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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 05.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190307059
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19030705
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19030705
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-07
- Tag 1903-07-05
-
Monat
1903-07
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 05.07.1903
- Autor
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Schrecklicher Lrarrm. Bekannter: „Wat siehst du denn so verstört aut, lieber Freund?" Herr (der eine einzige Tochter hat, die fünfzigtausend Mark Mitgift bekommt): „Denke Dir, mir hat heute Nacht geträumt, ich hätte fünfzigtausend Töchter und eine Mark Mitgift." «r« solide* NertzSltui*. „Hast du von deiner Bcaut den Ring zurück- gefordert, nachdem ihr euch auteinandergesetzt habt?" „Natürlich; ich muß ihn ja auch dem Juwelier zurück geben!" Protzig „Herr Kommerzienrat bauen ja ein Hinterhaus an Ihre Billa?" „Ja, et hat sich ein kleiner Platzmangel bemerk bar gemacht durch die Geldschränke!" N«sch«l-ig. Herr (zum Diener): „Karl, du bist mir bei der Weinflasche gewesen!" Jean: „Nein, gnädiger Herr, der Stöpsel ging ja nicht raus." Ans der Gesellschaft. Erste Dame: „Sie dursten also den Raubmörder in seiner Zelle besuchen?" Zweite Dame: „Und wurde ihm sogar vor ¬ gestellt!" Meiser Schlug. „Herr Professor haben den Major soeben gegrüßt »nd er dankte Ihnen nicht." „Hm, beweist nur, daß ich höflicher bin als er." * TVrtz und Kurnew. « ^ä^e^erwe^s^e!? Professor (zu einem recht ungeschickten Schüler): „Schulze, Sie sind ein blöder Mensch. Wenn Sie das Pulver erfunden hätten, könnte heutzutage noch kein Mensch damit schießen. Zur Psychologir der Münchener NoUtsserlr. In der Nußbaumstraße überfährt ein Droschken kutscher einen des W-geS kommenden Velozipedisten. Als man den Schwerverletzten aufhebt und wegträgt, meint der biedere Rosselenker: „Hat der Mensch a Glück gehabt, daß rahm dös grad vorm Krankenhaus passiert iS!" Gut grautworlet Student, sehr angeheitert, klopft bei nacht- schlafeyder Zeit mit großem Gepolter an die Haustür. Wächter: „M in Herr, Sie wollen Bildung haben?" Student: „Rein, ven Hausschlüssel!" Papiergeld. Pepi (der von seinem Vater 10 Pfennig ge- schenke bekam): „So, dafür kaufe ich mir zwei Staatspapiere . . . ." Vater: Unsinn, für 10 Pfennig kannst du dir keine StaatSpapiere kaufen!" Pepi: „Papa, du bist naiv! Zwei Fünf pfennigmarken!" Gin» neue Richtung ..Meine Frau kocht jetzt sogar nach der neuen Richtung!' „Na. bei meiner weiß man auch nie, was man gegessen hat! ' Bei einem HauSkonzert trägt eben die Tochter des Hauser einen Gesang vor. Ein Herr: „Die Eltern deS Mädchens be haupten, daß dieses Millionen in der Kehle stecken hätte." Kritiker: „Scheint ganz richtig zu sein, denn ohne dieses arge Hindernis könnte dar Fräulein viel leicht ganz gut singen." Mu* «och fehlt. „Man hat es heutzutage eigentlich doch recht weit gebracht! Man schießt ohne Rauch, sährt ohne Pferde, telegraphiert ohne Draht — eS fehlt nur noch eines." „Und das wäre?" „Mitgift ohne Frau!" Geeeistor. Autler (dem sein 98-H?..Dampswagen explodiert: „Teufel, ist das Fliegen fein, jetzt kauf' ich mir aber schleunigst ein Luftschiff!" Der praktische Arrt. „Ich werde der Frau Kaufmann Schmidt keine Badereise verschreiben — sonst kann mir ihr Mann meine Rechnung nicht bezahlen!" Au* Getvahnhett Tochter: „Dem Herrn Oberförster sollten wir zu seinem Namenstag eine Gans verehren, eine Taube ist doch zu wenig." Mutter: „Da sei ganz beruhigt, mein Kind, der Herr Oberförster macht schon eine GanS daraus." Nicht «Stmeudig. Lehrer: „Ihr Sohn lernt nichts, er weiß nicht einmal von Asien etwa-!' Vater (deS Knaben): , Hm, was geht ihn Asien an?" Gute A«*redr. H:rr Nachbar, warum trinken Sie denn jetzt auf einmal allabendlich so viel Bier?" „Wissen-, der Schneider hat mir den Anzug zu weit g'macht und da trink' ich ihn halt passend." N«tza«me«du«g. Richter: „Sie haben den Zank zwischen den beiden Ehegatten mit angehört, welchen Eindruck haben Sie dabei gewonnen?" Zeuge: „Daß ich meiner Lebtag nicht heirate, Herr Richter." Filsch verstände«. Papa: „Also, Sie wollen meine Tochter um ihre Hand bitten? Welche Stellung werden Sie ein nehmen?" Freier (stotternd): „Ich denke, auf den Knien." Kompetent. „Damen ertragen die Schmerzen im allgemeinen weit besser als Männer." „Welcher Arzt hat Ihnen daS gesagt?" „Kein Arzt, ein Schuhmacher." Gi« Schtaver. Der Lehrer stellt seinen Schülern die Aufgabe, einen Satz zu bilden, in dem das Wart „imwerhin" vorkommt. Keiner, außer dec schlaue WirtS-Laverl, findet einen solchen Satz: „Wenn bei unS g'cauft wird, dann ist einer immer hin." Das Sparversteck. EiluciuS Böhnchen war ein friedliebender Manu Au» diesem und verschiedenen anderen Gründen ver" mied er es ängstlich, s-'ner Frau zu einem Disput An laß zu geben. Weil aber Frau Rosalie Böhnchen nicht» weniger leiden konnte als da» Triukcu, ihr Mann da gegen ein leidenschaftlicher V.rchrer von »ukontrollicr- ten Früh und Äbendschovprn war, so ergab sich daran» die notwendige Folge, daß er die zur Deckung seines heimlichen Lasters erforderlichen M ttel außeretatmäßig aut besonderen Fonds aufbr!vg:u mußte. Nun ermög lichte es ihm glücklicher oder vom hautlraulichen Stand- pnnkte aus bedauerlicher Weise sein Geschäft al» Silber schmied, hin und wieder Geldeingävge, teil» ganz, teil» in gewissen Prozentsätzen vor der scharfen Kontrolle seiner Gattin zu verheimlichen uud seinem „Frieden» fon S" zuzusührev. Merkwürdiger Weise aber war e» weit schwerer, diese Mittel dann vnsteckt zu halten, al» sie erst auf di: Seite zu bringen. Frau Rosalier» Finger waren die reinsten Wünschelruten. Sie schienen verborgeue Schätze durch Ho'z, Eise», Stein, Tuch und Wolle hindurch zu fühlen. Immer wieder cutdtckte sie die heimliche Kaste, und tarn ^ab e» ein Donnerwet ter, dar Tage und Wochen lavg sortrollte und um so verheerender wirkte, als bei der Konfiskation der erbeu teten Barmittel nun auch u cht gleich wieder flüstize Gelder vorhanden waren, um kostreich- Früh- und Däm- merschoppen zu veranstalten. Endlich aber war eS dem Erfindergcuie Böhnchen» doch gelungen, ein V-rftcck au»zumitteln, an dem alle Epürversnche feiner Fran scheiterten- Er vergrub näm lich sein Geld in die Erd- — in die Erde der großen Blumenkiste, in welcher am Fenster »er Wohnstube ein ehrwürdiger Efeu seinen Stammsitz hatte. Schon steckte in allen v er Eck.o der Kiste wohl versenkt je e>v vollwertiger ReichStaler uud Böhnchen ging eben k aran, eine unbewachte Minute zur Beerdigung de» titulier, „tapferen Schweden" auSzusuchen, al» da» Fürchterliche geschah. Mochte er sich während deS Mittagesten» zu sehr mtt diesem Gedank.n beschäftigt haben und dabe unvorsichtiger Welse mebr mit den Blicken an der Eseu kiste gehaftet se>n, al» seinem Geheimnis gut war, odc' hatte seine Frau aus anderen G.ünden Beedacht ge- schöpf, kurzum, sic stand plötzlich auf, sah suchend ,m Kreise umher, nahm dann ein alte» T'schmesser ua» begann die Erdfläche der Blumevk.ste regelrecht uwzu- graben, wie wenn sie in Klovdyke oder Kalifornien ba- zrr Vorstudien gemacht hätte Einen Augenblick saß Böhnchen schrecken-starr. Dann unsachte er mit matter Stimme ein Letzte». „Aber, wa» treibst Du denn da Komische» ?" stot terte er „Da» schadet ja der Pflanze!" „Du meinst wohl Dich damit, Du Sumpfpflanze!" entgegnete sie mit vermchteudem Hoh» und hielt hier bei triumphierend den ersten auSg-grabenen Taler in die Höhe. Mit bleichem Munde und schlotternden Knieen sah der arme Silbergrubenbefitzer binnen Mos Mioutl« feine gaoze Mine aa-gcbeutct und dann prasselte eine Strafpredigt herunter, die Ben Akiba'S tekavute» Wort, alle» ist schon dageweseo, glänzen» uud grauenerregend widerlegte; denn eine solche Hochflut von u^aiimu Schmeicheleien war über da» doch schon ziemlich streng- aewohute Dulderhaupt Böhnchens noch nicht hereivge- »rüchen, seit er den sauersüßcu Bund der Ehe eioge- gangeu war. Er schwieg zwar; denn wenn er auch noch wi versprochen hätte, wäre der Ingrimm der Zürnenden zu ungeahnten Dingen gediehen. Aber als er dann in seinem Geschäfte allein war, röst: er, soweit die sem gutmütiger Charakter zuließ — er raste umso- mehr, als die gepfändeten Moneten dazu bestimm« waren, eine Stammtischwette um drei Flaschen Rot- spohn einzulösen, die er kürzlich verloren hatte. Nur warteten Hohn, Schimpf, Spott und Entehrung seiner. In dieser verzweifelten Siunde reiste in seinem verwegenen Gehirn ein Plan von grimmigstem Gal genhumor. Wenn denn seine Kriegslast- nirgends vo. dem Spürsinn seiner „besseren" Hälste sicher war, soweit eS sich um die seiner eigenen BerfügungSge- Walt unterliegenden Gelasse handelte, so wollte er ir Zukunft sein Geld direkt einmal in ihrcr Sphäre ver- bergen und in irgend einem ihrer Behältnisse unter» bringen. Vielleicht stimmte die Kühnheit dieses Ge- dankens das Glück, welches ja angeblich immer dem Tapseren Hilst, zu seinen Gunsten. Eben trat ein verliebter Jüngling ein, der für seine Dame ein Silberreiflein erstand. Der junge Mann begriff daS diabolische Lächeln nicht, mit dem der biedere Böhnchen es ihm reichte. Aber er würde dieses Lächeln verstanden haben, wenn er gewuß« hätte, daß FiluciuS aus den Normalpreis des Ring leins zwei Reichsmark daraufgeschlagen und eben im Geiste diesen zwei Mark daS ruhmvolle, aber gesähr- liche Amt übertragen hatte, mit der Invasion in Fein d'Stand zu beginnen. Noch am gleichen Tage, während Frau Rosalie durch eine Freundin in der guten Stube festgehalten war, verst.ckre Böhnchen diese zwei Mark im Schlaf zimmer in ihrem Wäscheschrank in dec untersten Schub lade tiej unter alten, als ehrwürdige Andenken be- wahrten Wäschestücken aus der Kindheit des gemein samen, nun auswärts an einer Studienanstalt ver weilenden SohneS. Und siehe da, die Keckheit des Unternehmens grfiel der launenhaften Fortuno. Keine Entdeckung erfolgte. Der Schatz fchwoll, ja, was noch nie doge- wefen, allmählich stellten sich Goldfüchse ein. Denn Böhnchen hatte einen solchen Spaß an der kühnen Art und Weise, in der er seine Frau an der Nase herumsührte, daß er das Sparen um seiner selbst willen, nicht bloß wegen deS darauf folgenden Trunkes lieb gewann und sich sogar manch einen sonst ge nehmigten Schoppen abknappste, nur um wieder eine Reichsmünze in sicheren Verwahr zu bringen und sich tiefinnerlichst an der Ahnungslosigkeit zu ergötzen, mit der Frau Rosalie Tag um Tag an tem Versteck oorüberging. Da k:m ihr Geburtstag heran. Böh-chen, der ein gewisses Mitleid mit der, wie er sich eingestand, eigentlich doch recht gewissen los von ihm gemarterten Frau fühlte, ging am Bor- abend an sein Geheimdepol heran, um die Mittel zu einem Rofinstock herauszunehmen, mit dem er si« überraschen wollte. F'gu Rosalie war auSgegarger. Er öffnete da- her nut Gemütsruhe die Schublade, legte die Wäsche heraus und strick e den Kops vor, um sich aus dem Grunde deS SchiebsacheS an seinem Schatze zu weiden. Aber was war das? Ec suhr erbleichend zurück. Kein Geld mehr Ein Dieb! Oder sollte? Halt, da lag ein Stück Papier! Mit zitternden Händen öffnete er es. Wie? Eine Rechnung! Eine bezahlte und quittierte Rechnung! Eine Rechnung über einen „für Frau Rosalie Bühn- chen g'lieferten Frühjahrsmantel zu fünfzig Mark!" Fünfzig Mark — gerade die zusammengescharrte Summr! Entgeistert, vernichtet sank er aus den Wäsche stoß. Da trat seine Frau ein, deren Kommen er in »iner Aufregung überhört hatte. Sie trug drn neuen Mantel. „Böhnchen," sagte sie, und ihr Gesicht strahlte und ihre Stimme war mild und freundlich, „ich danke Dir. Wie lieb und zartfühlend von Dir, mir heim lich daS Geld in meinen Wäschekasten zu legen zu 'em FrühjahrSmantel, den ich schon lange notwendig gebraucht habe. Wirklich ein nobles GeburtStagSge- schenk! Alle meine Freundinnen beneiden mich um ei:en solchen Mann!" Er mußte den Mund öffnen und lies ausseufzen. Sooft wäre er geplatzt. Die radelnde Kraut. Humoreske von Adolf Thiele. (Nachdruck verboten) Im Salon deS Fahrradfabrikanten Köppelmann saßen zwei jüngere Frauen in eifrigem Gespräche. „Sieh nur zu, J-nny, daß Du Dich nicht ein mal sangen läßt!" sagte die Hausfrau zu ihrer Freundin. „Eroberungen machen ist immer gefährlich." „Sei da ganz unbesorgt, Alice!" erwiderte die nach der neuesten Mode etwas auffällig gekleidete Besucherin. „Man behandelt eben die Männer, wie sie sich geben, und das — ist dumm genug. Freilich mit d« m Heiraten —" Sie stockte. „Nun ja, I nry, Du als junge, fesche und — nicht zu vergtffen — wohlhabende Witwe kannst ja Ansprüche machen." „Und die mache ich auch! Heirate ich, so muß es ein hochgestellter oder reicher Mann sein —" „Ein Mann, der Deine Wünsche in Bezug aus Glanz und feines Auftreten erfüllen kann." „Ja, felbstverständlich; die anderen, mit denen man so flirtet," fügte sie mit spöttischem Lächeln hin zu, „die erfüllen eben einen andern Zweck." „Allerdings, Du Schlaukops, Du kommst nicht zu kurz dabei!" lachte die Hausfrau. „Nun sage einmal, wi: viel brauchst Du denn schon wieder?" „Schon wieder?" entgegnete Jenny. „Erlaube einmal, Ihr, die Firma Karl Köppelmann, habt doch den größten Profit von meiner sogenannten Schlauheit." „Nun, das sind Ansichten! Du gibst ebm zu viel auS!" „Genug davon! Ich bin einmal ein nobles Leben gewöhnt! Sag Deinem Mann, er solle mir zweihundert Mark geben!" Die Hauss au holte auS dem Kontor ihres ManneS die Summr. Nachlässig steckte die elegante Witwe die Goldstück' NN und entfernte sich. Als sie einige Stunden spätir die für putz- und kauflustige Damen so gefäh liche Lüpziger Straße verließ, konnte sie einem guten Teil der empfangenen Geldes Heines Wort zurufen: Meine güldenen Dukaten, wo leid ihr hingeraten? „Uff! Doch nichts langweiliger als jolch eint Oper! Für daS Billet hätte ich eine Flasche Bor deaux haben können, eine leidliche Marke! Na, wenn ich nicht wüßte, warum ich hier bin! Nur mal j-tz> schnell einen Cogncc genehmigen. Wie sie mich wohl aufnehmen wird, die kleine Wittwe „mit die Zelder"!' Auf diesem Niveau bewegten sich die Gedanken eines feingekleideten H-rrn, der nach dem ersten Nkie eines alle Musikfreunde entzückenden Tonwerks in daS Fry-r dkS Kgl. Op'rnhauses trat. Nachdem er zwei CognacS genossen, nahmen seine etwas verglasten Augen den Ausdruck der Aufmerksam- keit an. Hin und her flutete die Menschenmenge. Plötzlich erheiterte sich das gedunsene Antlitz unseres Helden, er trat auf eine Dame zu und ver beugte sich mit den Worten: „Also habe ich doch daS Glück, gnädige Frau begrüßen zu dürfen." In liebenswürdiger Weise kam ihm Jenny, die brünette Witwe, entgegen. Bald hatte sich ein Ge spräch angespounen, daS dem cognacsreundlichen Herrn ein Schmunzeln und dann den Ausdruck wahrer Seligkeit ins Gesicht zauberte. Wirklich, die Witwe schien avbeißen zu wollen „Sie sind gewiß auch Naturfreund!" flötete sü jetzt. Wie herrlich, sich aufs Rad zu schwingen, die beengende Stadt hinter sich zu lassen und hinauSzu- fliegen in die blühende Natu«!" Herr Neidlich, ihr Gegenüber, machte hierzu ein verständnisloses Gesicht. Die Witwe bemerkte das mit scharfem Blick. „Und dann der famose Durst, ach, der bildschöne Durst!" fuhr sie fort. Hier leuchteten die Augen des Zuhörers auf. „Ach, da- Radfahren, eS ist mein alle»!' sagte Jenny mit entzückender Miene. „Sie radeln dock auch?" „Leider nicht, gnädige Frau!" bedauerte Neidlich. „Wie?" res Jenry au». „Ein Mann, der nicht Rad fährt? Ich würde meine Hand nie einem olchem Monn reichen." Herr N-idlich machte ein Gesicht, als ob er ein GlaS Wasser trinken wüßte. „Und eS ist doch so leicht zu erlerne»," fuhr die Fanatikerin fort. „In acht Tagen ist man perfekter Radfahrer. Natürlich nicht mit jedem Rad. Ich be nutze nur die Räder von Köppelmann. Sie kennen die berühmte Firma Karl Köppelmann, Spandauer- straße?" DaS Glockenzeichen ertönte, das Publikum strömte in den Theaterraum zurück. „Auf Wiedersehen in der nächsten Pause!" flüsterte sie ihm zu; er begnügte sich mit einer Ver- beugung und einem Gesicht, als würde er zu einem Austernsrühstück eingkladen. Während des nächsten Aktes ließ er natürlich Musik Musik sein und überlegte, ob er sich der rad- lustigen Witwe anschließen sollte. Seine Finanzen standen ja faul, Hilse war dringend notwendig, aber zu einem Rade langte eS noch und nachher — dann war ja die Witwe sein. S.'in Entschluß war gefaßt und in der nächsten Pause ausgesprochen. Jenny verabredete mit ihm, sich in vierzehn Tagen zu einer bestimmten Stunde pünktlich vor dem Brandenburger Tor zu tristen, um eine Probefahrt durch den T'ergarten zu unternehmen, und als die so schön Vereinten am Schluß der Pause wiederum getrennt wurden, da warf ihm die Witwe ihren feurigsten Blick zu und flüsterte leise aber sehr nach« drucksvoll: „Also nur Karl Köppelmann, Span dauerstraße!" „Wie gnädige Frau befehlen!" hauchte er beseligt zurück, besuchte dwn einige Restaurants und langte schließlich geaen Morgen, nachdem er sich an den ver schiedensten O.trn Herumgetrieben, in einer nicht gerade viel Vertrauen erweckenden Verfassung in feinem un gemütlichen Herm an. — „Wie, fünshund rt Mark für dies Rad, für daS dort sünshunderizwanzig? Da» ist doch viel zu reue:!" Solches bemerkte Herr Neidlich am nächsten Tage zu dem Fabrikanten Karl Köppelmann. „Entschuldigen Sie!" erwiderte der „smarte" Geschäftsmann ebenso höflich wie fest. „Meine Räder haben einmal dusen P eis, eS sährt sich aber auch ganz vorzüglich mit ihnen. „Uebrizen»", fügte er mit einer kleinen Dosis Geringschätzung hinzu, „übrigen- habe ich auch nur feine Kunden." Herr Neidlich mußte nachgrben, er bereitete sich jedoch vor, einen rcsp-kiab!en Pump anzulegen. Herr Köppelmann, eb nso höflich wie fest, vereitelte diese angenehme Absicht, und so zog denn Herr Neid lich, nachdem er den beabsichtigten Pump anderswo fi m gemacht, endlich mit seinem teuren Rade ab, während ,hm der gewiegte Geschäftsmann noch alle möglichen Garantie» zusicherte. Eine Garantie freilich konnte er ihm nicht geben, die der Eroberung der wohlhabenden Witwe, aber ka» traute sich Neidlich selbst zu: war sie doch so liebenswürdig zu ihm gewesen und hatte er doch ihren Wunsch erfüllt, sich mit einem dem ihren ebenbürtigen Rad zu ve sehen. Mit Feuereifer lernte der glückliche Liebhaber avy die Kunst deS Fahrens, und mit manchem Sturz ruf der Rennbahn versöhnte ihn der Gedanke an ihr Bild. Endlich kam der Tag der Probefahrt heran. Die dunkelhaarige Witwe hatte Wort gehalten, sie war in elegantem Rrdlerkostüm erschienen. Ge wandt tummelte sie ihr Stahlroß und bald radelte sie neben ihrem Ritter, der noch etwa- unsicher war, and eine große Neigung bekundete, auf Menschen und Bäume loszufahren, durch den Tiergarten dahin. Nach einer vergnügten Stunde, die durch sport liche Gespräche gewürzt wurde, kam man wieder am Brandenburger Tore an. Shon wollte Nridlich sich zu der Frage er kühnen, wann er wieder daS Glück haben könne, al- ihm seine B gleiterin plötzlich recht freundlich zurief: „Roch besten Dank für Ihre Begleitung und auf Wiedersehen!" Ehe d r noch unbeholfene Fahrer folgen konnte, war die gewandle Radlerin im Gewühl der Wagen und Fußgänger verschwunden, Neidlich aber hatte Mühe, sich vor dem Gerädertwerden zu rette». Bald machte er nun Fortschritte im Sport, ob gleich dieser seinem durstigen G.müte etwa- unbe quem war. Doch er wußte ja, warum er litt! Er fragte nun bei der Witwe schriftlich an, wann er sie Wiedersehen dürfe, aber seine Brieschen blieben leider ohne Antwort, und als er persönlich
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