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Nr. 97 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme 3603 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Buchdruck * * * *** Steindruck Buchgewerbe 888888888888888888888888888888888888888888888888888 Eingesandte Werke finden Besprechung Buchbinderei * * * * * Buchhandel Schriftgiesserei und Buchdruckerei Von einem Schriftgiesser Von vornherein möchte ich dem geneigten Leser eine Enttäuschung ersparen; ich beabsichtige nicht, das kauf männische Verhältniss zwischen Buchdruckereien und Schrift giessereien zu behandeln. Denn trotzdem die Kreditfrage zwischen beiden Fächern schon oft Gegenstand öffentlicher Er örterung gewesen ist, kann ich in dem finanziellen Verhältniss keine besondere, von der überall herrschenden abweichende Lage erblicken. Soweit dies aber doch der Fall ist, wäre es nur als Ausfluss der Eigenthümlichkeit des Faches anzusehen. Insofern allerdings streifen die nachstehenden Betrachtungen auch die finanzielle Seite des Verhältnisses zwischen Buch druckerei und Schriftgiesserei. Rein äusserlich betrachtet ist dieses Verhältniss sehr ein seitig und ergiebt für die Schriftgiessereien ein Ueberge wicht. Es ist kein blosser Zufall, dass die Schriftgiessereien in Deutschland künstlerisch und technisch zu Führern im gra fischen Gewerbe geworden sind. Bei Jubelfeiern und Aus stellungen der Buchdruckerkunst stehen die Schriftgiessereien heute in erster Reihe, und ihre Darbietungen überwiegen meistens, obgleich von weitaus geringerer Anzahl, die der Buchdruokereien. Das hat sich derart eingebürgert, dass bei allen festlichen Gelegenheiten zuerst die Schriftgiessereien um Mit- und Beihilfe angegangen werden. Sie sind ferner im All gemeinen Bahnbrecher in allen Fragen künstlerischen Fort schritts in der Druckausstattung geworden. Seit die meisten deutschen Schriftgiessereien auch Hausdruckereien besitzen, dehnt diese Führerschaft sich selbst bis auf technische Fort schritte und Verfahren aus. In diese Hausdruckereien ziehen die Schriftgiessereien die besten Kräfte, und so erklärt sich jene Führerschaft. Der deutsche Buchdruck kann sich dieses Zustandes ohne Vorwürfe freuen. Hätte er nicht gleichzeitig selbst eine un- gemeine Anhänglichkeit an seine Kunst, strebte er nicht nach Fortschritt und künstlerischer Auffassung seiner Thätigkeit, dann würde er nicht die auf den Markt gebrachten Schriften und Ornamente aufnehmen, also kaufen, und den Schriftgiessereien wäre es nicht möglich geblieben, ihre führende Stellung zu behaupten. So haben Buchdruckereien und Schriftgiessereien an dem grossen Aufschwung auch der letzten Jahre gleichen Antheil. Für die Schriftgiessereien besteht dieser Antheil aller dings im Vorwärtsdrängen, für die Buchdruckereien im Zu stimmen und Aufnehmen. Die Schriftgiessereien wurden be sonders durch die zunehmende Ausfuhr befähigt, mit hohen Kosten die Neuheiten herzustellen. Seit Jahren wächst der ausserdeutsche Kundenkreis. So wäre anscheinend das Verhältniss der Schriftgiessereien zu den Buchdruckereien ganz vortrefflich, und nur ab und zu kommen Klagen seitens der Letzteren über hohe Preise und über zu viele Neuheiten. Seitens der Schriftgiessereien sieht man mit gemischten Gefühlen der Einführung der Setz maschinen zu, ohne sieh ernstlich darüber zu grämen. Die Einführung der Stereotypie und später der Rotations maschine waren seiner Zeit weit härtere Nüsse. Heute haben die Schriftgiessereien ohnehin weitere Ziele bezüglich der künstlerischen Vervollkommnung der Druckausstattung. Der augenblicklich sehr starken Erzeugung moderner Titelschriften und Einfassungen steht allerdings noch kein rechter Ausgleich in kaufmännischer Hinsicht gegenüber. Denn dass diese Schriften von den Buchdruckereien gekauft werden — das scheint mir noch keineswegs zu genügen, um auf die Dauer im inneren Betriebe der Schriftgiessereien einen Ausgleich zwischen den Herstellungskosten einerseits und den Umsatz- Ergebnissen anderseits herbeizuführen. Und die Schrift giessereien haben in den letzten Jahren sehr grosse Anlage kapitalien in den Schnitt von Stempeln gesteckt. Dabei ist noch kein Stillstand abzusehen. Der Buchdrucker kann nicht mehr thun als kaufen; er kauft zu Preisen, die er sich gewiss nicht erhöhen lassen wird. Die Schriftgiessereien haben heute doppelte bis vierfache Herstellungskosten bei nur gleichem Umsätze wie früher, ob sie dieses Verhältniss auf die Dauer ertragen können, ist fraglich. Vielleicht muss innerhalb der Schriftgiessereien selbst sich eine Verbilligung oder Veränderung des ganzen Betriebes vollziehen? Sehen wir zunächst zu, wie die that- säohlichen Verhältnisse heute liegen, wie Buchdrucker sowohl wie Schriftgiesser sich in Nachfrage und Lieferung zu ein ander stellen, welche Ansprüche der Buchdrucker heute an die Giesserei stellt, und welche berechtigt sind. Fortsetzung folgt Wozu werden Bücher hergestellt? Unsere bücherliebenden Vorfahren und die noch lebenden er grauten Alten glaubten in ihrer Einfalt, dass Bücher zum Lesen und die in ihnen enthaltenen Bilder zur Anregung des Kunstgenusses her gestellt werden. In diesem Glauben mühten sich Schrift-Schneider und -Giesser ab, schöne und leicht leserliche Schrift zu liefern, Papier fabrikanten scheuten keine Arbeit und Ausgaben, um glattes weisses Papier zu erzeugen, auf welchem dieses Schriftmaterial zur besten Geltung kam, und Maschinenbauer strengten ihren Scharfsinn an, um Druckpressen zu bauen, welche guten und schnellen Buchdruck sichern. Dank diesem einmüthigen Streben sehen wir, dass der Buch druck Durchschnitts-Arbeiten liefert, welche gerechte Ansprüche so vollkommen befriedigen, dass viel bessere Leistungen in Zukunft kaum zu erwarten sind. Alten Ansichten nach war die Bestimmung der Bücher vollkommen erreicht: der Leser erhielt sie in einerWeise hergestellt, dass Schrift, Papier, Druck und alle Nebenarbeiten an denselben das Bestreben be urkundeten, die Anstrengung der Augen möglichst wenig zu be anspruchen und Unbequemlichkeiten beim Benutzen der Bücher zu beseitigen. Somit haben Schriftgiesser, Papierfabrikanten und Drucker alles Nöthige gethan, um Hervorragendes und Mustergiltiges in technischer Beziehung zu bieten und beste Herstellung von Büchern zu ermöglichen. Die Neuzeit strebt vorwärts und sucht Neues. Da nun die ge nannten Techniker nichts wesentlich Neues zu bieten wussten, so scheint man es beim Buchbinder gesucht zu haben, und fand bei ihm wirklich etwas Neues, noch nicht Dagewesenes — die Drahtheftung. In der That, betrachtet man viele jetzige Monatsschriften, darunter auch Buchdrucker-Fachzeitschriften, die doch mustergiltig sein sollen, so drängt sich die Ueberzeugung auf, dass als Höchstes bei der Her stellung von Büchern die seitliche Drahtheftung gilt. Sparsamkeits- Rücksichten können dabei von keiner Bedeutung gewesen sein, denn bei den grossen Kosten des Drucks, Papiers und der Ausstattung ist der Unterschied des Lohnes für Drahtheftung und für Heftung nach alter Art verschwindend gering. Obschon die neue Heftung das Halten und Lesen der Bücher ungemein erschwert, die Augen bei stark geglättetem oder Kunstdruck-Papier durch Lichtreflex der rund aufliegenden Seiten schädigt und durch die Drahtdurchbohrung alle Blätter der Bücher verdirbt, muss doch diese Neuerung von der her vorragendsten Wichtigkeit sein. Wie soll man es sich anders er klären, wenn Verleger von Monatsschriften, wie etwa The Century, Scribner’s magazine u. dergl., als auch von Fachzeitschriften wie In land Printer, British Printer, Archiv für Buchgewerbe, Typographische Jahrbücher, Deutscher Buch- und Steindrucker usw. einmüthig die Neuerung angenommen haben? Demnach wäre bei der Herstellung der Bücher das schnelle Heften das Wichtigste, und die mögliche Grenze der Schnelligkeit scheint erreicht zu sein. Darum lebe die seitliche Drahtheftung hoch! In der Bücherherstellung ist noch eine andere Errungenschaft der Neuzeit zu verzeichnen. Bildliche Darstellungen werden in einer noch vor Jahrzehnten ungeahnten Menge und Pracht den Lesern sowohl im Text der Bücher, wie auch als Beilagen geboten. Oft begnügt man sich aber nicht mit Bildern im Format der Bücher, sondern lieiert Blätter im Doppelformat, wie wir es etwa in »Moderne Kunst«, »Zur guten Stunde« usw. gefaltet, oder in »Illustrated London News«, »Black and White« usw. gefaltet und ausserdem zweimal mit Draht um klammert sehen. Dadurch bilden sich gekniffte, deutlich sichtbare Falten, bei Buntdrucken häufig Farbenabblätterung in denselben und — bei eingehefteten Beilagen — Löcher. Die Faltenstreifen und Löcher sollen wohl in Landschaften, Figuren, Bäumen, Kleidern und Gesichtern zur Erhöhung des Kunstgenusses dienen? Strelna bei St. Petersburg, Russland Paul Olchin