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Börsenblatt s. d. Dtschu. Buchhandel. Redakttoneller Teil. .V 69, 24. März ISIS. Zur Schriftfrage. Von Peter Hobbing. Es hieße, zeitgemäß gesprochen, Läuse nach Polen tragen, wollte ich den von L. K. in Nr. 54 des Bbl. vorgebrachtcn Ein- wändcn gegen die deutsche Druck- und Schreibschrift mit sog. Bernunftgründen begegnen. Alles, was rein sachlich für die Lesbarkeit, die zweckmäßige Verwendbarkeit, den Schönheitswert und namentlich die Auslandschätzung unserer Schriftzeichen ge sagt werden kann, findet sich vereinigt in Gust. Ruprechts Schrift: »Das Kleid der deutschen Sprache«, aus der jeder, der sich belehren lassen will, Gelegenheit hat, es zu tun. Was mich bestimmt, den Ausführungen des Herrn k>. die folgenden entgegenzusetzen, ist die Zuversichtlichkeit, mit welcher der Einsender die bare Nützlichkeit als einzigen Wertmesser für unsere Schrift gelten lassen will. Den Spuren des »zweckmäßi gen Mcher« folgt er allerdings nicht immer mit Glück. Wenn er z. B. erklärt: »die Schrift sei lediglich Mittel zum Zweck«, so läßt dieser »lapidare« Satz im Dunkeln, welcher Zweck gemeint ist. Nehme ich an, daß er die Worte: »— der Sprache sichtbaren Aus druck zu geben« hat iin Tintenfass? stecken lassen, so kann ich ihnen beipflichtcn. Vermutlich hat er aber fortsahren wollen: »Ge schäfte zu machen«, denn das würde eher seiner Auffassung ent sprechen. Mit einem solchen oder ähnlichen Schlüsse würde er nur geradeheraus sagen, was er jetzt durch einen zweiten Satz wie: »In allen Dingen des täglichen Lebens ist Zweckmäßigkeit aus- schlaggebend« zu umschreiben sich bemüht. Daß nämlich Herr ö.. dl. das selber glaubt, was man aus diesem seinem zweitem Hauptsätze hcrauslescn könnte, ist nicht anzunehmen. Schreit ihm hier doch schon von dem Gebiete der Mode alles ein höhnisches »Wirklich?« entgegen. Und gerade dieser Hohn auf seine Behaup tungen sollte ihn dabei stutzig machen. Denn tatsächlich hat ge rade die Mode, diese Todfeindin aller gesunden Zweckmäßigkeit und alles natürlichen Schönheitsgefllhls, dieses Zerrbild von persönlicher Würde und Tugend, Anteil wie an dem Krankheits bilde unserer Sprache, so auch unserer Schrift. In ihr veranschau licht sich der Auslandsgeist, der Gegner aller völkischen Entwick lung, nicht bloß bei uns, sondern allenthalben. Es ist bekannt, daß die Mode ihren ergiebigsten Nährboden in dem völkischen llnsclbständigkeitsgesühl hat, das gerade in unscrm Paterlande so üppig gedeiht. Alle Kunst der Aldine hätte die lateinische Druck schrift nicht zur Geltung gebracht, wäre ihr nicht die Verkümme rung des völkischen'Sclbstgcfühls in den germanische» Ländern — den Frakturländern des 15. Jahrhunderts — zu Hilfe gekommen. ES ist also kein Zufall, daß deutsches Selbstgefühl I. G. Immanuel Breitkopf zum Neuschöpfer der in ihrer Erscheinung seit lOOJahren arg verkümmerten Fraktur gemacht, und ebenso daß die maßlose Verschandelung unserer Deutschschrift in der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts der Lateinschrift so großen Einfluß bei uns verschafft hat. Das Buchgewerbe mag die Ur sachen dafür selber finden. Der größte Mund voll Kultur- und Bildungsredensarten tut es nicht allein. Heute vollends nicht. Und darum hört es sich an wie Hohn, wenn in dieser Zeit, wo — hören wir's nicht überall? — unsere germanisch-deutsche Kultur im Kainpfc auf Leben und Tod gegen die romanisch-keltische Un kultur ringt, ein deutscher Buchhändler ein wesentliches Stück unserer ureigenen Kultur als Rückständigkeit und wertlosen Plunder schmäht, dessen man sich nicht schnell genug entäußem könnte, um dafür di« Versumpfung ins Allgemeine, Internatio nale einzutauschen. Des Geschäfts wegen natürlich. Bei der Schrift fängt es an, bei der Sprache setzt es sich fort. Die jiddischen Erlasse, deren sich unsere Behörden in Polen befleißigen, scheinen bereits die Richtung zu weisen, in der sich nach gewisser Leute Ansicht — auch Wohl des Herrn L. dl.? — die deutsche »Kulturmission« im Osten zu bewegen hat. In lateinische Lautwerte übertragen nennt sich das Jiddisch Esperanto, und der Weltkuddelmuddel G. m. b. H. unter der Fahne »udi Kens ibi patria« ist fertig. Mit solchen Rückständigkeiten wie »Vaterland« und Muttersprache«, »Heimat«, »Rasse« und dergleichen braucht sich dann niemand mehr zu Plagen. Dann wäre es aber auch angezeigt, lieber heute 314 - als morgen Frieden zu schließen, einerlei auf welche Bedingungen hin, damit jeder, dem sein Fell zu kostbar ist, um es für solche Schnurrpfeifereien zu Markte zu tragen, die Wahl hätte, es in einer beliebigen Weltprovinz in Sicherheit zu bringen. Vorderhand gibt es allerdings noch reichlich Leute mit ge- sünderen Sinnen, als Herr L. dl. in seiner Anspruchslosigkeit anzu nehmen scheint, die von einem solchen Zukunftsbild« nichts wissen wollen, Leute, die lieber »Fraktur« reden als was andres und die in der Lateinschrift etwas Vorbildliches nur insoweit erblicken, als sie uns Deutsche gemahnt, den Römergeist, dem zwei Jahrtausende hindurch die Welt dienstbar gewesen, durch den Germanengeist abzulösen. Allerdings gehört dazu Wille und Glaube an die Zukunft. Aber wie sagt Houston St. Chamber- lain? »Gerade am Willen, am Glauben, an dem Bewußtsein, daß der Geist weitaus die gewaltigste Gewalt auf Erden ist, fehlt es in Deutschland vielfach.« Bei dieser Gelegenheit mutz man ehrlicher Weise sagen, daß der deutsche Buchhandel, dem es näher liegen sollte, als irgend einem anderen Berufe, an die Macht des Geistes zu glauben, ! hiervon blutwenig erkennen läßt. Daher rühren denn auch solche Sätze wie die von tz. kl., daß uns alle Kraft und Entschlossenheit beim Durchsetzen unserer Sprache und Schrift nichts nützen würde. Für den Urheber solcher Redensarten gibt es keine Geschichte des neuen Deutschen Reiches, hat kein Bismarck gelebt. Mit seinen »Anpassungs«- und »Rücksichts«-Grundsätzen, mit seiner Nützlich- keitslehrc würden wir noch heute mitten in cker Biedermeierei stecken. Auch im übrigen könnte seine vermeintliche Fortschritts-Pauke vor bald hundert Jahren gehalten worden sein. Nach ihm stammt die Antiqua aus dem »Altertum« und ist die Fraktur keine deutsche Schrift. Er scheint danach anzunehmen, daß es kein deutsches Altertum gibt. In dieser Hinsicht hat er allerdings unter 100 sogenannten »Gebildeten«, und, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, auch Buchhändlern, 99 Leidensgenossen. Wäre das nicht der Fall, so würde uns Wohl manche öffentliche Äußerung über unsere Schrift und Sprache erspart bleiben. Aus Mangel an Raum an dieser Stelle rate ich Herrn .4. dl. und seinen Gesin- nungsfreunden nur, sich einmal mit dem deutschen Altertum und dem, was von dessen Erscheinungsformen auf unsere Schriftzeichen Bezug hat, bckanntznmachen. Dann wird er sich überzeugen kön nen, daß unsere Haken- oder Eckenschrift in Wahrheit deutsch und mindestens so alt ist wie die lateinische Bogenschrift. Vor allem wird er dann auch erkennen, daß sie ganz und gar eine vollwertige, gesetzmäßige Äußerung unserer germanischen Kultur und darum kein Gegenstand von Gemeinplätzen und Nützlichkeitsmeierei, son dern ein unserer verständnisvollen Wahrung und Pflege über lassenes kostbares Volksgut ist. Der Schulbücherverkauf in Schweden. Von E. P. Enewald. Wenn ich nicht irre, ist die Schulbücherlieferung in Deutsch land immer noch eine aktuelle Frage. Vielleicht wird cs den deut schen Buchhandel interessieren, zu erfahren, wie in Schweden diese Angelegenheit geordnet worden ist. Auch wir hatten eine Schul- büchersrage und haben Wohl noch eine solche, aber im Jahre 1913 wurden neue Verkehrsregeln, die über den Schulbücherbezug ge naue Bestimmungen enthalten, angenommen; sie sind gegenwär tig noch in Geltung. Der Stand des Schulbücherhandels ist in Schweden, in folge der a» Anarchismus grenzenden Wahlfreiheit der Lehrer und Lehrerinnen, ein anderer als in Deutschland, und es ist trotz Klagen der Eltern und Bemühungen von verschiedenen Seiten bisher nicht gelungen, in dieser Beziehung eine wesentliche Änderung herbeizuführen. Früher wurden die Schulbücher ohne nennenswerte Ausnahmen durchgängig in jeder Anzahl in Kom mission geliefert. Jeder Sortimenter wollte für alle Möglich keiten gut gerüstet sein und hielt deshalb große Lager von allen Schulbüchern. Manchmal kam es dann vor, daß in einer Schule die Lehrbücher gewechselt wurden, so daß der vorhandene große Vorrat der abgeschafften Bücher bis Neujahr liegen blieb. Dann fing die Firma Rorstedt L Söner (der bedeutendste schwedische