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3788 PAPIER-ZEITUNG Nr. 102 Moderne Richtung. Die Anwendung moderner Schriften und Orna mente soll den Drucksachen nicht allein künstlerische Gesammt- wirkung verleihen, sondern sie ermöglicht auch in der Hauptsache wesentlich schnellere Herstellung des Satzes, da man nicht erst, wie in früherer Zeit, durch Zusammensetzen verschiedenartiger Schrift charaktere Zeit zu vergeuden braucht. Bei Neuanschaffung von Schriften empfiehlt es sich, stets sämmtliche Grade von Nonpareille oder Petit bis Doppelmittel zu wählen. Ein gutes Satzbild bedingt richtige Zeilenabstufung, und diese kann man ohne Schwierigkeit er reichen, wenn alle Grade vorhanden sind. Einzelne Grade einer Schrift machen sich fast nie bezahlt. Moderne und alte Schriften chalte man stets auseinander. In der Regel lässt eine Schriftgiesserei gleich alle Grade von Nonpareille an schneiden. Vortheil bietet ausserdem die Anschaffung fetter und magerer Schriften gleichen Charakters, da man mit diesen Licht und Schatten richtig vertheilen und dadurch den Drucksachen vornehmes Aussehen verleihen kann. Stehen nur fette oder nur magere Schriften zur Verfügung, dann kann man nur durch Sperrung und Auswahl der Grössenverhältnisse einer Schrift ein wirkungsvolles Satzbild schaffen. Von Anschaffung verschnörkelter Buchstabenformen, die nur im Zu sammenhang zu errathen sind, ist entschieden abzurathen. Die Sucht der Schriftgiessereien, Neues zu bieten, mag erklärlich sein; aber jede Verunstaltung und Nachbildung von Schriften, die die Fehler und Mängel früherer Zeiten getreulich wiedergeben, muss seitens der Buchdrucker verurtheilt werden. L. Ein seltenes Fest feierte am 15. Dezember der Begründer der Firma R. Oldenbourg in München, Herr Rudolf Oldenbourg. Er beging seinen 90. Geburtstag in voller Frische und Rüstigkeit. Einem längeren Aufsatz der »Münch. Allg. Ztg.« entnehmen wir folgende Einzelheiten über den Lebensgang des bedeutenden Mannes. Rudolf Oldenbourg wurde am 15. Dezember 1811 in Leipzig als Sohn eines Grosshändlers geboren. In Lübeck hat er als Lehrling den Buchhandel gelernt. Nach Ablauf der Lehrjahre ging er zunächst nach Frankfur a. M. und Jena. In letzterer Stadt trat er in Beziehung zu dem Goethe’- sehen Kreise. Nachdem er längere Zeit zur Förderung seiner Aus bildung in London tbätig gewesen war, wurde Oldenbourg 1837 be vollmächtigter Geschäftsleiter der litterarisch-artistischen Anstalt der J. G. Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart. Bald wurde Oldenbourg auch Theilhaber der Bibelanstalt der J. G. Cotta’schen Verlagsbuch handlung und der von dieser erworbenen Vogel’schen Verlagsbuch handlung in Landshut. Im Jahre 1858 begann Rudolf Oldenbourg, der sich 1843 mit einer Tochter des Pädagogen Blochmann in Dresden verheirathet hatte, ein eigenes Geschäft. Als in der Zeit von 1860 bis 1868 nach und nach die Münchener Niederlassungen der Cotta’ schen Buchhandlung aufgelöst wurden, übernahm Oldenbourg einen grossen Theil von deren Verlag. Neue grosse Unternehmungen des Geschäfts, in das nach und nach drei Söhne Oldenbourgs als Mit arbeiter eintraten, liessen es bald beträchtlichen Umfang gewinnen. 1874 wurde dem Verlagsgeschäft eine Buchdruckerei angegliedert, 1883/84 eine Buchbinderei. Zur Zeit sind im Geschäft 830 Beamte und Arbeiter beschäftigt. Bei seinem 80. Geburtstage verlieh ihm der Prinz-Regent den Michaels-Orden. Noch heute nimmt der Jubilar das lebhafteste Interesse an der Arbeit seiner Söhne und unterstützt sie durch seinen bewährten Rath. CI. Hundertjähriges Zeitungs-Jubiläum. Die »Evening Post«, eine der be deutendsten und angesehensten Zeitungen New Yorks, hat am 16. No vember ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert. Als äusserliches Zeichen dieser seltenen Feier ist eine eigenthümliche Festausgabe erschienen. Der grossen, modernen, 44 Seiten umfassenden Tagesausgabe des Blattes ist eine faksimilirte Nachbildung der ersten Nummer vom 16. November 1801 beigelegt, die nur 4 Seiten stark ist. Eine weitere, illustrirte Festschrift enthält Angaben aus der Geschichte der Zeitung. Bildlich wird diese Entwicklung veranschaulicht durch Bilder der Castle Garden-Gegend New Yorks um 1801 und um 1901. Auf dem ersteren macht die Häuserreihe hinter dem Battery-Park den Ein druck eines Fischerdorfes; auf dem modernen Bilde sind nur die als »Sky-scrapers« bezeichneten Wohnthürme von etwa 30 Stockwerken zu sehen. Eng verknüpft mit dem Schicksal des Blattes sind zwei berühmte Deutsche: Carl Schurz als Redakteur und Henry Villard als Besitzer, g. Eine hervorragende Auszeichnung wurde dem Schüler der Elberfelder Kunstgewerbeschule Friedrich Benoit zu Theil. Die Firma Flammers heim und Steinmann in Köln veranstaltete kürzlich ein Preisausschreiben zur Erlangung von Tapetenmustern. Die Arbeit des Genannten, der seit drei Jahren Schüler der Kunstgewerbeschule ist, wurde mit einem Preise von 500 M. bedacht. An dem Wettbewerbe betheiligten sich etwa 220 Personen, darunter bewährte Fachleute. —t. Auszeichnung. Dem Kgl. württemb. Hofbuchhänder Bemklau in Leutkirch wurde vom Grossherzog von Toscana die goldene Medaille für Wissenschaft, Kunst und Litteratur, vom Herzog von Parma der St. Ludwigsorden und vom Herzog Karl Theodor in Baiern die golden« Maximiliansmedaille verliehen. K. Kitt für Lithografiesteine. Um dünne lithografische Steine auf Schiefer- oder wie in Deutschland gebräuchlich auf Kalk steine zu kitten, wird eine Mischung von 8 Gewichtstheilen Harz und 2 Gewichtstheilen Gips empfohlen. Mit dieser Mischung gekittete Steine sollen fast unlösbar verbunden sein. x. Kalenderschau Meyers Historisch-Geographischer Kalender 1902, Sechster Jahrgang. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien. Preis 2 M. Dieser Abreisskalender bietet dem Wissens durstigen eine Menge Stoff aus den Gebieten der Geschichte, Geografie und Völkerkunde, er enthält viele gute Bilder und Mit- theilungen, auch Anekdoten und kleine Erzählungen, Gedichte und Sinnsprüche, sowie Bildnisse aus allen Zeiten. Äusser der Antinoos-Büste des Louvre und der Holzstatue eines japanischen Schoguns befindet sich darin auch das Bild des britischen Kolonialministers Chamberlain. Neben Bildern von Borneo und aus unseren afrikanischen Kolonien sind Reliefs vom römischen Titusbogen und Städtebilder aus Merians Topographie vom Jahre 1633 vorhanden. Die Tagesnotizen ermöglichen einen sehr reichhaltigen geschichtlichen Rückblick. Auf jedem Tageszettel sind Kalendernotizen und auf der ganzen oberen Hälfte des Raumes je ein Bild nebst Mittheilungen aus allen Wissensgebieten abgedruckt. Der gewaltige Stoff ist in einem alfabetischen Register geordnet, sodass man in dem noch voll ständigen Kalender sich leicht zurechtfindet. Man kann mit Hilfe dieses Registers und der gesammelten abgerissenen Kalenderblätter, die mit Seitenzahlen von 1 bis 365 versehen sind, den Kalender auch später als Nachlagebuch benutzen. Büchertisch Die Kunst der Reklame. Lehrbuch der modernen Geschäfts- Propaganda von Bruno Volger. Leipzig, Verlag von Oswald Seiler. Preis geheftet 2 M. 25 Pf., gebunden 2 M. 85 Pf. Das etwa 150 Seiten starke Buch behandelt in kurzer zweck entsprechender Weise und klarem Stil alle möglichen Arten der ge schäftlichen Reklame. Der Verfasser geht sehr gründlich zu Werke und nützt dem Leser durch seine Ausführungen fast mehr als durch die zum Theil recht gelungenen Beispiele mustergiltiger Anzeigen, Anzeigen-Klischees und Reklame-Plakate, die dem Buch beigefügt sind. Der Verfasser hat den Stoff in viele Unterabtheilungen ge schieden und behandelt jede derselben mit gleicher Sorgfalt. Der Anfang des Buches mit den Abschnitten »Wann und wo soll ich inseriren?«, »Was soll ich inseriren?«, »Inhalt und Gestalt der Inserate«, »Verkehr zwischen Inserent und Verleger« usw. wird für jeden Ge schäftsmann lehrreich und nützlich sein. Dann wird das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nebst Erläuterungen und gerichtlichen Entscheidungen abgedruckt. Das »Inserat«, seine Ab fassung, Form, Ausstattung und Stellung werden erörtert. Daran schliessen sich Beschreibungen anderer Reklame-Arten, z. B. die Strassen- und Schaufenster-Reklame und das Plakat. Eine kurze Ge schichte der Geschäfts-Anzeige und ein Ueberblick über den volks- wirthschaftlichen Werth der Reklame beschliessen das inhaltreiche Buch. Wenn man den Inhalt des Buches als werthvoll erkennt, muss man umso mehr bedauern, dass so schlechtes Papier zum Druck ver wandt wurde. Moderne Kunst, Verlag von Richard, Bong in Berlin, XVI. Jahrgang, Vierzehntagheft-Ausgabe. Jährlich erscheinen 24 Hefte zu 60 Pf. und 2 Extrahefte zu 1 M. 20 Pf. Das Weihnachtsheft, welches den doppelten Umfang eines ge- wöhnlichen Heftes hat, enthält zahlreiche bunte und einfarbige Bilder der verschiedensten Art. Der Umschlag trägt eine wirksame viel farbige Darstellung eines Weihnachtsmannes auf Schneeschuhen. Oeffnet man den Umschlag, so folgen auf einen zweiseitigen Bunt druck »Wenn alle Welt fröhlich ist« drei einfarbige Bilder nach Ge mälden von E. H. Zirkel, Laura Alma Tadema und C. Reichelt. Sie sind auf starken Karton von grossen Holzschnitten einseitig gedruckt, sind also selbständige Kunstblätter. Eine Weihnachts-Hymne von Anton Ohorn wird in bester Weise durch ein Bild der hl. Caecilie eingeleitet. Dann folgt eine kurze, aber eindrucksvolle Weihnachts- Novelle, ein Aufsatz über den Berliner Domchor mit Bildern von E. Eltze, ein historischer Aufsatz über den kurbrandenburgischen Minister Dankelmann, dessen Verhaftung am Weihnachtsabende 1697 erfolgte. Ein ganzseitiges Bild stellt diese Verhaftung dar, ein zwei seitiges ist dem schönen Gemälde »Die heiligen drei Könige« von Chr. Speyer gewidmet, und ein Genrebild von Hermann Kaulbach füllt gleichfalls eine ganze Seite. Mehrere Weihnachts-Geschichten, unter denen «Weiknachtskiste für Müller« besonders lustig und er heiternd wirkt, bilden den Rest des Textes. Äusser den oben bereits genannten Bildern sind zwei grosse zweiseitige Buntdrucke und mehrere ganzseitige vorhanden. Der grössere Theil der vielen bild lichen Darstellungen besteht in Nachbildungen von Gemälden, der kleinere Theil wurde eigens zu den Aufsätzen geschaffen. Die tech nische Ausführung der Zeitschrift ist mustergiltig.