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Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, kugau, Hermsdorf, Kernsdorf, , «rscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1Hö durch die Post Mk 1.82 frei in'S Haus. Kirferare nehmen außer der Expedition auch die Austräger ans dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expedittonen solche zu Originalpreisen, Anzeiqer für ÄUgenberg, Fasten, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Urspmng, Erlbach. Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Gmmbach. St. Egydien, Hüttengrund u. s. is- 2^ für das Königliche Amtsgericht und de« Stadtrat r« Hohenstein - Ernstthal. Organ aller Oenrernöe-Verrrcrltirrrgeir ösr uinliegenöen Ortschaften. Nr. 215. Mittwoch, den 16. September 1S0S, 53. Jahrgang. Heute Mittwoch vormittags 7 Uhr wird im hiesigen Rathause das Fleisch eines wegen Tuberkulose beanstandeten Schweines im gekochten Zustande ä Pfund 4« Pf-., öffentlich verpsundet. Die Säbelherrschaft in Serbien. Auf der abschüssigen Bahn, welche die gegen, wärtigen Machthaber in Serbien mit der gewaltsamen Ausrottung der Dynastie der Obrenowitsch beschritten haben, geht es seitdem mit Riesenschritten vorwärts. Was es heißen will, wenn in einem Lande mit so unsicheren Verhältnissen nach einer der schwersten Er- schütterungen der gesamten Staatsverfassung nun auch das Rüstzeug der Armee systematisch zugrunde ge richtet wird, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung. Die Art, wie in Serbien jetzt „regiert" wird, bildet eine würdige Fortsetzung der Säbelherrschaft, welche den neuen König aus den Thron erhoben hat. Eine grelle Beleuchtung erfährt dieses Regiment durch eine Reihe von Tatsachen, über die dem L. A. wie folgt berichtet Wird: Belgrad, 14. Sept. Wie ich authentisch er fahre, übergab während der Anwesenheit des Königs in Nisch ein Leutnant seiner Ordonnanz den Aufruf der Offiziere gegen die Verschwörer. Der Bautenminister Maschin und der HandelSminister Gentschitch, beide bekannt als Mitwisser der Verschwörer gegen das srühere KönigSpaar, lasen die Namen der 1200 Unterschriften, mit denen der Aufruf gezeichnet war. An demselben Tage entstand im Kaffeehaus ein Streit zwischen den Offizieren auS beiden Lagern Maschin hielt ein Massaker für bevorstehend und sammelte seine Freunde um sich. Um 11 Uhr nachts schickte er Patrouillen, bestehend aus je einem Offizier und vier Saldaten, in die Wohnungen der revoltierenden Offiziere. Diese versuchten, Widerstand zu leisten, wurden jedoch von den Soldaten gefesselt und ins Gefängnis gebracht. Da Mafchin wußte, daß Oberst Jankowitsch, der Kommandant der Morava-Division, aus Seiten der protestierenden Ojfiziere stand, ordnete er um 4 Uhr früh dessen Enthebung an und el klärte Jankowitsch im Namen des Königs für abgesetzt. Dann telegraphierte Maschin an den Kriegsminister und verlangte die Ein setzung des Generals'Djuknitz an Stelle Jankowitschs. Djukditz, Schwiegervater des ersten Adjutanten des Königs Popowitsch, war bereits außer Diensten, wurde aber durch UkaS des Königs, der gleichzeitig die Ent. lassung Jankowitsch verfügte, reaktiviert. Djuknitz war vom König Alexander auS der Armee entfernt worden, und gleich dem Kriegsminister Solarowitsch war er mit im Komplott der Königsmörder. Am Mordtage übernahm er vorübergehend daS Kommando der Donau. Division. — Die Unteroffiziere des 7. Regiments in Belgrad revoltieren, weil sie von den Offizieren bei der Ermordung des Königs getäuscht worden wären. Die Ojfiziere des 18. Regiments haben sich für die Proklamation der Rischer Garnison erklär», ebenso das 15. Regiment. Der Kriegsminister ha» einen geheimen Erlaß herausgegeben, wonach größere Truppenabteilungen von den Regimentskommandeuren selbst gesührt werden müssen. Alle Kommandos in Belgrad sind mit den Verschwörern oder Freunden der Verschwörer besetzt. DaS 7. Regiment sührt jetzt Oberst Bodanowisch, ein Adjutant des Königs, der mit dem Revolver in der Hand den Obersten Jankowitsch in Nisch verhaftet hatte. DaS 6. Regiment führt Oberst Gonsierowski, das 18. Regiment Oberst Brankowitsch, daS 8. Regiment Oberst Naumowitsch, derselbe, der aw Tage der Ermordung König Alexangers zum Chef der Gendarmerie ernannt worden war. Zivilisten wurden in Nisch nicht arretiert, weil die ganze Angelegenheit vor dem Militärgericht abgeurteilt wird. Zwei Mit- glieder deS Kriegsgerichts, Oberst Raschitsch, Inspekteur der Artillerie, und Oberst Wlaitsch, Artilleriechef im Kriegsministerium, wurden vor einigen Tagen abgesetz«, weil sie zu den Gegnern der Königsmörder gehören. An ihre Stellen wurden Oberst Geukowitsch, Ches der Belgrader Jnfanterie-Brigade, und Oberst Pauuowitsch, Chef der Belgrader Kavalleri-Division, zu Mitgliedern des Kriegsgerichts ernannt. Beide waren am Mord- tage befördert worden. In der Armee herrscht völlige Anarchie, der König ist ganz ohnmächtig. Maschin und Gentschitsch haben ausschließlich oas Heft in den Händen. Heute fand hier eine Studentenversammlun statt, die sich für die Verschwörer und gegen die Pro- testier erklärte. Die Anklageschrift gegen die in Nisch verhafteten Ojfiziere gründet sich auf die beiden Tatsachen, daß in dem bekannten Aufrufe Anträge gestellt wurden, wo- nach 1. alle Verschwörer vom 11. Juni zu töten seien, welchem Anträge drei Ojfiziere zugestimmt hatten, 2. die Erfüllung der von dem Offizierkorps an maß. gebender Stelle korporativ zu stellenden Forderung aus Entlassung der Verschwörer vom 11. Juni event. zu erzwingen sei. Die Anklageschrift bezeichnet als Leiter der Bewegung die Hauptleute Nowakowitsch und Protitsch, Oberleutnant LugumerSki, Leutnant Drudare. witsch. Aus das in Frage kommende Vorgehen ist iv 8 53 des serbischen Miliiärstrafgesetzes Festungshaft bis zu einem Jahre gesetzt. Für die Anstifter zu diesem Vergehen ist in demselben Paragraphen in Zusammen- hange mit 8 47 deS Bürgerlichen Strafgesetzes mehr- jährige Festungshaft, in beiden Fällen ohne Verlust des Ranges vorgesehen. Belgrad, 13. September. Vormittags fand eine von Studenten einberusene öffentliche Versammlung tatt, an welcher mehr als 2000 Personen teilnahmen und in der eine Resolution angenommen wurde, worin die Haltung der Blätter „Narodni Listi" und „Blcerne Nowosti" verurteil» wird. Die Versammlung verlies ruhig. Petersburg. 12. September. Die gesamte russische Presse erklärt die Lage in Serbien als über- aus ernst. Belgrader Telegramme, die im Petersburg kingelangt sind, melden, daß in gesamten serbischen Offizierskorps offene Meuterei . errsch», daß König Peter Drohbriefe von Offizieren erhalten hat und daß der Rischer Divisionär General Bozidar Jankowitsch, sich weigert, die vom König über ihn verhängte Ab- »rtzung anzuerkenneu und das DivisionSkommando mederzulegen. Die der Regierung nahestehende „No wosti" schreibt: „In den drei Monaten seit dem Königsmorde macht sich in Serbien eine Zerrüttung aller staatlichen Funktionen bemerkbar. Alle Versuche ocr offiziösen Presse, die Vorgänge in Serbien in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen, können nicht über die Tatsache hinwegiäuschen, daß das Land sich in einer überaus ernsten und gesührlichen Krise befindet. Serbien würde jetzt einer festen und energischen Hand bedürfen, aber König Peter, welcher gründlich unter dem Terrorismus der Militärpartei steht, die den Umsturz vollbracht ha», kann diese feste und energische Hand nicht sein. Es zeigt sich, daß daS neu? Regime auf einen starken Widerstand stößt. Wie heute die Dinge stehen,ist ei», Bürgerkrieg in Serbien unvermeidlich, was die Lage auf der Bal kanhalbinsel noch verwickelter gestalten muß." I-ziMMM« Parteitag. Dresden, 14. September. Heute früh 9 Uhr begannen im „Trianon" die Verhandlungen deS Partei» tapes. Der Saal ist überfüll», die Vertreter der Presse find förmlich eingepfercht. Vor Eintritt in die Tage-ord- rung begrüßte Singer die Gäste von den ausländischen sozialdemokratischen Parteien une dankte diesen für die vielfachen Unterstützungen >m Wahlkampfe und für die Beweise der Solidarität, Viktor Adler-Wicn begrüßte die Versammlung im Namen der österreichischen Sozial demokratie, die mit der deutschen durch Geschichte und Sprache aufs engste verknüpft sei. Der Wahlerfolg der deutschen Sozialdemokratie sei für die österreichischen „Ge- ncssen" ein politisches Ereignis ersten Ranges gewesen und mit unbeschreiblichem Jubel begrüßt worden. Die österreichischen Sozialisten Hütten einen schwierigen Stand in einem Lande, dessen »Existenz fortwährend in Frage gestellt sei, das gewissermaßen vor der L quidaüon stehe Deshalb könne die österreichische Sozialdemokratie die klassische Form der deutschen niemals erreichen. Die Oesterreicher seien nach Dresden gekommen, um zu lernen, wie man realpolitische sozialdemokratische Politik macht. Die deutschen „Genoffen" seien im Vergleiche mit den österreichischen beneidenswert glücklich, obwohl sie schließ lich in Sachsen tagten. Für die tschechisch-slawische Par- teileitung sprach Nemec-Prag, für den Parteivorstand der holländischen Partei Tak-Amsterdam. Dieser dankte be sonders für die Unterstützung durch die deutschen „Ge- nvssen" beim Amsterdamer Generalstreik. Der englische Delegierte Jones-London skizzierte (in englischer Sprache) die sozialdemokratische Bewegung in England. Dort dringe die revolutionäre Bewegung allmählich in die Gewerk schaftsbewegung. Er hoffe, daß man auch in Berlin einmal einen englischen sozialistischen Wahlsieg feiern werde, wie dies bezüglich des deutschen Sieges vor kurzem in London geschehen sei. Chamberlain, den er Lucifer II nannte, versuche zwar, den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit zu leugnen, die englischen Sozialdemokraten ließen sich aber nicht düpieren, sie seien ein Glied der internationalen revolutionären Sozialdemokratie und fühl ten sich in diesem Sinne eins mit den deutschen Sozial, demokraten- Wilshire, der Vertreter der amerikanischen Sozialisten, sührt aus, die ökonomischen Grundlagen in Amerika bedingten eine langsamere Entwickelung des so- zialdemokratischen Gedankens. Doch bereite sich bei der schon jetzt beginnenden Ueberproduktion ein Umschwung vor, und er hoffe, daß die nächsten Präsidentenwahlen etwa Hne Mill on sozialdeuwkratrscher Stimmen ergebe», würden. Damit war die Reihe der Begrüßungen be- endet. Nachdem Singer dann noch eine lange Reihe von BegrüßungStelegrammen auS dem Auslande und aus dem Reiche bekannt gegeben hatte, erstattete W- Pfannkuch den allgen einen Geschäftsbericht deS Vorstandes. Die aus der Partei vielfach gestellte Forderung, eine Agitations kommission zu schaffen, die neben der Parteileitung und von dieser reffortierend arbeiten solle, bezeichnete der Redner unter den gegenwärtigen Verhältnissen als einver- rühtes Experiment. Der Redner sprach dann weiter über >ie Beschaffung von geeigneten Referenten, von Kolpor »euren, von der Parteipreffe, vom Ausschluß von Partei- genoffen und schloß mit der Versicherung, daß di« Vor stand überzeugt sei, in dem abgelausenen Geschäftsjahre eine Schuldigkeit vollauf getan zu haben Den Kassen bericht erstattete A. Gerisch. Während er sonst be üglich der Kaffenverhältniffe stets sagen mußte: „So kann es nicht weiter gehen," könne er jetzt sagen: „So kann es immer weiter gehen." (Lebhafter Beifall) Er wolle nur bemerken, in Schleswig Holstein seien für die Reichs tagswahlen 85000 Mk. aasgegebe » worden- Die Ein nahmen der Partei betrugen einschließlich des vorjährigen Restbestandes 635 033.58 Mk. Die Ausgaben 554 211,88 Mark. Die Parteipreffe zählt nach den Berechnungen GerischS rund 550 000 Abonnenten, von denen im letzten Jahre ca. 130 000 neu gewonn.n worden find. Tie Parteiorgane nahmen aus Abonnements 3 000 000 M.'., au- Inseraten 1 700000 Mk- ein Die Abonnenten» Hochflut beginnt allerdings jetzt nach der Wahl erheblich abzuebben. Der Referent empfiehlt dringend, für die Zu- uhr neuer Gelder zu sorgen, zumal da von diesem Jahre an die Position: „Kosten dis Reichstages" erheblich anwachsen werde. Im abgelaufenen Jahre betrug dieser Posten 33 451,50 Mk. Den B.'richt der Kontrolleure erstattete H- Meister. Dieser inszenierte ein scharfes Strafgericht gegen den „Ger off-n" Berthold, der al.' oeranlworliicher Redakteur der „Zukunft" „pöbelhafte Angriffe" gegen die Partei mit seimm Namen gezeichnet habe. Der Antrag auf Ausschließung Bertholds wurde seinerzeit von der Kontrollkomm ssion mit Stimmengleich heit abgclehnt. Der Redner glaubte aber die Mißbillig ung des Verhaltens Bertholds noch besonders aussprechen zu sollen. Darauf wurde über die Frage der Mitarbeit von Parteigenoffcn an bürgerlichen Blättern verhandelt Es sind dazu 10 verschiedene Anträge eingegangen. Das Referat des Vorstände- hierzu übernimmt Pfannkuch. Zwischen Dr- Heinrich Braun, Lili Braun, Wolfgang Heine, Göhre und Dr. Berthold und dem Parteivorstanse hat neuerdings ein Schriftenwechsel in dieser Angelegen, heit stattgefunden. Die betreffenden „Genoffen" erklären, daß sie sich von der Deklaration de» Vorstandes nicht beirren kaffen würden- Dr. Calwer ist auf seine dahin- gehende Anfrage vom Parteivorstande geantwortet worden, daß seiner Mitarbeit am „Arbeitsmarkt" nichts im Wege stehe. Die Stimmung des Parteitages war, wie aus der Haltung während des Referates heroorging, den für bürgerliche Blätter schriftstellernden „Genoffen" höchst un- günstig. Der Referent wies den Vorwurf, der Partei vorstand verfahre mit seiner Deklaration nach der Ar» bürgerlicher Ministerien, mit der üblichen Entrüstung zurück und betonte, daß eS Pflicht des Vorstandes sei, in sol- chcn Fragen, die das vitale Interesse der Partei berührten Stellung zu nehmen. Um 3 Uhr nachmittag- wurden die Verhandlungen wieder ausgenommen. Der Parteivorstand unterbreitet dem Parteitag hierzu folgenden Vorschlag zur Entscheidung: 1) Kann es mit den Interessen der Partei für vereinbar erachtet werden, daß Parteigenoffen als Redakteure und Mitarbeiter an bürgerlichen Preßuntcrnehmungen tätig ind, in denen an der sozialdemokratischen Partei gehässige oder hämische Kritik geübt wird? Antwort: Nein! 2) Kann ein Parteigenosse Redakteur oder Mitarbeiter eines »ürgerlichen Blattes sein, auf welches obige Vorau-- etzung nicht zutrifft? Diese Frage ist zu bejahen, soweit Stellungen in Betracht kommen, in denen der Partei genosse nicht genötigt wird, gegen die sozialdemokratische Partei zu schreiben oder gegen dieselbe gerichtete Angriffe aufzunehmen, Im Jntereffe der Partei sowohl wie im Jntereffe der in solchen Stellungen befindlichen Partei genoffen liegt eS jedoch, raß den letzteren keine Ver trauensstellungen übertragen werden, well solche sie früher oder später in Konflikt mit sich und der Partei bringen müssen- Neun weitere Anträge von Parteigenoffen in Berlin, Hamburg, Hamm, Essen, Hannover u. a- äußern sich in demselben oder wenigstens ähnlichem Sinne. Der ganze Nachmittag wurde mft der Tebatte auSgesülli. Gleich zu Ansang kam eS zu einem Zwi schenfall. Dr. Hrch. Braun-Berlin meint, eS sei zu bedauern, daß die schöne Zeit deS Parteitages zu derartigen Literatengezänk benützt werde. Aber die Frage sei nun einmal auf die Tagesordnung gesetzt. Also! Nicht meine Schuld ist eS, daß dieser Streit un- tberhaupt beschäftigt, denn erst durch Beschluß des ParteivorstapdeS ist eS ermöglicht worden, daß wir diese Frage gesondert verhandeln. Freilich scheint sich nachträglich des Parteivorstandes ein gewisse- beklem- mendeS Gefühl bemächtigt zu haben. (Zuruf BebelS: Ganz und gar nicht.) vr. Braun: Wäre eS anders, Genosse Bebel, hätte der Referent zu diesem Thema nicht die entscheidenden Stellen unserer Beschwerdeschrift einfach unterschlagen. (Hört! hört! Unruhe.) Diese aber besagt, daß wir den Unterschied gemacht wissen wollten zwischen Mitarbeit an der bürgerlichen Presse im sozialistischen Sinne und zu sozialistischen Zwecken und der Mitarbeit gegen die Sozialdemokratie. DaS ist entscheidend und das ist einfach unterschlagen worden. Die Frage der Mitarbeit an der bürgerlichen Presse ist eine höchst schwierige. Seit 20 Jahren näm lich hat die Mitarbeit von Genossen an bürgerlichen Blättern nicht aufgehört, und als solche Mitarbeiter sind Bebel und Singer, Bernstein und KautSky auch tätig gewesen. (Hört! Hört! Unruhe.) Und auch Herr Doktor Franz Mehring ist lange Zeit hindurch an bürgerlichen Blättern tätig gewesen. (Zurus Bebel»: Herr Doktor Franz Mehring! Hört! Hört!) Dr. Braun (fortfahrend): Herr Doktor Franz Mehring, jawohl, Genosse Bebel! Singer (heftig klingelnd): Genosse Braun! Ich möchte dich daraus ausmerksam machen, daß eS aus unserem Parteitage nicht üblich »st, aus einen Genossen einen anderen als den Ehren titel des Parteigenossen anzuwenden. (Lebhafter Bei fall.) Dr. Braun: Ich weiß, daß cs alte und gute Gepflogenheit ist, dies zu tun, aber e-gibt Ausnahmen, und in bezug auf den Doktor — Pardon — Herrn Doktor Franz Mehring gestalte ich mir die Ausnahme. (Unruhe.) Singer: Und ich gestatte es nicht. Wenn Sie durchaus den richtigen Titel nicht anwenden wollen, so nennen Sie einfach den Namen. Dr. Braun: Ich werde von der mir gewährten Freiheit Gebrauch machen und nur den Namen nennen. (Unruhe.) Der Redner sührt Vann weiter auS, man hätte die Erklärung deS Parteivorstandes nicht vor den Reichstagswahlen veröffentlichen sollen, zu einer Zeit, da viele der in Betracht kommenden Genossen im heißesten Wahlkampfe standen. DaS sei en so uner hörter Vorgang, wie er in der Geschichte der Sozial demokratie noch nicht vorgckommen sei. (Lebhaster Widerspruch.) „Ich wiederhole, eS Hal in der vierzig jährigen Geschichte der Partei niemals eine Zeit ge geben, in der Sozialdemokraten nicht sür bürgerliche Blätter geschrieben haben." Braun sührt dann ver- chiedeve Beispiele an und polemisiert heftig gegen Mehring, der, ein politisches Chamäleon, immer wieder eine Farbe wechsle, nur mit dem Unterschiede, daß das Tier seine Farbe ändere, wenn es wütend wäre, und daß Mehring wütend werde, sobald er seine Farbe geändert habe.