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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 16.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190305167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19030516
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19030516
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-05
- Tag 1903-05-16
-
Monat
1903-05
-
Jahr
1903
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 16.05.1903
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SSchfifcheS. H»heuflekr-Urust1h«l, 15. Mai 190S — ErmStziguug der Eintommensteuer. Einen wichtigen Paragraphen enthält da» Einkommen steuergesetz, der in den breiten Schichten de» Publikums unbekannt ist. Wir halten eS daher sür unsere Pflicht, unsere Leser aus da» Vorhandensein derjenigen Be- stimmungen hinzuweisen, die bei eintretenden Einkom menserniedrigungen Platz zu greifen haben. Mindert sich nämlich dar Einkommen eines Beitragspflichtigen rm Laufe der Steuerjahres nach erfolgter Veranlagung — dem Katasterabschlusse — um mehr als den vierten Teil durch Wegfall einer oder mehrerer Einkommens quellen oder durch rechtsverbindliche Verpflichtung zur Gewährung von Unterstützungen, welche in der Hand der Empfänger zur Versteuerung gelangen, so kann vom nächsten Termine nach Eintritt der Einkommens verminderung ab eine der letzteren entsprechende Er mäßigung der Steuer beansprucht werden. Dieser Anspruch erlischt, wenn er nicht bi» zum Ablaufe des Steuerjahres bei der Behörde angemeldet wird. Letztere ist befugt, über die in Betracht zu ziehenden Verhält- nisse vom Beitragspflichtigen auf bestimmte Fragen schriftliche oder mündliche Auskunft unter Einräumung einer angemessenen Frist zu verlangen. Wird die ver langte Auskunft verweigert oder nicht rechtzeitig er teilt, so hat dies für den Beitragspflichtigen die völlige oder teilweise Ablehnung der beanspruchten Steuer ermäßigung zur Folge. Der Anspruch aus Steuer ermäßigung kann nicht dann schon erhoben werden, wenn sich das Einkommen eines Beitragspflichtigen schlechtweg um mehr als den vierten Teil mindert, er ist vielmehr an die Voraussetzung gebunden, daß einer oder mehrere der obeuangesührten Umstände die Ursache der Verminderung waren. — Die Generaldirektion der sächsischen Staats eisenbahnen hat seit dem 1. Mai d. I. aus der Linie Leipzig-DreSden-Bodenbach einen Zug eingestellt, wel- eher aus neuen, besonders großen, vierachsigen Per- sonenwagen besteht, die mit elektrischer Beleuchtung ausgerüstet sind. Wer am Abend den elektrisch be leuchteten Zug benutzt oder wer ihn abends vor der Abfahrt nach Dresden auf dem Bahnhof gesehen hat, wird erstaunt gewesen sein über die prächtige Beleuch tung und schöne Ausstattung der Wagen. Die elek trische Beleuchtungseinrichtung ist nach einem eigen artigen System ausgeführt. Die Speisung der Glüh lampen geschieht zwar, wie bei anderen Systemen, durch Akkumulatoren; die Aufladung erfolgt aber während der Fahrt vom Packwagen aus, in welchem in einem abgetrennten Raume eine Dynamomaschine nebst automatischen Schalt- und Regulierapparaten untergebracht ist, die mittels Treibriemen von einer Achse des Wagens angetrieben wird. Der Treibriemen ist gegen Witterungseinflüsse und äußere Beschädigungen durch einen eisernen Kisten geschützt. Im Packwagen befindet sich außerdem noch eine Akkumulatorenbatterie; ebenso besitzt auch jeder Personenwagen eine Batterie, damit man in der Lage ist, jeden Wagen, auch wenn er vom Zuge abgetrennt wird, allein zu beleuchten. Die Abteile der 3. Klasse sind mit je einer Laterne, welche zwei Glühlampm zu je 8 Kerzen enthält, aus- gerüstet. Die beiden Glühlampen können durch einen Umschalter, der sich über der einen Tür befindet, vom Publikum nach Bedarf auf dunkel gestellt werden. Die Abteile der 1. und 2. Klasse sind mit je zwei Laternen, die jede zwei Glühlampen zu je 8 Kerzen enthalten, versehen. Die Bedienung der Ladestation im Pack wagen ist außerordentlich einfach. Der mit der War- tüng dieser Einrichtung beauftragte Beamte hat kurz vor Eintritt der Beleuchtungsperiode nur eine Kup- pelung zur Inbetriebsetzung der Dynamomaschine ein- zurücken. Alsdann erfolgt die Aufladung der Wagen batterien vollkommen automatisch, und zwar sind die Batterien in zwei Gruppen geschaltet, von denen die eine geladen, während die andere entladen wird. Die Umschaltung dieser Baiteriegruppen von Ladung aus Entladung bezw. umgekehrt geschieht ebenfalls durch einen automatischen Schalter. — Gersdorf, 14. Mai Gestern abend in der 7. Stunde verunglückte auf dem Güvthcr'schen Scheunen- nenbau der Maurer Karl Schwalbe von hier, in dem derselbe beim Giebelmauern das Übergewicht verlor und zirka 8 Meter hoch vom Gerüst abstürzte. Der Bedauernswerte brach hierbei dar Schulterblatt und erlitt auch innere Verletzungen. — Heute nachmittag sollte hier im Gastbos blauer Stern ewe Wählervrr- sammlung adgehalten werden, zu welcher Herr Bändert au» Apolda sprechen wollte. Die Versammlung wurde aber polizeilich verboten. — velSuitz i. Erz., 14. Mai. Eine aus dem Gartengrundstück der »Braunen Roß" zusammenge- rusene öffentliche Bergarbeiter - Versammlung wurde dieser Tage aus Grund der Minderjährigen - Para graphen verboten, weil die Ueberwachung annahm, daß öffentliche politische Angelegenheiten zur Sprache kommen würden. — Chemnitz, 14. Mai. Am Donnerstag abend 8 Uhr 54 Minuten wurde abermals die Feuerwehr durch den Privatfeuermelder der Aktien - Lagerbier - Brauerei Schloß-Chemnitz nach der Hauptbrauerei- anlage an der Salzstraße gerufen. Daselbst war in den über den Stallungen, in denen sich 40 Pferde befanden, gelegenen Stroh- und Heu-RiederlagSräumen ein erhebliches Schadenfeuer ausgebrochen, zu dessen Bewältigung sechs Schlauchleitungen, darunter vier von der Dampfspritze, in Betrieb gesetzt werden mußten. Die Abräumungsarbeiten gestalteten sich äußerst an strengend und langwierig, da nicht weniger als rund 400 Zentner Heu und 100 Zentner Stroh, sowie auch eine große Anzahl Zentner Häcksel in Brand geraten waren. Der große Niederlagsraum ist völlig ausge brannt. Die Feuerwehr konnte die Brandstelle erst spät in der 2. Morgenstunde verlassen. — Der Gemeinderat zu Wiltgensdorf hörte in seiner letzten Sitzung einen Bericht über die am 5. Mai stattgefundene Besichtigung des Oberlung- Witzer Elektrizitätswerkes und beschloß sodann, einem vorliegenden Kontrakt mit der Verwaltung des Werkes beizutreten. Nach demselben wird die Versorgung des OrteL mit elektrischer Energie schon bis Oktober d. I. erfolgt sein. — Glauchau, 14. Mai. Eine sehr aufregende Szene, die einen schweren Unglücksfall zur Folge hatte, ereignete sich gestern abend 7 Uhr auf dem Wehrdigt. Der Flaschenbierhündler H. fuhr mit einem Pferde und einem verhältnismäßig kleinen leichten Wagen durch die Auenstraße, als plötzlich das Pferd scheute und im schnellsten Laufe durch die Straße jagte. H. suchte das scheue Tier nach einer breiten, aber wenig belebten Nebenstraße einzulenken, wobei dasselbe mit voller Wucht gegen ein Haus rannte, sodaß der Ge schirrführer an die Wand geschleudert wurde und unter Wagen und Pferd zu liegen kam. H. wurde besin- nungslos, am Kopf und Oberarm schwer verletzt, in seine Wohnung getragen und daL Pferd an Ort und Stelle getötet. — Glauchau, 13. Mai. In Nachbarorten ist ein Betrüger aufgetreten, der sich als Reisender einer Schuhwarenfabrik ausgibt und insbesondere Hotel bedienstete zwecks Entgegennahme von Bestellungen aufsucht und hernach die Leute um die geleisteten An- Zahlungen prellt. Der Schwindler ist gegen 30 Jahre alt und von untersetzter Gestalt, hat dunklen Schnurr bart und trägt Zylinder und dunklen Anzug. — Zwickau, 14. Mai. (Kgl. Schwurgericht.) Um seinen Freund Herauszureißen, soll der 1876 ge- borene, vorbestraste Webergefelle Adolf Uhlig aus Hohenstein - Ernstthal, z. Z. in Untersuchungshaft einen Meineid geschworen haben. Der mit Uhli ; be freundete Schuhmacher Albani daselbst war von der Webersehesrau Schwalbe daselbst verklagt worden, weil er am 22. Oktober aus der Aue die verehel- Schwalbe nach vorausgegangenem Wortwechsel wieder holt mit der Faust auf den Kopf geschlagen und sie dadurch körperlich verletzt hatte. In dieser Sache fand am 9. Dezember vor dem Schöffengerichte Hohenstein-Ernstthal Hauptverhandlung statt. Albani bestritt seine Schuld und hatte den heutigen Ange klagten Uhlig als Entlastungszeugen benannt. Uhlig hat nun auch zu gunsten Albanis ausgesagt, insbe- sondere beschworen, daß die Schwalbe die Tätlich keiten begonnen und aui Albani geschlagen habe, daß ferner die Schwalbe dem Albani, als dieser sich in sein Haus habe zurückziehen wollen, gesolgt sei und ich hierbei an die HauStür gestoßen habe. Llle diese Angaben soll Uhlig bewußt der Wahrheit zuwider ge- macht haben. Er hat den Vorgang von Anfang bis zu Ende genau beobachtet und soll bestimmt gesehen haben, daß die Schwalbe von Albani geschlagen worden ist. Aus Grund der Aussage Uhligs ist Albani auch vom Schöffengerichte sreigesprochen worden, die verehelichte Schwalbe hat aber gegen das Urteil Berusung eingewendet und der Prozeß wird nach Beendigung dcS MemeidSversahrenS von neuem verhandelt werden. Uhlig soll lediglich aus Freund schaft für Albani falsch gezeugt haben. Beide sind ena befreundet und haben sich gegenseitig wiederholt in P ozessen als Zeugen gedient. Uhlig bestritt seine Schuld. (Die BeweiSausnahme dauert noch fort.) Uhlig wurde am Schluffe der Sitzung, die sich bis in die späten Abendstunden auSdehnte, wegen Zeugen- Meineid» zu drei Jahren Zuchthaus, sowie 10jährigem LhrenrechtSverlust verurteilt. — Crimmitschau, 13. Mui. Auf unserem Bahnhose war gestern abend in der neunten Stunde beim Ausladen eine Kuh entwischt und trieb sich zwischen den Gleisen herum, lodaß selbst der kurz vor 9 Uhr hier von Leipzig eintreffende Schnellzug am Einlaufen behindert war. Unter vielseitiger Hülse gelang e» endlich, dar Tier einzufangen; immerhin hatte der Schnellzug eine erhebliche Verspätung. — Crimmitschau, 14. Mai. Seit Jahren ist es das eifrige und unausgesetzte Bestreben unserer städtischen Kollegien, unseren herrlichen Sabnpark zu erweitern und zu verschönern, um ihn zu einem Er- holuvgSort zu gestalten. In der vorgestrigen Stadt verordnetensitzung wurde eine Ratsvorlage angenom men, durch welche sür den Preis von 19000 M. zwei angrenzende Grundstücke angekauft werden. — Crimmitschau, 14. Mai. Einer verwege- nen Diebesbande hat das Königl. Landgericht Zwickau jetzt das Handwerk für längere Zeit lahm gelegt. Zwei hiesige und drei Meeraner Einwohner, mehrfach vor bestrafte Subjekte, haben in Crimmitschau, Meerane, Glauchau, Altenburger wie Zwickauer Gegend zahl reiche schwere und raffinierte Einbruchsdiebstähle aus- geführt und die Bewohner von Stadt und Land ge- ängstigt. Sie wurden zu Zuchthausstrafen von 3, 4, 6 und 8 Jahren samt Nebenstrafen verurteilt. — Crimmitschau, 13. Mai. Der Streik der Former und Gießer in Crimmitschau und Werdau bauert, nachdem derselbe nunmehr bereits über drei Woche» währt, unverändert an. In Werdau kam es nur deswegen zur Arbeitsniederlegung, weil die Former und Gießer sich weigerten, Streikarbeit sür Crimmitschau zu fertigen. Alle EiuigungSversuche die vom Streikkomitee sowohl, wie vom Vertreter des Metallarbeiterverbandes bis jetzt gemacht wurden, sind bis jetzt resultatlos verlaufen. Dagegen ist der Streik in der großen Bigognespinnerei von Gebr. Uhlig in LeitelShain gestern nach achttägiger Dauer und nachdem von beiden Seiten Zugeständnisse gemacht worden sind, beigelegt. — Freiberg, 14. Mai. Wie aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wird, haben die Liberalen in dem vielumstrittcnen Wahlkreise Freiberg als Reichstags- kandidaten an Stelle des zurückgetretenen Herrn Ober- regierungsratS LusenSky Herrn Dr. Kunze, Sekretär des HaudelsvertragsvereinS, aufgestellt. Derselbe hat sich zur Annahme der Wahl bereit erklärt. — Dresden, 14. Mai. Bon der Aussperrung im Baugewerbe sind, soweit sich bis jetzt überblicken läßt, etwa 1300 Arbeiter betroffen worden. Der größte Teil davon hat allerdings noch vor dem durch den Arbeitgeberverband beschlossenen Termin freiwillig die Arbeit niedergelegt. Die Zahl der Ausgesperrten dürfte in den nächsten Tagen noch eine Steigerung erfahren. — Leipzig, 14. Mai. Einer, der sein Glück nicht mehr erleben sollte, ist der Briefträger F. hier, der am letzten Sonntag nach kurzer Krankheit ver- starb. Am Montag fiel auf die Nummer, von welcher er ein Zehntel der sächsischen Landeslotterie spielte, daS große LoS. Nun fällt der immerhin ja sehr erhebliche Betrag, der dem Verstorbenen ein sorgenfreies Leben gebracht hätte, seinen Erben zu, )ie darüber nicht böse sein werden. — Grimma, 13. Mai. Schlecht belohnt wurde ein hiesiger Gastwirt für seine Gefälligkeit. Er ge- stattete einem Gaste, der eS eilig hatte nach der Post zu kommen, daß er ein in den Gasthof eingestelltes Fahrrad benutze. Der Gast versprach, in wenigen Minuten zurück zu sein. Das war schon vor mehreren Tagen. Aber noch heute sieht der Wirt vergeblich nach ihm aus. — Laustgik, 14. Mai. In verschiedenen Teichen, in welche im Frühjahr Galizier Karpfen zur Zucht eingesetzt wurden, sind Unmassen von Fischen estorben. Man führt dies aus daS späte Besetzen >er Teiche und die zu warme Witterung zurück: — Pirna, 13. Mai. Ein Menschenleben ist run leider doch noch der Brandkatastrophe der chemi- chcn Fabrik zu Lohmen zum Opfer gefallen. Gestern nachmittag erlag im Johanniierkrankenhause zu Dohna- ^-idenau, wohin er nebst sechs seiner Leidensgefährten ebracht worden war, der Arbeiter Schönfelder aus Lohmen seinen Verletzungen. — Zahnarzt Mey'r in Reichenbach, der im Winter auf der Straße gefallen war und ein Bein ebrochen hatte, hat jetzt die Stadtgemeinde auf 788 Kark Entschädigung verklagt. — Aus originelle Weise hat die Gemeinde Guteborn i. V. sich einer Zigeunerbande entledigt, die sich innerhalb 14 Tagen dort zweimal niederge- lassen und häuslich eingerichtet hatte. Die Zigeuner wurden wiederholt von der Gendarmerie aufgefordert, den Ort zu verlaffeu, doch war die» ergebnislos. Da holte man die Feuerwehr des angrenzenden Dorfe» Ponitz mit der Spritze herbei, die sofort mit einer regelrechten Spritzenprobe auf da» große Lager der Zigeuner begann. Diese» Mittel wirkte. Die braune Gesellschaft spannte schleunigst die Pserde ein, und, so schnell eS ging, kehrte sie, die Druckspritze mit der Feuerwehr immer ans den Fersen, dem ungast lichen Dorfe den Rücken. — Pirna, 14. Mai. In welcher hochherzigen Weise unser hohes Königshaus an allen folgenschweren Ereignissen im Lande teilnimmt, zeigte gestern daS persönliche Erscheinen Ihrer Königl. Hoheit der Prin zessin Mathilde in Lohmen, wo sich dieselbe beim Pfar rer eingehend nach dem Befinden der beim Brande der dortigen chemischen Fabrik mit verunglückten bei den Arbeiter Standfuß und Schönfelder aus Lohmen erkundigte. Letzterer war bereits im Johanniter- krankenhause zu Dohna-Heidenau seinen Verletzungen erlegen. Ihre Königl. Hoheit verabschiedete sich sodann unter Hinterlegung eines namhaften Geldgeschenkes für die Verunglückten mit dem Bemerken, sich nochmals nach dem Befinden des verunglückten Standfuß event. der hinterlassenen Familie des verstorbenen Schönfelder erkundigen zn wollen. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Der Kaiser und die Kaiserin sind gestern Nachmittag in Metz eingetroffen, um der Einweihung des neuen ChristuSportals des dortigen Domes beizuwohnen, bei welcher Feierlichkeit der P pst di-rch den Kardinal-Fürst bischof Dr. Kopp vertreten war. Die Einwohnerschaft der Stadt bereitete dem Kaiserpaar bei seinen Eintr.ffen auf dem Bahnhof und auf der Fahrt nach der Kathe drale enthusiastische Huldigungen. Auf dem Festplatze angelangt, richtete der Monarch an den Vertreter der Metzer Geistlichkeit, Bischof Benzler, eine Ansprache, mit der er dem letzteren das Portal übergab, indem ergleich- zei:ig seiner Freude über das durch hervorragende, künst lerische Schönheit sich auszeichnende Portal, ein Meister werk deS Bildhauers Tornow, lebhaften Ausdruck gab. Ueber die Zusammenkunft des Ka is e rs mit dem Papste und seine Gespräche mit vatikanischen Würden träger» gehen der „Pol. Korr." aus Rom noch fol- gende Mitteilungen zu: Besonders lebhaftes Interesse erregte in kirchlichen Kreisen die Unterhaltung, die während des Festmahls in der deutschen Gesandtschaft zu welchem auch viele geistliche Würdenträger einge laden waren, über die von Professor Delitzsch in seinem Bortrage „Bibel und Babel" aufgeworfene Streitfrage stattfand. Einer der Kardinäle beglückwünschte den Kaiser zu seinem an den Admiral Hollmann gerich teten Schreiben, machte jedoch in bezug aus einige darin ausgesprochene Ansichten Borbehalt, indem er den katholischen Standpunkt darlegte und zum Kaiser gewendet bemerkte, daß die Auslegung der Bibel Gefahr liefe, auf Irrwege zu geraten, wenn sie sich nicht auf eine lebende und unfehlbare Autorität stützen werde. Der Kaiser hörte diese Acußerung freundlich nn, ohne jedoch etwa» zu erwidern. Einen großen Eindruck machte es auf die Anwesenden, als der Kaiser betonte, daß der religiöse Gedanke zur Re gierung der Staaten unentbehrlich sei, und daß ohne Christentum die Gesellschaft ihrem Ruine entgegen gehen würde. Von den Tarisreformcn, die der preußische Eisen, bahnminister Budde durchzuführen gedenkt, steht die Be seitigung der Rückfahrkarte in erster Linie. Es ist zwar noch nicht abzusehen, wann diese Reform wird zur Durch- ührung gelangen können, aber der „L.-A." kann Mit teilen, daß vorbereitende Erhebungen bereits im Gange lnd. Die Rückfahrkarte soll durch einfache Billette ersetzt werden, und zwar hofft der Minister, es finanziell ermög- ichen zu kon en, daß die einfache Karte zum Reiseziel und die einfache Karte zurück zum Abfahrtsort zusammen weniger kosten als zur Zeit die Rückfahrkarte. Die neu einzuführenden einfachen Karten sollen für Schnellzüge und Personenzüge gelten (ohne Preisausschlag für Schnell züge). Die Folge dieser Reform wäre zunächst, daß jedermann würde Schnellzug fahren wolle -, so daß also ein Nachteil nur für denje igen Teil des reisenden Pub likums entstände, der Personenzüge benutzen muß, weil Schnellzüge an dem in Frage kommenden Bestimmungs orte nicht halten. Zur Ueberwachung der erwähnten Fahrkarten-Kontrolle reisen jetzt von den einzelnen Di- Unsichtbare Fäden. Roman vov Reinhold Ortmann. 22. Forts. (Nachdruck verboten.) „Wollen Sie mir nicht doch vielleicht vorher noch Antwort geben aus meine Frage? Mein Interesse an dieser A gelegevheit ist ein viel größere» al» Sie e» ahnen körnen." „Ich darf Ihnen in diesem Moment nicht» sagen — glauben Sie e» mir! Aber ich hoffe, daß ich Ihnen nachher jede Auskunft werde erteilen können, die Sie von mir verlangen " Er fühlte sich nicht berechtigt, sie nach dieser Er- klärung noch länger zurückzuhalten, und Elfriede suchte schnellen Schrittes das Zimmer aus, in welchem sie von Frau Matrasch erwartet wurde. Die hochgeröteten Wangen der jungen Fra«, ihr rascher Atem und die Unrast, mit der sie in dem kleinen Gemach auf und nieder ging, waren Beweis genug für die Aufregung, in der sie sich befand. Sie eilte auf Elfriede zu und streckte ihr beide Hände entgegen. „Verzeihen's mir, mein liebes Fräulein, daß ich Ihnen hier so uvgenirt in» Hau» fall' Aber ich könnt' mir nicht anders helfen, als der Dienstmanv mit leere Händ' zurückkam, nachdem er länger al» ein: halb. Stund' umsonst aus Ihre Antwort gewartet Oder hab'«» etwa gar meinen Bries überhaupt nit bekommen? Möglich wär'» schon bei der Ungeschicklichkeit von denen Dienstlevten" „Beruhigen Sie sich, Frau Matrasch — ich habe Ihren Bries erhalten, wenn auch durch ein Versehe» unseres Mädchen» etwas später, als e» eigentlich hätte geschehen sollen. Und ich war eben Willens, Ihnen zu antworten, Ihr persönliche» Erscheinen aber ist mir, offen gestanden, sehr lieb, denn ich weiß bi» zu diesem ttugcublick noch taum " „Sie haben sich meinen Brief nit z'samm reimen könne» — gelt?" fiel Frau Ilona iv ihrer lebhaften Weise ein. „Ja, das glaub' ich schon. Weiß ich doch selber kaum noch, war ich Ihnen eigentlich -'schrieben. Wenn die Eifersucht über mi kommt, bin ich eben manchmal ganz verrückt, und tu' ö'tcrs wa-, was mi hernach g'reut Sie sind ja noch sehr jung, liebe- Fräul ru, aber eifersüchtig werden's ja am End' auch schon mal a'weseu sei» und werd'» aus eigener Er fahrung wissen, wie daS da drinnen brennt und druckt" Elfriede machte ein verlegene- G-sicht. Das Wesen der Frau war ihr heute noch weniger sympathisch al» bei den früheren Begegnungen, und doch mochte sie die beste Freundin ihrer Tanre nicht dadurch belei digen, daß sie sich die unerwünschte Vertraulichkeit ihrer Au»drucksweise verbat. Frau Malrasch aber schien ihr Schweigen sür eine Zustimmung za nehmen denn sie schwatzte, wenn auch mit behutsam gedämpfter Stimme, wüter: „Schauu'r, wir armen Frauen müssen einander b-istehen gegen die Mavv»leut'. die iv einem g'wiffea Punkt Alle mitsamm'u nix taugen, und auf die kein Berlaß nil iS in Herzenssachen, wieviel schöne Wort' s' uns auch geben. Mein Poldl i» g'wiß eine Prach» von einem Mann. Aber in diesem Einem o JcssaS l G'schichten könnt' ich Ihnen erzählen, liebe- Fräuleiv — G'schichtea " „Verzeihen Sie, Frau Matrasch, aber " „Ja. so, Sie werd'» nit viel Zeit habe», weil'S ja nit Ihr eigener Herr sind in diesem Hau». Ich w ll'S also kurz macken vov wegen dem Schein, den ich Ihnen da geschickt hab'. War sür ein Papierl ist« denn nun eigentlich — wie?" „Er ist ein belgische- Hunderttrarc-billet, aber man sagt mir " „Ui jeh I Aljo, ist's wirklich Geld, g'rad wie ich mir's denkt hab'! Ah, der Haderlump, der schlechte Fällst! Darum also ist er um 'vier Uhr Morgen» heuvgekommev und hat mich kaum ang'schaut, g'rad al» wenn ich eine garstige alte Bettel wär' von sechzig Jahr! Eine Liebschaft hat er, da» laß ich mir oit ausred'u! Mit einer Reichen hat er anbaudelt, von der er so viel haben kann, als er will. Denn wenn er nicht Ueberschuß davon hätt', würd' er nicht einen so wertvollen Schein in die Gilettasch'o g'steckt haben, wie eia Trambahvbillet oder einen anderen nichts nutzigen Fetzen. Wie ich da» Papier vorhin da drin gefunden hab — denn eine rechtschaffene Frau muß öfter die Taschen von ihrem Mann revidiren, besonder- weun'» ein so unsicherer Cantonist ist, wie mein Poldl — da hab' ich mir gleich g'sagt, entweder ist'» bloS ei» Jux, eine von die sogenannten Blüte», und da»» darfst D>r bei Leibe nix merken lass'», Ilona, weil Dir der Poldl sonst damit necken und auszieh'u tät', wer weiß wie lang- Oder '» i» ein wirkliche» Geld und dann iS 'S auch gewiß, daß er Dich schändlich betrogen und verraten hat Und wie ich so darüber nachdevk', wen ich fragen könnt', da fallt mir » mit einem Male ein, daß Sie da» Französische ja ebenso gut lesen können 'wie unsere deutsche Muttersprache. Und da hab' ich denn ohne viel^Ueberlegeu den Schein eingepackt und den Bries dazu geschrieben. Schaun'S, da« i» die ganze Eiklärung." I» solcher Hast hatte sie da» alle» hervorgesprudelt, daß e« für Elfriede ganz unmöglich gewesen war, sie zu unterbrechen. Erst al» sie jetzt aufatmeud iunehielt, konnte die Gesellschafterin den vorhin nur halb aus gesprochenen Satz vollenden. „Man hat mir gesagt, Frau Matrasch, daß der Schein zwar ein HuadertfrancSbillet ist, aber ein ge fälschtes Und ich habe soeben einige sehr peinliche Minute» durchlebe» müssen, weil ich nicht angeben wollte, wie eS io meine Hände gelangte." Als wäre hart vor ihren Füße» ein Blitzstrahl in den Boden gefahren, stand Frau Ilona mit weit aafgeriffeven, entsetzten Augen da Jo ihrem rasch aibeiteuden Geiste dämmerte die Erkenntnis auf, daß eS irgend eine verhängnisvolle Dummheit gewesen sei, die sie da augerichtet. „Jesses Mari» und Jeseph", stieß sie hervor „Gefälscht? Ja, wer hat Ihnen denn das g'sagt?" „Herr Werthmüller, der Neffe der Frau v. Bruten» gaard Der Schein war mir in Folge einer Unacht samkeit entfallen, und er hatte Gelegenheit, ihn genau zu betrachten, da ich den Verlust erst nach einer kleine» Weile bemerkte" „Aber er kann sich doch auch getäuscht haben — gelt ? SowaS sieht man doch nit gleich auf de» ersten Slick." „Er hätte eS gewiß nicht mit solcher Bestimmtheit erklärt, wen» er nicht seiner Sache ganz gewiß gewesen wäre Frau Matraschl Er sagte sogar, daß e» ge- wisfermaßen zu seinen amtlichen Obliegenheiten gehöre, die echten Baataoten von den falschen zu unterscheiden Herr Werthmüller hat nämlich seinen ständige« Wohn sitz in Brüssel «od ist dort im Staatsdienst tätig. Ader wa- ist Ihnen? Sind Sie kraul?" Die Vermutung war sehr begreiflich, denn die junge Frau war leichenblaß geworden, und mit einem Seufzer, der last wie einen Stöhnen klang, hatte sie sich in einen Stuhl finken lassen. Aber als Elfriede sich teilnehmend über sie neigte, machte sie eine abweh rende Handbeweguug. Fortsetzung folgt.
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