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Nr. 93 aC 2, 3466 Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck * * * *** Buchhandel * * * Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus Die französische Plakatkunst hat das Verdienst, eine Reform der modernen Lithografie angebahnt zu haben. Nament lich Cheret hat mit seinen lustigen Gestalten eine grosse Wir kung erzielt und eine Schule von lithografische^ Künstlern herangezogen, die sich zunächst dem Gebiete der öffentlichen Ankündigungen zuwandte. Wir wissen, wie die Franzosen mit ihrer Manier auf alle Nationen Einfluss gewannen und den Künstlern aller Länder das geschwundene Interesse an der Lithografie wieder weckten. Der Plakatrausch ist, in Frankreich wenigstens, verflogen, aber die neuerwachte Litho grafie hat ein anderes Gebiet erobert. Das Wesen der neuen Art der Steinbehandlung steht in Gegensatz zu der Chromo lithografie, indem diese darauf ausgeht, das Bild irgend einer Kunstart, Oelbild, Aquarell usw., so getreu als möglich, wo möglich täuschend nachzumachen, während die Künstlerlitho grafie ein selbständiges Kunstwerk, den Erfordernissen des Steindrucks von vornherein angepasst, ist und ihre; Eigenschaft als Lithografie offen zur Schau trägt. Der Künstler zeichnet Umriss- wie Farbenplatten selbst auf den Stein und bietet so die Gewähr für treue Wiedergabe seiner künstlerischen Ab sicht. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Chromo lithografie sich zur Erzielung der in der Vorlage enthaltenen Farben-Nüancen oft sehr vieler Farbenplatten bedienen muss, während die Künstlerlithografie immer darauf Bedacht nimmt, ihre Wirkung durch eine möglichst geringe Zahl von Farben zu erzielen. In der dadurch gegebenen klaren Farben-Kompo- sition liegt meist schon ein eigener Reiz, der verbunden mit dem der unmittelbaren Künstlerarbeit der neuen Kunstweise ein unbedingtes Uebergewicht sichert und namentlich in deko rativem Sinne unvergleichliche Vortheile bietet. Diese Erkennt- niss hatte zur Folge, dass von Plakaten Abzüge ohne Schrift hergestellt und als Wandschmuck verwandt wurden. Bei manchen Plakaten wurde schon von vornherein darauf Rück sicht genommen, dass man eine gesonderte Auflage davon als »Panneaux« verwenden konnte, und später wurden ganz selb ständige Blätter, sogenannte »panneaux decoratifs«, in dieser Manier hergestellt, die mit dem Plakat nichts als die Her stellungsweise gemein haben. Unter den Franzosen hat Henri Riviere mit besonderer Virtuosität die einfachsten Farbenmittel verwendet, um stimmungsvolle Wirkungen zu erzielen, er hat auch, vielleicht angeregt durch englische Vorbilder, eine Reihe von Original-Lithografien geschaffen, die eine gewisse lehrhafte Tendenz nicht ganz verleugnen konnten und daher wohl als Anschauungsmittel für die Schule gedacht und verwendbar sind, wenn auch ihr selbständiger künstlerischer Werth ihre Verwendung zu anderen dekorativen Zwecken ebenfalls ge stattet. Auch in Deutschland haben sich seit mehreren Jahren her vorragende Künstler mit der Lithografie beschäftigt, und wir haben heute schon eine Anzahl von bedeutsamen Werken dieser Gattung aufzuweisen, wir erinnern nur an Thoma, Stein hausen und die Karlsruher Kolonie, die mit besonderem Eifer sich diesem Gebiete gewidmet hat. Leider haben die Künstler, zum Theil wenigstens, ihre Arbeiten zu intim behandelt, sodass sie nur einem kleineren Kreise bekannt oder zum Besitz zu gänglich geworden sind. Erst seitdem der Verlagsbuchhandel die Volksthümlichkeit des Verfahrens begriffen und sich der Sache angenommen hat, bietet sich Aussicht, weitere Kreise an dieser Kunsterrungenschaft theilnehmen zu lassen. Mit einer Serie »Landschaftliche Motive, deutsche Burgen« hat die Firma Fischer & Franke in Berlin den Anfang gemacht, die Künstler lithografie zu dekorativen Zwecken in grösserem Maassstabe auf den Markt zu bringen. Ich gedenke hier besonders des schönen Wartburgbildes von Georg Barlösius, das auf der letzten Berliner Kunstausstellung zu sehen war. Kürzlich haben nun in erweitertem Maasse die beiden Leipziger Verlags firmen B. G. Teubner und Robert Voigtländer die Idee aufge nommen in der Serie, die sie unter dem Titel »Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus« veröffentlichen. An dem Unternehmen sind die bedeutendsten Künstler betheiligt, sodass die Gewähr für Gelingen nach dieser Seite hin gegeben ist. Sieht man von den für die Anschauung des Kindes bei diesen Werken der Lithografie etwa maassgebenden pädagogischen Gesichtspunkten ab und beachtet nur die Grundsätze künstlerisch-technischer Art, so tritt bei allen Arbeiten das dekorative Element unverkennbar hervor. In grossen Zügen, mit wenigen Farben, die eine ganz bestimmte Farbenstimmung ergeben und danach auch den verschiedenen dekorativen An forderungen der Räume gerecht werden, treten uns diese, Blätter entgegen. Die Gegenstände der malerischen Behand lung sind meist Landschaften, dann einzelne Bilder aus der Natur und dem Menschenleben. Ueberall tritt das Bestreben hervor, mit einfachen zeichnerischen und koloristischen Mitteln eine starke und geschlossene Wirkung zu erzielen. Jede Einzel heit, die diese Wirkung stören könnte, ist vermieden, und überall das Charakteristische kräftig betont. Gegenüber der üblichen Chromo-Manier bieten diese Bilder den Vortheil einer einfacheren Technik und der künstlerischen Echtheit. Denn mag der Lithograf noch so tüchtig als Zeichner und der Stein- drucket in der Farbenbestimmung noch so gewandt sein, nie wird ihre Arbeit den Stempel der Nachempfindung los, von der Arbeit des Künstlers geht immer etwas verloren. Ein Mann von Geschmack wird ein Chromobild nicht in seine Stube hängen, mit einer Original-Lithografie wird man namentlich in den eigentlichen Wohnräumen stets eine angenehme Wirkung erzielen, wenn sie den dekorativen Ansprüchen des Raumes entsprechend ausgewählt ist. Man kann die lithografischen An stalten auf diese Dinge nur mit Befriedigung über den darin sich kundgebenden Wandel des Geschmacks und der künst lerischen Auffassung von dem Wesen der Lithografie hin weisen, der ihnen ja nicht entgangen sein wird, aber auch nicht eindringlich genug ihrer Aufmerksamkeit empfohlen werden kann. Hier ist die Zukunft der Lithografie, es ist das Gebiet, auf dem sie den konkurrirenden Verfahren, wie dem Dreifarbendruck, mit Erfolg entgegentreten kann. F v B Typographische Mittheilungen von J. G. Scheiter & Giesecke in Leipeig. Kürzlich erschien das II. Heft des V. Bandes dieser Veröffentlichungen von Proben und Anwendungsbeispielen aus den neuen Erzeugnissen der Firma. Neben dem sehr ge lungenen Titel, der in Satz und Farbenwahl eigenartig ist ohne übermässig verziert zu sein, ist das als Untergrund versetzte grosse Einfassungsmuster auf der zweiten und dritten Seite des Umschlags sehr glücklich gewählt. Der Inhalt des Heftes be steht aus Proben der Antiqua Nr. 19 und 21, die in ganzen Textseiten als Werkschrift gezeigt wird. Eine neue Schrift »Edelgotisch« wird in 9 Graden in einer »Vorprobe« gezeigt. Es ist eine ziemlich willkürlich entworfene Schrift von kräftigen flüssigen Formen. Das Heft mit Anwendungen ist noch in Arbeit, und erst nach dessen Erscheinen kann eine Ansicht über die Schrift, welche einen stark ausgesprochenen Charakter hat, gefällt werden. Unter dem übrigen Schmuckmaterial sind die Initialserien 291—294 und die zum Theil ausserordentlich reizvollen »Verlaufenden Kreise« in galvanischen Niederschlägen sowie die zarten »Schleier-Ranken« besonders zu erwähnen. Anstössiges Buch. Das im Verlage von E. Speidel in Zürich unter dem Titel »Parisiania«, Deutsche Verse aus Paris, erschienene Buch, deren Verfasser Schriftsteller Oscar Panizza ist, war am Kgl. Land gericht München I Gegenstand einer Verhandlung. Das Gericht ordnete an, dass sämmtliche auf das genannte Werk und dessen Herstellung bezügliche Platten zu vernichten sind und alle irgendwo, sei es bei Verlegern, Buchhändlern oder Buchbindern im öffentlichen Verkehr befindlichen Bücher eingezogen werden. Der Verfasser des Werkes, der wegen Majestätsbeleidigung angeklagt war, wurde auf Grund ärztlichen Gutachtens über seinen Geisteszustand äusser Verfolgung gesetzt. M.