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1499 60 1590 Da sihk nun der junge Buchhändler mit weinenden Augen vor seiner leer gewordenen Börse, und schiebt höchst mißvergnügt die Schuld auf die Unthätigkeit seiner Eollegen -c., während Letztere nichts als unnützes Hin- und Herporto hatten, und deshalb gar nichts mehr gesandt haben wollen. Was ist Schuld an solchem dem Leben treu entnom menen Bilde? — Der junge Buchhändler hat das Merkantilischc unscrs Geschäfts gelernt; aber keine Ahnung von dem Geiste, der es beseelt. Uiiic illae O-rrrimae! Derselbe kennt die geistige Stufe, die seine Mitwelt errungen, nicht, ec hat weder Geschichte noch Geographie inne; er kennt nicht das Mindeste von der Literaturgeschichte seines Volkes, wie viel weniger von der Anderer. Er begreift nicht, daß der buchhändlerische Verkehr in genauer Verbindung mit den geistigen Fortschritten des Volkes steht, und daß der Buch händler da nicht schlafen darf, wo die Völker Ideen ver arbeiten; daß er nicht die Macht besitzt, Einhalt zu thun, und zu sprechen: „Seht Leute, hier aus diesem Buche könnt ihr Euch belehren über das, was ihr sucht; rennt doch nicht so!" Nein der wahrhaft gebildete und befähigte Buchhändler rennt mit, sieht was das Volk will, unter richtet sich von dessen Bedürfnissen, vergleicht Altes und Neues, und trifft seine Wahl. Arzt und Apotheker sind zu vergleichen mit Schrift stellern und Buchhändlern. Wie Ersterer aus seinen Studien das Rezept zusammen seht, es vom Apotheker fabriziren und dem Kranken reichen läßt, so schöpft der Schriftsteller aus dem Borne seines Wissens, schreibt ein Rezept, was oft mehrere Bände lang ist, und gicbt es dem Buchhändler, der es fabriziren und in die Welt schicken läßt. Die Welt ist der Patient des Schriftstellers; er will sic erfreuen, bessern und belehren. Hier ist nur ein großer Unterschied. Der Arzt be kommt nicht vom Apotheker, sondern von seinem Patien ten den klingenden Lohn für seine Mühe. Dem Schrift steller geben aber seine Patienten, das Publikum, nichts, sondern der Buchhändler vergoldet ihm seine Werke. Die Staaten verlangen vom Apotheker ein Examen, wenn er sich etablircn will; vom Apotheker, der es nur mit den Leibern der Menschen zu thun hat, verlangt man ge naue Kenntniß der einzelnen Bestandtheilc seines Geschäfts, z. B- vollkommene Kenntniß der Botanik w. — Buch händler kann aber ein Jeder werden. Von dem verlangt der Staat Nichts als Geld genug um die Steuer zu be zahlen. Und doch — ist der Buchhändler nicht der gei stige Apotheker? Sollte man nicht fast glauben, die Slaatslcnkec kümmerten sich wenig um den Geist — sie wünschten vielmehr, daß der Staat eine Uhr wäre, die man beliebig aufziehcn oder liegen lassen kann, von der ihnen nichts wünschcnswerther sei, als je nach ihrem Interesse den Zeiger vor- oder rückwärts schieben zu können. Es wäre allerdings eine herrliche Sache für gewisse Leute, wenn das Denken abgeschafft werden könnte! Doch ich schweife ab. Was dem Apotheker die voll kommene Kenntniß der Botanik, ist dem Buchhändler das Studium der Literatur. Sie ist der große Pflanzen - und Blumengarten, in den die Völker ihr geistiges Sein nicdcrgelegt, auf daß cs Samen treibe zum Frommen kommender Geschlechter. In ihn sollte man den jungen Buchhändler führen, damit er wisse, ob der Strauß, den ihm der Dichter oder Schriftsteller reicht, um ihn zu ver- tausendsälligen, cs auch wohl werth sei, der Welt überliefert zu werden. Der Buchhändler muß es wissen, ob in diesem großen Blumengarten, zu dem der Zutritt dem Universum offen steht, seit der unsterbliche Guttenbcrg durch Erfin dung der Buchdruckerkunst das enge Thor, das zu ihm führte, weggerisscn, — vom unsichtbaren Gärtner und Erhalter nicht schon Schöneres und Besseres hervorgeru- fcn und aneinander gereiht worden; — ob der ihm über reichte Strauß des Schriftstellers die Welt auch über raschen, von ihr als schön, neu, den Interessen und der Cultucstufe der Mitwelt angemessen und als ein förderndes Mittel gern ausgenommen werden wird. Hier ist die eigentliche Stellung angedcutet, den die Buchhändler-Eorporation einnimmt. Die Buchhändler sind die Banquiers und Spediteure der Weisheit. Wo sie dieselbe finden, sollen sie sic hcrvorzuhcbcn und zu verbrei ten suchen. Sic sollen den edlen Reben, die der Herr auf kümmerlichen Boden gepflanzt, eine Stütze sein, und dazu beizutragen suchen, daß die goldenen Trauben, die ihnen von den Reben dargcreicht werden, auch als ein guter und reiner Wein der Welt überliefert werden. Und dazu wäre jeder fähig, dem nur Geld und Ver bindungen zu Gebote ständen? Kann und darf es dem Staate einerlei sein, ob dieser wichtige Posten von kcnnt- nißrcichcn Männern oder Schwachköpfen beseht werde? Nimmermehr! Ihr beklagt Euch über so manche schlechte Erscheinung in der Literatur, über den Verfall derselben rc. Der Staat selbst ist Schuld daran. Der Buchhändler will Geschäfte machen. Er verkauft und ist zufrieden. Ec kann aber außerordentlich viel wirken. Es ist seine Hand, die dem Unerfahrenen, der gerne Trost, Erquickung, Freude oder Belehrung für seinen Geist will, und seiner geübten Hand und Wahl sich anvcrtraut, Balsam oder Gift, Edles oder Unedles darreicht. Der kenntnißvollc Buchhändler ist es, der zum Land mann oder Bürger, die über irgend einen Gegenstand mit Gewißheit aburtheilen, spricht: Freunde, ihr habt ganz recht, ihr sprecht aus dem Geiste, den ihr aus der und der Schrift über die fraglichen Gegenstände in Euch aus genommen; lesit aber mal das oder jenes Buch, so wer den sich eure Ansichten, wo nicht ändern, doch bessern und gewinnen- So wie Tausende, ohne einen Arzt zu fragen, sich Mittel aus der Apotheke holen, so gehen Tausende in den Buchladcn, und fragen nicht erst den Schulmeister, Pastor oder sonstigen Gelehrten des Orts, sondern geben dem Buchhändler ihr Bedürfniß an und überlassen seiner Ein sicht die passende Befriedigung desselben. Was soll man aber erwarten, wenn jedem Buchbinder und Handelsmann, der Geld genug besitzt und allenfalls die 4 Species gelernt hat, der Weg zum Betriebe des Buchhandels eröffnet wird. Sollte es den Lenkern des Staatsschiffes nicht lieb sein, zu wissen, daß nur erfahrne und von dem Geiste