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Nr. 39 PAPIER-ZEITUNG 1427 Moschee eilen wir nun nach Toledo. Eine merkwürdige Stadt: man hat sie nicht mit Unrecht ein grosses Museum genannt, reich an Naturschönheiten, reicher noch an Kunstschätzen. Es ist wunderbar, wie sich dort die verschiedensten Perioden der spanischen Geschichte krystallisirt haben. Römer und Gothen, Juden, Mauren und Christen haben dort in Bauwerken aller Art, in Brücken, Flusswehren und Mühlen, Mauern und Thürmen, Tempeln, Synagogen, Moscheen und Kirchen, Stadtthoren, Burgen und Wohnhäusern Denkmäler ihrer Kultur hinterlassen, sodass . man dort das Alterthum studiren kann wie an wenig anderen Orten. Auch hier aber ist die Gegenwart ärmer als die Vergangenheit, wie fast überall im Inneren Spaniens, und wer keinen Sinn für Geschichte hat, dem wird es in Toledo durchaus nicht behagen. Denn die Stadt bietet innerhalb der Mauern äusser diesen geschichtlichen Sehenswürdigkeiten und äusser den noch heute berühmten Arbeiten der Goldschmiede kunst wenig Anziehendes. Äusser einem neuen herrlichen Hotel ersten Ranges, dem hotd de Castilla, sind die übrigen Gasthöfe ziemlich bescheiden, wenn auch manche von interessanter alter Bauart. In die von aussen vielfach düster und festungsartig aus schauenden Wohnhäuser kommt der Fremde nicht leicht, und von Bauwerken und Bildern allein wird man auf die Dauer geistig nicht satt. Auf den Strassen und Plätzen sind äusser einigen Frauenschönheiten Priester und Kadetten die typi schen Gestalten, und diese canönigos y militares sind auf die Dauer von aussen etwas langweilig. So muss ich denn gestehen, dass ich mich in diesem Museum schliesslich recht einsam gefühlt habe — auch in Berlin soll es Museumswächter mit sehr gelangweilten Mienen geben. Denn mein Unstern wollte, dass ich den mir nützlichsten Toletaner, einen Oberlehrer mit vortrefflichen Kenntnissen im Deutschen, Dr. Ventura Reyes Prosper, erst am letzten Tage meines Aufenthaltes kennen lernte. Der feine und für Deutschland — wie alle Spanier, aber dieser auf Grund einer Reise und politischer Beziehungen — schwär mende damalige Provisor del areobispado, jetzige Bischof D. Juan de Laguarda, an den mich der jetzige Kandidat für das Metzer Bisthum, Msgre. Zorn von Bulach in Madrid mit bekannter Freund lichkeit warm empfohlen hatte, machte mich zwar am ersten Tage mit manchen Sehenswürdigkeiten der Stadt und Umgegend bekannt, war aber nachher durch viele Geschäfte in Anspruch genommen. Meine Erlebnisse in der Bibliothek aber waren auch nicht geeignet, mich für die Einsamkeit des täglichen Lebens zu entschädigen. Damit komme ich auf den für uns wichtigsten Punkt. Die Bibliothek Toledos, d. h. die einzige von wirklicher Bedeutung, neben der die Biblioteca provindal daselbst an Werth völlig ver schwindet, ist die Biblioteca del Cabildo de la Santa Iglesia Catedral. Sie befindet sich in einem Seitengebäude der Kathedrale und wird vom Kreuzgange aus betreten, ähnlich wie in Sevilla und Leon. Es ist vielleicht die an Schätzen reichste aller klerikalen Biblio theken Spaniens und wäre noch reicher, wenn sie nicht vor zwei Jahrzehnten in der Revolutionszeit einen Theil ihrer Be stände hätte an die Biblioteca nacional in Madrid abgeben müssen. Hier stehen in einem grossen, dreifenstrigen Saale des ersten Stockwerkes noch immer viele Hunderte von Handschriften und — pflegen zumeist beschaulicher Ruhe. Nicht Viele können sich rühmen, dieser Bibliothek mehr als einen flüchtigen Besuch gemacht zu haben, selbst der gelehrte Jesuit Fidel Fita y Colomer in Madrid bedeutete mich, dass der Zutritt zu ihr nicht leicht sei. Zuletzt von deutschen Gelehrten hat wohl Loewe dort mehrere Wochen zugebracht, dessen Beschreibungen im Besitze der Wiener Akademie sind. Ich darf sagen, dass man mich sehr freundlich aufgenommen hat dank der Fürsorge der genannten hohen Geistlichen. Der Archivar, Canönigo D. Ramiro Fernandez, that sein Mög lichstes, um mir die dort recht schwierige Arbeit zu er leichtern. Aber, aber — das Elend in den klerikalen Biblio theken Spaniens besteht äusser dem Fehlen aller modernen Hilfsmittel in der Kürze der Arbeitszeit. Da die Archivare in erster Linie Geistliche sind und die Verpflichtung haben, die Chorstunden zu besuchen, ausserdem aber, wie mein dortiger Gönner, häufig noch Unterricht am Priesterseminar ertheilen, Beichte hören und sonstige Amtshandlungen zu versehen haben, so haben sie für die Bibliothek natürlich nicht viel Zeit übrig. Gewinnt man das Vertrauen der Herren völlig, so thun sie dem Forscher vielleicht den Gefallen, ihn als Gefangenen in die Bibliothek einzuschliessen — zu dieser Gunst gelangt man aber nicht leicht und nicht schnell. Sonst darf man nur in den kurzen Stunden arbeiten, wenn der Archivar unbesetzt ist. So verliert man unendliche Zeit bei den Studien auf klerikalen Bibliotheken, und es gehörte nicht zu den kleinsten Prüfungen, morgens nur eine Stunde lang und, wenn Alles gut ging, nachmittags noch einmal eine Stunde dort zu arbeiten, dazwischen aber wegen des Sonnenbrandes in das langweilige Hotelzimmer oder ein noch langweiligeres menschenleeres Cafe zu flüchten. War mein freundlicher Canönigo aber beschäftigt, so musste ich nachmittags unverrichteter Sache wieder nach Hause, nachdem ich eine halbe Stunde oder dreiviertel mich im Kreuzgange oder in der Kathedrale wartend herumgetrieben hatte. Man kann es deshalb den staatlichen Bibliothekaren Spaniens und den Gelehrten nicht verargen, wenn sie auf die klerikalen Bibliotheken in allen Tonarten schelten und nichts lebhafter wünschen, als dass deren gesammte Schätze in die staatlichen Bibliotheken so bald wie möglich übergehen. Trotz alledem muss man der Gerechtigkeit halber die Verdienste der Kirche um die Konservirung ihrer Schätze anerkennen. Es ist doch keine Kleinigkeit, dass sich die Manuskripte ein halbes oder gar ein ganzes Jahrtausend an Ort und Stelle unversehrt erhalten haben: sind sie einmal jenseits der Kirchenmauern, so sind sie ebenso rasch über die Grenze verkauft wie in einer öffentlichen Bibliothek verwahrt. Den Beweis dafür liefern die ungezählten spanischen Handschriften, welche auch ohne die gütige Fürsorge der Napoleonischen Offiziere ihren Weg nach Frankreich, England, Russland, Deutschland und anderswohin gefunden haben. Aber was nützen die dem Lesen gewidmeten Schätze, wenn sie dem Gebrauche gesperrt werden? Man kommt eben in Spanien aus dem Kopfschütteln und Bedauern nicht heraus. Wie würde man bei uns forschen und studiren, wenn jene Masse von Pergamenten uns gehörte! Eine Menge hebräischer Bibeln, lateinischer Kirchenschriftsteller und welt licher Litteratur des Mittelalters, zum Theil einzigartige Hand schriften liegen dort zwischen den düsteren Mauern begraben und harren der Auferweckung, die ihnen hoffentlich zutheil wird, ehe sie einmal ungelesen und unerforscht verbrennen. Trotz dieser widrigen Beschränkung in der Arbeit aber freue ich mich, in Toledo geweilt zu haben, und vergesse nie mals die einsamen Spaziergänge durch seine engen, sonder baren Gassen oder hinaus über den Tajo, der den Stadthügel hufeisenförmig umgiebt, über die ölbaumtragenden Berge des anderen Ufers oder drunten in der fruchtbaren Niederung, wo der Reis gedeiht und die Feige im dichtesten Laube reift. Sind auch die Tage vorbei, da die Toletaner Klinge in der Welt berühmt war, so ist Toledo doch auch heute eine der merkwürdigsten Städte Spaniens geblieben. Schluss folgt Buchdruckereibesitzer-Versammlungen in Berlin. Der deutsche Buchdrucker-Verein Kreis VIII hielt am 13. d. Mts. seine Kreis versammlung in Berlin ab. Der Vorsitzende, Herr Büxenstein, berichtete, dass die Vereins-Thätigkeit in Berlin in Anbetracht dessen, dass man sich hier gegen die Errichtung von Zwangs- Innungen ausgesprochen und der Deutsche Buchdrucker-Verein eine andere Ansicht vertreten habe, geruht hätte. Dessen ungeachtet müsse die Gesammtheit der Prinzipale dem Deutschen Buchdrucker-Verein zu Dank verpflichtet sein, weil er die einzige bestehende nationale Vereinigung geschaffen habe, ohne deren Vorhandensein die geordneten Verhältnisse, die heute zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Buchdruckgewerbe be stehen, nicht möglich gewesen seien. Die Unterstützungskasse des Deutschen Buchdrucker-Vereins habe in Berlin einen Zu wachs von etwa 60 Mitgliedern erfahren, am 1. Januar habe auch die Invalidenkasse ihre Wirksamkeit begonnen und zahle bereits an drei Berliner Invaliden für den Tag 1 M. Unter stützung. Als Abgeordnete zur Hauptversammlung wurden ge wählt die Herren G. Büxenstein, H. Bernstein, R. Boll, F. Frey- hoff-Nauen, als deren Stellvertreter M. Oldenbourg, J. Bahlke, B. Grunert, Alb. Heine - Kottbus, als Vorstandsmitglieder G. Büxenstein (Vorsitzender), R. Boll (stellvertretender Vorsitzender), H. Bernstein, J. Bahlke, H. Duske-Neu-Ruppin, als deren Stell vertreter M. Oldenbourg, C. Thiesen, B. Grunert, M. Günther und Alb. Heine-Kottbus. An diese Versammlung schloss sich die Sektions - Versammlung der Berufsgenossenschaft an. Herr R. Boll erstattete einen kurzen Bericht, aus dem Folgendes hervorgehoben sei. Die Zahl der versicherten Personen betrug m Jahre 1899 18620 (1898: 17584), die Zahl der Betriebe 687 (678), davon in Berlin 471, in der Provinz 216, von den ersteren arbeiteten 371, von den letzteren 145 mit Elementarkraft. An gemeldet wurden 421 (386) Unfälle, von denen 43 entschädigt werden mussten. Die gezahlten Entschädigungen erreichten, den Betrag von 52230 ML (48722). Von der Gesammtzahl der Unfälle ereigneten sich an einfachen Schnellpressen und