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Buchgewerbe Buchdruck *** Buchbinderei * * *** Steindruck *** Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Bachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Zu einem am Dienstag, 12. Dezember, abends 8 Uhr, im Berliner Buchgewerbesaal, Friedrichstrasse 231, zweiter Hof, 1 Treppe links, stattfindenden gemeinsamen Besichtigung und Besprechung der Drucksachen-Ausstellung werden die geehrten Mitglieder mit der Bitte um zahlreiches und pünktliches Er scheinen ergebens! eingeladen. Der Vorstand Schriftgiesserei und Buchdruckerei Von einem Schriftgiesser Fortsetzung zu Nr. 97 II. Trotz aller Neuheiten und bei allem modernen Zuge, der durch diese Neuheiten geht, ist die Schriftgiesserei ein recht konservatives Gewerbe. Nicht bezüglich ihrer Leistungsfähig keit oder ihrer Arbeitsmittel. Im Gegentheil ist es erstaun lich, was die Schriftgiessereien heute in Bezug auf Schnellig keit der Lieferung, Genauigkeit der Arbeit und Vielseitigkeit der Erzeugnisse leisten. Die deutschen Schriftgiessereien haben ferner gezeigt, dass sie sich ihrer Aufgabe, die Leistungsfähig keit der Druckkunst zu heben, bewusst und erforderlichen falls auch zu Geldopfern bereit sind. Das gilt nicht allein für die sehr hoch gesteckten Ziele in Bezug auf künstlerischen Werth ihrer Schriften- und Schmuck-Erzeugung, sondern auch vor Allem von der Einführung des Systems Didot, des deutschen Normalsystems, welche von allen Schriftgiessereien hohe Selbst verleugnung verlangte. Trotzdem muss man den Schriftgiesserei - Betrieb als konservativ bezeichnen. Von vornherein sei zugegeben: nur zur Hälfte durch seine Schuld. Während in allen Ge werben die Theilung der Arbeit, die Vereinfachung der Er zeugungsart für. den einzelnen Betrieb immer mehr durch geführt wird, und während alles Kleinlich-Handwerksmässige vom Grossbetrieb abgestossen und dem sich neu bilden den sogenannten Handwerks- oder Kleinbetrieb zugeschoben wurde, ist in der Schriftgiesserei hiervon kein Hauch zu spüren. Die Schriftgiessereien sind aber heute nach ihrem Umfange durchweg Grossbetriebe. Die Schriften-Erzeugung war zwar von Anfang an ein Kleinbetrieb, ein Neben- und Hausbeirieb der Buchdruckerei. Dieses Handwerksmässige hat die Schriftgiesserei in ihrer rund 75 Jahre zurückreichenden Entwicklung zum selbständigen Betriebe bis heute noch nicht abstreifen können. So klafft im Betriebe jeder Schriftgiesserei eine grosse Lücke: nach der einen Seite soll sie der Forderung, schnell und billig Neuheiten zu erzeugen, Genüge leisten, nach der anderen Seite aber muss sie für die kleinsten Defekt- und Extrabestellungen zur Verfügung stehen. Wenn die Druckerei X für irgend eine seit Jahren still in einer Ecke lagernde Grobe Petit Fraktur plötzlich Verwendung hat und eine halbfette Auszeichnungsschrift braucht, so soll die Schriftgiesserei, will sie einigermaassen ihren Ruf erhalten, ebenso schnell einen achtel Zentner genau passender Schritt vom Lager abgeben können, wie die neueste Mediaeval-Brod- oder Auszeichnungsschrift. Als selbstverständlich wird es betrachtet, dass bewusste Grobe Petit, wenn nöthig, auch noch geliefert werden kann, natürlich möglichst vom Lager und genau in derselben Linie und Weite, wie sie zu Gross vaters Zeiten aus irgend einem oder auch keinem Grunde gemacht wurde. Wehe, wenn ein Defekt einen Schimmer zu hoch oder zu tief steht; dreimal Wehe aber dann, wenn der Schriftgiesser erklärt, besagte Schrift überhaupt nicht liefern zu können! Dann ade, Kundschaft! Denn sicher hat irgend eine andere Schriftgiesserei zufälligerweise eine ganz ähnliche Schrift noch am Lager, ein kleiner Mangel im Passen wird hier schliesslich nachgesehen, und der neue Schriftgiesser wird der neue Lieferant, da es ja mit dem alten unbedingt zurück- geht. . . Man überlege nur einmal einen Augenblick: Keinem Menschen wird es einfallen, zu einem auch nur einige Jahre alten — Pelz von seinem Kürschnermeister denselben Stoff zum Ausbessern zu verlangen, Keiner wird dem Tapetenfabrikanten zumuthen, auch bloss nach drei Jahren noch dasselbe Tapeten muster zu führen. Aber was Stoff- oder Tapetenfabrikant nicht können — so gar noch viel mehr —, wird von den Schriftgiessereien ver langt. Ich gebe gern zu, dass es sich mit der langjährigen Dauer von Schrift schliesslich noch anders verhält, weil Schriften, Matern und Stempel zum Aufbewahren weit besser sich eignen als genannte Stoffe, und weil die hohen Kosten der Stempel usw. eine möglichst lang ausgedehnte Ver- werthung verlangen. Aber würde es nicht genügen, wenn Stempel und Matern aufgehoben würden? Doch auch für diese sollte nach jahrzehntelanger Dienstzeit der Tag kommen, wo sie zur stillen Ruhe beiseite gepackt werden. Aber das Gegentheil ist selbst bei vielen nichtigen und gleichgiltigen Erzeugnissen der Schriftgiessereien der Fall. Da werden von allen in der »Probe« vorgeführten Schriften be stimmte Mengen am Lager gehalten, und diese Probe ist ein stattlicher Band von einem Halbtausend Seiten! So schwellen die Läger der Schriftgiessereien ins Ungeheure, und nichts ist in einer Giesserei so sicher, als dass das Lager jährlich nm einen neuen Raum vergrössert wird. 300000, 400000 kg, ja 1/a Million kg Lagerschriften finden wir in den Inventurlisten der Schriftgiessereien sehr häufig verzeichnet. Abgesehen von der Preisvertheurung der Waare, die lang jähriges Lagern herbeiführt, hemmt die Beibehaltung vieler alter Schriftgarnituren die schnelle Erledigung jener Aufträge, die sich vernünftigerweise mit neueren Schriftgarnituren befassen. Denn die Ausführung von Aufträgen auf alte Schriften erfordert doppelte bis zehnfache Zeit; schon die Abnahme vom Lager ist umständlicher als die anderer, gängiger Schriften; bei näherem Zusehen findet man dann, dass einige Buchstaben fehlen oder »defekt« sind; es stellt sich heraus, dass einzelne Matrizen keine guten Güsse mehr hergeben; neue Matrizen werden gefertigt, und das Zugiessen des Fehlenden beginnt. Glücklich haben schliesslich die alten Schriften den Fertig macher, den Höhehobler und den Graveur passirt, auf allen Stationen doppelte und dreifache Zeit über das gewöhnliche Maass verlangend, zugleich andere, glatt zu erledigende Aufträge verzögernd. Und wenn schliesslich der Kunde die Schrift bekommt, ist er nur halb befriedigt; er findet, dass die Schrift schlecht »steht«, schlechte »Weite« hat, und überhaupt, dass viele Buchstabenformen sehr mangelhaft aussehen. Dabei ist die bewusste Schrift natürlich nicht schlechter, als sie vor dreissig, vierzig Jahren war; nur die Ansprüche an die Ge nauigkeit und Vollendung des Schriftbildes und des Schrift standes sind gestiegen, und der Kunde legt einen für dieses alte Erzeugniss viel zu strengen Maassstab an. Ja es kann vorkommen, dass der Kunde einige Buchstabenformen als falsch beanstandet und andere vermisst. Dies geschieht z. B. bei alten Schreibschriften in Bezug auf die J-, Q- und T-Form, ferner in Bezug auf f, ss, ch, r und dergleichen. Der Schrift giesser kommt dann in die Lage, zu der alten Schrift noch neue Stempel zu schneiden, nicht ohne dass vorher ein leb hafter, den Abbruch der gegenseitigen Beziehungen androhender Briefwechsel stattgefunden hätte. Es ist nothwendig, dass der Buchdrucker vereuMen lernt auf Ergänzung oder Neubezug von Schriften und Ornamenten, deren Entstehung ein Vierteljahrhundert und länger zurückliegt, und die ihrem Wesen nach zu keiner allgemeinen Bedeutung gekommen sind. Aber auch bei Schriften, die zwar alt, aber heute noch verwendbar sind, z. B. Grotesk, Aldine, gilt es, dass der Buchdrucker verzichten lernt auf den genau übereinstimmenden Nachschub solcher alten