lässigkeit und Gleichgültigkeit den Ab rechnungsverkehr zwischen Sortimenter und Verleger er schweren. Der Verleger mutz bei dem durchaus nicht über wältigenden Ertrag feiner Mühe und Aufwendungen vor sichtig sein, bringt doch jedes Jahr trotz aller Vorsicht schwere Verluste durch die Konkurse angesehener und scheinbar bomben sicherer Firmen. Ein um vieles traurigeres Bild gewährt aber der Stand der Konten der sogenannten Auchbuchhändler. Diese Spezies der Kollcgenschaft vermehrt sich in unheimlicher Weife. Der Buchbinder, der heute noch, wie seit langen Jahren, seinen Bedarf in der für diesen Berufszweig üblichen Form bezog und bezahlte, steht morgen dem ahnungslosen Verleger als »Buchhändler« gegenüber, der die Segnungen der buchhändle- rischen Verkehrsorganisation zu genietzen begründeten An spruch hat. Er wird durch einen Kommissionär in Leipzig vertreten und erscheint bei nächster Gelegenheit im Buch- händleradretzbuch des Börsenvereins. Diese Sucht, als voll berechtigter Buchhändler angesehen zu werden, grassiert wie eine Epidemie. Was sich alles als Buchhändler aufspielt, ist erstaunlich. Schreibt mir da vor kurzem ein Mann, der als Beruf »Invalide« angab, daß er beabsichtige, eine Buchhand lung z« eröffnen. Ich habe zwar dem Braven abgewinkt, allein wie lange wird es dauern, und er steht als Kollege im Adreßbuch.*) Hat nun eine solche neugebackene »Buchhand lung«, es gibt darunter sehr solvente, leistungsfähige Geschäfte, vielleicht genau wie früher, das Jahr über in Rechnung be zogen, so erhält sie, deren Konto nach Vorgang der üblichen Formalitäten in diejenigen der Sortimentsbnchhandlungen eingeräumt worden ist, anfangs des Jahres den üblichen Transportzettel. Unbekannt mit den spezifisch buchhändle rischen Verkehrsgebräuchcn, weih sie in den meisten Fällen mit diesem Zettel nichts anzufangen. Sie war gewohnt, wie alle die Jahre seither, im Januar eine richtige Rechnung über die Bezüge des vorausgegangcnen Jahres zu erhalten, diese wurde dann nach Ablauf der üblichen 30 Tage prompt regu liert. Der Zettel aber wird gleichgültig beiseite gelegt, und nach der Ostermesse steht das Konto mit oft sehr erklecklichen Beträgen immer noch offen, denn selbst von der Bedeutung der Ostermesse haben diese Leute in den weitaus meisten Fällen keine Ahnung. Die Schuld wird von dem Verleger jetzt ein gefordert, die Außenstände müssen herein. Es bleibt dann nicht ans, daß der Kunde durch die ungewöhnlich späte Mah nung verärgert wird. Im Grunde genommen haben diese Leute ja keinen Vorteil davon, datz sie an den Verkehr über Leipzig angeschlossen sind. Die Literatur, die sie verkaufen, erhielten sie früher genau so von den in Frage kommenden Verlegern. Sie verkaufen trotz ihres Anschlusses an den Buch handel doch nur das, was bei ihnen verlangt wird, wofür sie sich bei ihrem Käuferkreis verwenden können, wie Volks schulbücher, ganz billige Unterhaltungsschriften, 10 H-Hefte, Kalender u. dgl., davon allerdings bei weitem mehr als der *) Durch die neuerdings eingefuhrte genaue Prüfung aller Geschäftssröffnungs-Anzeigen wird bekanntlich jede unberech tigte Aufnahme einer Cröffnungsanzeige ins Börsenblatt und die Ausnahme der Firma ins Adreßbuch verhindert. Die obige Be fürchtung ist also jetzt unbegründet. Red.